Verkürzte Kapitalismuskritik
31.01.2007, 12:10, ...
Die Unterscheidung zwischen "Heuschrecken", die der deutschen "blühenden Volkswirtschaft" das "Blut aussaugen" , und eben jener Volkswirtschaft, die vom "bodenständigen" deutschen Unternehmer geprägt ist, wiederholt die Unterscheidung zwischen "schaffendem" (guten) und "raffendem" (bösen) Kapital, die die Grundlagen der nationalsozialistischen Pseudokritik am "System" war und ist.
Die "einzig verbliebene Supermacht" Amerika als "das Imperium" zu bezeichnen, das schuld an der Misere ist, verkürzt die realen globalen ökonomischen Verhältnisse auf platten Antiamerikanismus, der in seiner Struktur dem Antisemitismus gleicht (s. Doron Rabinovici, Ulrich Speck, Natan Sznaider: "Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte", suhrkamp 2004). Was ist denn mit der Abschottung der europäischen Aussengrenzen gegen MigrantInnen, die Tausende Opfer jährlich fordert? Jürgen Elsässer heisst sie gut und schreibt, "dass nun endlich Schluss sein müsse mit neuer Zuwanderung, da diese vom Kapital zur Lohndrückerei organisiert werde"
Was ist mit dem Verhalten Frankreichs in Afrika, das immer wieder Einsatztrupps schickt, um Diktaturen militärisch zu unterstützen, die für französische Firmen nützlich sind? Und was ist mit dem völkerrechtswidrigen Krieg der Europäer - und speziell Deutschlands unter seinem friedensbewegten Aussenminister - im Kosovo? Was ist mit der "progressiven Regierung in Peking", von Elsässer als "Gegenmodell" hochgelobt, weil sie sich dem Neoliberalismus widersetze, die tatsächlich weite Teile der Landbevölkerung als Wanderarbeiter ausbeutet und sich in Afrika alle Rohstoffe unter den Nagel reisst, die sie finden kann, während sie gleichzeitig versucht, den vielversprechenden afrikanischen Telekommunikationsmarkt unter ihre Kontrolle zu bringen?
Eine verkürzte Kapitalismuskritik, die sich nur gegen das "Finanzkapital" wendet und glaubt, die reale Ausbeutung der Arbeiter im Betrieb (Ausbeutung im Sinne von Marx verstanden, als Abschöpfung des Mehrwerts mit Hilfe der Ware Arbeitskraft, keineswegs als moralische Kategorie!), mit ein bisschen Soziallstaat, sei eine erstrebenswerte Utopie, ist reaktionär und bietet alle möglichen Anschlusspunkte für (neo-)faschistisches Gedankengut.
Kommentar