Dieses Dokument ist Teil des Buches Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg, 1998
Hauptniederlassung: 20099 Hamburg (St. Georg), Steindamm 94
Zu den Philips-Standorten in Hamburg gehören:
22529 Hamburg (Lokstedt), Stresemannallee 101:
Philips GmbH Semiconductor Röhren- und Halbleiterwerke
(RHW),
bis 1990: Valvo Röhren- und Halbleiterwerke
22419 Hamburg (Langenhorn), Essener Str. 4:
Philips GmbH Werk für Elektronische Baülemente,
bis
1990: Valvo Werk für Elektronische Bauelemente
21147 Hamburg (Hausbruch), Georg-Heyken-Str. 1: Philips Entwicklungs- und Testzentrum
22335 Hamburg (Ohlsdorf), Röntgenstr. 24-26: Philips Industrial X-Ray GmbH (früher: Röntgen-Müller) und Philips Patentverwaltung GmbH
22145 Hamburg (Rahlstedt), Meiendorfer Str. 205: Philips Industrial Electronics Deutschland GmbH
20099 Hamburg (St. Georg): Philips Components
Kapital: 1.150 Mio. DM (1995)
Beschäftigte: 17.000
(bundesweit), davon 6.000 in Hamburg (1996)
Umsatz: knapp 8,7
Mrd. DM (1996)
Vorsitzender der Geschäftsführung:
Manfred Schmidt
Die Philips GmbH mit Hauptsitz in Hamburg ist eine der größten Tochtergesellschaften des holländischen Elektronikriesens Philips (Eindhoven). Hamburg gilt als deutsche Philips-Stadt. In den 80er Jahren war Philips mit 9.000 Beschäftigten in Hamburg sogar der größte private Arbeitgeber der Hansestadt. Die Ankündigung von 1987, Philips werde in Hamburg-Hausbruch "das größte Mikroelektronik-Werk der Bundesrepublik"8 errichten, wurde allerdings nicht realisiert. In Hausbruch entstand keine Mega-Chip-Fabrik, sondern ein Entwicklungszentrum von deutlich geringeren Dimensionen. Bedeutende Werke und Forschungslaboratorien besitzt die Philips GmbH im übrigen in Aachen und Wetzlar.
Anfang der 80er Jahre war Philips in Hamburg nach Recherchen einer rüstungskritischen Initiative mit der Entwicklung und Fertigung folgender Produkte befaßt: Elektronikteile für Panzer und Schnellboote der Klasse 143A, Laserablenktechnik.9
Für den ab 1986 bei der Bundeswehr eingeführten Minenwerfer Skorpion produzierte Valvo in Hamburg integrierte Schaltkreise.10
Von etwa 1983 bis 1992 arbeitete Philips Components in Hamburg an der Entwicklung von Platin-Silicid-Detektoren zur Verbesserung der militärischen Nachtsicht- und Wärmebildtechnik.11
Von den im übrigen Bundesgebiet ansässigen Tochterfirmen der Philips GmbH waren in den 80er Jahren auf dem Rüstungssektor stark aktiv:
Radarleit GmbH, Kiel (Feuerleitanlagen), mit einer Aussenstelle bei Blohm + Voss in Hamburg12
Elektro Spezial GmbH, Bremen (Nachtsichtgerät, Zünder u.a.)13
Philips Kommunikations Industrie AG (PKI), Nürnberg und Köln (militärische Kommunikationssysteme und Kabeltechnik)14
Radarleit und Elektro Spezial wurden 1985 zum Philips-Unternehmensbereich Systeme und Sondertechnik zusammengefasst (1989: 1.000 Beschäfte, Jahresumsatz ca. 160 Mio. DM, Rüstungsanteil ca. 85 Prozent).
