Licht am
Horizont
Annäherungen an die PKK |
IV. Werte, Prinzipien
und Methoden der PKK
IV.3. Liebe zur Menschheit - Internationalismus IV.4. Natur IV.5. Liebe zum Land und seinen Menschen |
IV.4. Natur
„Der Umgang mit der Natur ist allgemein ein Menschheitsproblem geworden."
Diese Feststellung eines unserer Interviewpartner bringt, ebenso wie wiederholte Aussagen von Abdullah Öcalan, zum Ausdruck, daß sich die PKK der globalen Bedrohung durch die Zerstörung der Umwelt bewußt ist. Im Verhältnis zu Umwelt und Natur gibt es neben dieser Erkenntnis und dem Anspruch, zur Lösung des Problems beitragen zu wollen, eine Vielzahl praktischer Aspekte und Probleme. Daß eine intakte Natur aber zu den grundlegenden Wertbegriffen der Partei zählt, kann hierbei als gesichert gelten.
In Gesprächen mit kurdischen Freundinnen über ihr Land wird von ihnen immer wieder auch eine große Liebe zur Natur vor allem der eigenen Heimatregion zum Ausdruck gebracht. Dabei wird deutlich, daß die Natur Kurdistans oft noch als unzerstörbares, unzerteiltes Ganzes - im Gegensatz zu europäischen Verhältnissen -, als ein unbedingt zu beachtendes Element im eigenen Leben erfahren wurde. Besonders im dörflichen Bereich ist Natur noch unmittelbare und existentielle Daseinsbedingung. In der Regel verbindet sich die Liebe zur Natur mit einem tiefen Vertrauen in die Unerschöpflichkeit ihrer Kräfte und Ressourcen gerade in Kurdistan. Die Erfahrung von zerstörter Natur und Umwelt bezieht sich in erster Linie entweder auf Europa oder auf die Auswirkungen der Angriffe des Feindes in Kurdistan. Heval Esad: „Es gab in Hakkari einen türkischen Offizier mit Namen Attila Tokat. Er sagte, man solle ihm nur die Erlaubnis geben, und er würde in Kurdistan nicht einmal mehr Gras wachsen lassen, er würde alles ausrotten und dem Erdboden gleichmachen. Diese Worte von ihm haben in der Türkei zu hohen Diskussionen geführt, aber letztendlich wurde er zu einem der Hauptverantwortlichen der Kriegsführung in Kurdistan befördert. In der Folge erklärte man die Natur, die Berge, Dörfer, Wälder und Tiere wie nie zuvor zum Ziel. Es kam zum Einsatz von Napalmbomben und anderen chemischen Waffen - und damit zu massiven Zerstörungen der Natur. Viele Tierarten sind ausgerottet worden. Das geschah in den Jahren 1993 und 1994. Vor allem Anfang 1993 stieg der Einsatz von Hubschraubern deutlich an, die Zehntausende von Bomben abwarfen. Der Guerilla konnten sie damit sehr wenig schaden. Das Ziel waren die Natur, die Berge und die Tierwelt. Tiere wie das Wildschwein oder die Bergziegen haben bereits gelernt, sich vor den Hubschraubern zu verstecken. Wir haben das mit eigenen Augen beobachtet. „
Heval Zilan: „ln Bingöl zum Beispiel gab es Urwälder. Heute ist dort kein einziger Baum mehr zu finden. Alles ist abgeholzt oder abgebrannt. Alle Höhlen wurden gesprengt. Durch Bombardements wird die Umwelt insgesamt sehr ernsthaft zerstört. Früher gab es in Kurdistan nur sehr wenig Lawinen. Jetzt gehen ständig welche nieder. Das Grundwasser und viele Quellen sind ausgetrocknet. „
Auch der Zusammenhang zwischen solchen tiefgreifenden, langfristig wirksamen
Naturzerstörungen, bis hin zu Klimaveränderungen, und den massiven
menschlichen Eingriffen in die natürliche Umwelt wird erkannt. Heval
Zilan: „Natürlich ist auch bekannt, daß der Imperialismus die
Bodenschätze in Kurdistan abbaut und ausbeutet und dabei die Natur
zerstört. Ein Beispiel: Shell holt unheimlich viel Öl aus kurdischem
Boden. Die Reste dieser Förderprozesse werden in den Tigris eingeleitet.
Als ein Resultat müssen wir feststellen: Wo früher die weltberühmten
Diyarbakirmelonen von 50-60 Kg gewachsen sind, gibt es sie heute nicht
mehr. Bekannt ist auch, daß der Feind Wälder abholzt oder einfach
abbrennt, daß die Natur ausgetrocknet und ihr Gleichgewicht zerstört
wird wie in der Harran-Ebene. Es wird Generationen dauer, bis dies wieder
behoben sein wird. Dafür werden sowohl die nötigen Zeiträume
angedeutet als auch wichtige Rahmenbedingungen bestimmt. Anstatt alle ober-
und unterirdischen Ressourcen pervers auszubeuten, muß etwas entwickelt
werden, was unter Kontrolle der Bevölkerung läuft; wo nur das
von der Naturgenommen wird, was wirklich gebraucht wird. Wir wollen Kurdistan
in einen Park verwandeln, den ausgetrockneten, unfruchtbaren Boden wiederbeleben.
Die Harran-Ebene allein kann 100 Millionen Menschen ernähren. Sie
wird zur Zeit allein in türkischem Interesse genutzt. Von dort gehen
viele Milchprodukte in den Export. Natürlich gibt es in diesem Projekt
auch viele Elemente, die umweltzerstörerisch sind. Nach der Befreiung
Kurdistans müssen wir dann mit diesen Zerstörungen umgehen. Es
wird uns mindestens 100 Jahre kosten, bis wir ein ökologisches Gleichgewicht
wieder hergestellt haben. Das ist, zusammengefaßt, eines der größten
Probleme, das auf uns zukommen wird. Wir müssen uns nicht nur mit
der Wiederherstellung der Gesellschaft, sondern auch mit der Wiederherstellung
der Natur befassen. Unser größtes Ziel ist, die Verwüstung
unserer Natur und unserer Menschen zu beenden und beide wieder fruchtbar
zu machen. „