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letzte Änderung: 23/04/02 23:52 |
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Antisemitismus
Eine Initiative 'Friedensfreunde für Palästina' hat für den 9. April zu einer Kundgebung auf der Marktstätte aufgerufen. Dem Aufruf zu der Veranstaltung (der unglücklicherweise zunächst im Entwurf veröffentlicht worden war) wird vorgeworfen, einseitig und antisemistisch zu sein.
Neben einer Darstellung der aktuellen Militäroffensive der Israelischen Armee gegen die Palästinenser, deren Folgen in den Palestinensergebieten und der internationalen Reaktion auf die Offensive, enthält der Text, Passagen zur Gründung von Israel und dem Exil der Palästinenser, zitiert die UN-Resolutionen und beschreibt die israelische Siedlungspolitik.
Wörtlich enthält der Text in der korrigierten Endfassung folgende Sätze:
"Der Staat Israel gebärdet sich, militärisch und politisch vom Westen
unterstützt, wie eine Kolonialmacht des 19. Jahrhunderts.
'Herrenmenschenmentalität' und der Drang nach 'Lebensraum' sind
israelischer Alltag." Weiter heißt es: "Die Verbrechen an den Juden in
Europa können israelische Verbrechen an den Palästinensern nicht
rechtfertigen oder entschuldigen." Die Forderungen enthalten, anknüpfend an
die Antiapartheidbewegung, einen Boykottaufruf israelischer Waren.
Der Aufruf wurde über die Mailinglisten des Netzwerk gegen Rechts und der Antifa-Ravensburg weiterverbreitet, wobei das Netzwerk inzwischen eine Stellungsnahme der AufruferInnen zu den Vorwürfen hinterhergeschickt hat.
Linksrhein hat den Originaltext, nachdem es ihn hier zunächst kommentiert im Original ins Web gestellt hatte, wieder vom Netz genommen. Wir kritisieren, dass der Aufruf wenigstens missverständlich und leichtfertig, nach unserer Auffassung aber antisemitisch ist. Wir schließen jedoch nicht aus, dass wir einen Zugriff über Linksrhein auf den Text wieder einrichten, sofern dies eine entsprechende Diskussion erforderlich macht.
für Linksrhein - christof und stefan
Ich frage mich, wie es Friedensfreunde immer noch schaffen, in Zeiten Rot-Grüner weltweiter Militäreinsätze (siehe IMI-Feature) VertreterInnen der Grünen auf ein Podium zu lassen zumal es auch Angebote anderer und sogar prominenter ReferentInnen von IMI gibt. (a.a.O.)
Aber ich will einen anderen Punkt machen: ich habe ziemlich Bauchschmerzen mit dem obigen Aufruf. Dort steht u.a.:
"Die Israelis praktizieren gegenüber den Palästinensern den Rassismus, unter dem sie als Juden in Europa gelitten haben."
Rassismus ist was anderes als Antisemitismus. Juden und Jüdinnen haben in Europa nicht unter Rassismus gelitten sondern unter einem exterminatorischen Antisemitismus, der vor allem in Nazideutschland völkisch motiviert war. Ziel war die "Endlösung", d.h. die Vernichtung der Juden und Jüdinnen in der ganzen Welt. In Europa wurde sie um Haaresbreite erreicht: 6 Mio Juden und JüdInnen wurden in deutschen Konzentrationslagern vergast oder durch Arbeit vernichtet. In Palästina findet eine Verdrängung und Unterdückung aber keine industrielle Massenvernichtung statt. Die obige Gleichsetzung relativiert den Holocaust. Auch das Verwenden der Nazi-Phrase "Lebensraum im Osten" für die Charakterisierung des Israelischen Alltags im Aufruf soll Analogien zum Nationalsozialismus und dessen Blut und Boden - Ideologie herstellen, die m.E. nicht tragen. Kaum eine andere Parole wie die von "Israelis = Nazis", "Sharon = Hitler" , die in die gleiche Kerbe schlägt, ist in den letzten Tage im WWW und auf Demos so oft wiederholt worden. Und kaum eine war ähnlich falsch.
Heidi Niggemann schreibt dazu in der Arranca: "Wer sich bei der Diskussion politischer Probleme auf den Holocaust bezieht, sollte deshalb einfache Gleichsetzungen vermeiden. Sowohl der Holocaust selbst als auch das jeweilige Problem sollten in ihren konkreten historischen Zusammenhängen - strukturellen und personellen Ursachen, Folgen und Kontinuitäten - gesehen werden." Was auch in der am Anfang zitierten Aussage mitschwingt ist die zynische Redefigur, dass die Juden und JüdInnen doch eigentlich aus ihrer Geschichte gelernt haben sollten und besser als andere wissen sollten, wie es ist vernichtet zu werden. Es gibt keinen Grund, warum Jüdinnen und Juden der Holocaust - dessen Opfer sie waren - zu einer besonderen Hypothek gemacht werden sollte. Im Gegenteil ist der Holocaust der Hauptgrund, warum das Existenzrecht des Staates Israels allen Deutschen aufgrund ihrer (der deutschen antisemitschen) Geschichte besonders unantastbar sein sollte. Der Zusammenhang zwischen Holocaust und israelischer Staatsgründung darf nicht ignoriert oder gar in sein Gegenteil verkehrt werden.
sw
Die Palästinensischen Friedensfreunde mobilisieren ebenfalls für Mittwoch Abend, 19:30 Uhr, zu den Schmieder-Kliniken, wo ein Mitglied der israelischen Botschaft in Berlin sprechen soll.