Bereits vor dem weltpolitischem Umbruch von 1989 traf die holländische Konzernzentrale von Philips die ungewöhnliche und aufsehenerregende Entscheidung, sich weltweit aus dem Rüstungsgeschäft zurückzuziehen. Zuerst gab sie ihre militärischen Aktivitäten in Schweden an Bofors ab, dann ihre Rüstungsfirmen in den Niederlanden, Belgien und Frankreich an die französische Thomson-CSF-Gruppe.15 1990 trennte sich dann auch von der Hamburger Philips GmbH von den Wehrtechnik-Standorten in Kiel und Bremen; aus ihnen ging im Zuge eines Management-buy-out die Deutsche Systemtechnik GmbH (DST) hervor.16 Wesentliche Aktivitäten der Philips Kommunikations Industrie AG (Nürnberg) sind 1996 an den US-Konzern AT&T verkauft worden.
Nach Auskunft eines Firmensprechers findet bei der Philips GmbH heute "keine direkte Rüstungsproduktion" mehr statt. Offen bleibt die Frage, ob von den mehr als 200 Millionen Chips, die jährlich das Lokstedter Philips-Werk verlassen17, nicht doch ein Teil am Ende für militärische Systeme genutzt wird. Wozu andere Unternehmen diese Halbfertigprodukte am Ende verwenden, wisse man bei Philips nicht, so der Firmensprecher. Keine Aussage kann hier über die mögliche Rüstungsrelevanz des Entwicklungs- und Testzentrums in Hausbruch getroffen werden, das soeben erheblich erweitert worden ist (Grundsteinlegung für den Neubau durch Bürgermeister Voscherau am 13.12.1995). Auffällig ist, wie oft die Philips Patentverwaltung weiterhin in der Patentschau der Zeitschrift "Wehrtechnik" genannt wird; häufig beziehen sich die von Philips angemeldeten Patente auf funktechnische Neuerungen.
Im Hamburger Philips-Forschungslaboratorium wurde 1985/86 heftig über das von US-Präsiden Reagan initiierte Weltraumrüstungsprogramm SDI und eine mögliche Beteiligung deutscher Firmen diskutiert. In einem Offenen Brief an Bundeskanzler Kohl erklärten 164 der 400 Beschäftigten des Forschungslaboratoriums, sie würden eine Mitarbeit am SDI-Projekt ablehnen, da die Militarisierung des Weltraums die Hoffnungen auf Abrüstung zunichte machen und ein riesiges Potential an wissenschaftlichen und finanziellen Mitteln vergeuden würde.18
Im Zweiten Weltkrieg führte das Lokstedter Valvo-Werk an der Stresemannallee 101 (damals Horst-Wessel-Allee 101) Aufträge der Luftwaffe aus. Nach Darstellung von Gertrud Meyer, die damals Laborangestellte bei Valvo war und nach 1945 mit Publikationen über den Hamburger Widerstand in der NS-Zeit hervorgetreten ist, wurde der Valvo-Betrieb auch während des Kriegs von Vertretern der Philips-Zentrale in Eindhoven kontrolliert. Zum Einsatz kamen hier dienstverpflichtete Arbeiter aus den Niederlanden, ab 1942/43 auch verschleppte Frauen und junge Mädchen aus der Sowjetunion und Polen. Da diese sog. Ostarbeiterinnen bei Alarm nicht mit in den Luftschutzbunker gehen durften, kamen 140 von ihnen bei dem Luftangriff vom 18.6.1944 ums Leben.19
Bei einem zweiten Hamburger Philips-Unternehmen, der C.H.F. Müller Röntgenwerke AG ("Röntgen-Müller", heute Philips Industrial X-Ray GmbH), wurden im Zweiten Weltkrieg ebenfalls Zwangsarbeiter verschiedener Nationen eingesetzt.
KZ-Häftlinge aus Neuengamme und Auschwitz mußten 1944/45 für Philips-Valvo in den Aussenlagern Porta Westfalica und Horneburg (bei Buxtehude) Zwangsarbeit leisten. Als Jan Philipp Reemtsma 1988 auch die Philips GmbH um eine finanzielle Unterstützung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bat, reagierte diese freundlich ablehnend. Begründung: Der niederländische Philips-Konzern in Eindhoven habe im Krieg unter sogenannter Feindverwaltung gestanden; das Unternehmen sei zwar nicht enteignet, aber Führung und Leitung sei dem eigenen Management "völlig entzogen" worden.20 Eine genauere Klärung der damaligen Verantwortlichkeiten für die deutschen Philips-Werke wäre wünschenswert.
Anmerkungen: