Iran im Neuen Jahr
Der gestrige Montag, der 2. April, entspricht dem 13. Farwardin des iranischen Kalenders und damit dem 13. Tag im Neuen Jahr des iranischen Kalenders. Der 13. Farwardin ist in der iranischen Kultur traditionell der Tag, an dem man mit der ganzen Familie ins Grüne geht. Seit alters her feiern die Iraner den ersten Frühlingstag als Jahresanfang. Die ersten 12 Tage sind Ferientage, während der die Jüngeren die Älteren besuchen. Man beglückwünscht sich gegenseitig nach dem überstandenen Winter zum Beginn des Frühlings. Die Älteren geben den Jüngeren Geschenke, und allgemein ist man davon überzeugt, dass man zum Neujahr Feindschaften und Streitigkeiten begraben soll und stattdessen die Basis für Freundschaften legen soll. Diesem Zweck dienen auch die vielen Besuche.
Als Ajatollah Chomeini 1979 an die Macht kam, versuchte Chomeini ebenso wie die anderen einflussreichen Ajatollahs, diese ehrwürdige vorislamische iranische Tradition auszurotten und an ihrer Stelle das islamische Opferfest einzuführen. In den 28 Jahren islamistischer Herrschaft ist es ihnen nicht gelungen, die Bevölkerung davon abzuhalten, das Neujahr zu feiern. Im Umkreis des Neujahrsfestes sind drei Tage besonders wichtig: Tschahar-Schanbe Suri - der letzte Mittwoch im ausgehenden Jahr, genauer, die Nacht vom Dienstag auf Mittwoch, in der überall große Feuer auf der Straße angezündet werden und die Jugendlichen darüber springen; der Neujahrstag – Awwal-e Farwardin, und der 13. Farwardin, Sisdah-be-dar genannt, an dem alle ins Grüne gehen. Die Menschen sind überzeugt, dass es Unglück bringt, wenn man am 13. Farwardin zu Hause bleibt.
Trotz aller staatlichen Propaganda gegen dieses Fest sind die iranischen Familien am 13. Farwardin dieses Jahrs in großer Zahl ins Grüne gefahren, die Frauen trugen bevorzugt helle Kleidungsstücke statt der verordneten Schwarztöne.
Die Geistlichkeit versuchte dagegen, das Volk in die Moscheen und zu den Heiligengräbern zu locken, und Ajatollah Chamenei hielt am ersten Neujahrstag im Heiligtum von Maschhad eine Rede, die in den Worten gipfelte: „Wenn der UN-Sicherheitsrat illegal vorgeht, können und werden auch wir illegal vorgehen.“
Am 23. März, einen Tag vor der bevorstehenden Resolution des UN-Sicherheitsrats, bewies Ajatollah Chamenei, dass er es ernst mit dieser Drohung meinte, als er eine Gruppe britischer Marine-Soldaten im Persischen Golf als Geiseln nehmen ließ. Der Befehl dazu erging, als er erfuhr, dass die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats einstimmig für die Resolution stimmen würden. Es gehört zu den klassischen Methoden der iranischen Geistlichkeit, in kritischen Situation innen- oder außenpolitischer Natur die Lage so aufzuheizen, dass die Bevölkerung sich hinter ihr schart. Man denke nur an die Geiselnahme in der US-amerikanischen Botschaft in Teheran zu Beginn der islamischen Revolution. Hier sei auch daran erinnert, dass im Vorfeld der Wahl von Ahmadinedschad zum iranischen Präsidenten berichtet wurde, dass Ahmadinedschad selbst damals an der Geiselnahme in der Botschaft beteiligt gewesen sei. Es sind also Leute vom Fach am Werk…
Der Hauptadressat der jüngsten Geiselnahme ist freilich nicht das Ausland, sondern die eigene iranische Bevölkerung. Die Machthaber wollen ihr zeigen, wie mächtig sie sind. Sie können nicht nur oppositionelle Iraner verhaften, foltern und als reuige Sünder im Fernsehen vorführen, sondern auch Engländer, die Angehörigen einer traditionellen Kolonialmacht, und nicht einmal die Großmacht USA kann etwas dagegen ausrichten. Das ist die Botschaft ans eigene Volk.
Es stellt sich die Frage, was in der iranischen Gesellschaft geschehen ist, dass die Herrscher jetzt wieder zu solchen Mitteln greifen muss. Vielleicht liegt es ja daran, dass sich in sämtlichen Schichten der Bevölkerung eine tiefe Enttäuschung breit gemacht hat, dass keiner der Herrscher – von Chomeini, über den sogenannten Pragmatiker Rafsandschani, den angeblichen Reformer Chatami bis zum heißzüngigen Ahmadinedschad, der sich als „Mann aus dem Volk“ aufspielte, in der Lage war, ihre alltäglichen Probleme zu lösen. Arbeitslosigkeit, Hungerlöhne, die staatliche Einmischung ins Privatleben – es hat sich nichts gebessert.