Botschaftssekretär zur Lage in Israel
Konstanz (fvb) Über die Lage in Israel spricht der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Israelischen Botschaft in Berlin, Yossef Levy, diesen Mittwoch in den Kliniken Schmieder, Eichhornstraße 68. Der Erste Sekretär der Botschaft vertritt den ursprünglich angekündigten Botschafter Shimon Stein, der seinen Besuch abgesagt hat. Veranstalter ist die Deutsch-Israelische Gesellschaft der Bodenseeregion. Beginn ist um 20 Uhr. Das Gespräch mit dem Diplomaten über die Situation im Nahen Osten soll Gästen und Mitgliedern helfen, sich eine eigene Meinung über die aktuellen Geschehnisse zu bilden, erklärte die Gesellschaft.
Quelle: Südkurier, 9.04.02
SCHMIEDER-KLINIK
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freunde,
Bedauerlicherweise wurde Ihnen bei Verteilung unseres Flugblatts zur
Palästinakundgebung am 10.04.02, der unkorrigierte Entwurf mit einer
Passage aus
einem Demoaufruf in München zugesandt. Es war von uns beabsichtigt, die
Passage
mit dem Begriff "Lebensraum im Osten" zu korrigieren und durch
"Lebensraum" zu
ersetzen. Der Vergleich in dieser Passage bezog sich auf das Gebaren
Israels
gegenüber den Palästinensern, gleich der einer Kolonialmacht des
19. Jahrhunderts. Die Kolonialmächte mit ihrer Herrenmenschenmentalität und
ihrem
Drang nach Lebensraum eroberten damals fremde Länder um sie ihnen zu
unterwerfen.
Der Begriff "Lebensraum im Osten" ist ein feststehender Begriff aus dem
Nationalsozialismus und entsprechend geprägt. Er beschreibt den
Eroberungskrieg
der Nationalsozialisten gegen Osteuropa um sich dort neuen Lebensraum zu
schaffen. Die Verwendung dieses Begriffs in unserem Flugblatt ist deshalb
historisch und inhaltlich selbstverständlich falsch.
Keinesfalls können und wollen wir die Politik Israels gegenüber den
Palästinensern mit der des Nationalsozialismus vergleichen. Ein solcher
Vergleich liegt uns fern. Ebenso wollten wir keinesfalls die Gefühle der
jüdischen Bevölkerung verletzen. Unsere Kritik richtet sich deshalb auch
nicht
gegen die jüdische Bevölkerung, sondern gegen die jahrzehntelange Politik
der
Menschenrechtsverletzungen Israels den Palästinensern gegenüber.
Wir bedauern unseren Fehler und entschuldigen uns dafür, dass durch die
Weitergabe dieses unkorrigierten Begriffs, ein Vergleich mit dem
Nationalsozialismus entstehen konnte. Ich möchte auch darauf hinweisen,
dass ich
selbst Polen und die ehemaligen Konzentrationslagern besucht habe. In der
Vergangenheit habe ich mich in Konstanz durch die Organisation
verschiedener
Veranstaltungen wie z.B. Filmvorführung "Der Tod ist ein Meister aus
Deutschland" u.a. immer wieder für die Aufklärung der Verbrechen des
Nationalsozialismus an den Juden eingesetzt.
Hochachtungsvoll
Doris Künzel
Konstanz (fvb) Rund 100 Demonstranten haben gestern auf der Marktstätte gegen das Vorgehen Israels in den besetzten Gebieten demonstriert. Auf Plakaten forderten sie den sofortigen Rückzug der israelischen Armee und ein Ende der Gewalt. Redner warfen Israel Menschenrechtsverletzungen und Staatsterrorismus vor. Heftigen Applaus gab es auch, als die von Palästinensern verübten Selbstmordanschläge verurteilt wurden. Es sprachen Vertreter der PDS, der Freien Grünen Liste und von Amnesty International. Am Rande der Kundgebung nahm die Polizei einen Mann fest, der ein Hemd mit der Aufschrift "Sieg heil, Adolf Scharon" trug. Unterdessen zogen die Veranstalter, die Friedensfreunde Palästina, ihre umstrittene Flugblattformulierung zurück, nach der Israel "Lebensraum im Osten" erobere. Man wolle Israel nicht mit Nazi-Deutschland vergleichen, hieß es.
Südkurier, 11.4.02
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