Quelle: Südkurier, 25.5.00 | |
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Konstanz/Singen (rin) Asylbewerber in Singen haben nach neun Tagen ihren Hungerstreik beendet, ohne ihre Ziele erreicht zu haben. Auch in einem Asylbewerberheim in Konstanz wurden die Proteste gegen die Vergabe von Essenspaketen aufgegeben. Landrat Frank Hämmerle erklärte gestern vor Pressevertretern, dass der Kreis bis auf weiteres an der Ausgabe von Essens-Paketen festhalte. Rund 450 Personen im Kreis beziehen die Pakete.
"Es bleibt beim Vollzug von Recht und Gesetz", sagte Hämmerle. Er spricht damit die gesetzliche Vorgabe an, nach der Asylbewerber vorrangig mit Sachleistungen versorgt werden sollen. Der Landkreis setzt sie um, indem er dreimal in der Woche Lebensmittel-Pakete ausgibt. Die Waren können an der Ausgabestelle getauscht werden. Andere Landkreise wie der Bodensee- oder der Schwarzwald-Baar-Kreis legen das Gesetz weiter aus. Asylbewerber dort können mit einer Art Gutschein-System in extra eingerichteten Läden oder öffentlichen Supermärkten einkaufen. Nach Angaben von Dieter Wiesinger, Pressereferent des Innenministeriums des Landes, sind auch solche Lösungen durch das Gesetz abgedeckt. Den Landkreisen sei es freigestellt, für sie praktikable Wege zu finden. Sehe ein Landkreis ein Shop-System als notwendig an, sei dagegen nichts einzuwenden, so Wiesinger.
Hämmerle sieht auch aus Gründen der Gleichbehandlung keine Möglichkeit, Asylbewerber im Supermarkt einkaufen zu lassen. Nicht überall sei ein Vollsortimenter verfügbar. Ein Bestell-System nach den Wünschen der Bezieher einzuführen, würde Mehrkosten in der Höhe eines sechsstelligen Betrags verursachen, so der Landrat weiter. Nach Angaben aus dem Landratsamt wendet der Kreis für die Essensversorgung eines erwachsenen Asylbewerbers am Tag 6,80 Mark auf, für ein Kind 5,80 Mark. Dieser Betrag geht an eine Firma aus dem Kreis Ravensburg, die die Waren für die Pakete liefert.
Hämmerle sicherte zu, dass sich der Kreis um die Einrichtung eines Spielplatzes im Singener Heim an der Bohlinger Straße kümmere. Auch die Hausaufgaben-Betreuung solle intensiviert werden. Zudem sei geplant, die Lebensmittel für die Pakete verstärkt durch Mitarbeiter der Heime, des Gesundheitsamtes oder des Wirtschaftskontrolldienstes auf ihre Qualität untersuchen zu lassen. Der Landrat will sich außerdem dafür stark machen, dass Verwaltungsgebühren der verschiedenen Ausländerämter vereinheitlicht werden.
Über die Hintergründe der Proteste in den Asylbewerber-Heimen sagte Hämmerle: "Wir haben den Eindruck, einzelne Leute wurden zum Hungerstreik verpflichtet, die das gar nicht wollten." Ursula Auchter, Sozialdezernentin im Kreis, sprach von "körperlicher Gewalt", die Bewohnern der Gemeinschaftsunterkünfte angedroht worden sei, wenn sie sich dem Paket-Boykott nicht anschließen wollten.
Die Kreis-Grünen kündigen an, das Thema Essensversorgung in den Kreistag zu bringen. Sie fordern, Asylbewerber künftig selbst entscheiden zu lassen, was sie essen möchten. Die Praxis, Lebensmittelpakete zu verteilen, bezeichnen die Kreisgrünen in einer Mitteilung als "menschenunwürdig". Sie führe zu unnötigen Konflikten.
Claudia Rindt
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