Verbrannte Erde
Nach Özals
Tod wurde der Krieg in Kurdistan intensiviert. Der neue Staatspräsident
Süleyman Demirel, Ministerpräsidentin Tansu Ciller und ihre Koalitionspartner
von der SHP (später CHP) und der Nationale Sicherheitsrat setzten den
Kurs der Repression gegenüber den Kurden fort. Tansu Ciller sprach
sogar von einer Endlösung der Kurdenfrage. Ganze Landstriche, Kreisstädte,
Hunderte von Dörfern wurden binnen Wochen und Monaten dem Erdboden
gleichgemacht und die Bewohner vertrieben. Nachdem die Ministerpräsidentin
erklärte, dass sie eine Liste der Unterstützer der PKK in der
Hand habe und der Staat sich an diesen rächen werde, gingen die Todesschwadronen
ans Werk, um die legale Opposition in den Städten mundtot zu machen
und ermordeten gezielt kurdische Politiker, Gewerkschafter, Geschäftsleute.
So wurden über 3.000 Menschen durch "Unbekannte" ermordet,
über 2.000 Menschen wurden verschleppt und später für "verschwunden"
erklärt. Auf Parteibüros der DEP und Zeitungsbüros von Özgür
Gündem wurden Bombenanschläge verübt. Eine gezielte Kurdenjagd
begann. Bei diesen "Säuberungsaktionen" wurden türkische
Mafiabosse und von der Polizei gesuchte Killer der faschistischen MHP (Nationalistische
Bewegungspartei) eingesetzt. (14) Der Chef des
Geheimdienstes der Gendarmerie (JITEM) vor Ort in Kurdistan, Hüseyin
Oguz, sagte vor dem Ausschuss des türkischen Parlamentes, dass "jeder
Kurde Zielscheibe und potentieller Todeskandidat des Staates ist" (wörtlich:
orijini Kürtse hedeftir: wenn er kurdischer Abstammung ist, dann ist
er Zielscheibe. TBMM, Susurluk Arastirma Komisyonu, Susurluk Belgeleri,
Seite 125).
Der Bericht erklärt offiziell mit den folgenden Worten die Serie der
politischen Morde in den kurdischen Regionen: "Die Entscheidungsbefugnis
für Morde im Gebiet des Ausnahmezustandes war in den Händen von
Unteroffizieren, stellvertretenden Kommissaren und übergelaufenen Terroristen."
(15) Und der Sonderberichterstatter meint in
dem Bericht, dass politische Morde im Interesse der Staatsräson zulässig
seien und kritisierte nur die Art und Weise, wie gemordet wurde. (16)
(14)
s. den Bericht des Sonderberichterstatters des Ministerpräsidenten,
Kutlu Savas, 'Susurluk Arastirma Raporu', der das Beziehungsdreick Politik,
Mafia und Polizei untersuchte.
(15)
taz, 24./25.1.98
(16)
taz, 29.1.98
Premierminister Mesut Yilmaz erhielt von der eingesetzten Untersuchungskommission
am 12. Januar 1998 einen umfangreichen Bericht über die Verknüpfungen
zwischen mafiösen und staatlichen Strukturen. Der Bericht wurde nur
teilweise veröffentlicht. Die 'Staatsgeheimnisse' wurden der Öffentlichkeit
vorenthalten. Nach der veröffentlichten Version bestanden illegale
Organisationen im "Herzen" des Staates, an denen die Mafia beteiligt
war. Sie haben eine Serie von Operationen wie die Ermordung von Geschäftsleuten,
die vermeintlich die PKK unterstützten, ausgeführt. Die Mitglieder
aus der staatlichen Administration, die an diesen illegalen Organisationen
beteiligt waren, begannen bald auf eigene Rechnung zu arbeiten, so im
Drogenhandel und betrieben Geldwäsche. Lange vor dem Susurluk-Autounfall
am 3. November 1996, durch den der ganze Zusammenhang ruchbar geworden
war, waren innerhalb der Polizeidirektion offene Kämpfe um die Verteilung
der Profite ausgetragen worden. Gesuchte und verurteilte Verbrecher wurden
für geheime Aktionen eingesetzt. So wurden z.B. 15 gesuchte Mitglieder
der rechtsextremen Grauen Wölfe vom Nationalen Geheimdienst MIT nach
Europa entsandt, um dort gegen die armenische ASALA-Organisation vorzugehen.
Das Regime, das aus dem Militärputsch in der Türkei von 1980
hervorgegangen war, versorgte diese Verbrechergruppen mit erheblichen
Mitteln.
Seit 1993 wurde auch ein sich stets vergrößernder Geheimfonds
für die Bekämpfung der PKK ausgewiesen, aus dem Gelder ganz
überwiegend ohne jeden Nachweis vergeben wurde. Die davon u.a. gekauften
Waffen wurden für die Beseitigung von andersdenkenden kurdischen
Intellektuellen und Geschäftsleuten oder für mafiöse Zwecke
verwendet. Auch der gescheiterte Versuch, den aserbaidschanischen Präsidenten
Haydar Alijev zu ermorden, wurde mit Unterstützung von Mitgliedern
aus dem türkischen Staatsapparat organisiert. Der Kommissionsvorsitzende
Savas beendete seinen Bericht mit der Empfehlung, den Geheimdienst MIT
drastisch abzubauen, und möglichst schnell die türkische Justiz
zu reorganisieren, wobei mit den Istanbuler Gerichtshöfen baldigst
begonnen werden müsse, da sie durch einen Drall zur Mafia besonders
gefährdet seien. Drei Jahre nach Veröffentlichung des Berichtes
laufen die Bandenmitglieder und Killer noch immer frei herum. (Nützliche
Nachrichten 1/98)
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