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cm, Konstanz 22. 10. 99

AntifaschistInnen im Fadenkreuz der Polizei -
Polizei im Kreuzfeuer antifaschistischer Kritik

JedeR von uns, der/die der faschistischen Formierung etwas entgegensetzen und für eine Welt ohne Nationalismus, Rassismus und Sexismus kämpfen will, muß damit rechnen, staatlicher Repression ausgesetzt zu werden. Die Beispiele, die wir zu Anfang dieser Broschüre dokumentiert haben, sprechen dahingehend eine deutliche Sprache:

Aus der Sicht "unseres" Rechtsstaates ist es oft verwerflicher, antifaschistischen Widerstand zu leisten, als dem faschistischen Etablierungsprozeß tatenlos zuzusehen; ist es verruchter, gegen faschistische Schlägerbanden vorzugehen, als deren Brutalitäten zu ignorieren. Wer das partout nicht einsehen will, darf sich ob der Konsequenzen seines/ihres per se "inkriminierten" antifaschistischen Handelns nicht wundern - ob als AngeklagteR vor Gericht, EingekerkerteR im Knast oder "nur" als BetroffeneR von der Isolierung der antifaschistischen Bewegung. Die Erfahrungen, die wir als antifaschistische Opposition gemacht haben, lassen uns zu dem Schluß kommen, daß unsere Kritik nicht bei den Faschisten und ihrer Menschenverachtung haltmachen darf. Sie muß auch den Staatsapparat und seine einzelnen Organe in Frage stellen.

Wenn wir also im folgenden die Vorgehensweise der Polizei gegen AntifaschistInnen thematisieren, so entspringt dies keineswegs dem Hirngespinst des hochstilisierten Feindbildes "Bulle", das uns so manche nur allzu gern unterstellen, sondern unseren praktischen Erfahrungen hier in Konstanz und anderswo und - weil so etwas sehr schnell in Vergessenheit gerät - dem Gedenken an Olaf Ritzmann, Klaus Rattay, Günter Sare und Conny Wissmann.

Die Illusion von der "neutralen, schützenden Ordnungskraft Polizei" läßt sich einfach nicht mehr aufrechterhalten, wenn, wie am 3. Juni 1988 im Konstanzer Konzil geschehen, Menschen aus dem Saal geknüppelt werden, mit dem Ziel, dem NPD-Faschisten Bohland die Möglichkeit zu geben, in aller Ruhe seine Hetze zu verbreiten. Viele, die sich selbst auch als AntifaschistInnen bezeichnen, halten an dieser Illusion weiterhin fest, lassen sich von spektakulären, sog. "unverhältnismäßigen" Polizeieinsätzen höchstens kurz aufschrecken, um sie dann schnellstens zu verdrängen. Ihrer Angst, der Wahrheit in die Augen zu blicken, versuchen sie dadurch entgegenzuwirken, indem sie denen, die den Schrecken zum Anlaß nehmen weiterzudenken, vorhalten, es würde ihnen ja gar nicht um die REPs oder die NPD gehen, sondern um die große Abrechnung mit der Polizei. Ihrem "Hauptfeind", wie es DGB- Kreisvorsitzende Reitzammer-Meyer einmal ausdrückte.

Nochmal zur Klarstellung: Es ist ein großer Unterschied zwischen der Einschätzung, die Polizei sei unser Hauptfeind und den im Rahmen von antifaschistischen Aktionen immerzu gemachten Erfahrungen, daß die Polizei im "Dienste der Faschisten" unterwegs ist. Und solange diese Aussage der Realität entspricht, werden wir nicht aufhören sie zu wiederholen -trotz der Verdrehungen des DGB und trotz der Kriminalisierungsversuche seitens des Staatsapparates.

Die Prozeßerklärung von Jürgen, der sich gerade wegen dieser Aussage vor Gericht verantworten mußte, faßt zusammen, warum wir es als unbedingt notwendig erachten, die Polizei zu kritisieren - ohne jedoch in ihr unseren "Hauptfeind" zu sehen:

"Ich werde in einer Zeit zur Anklage gebracht, in der sich in der Bundesrepublik eine noch nie dagewesene Formierung der Faschisten vollzieht. Ich werde zur Anklage gebracht, während Faschisten mit erdrutschartigen Wahlerfolgen in die Parlamente einziehen. Ich werde zur Anklage gebracht, während sich der faschistische Straßenterror - überall in der Bundesrepublik - seine Opfer sucht und findet.

Nach den brutalen Überfällen auf das Ravensburger Jugendhaus und die Wohnung eines Antifaschisten in Tübingen von NazI-Schlägerbanden oder der Tatsache, daß Faschisten auch In Konstanz auf offener Straße Ausländer und Ausländerinnen zusammenschlagen können, wächst in mir die Angst, aber auch der Wille, meinen Widerstand und meine Kritik dagegen zu artikulieren.

Eine Kritik, die vielschichtig ist, die sich aber eben auch gegen die Polizei richtet. Ich habe erlebt, wie am 30. Januar 1988 Nazi-Schläger in Konstanz einen Jugendlichen zusammenschlugen und die gerufene Polizei nicht einmal vorbeikam. Die Polizisten waren damit beschäftigt, einen Antifaschisten wegen angeblicher Sachbeschädigung festzunehmen. Ich habe erlebt, wie Bereitschaftspolizei am 3. Juni 1988 Im Konstanzer Konzil gegen Antifaschisten und Antifaschistinnen mit Knüppeln und Reizgas vorging, um den Protest gegen den NPD-Kandidaten zur OB-Wahl zum Schweigen zu bringen. Ich habe gehört, wie ein Polizist bei einem Wahlkampfstand der NPD in Konstanz zu Antifaschistinnen und Antifaschisten sagte, daß er nicht zu Ihrem Schulz da sei. Und ich habe erlebt - wir werden in dieser Verhandlung sicher darauf zu sprechen kommen - wie am Abend des 4. März 1989 in der Singener Weinstube Polizisten auf Fingerzeig der Nazis Menschen aus einer öffentlichen Veranstaltung schleppten. Es sind nur einige Beispiele, um zu verdeutlichen, vor welchem Hintergrund ich meine Kritik an der Polizei sehe. Es liegt nicht in meinem Interesse, mich moralisch über die Polizei zu erheben, ebensowenig will ich einzelne Polizisten - im konkreten Fall eingesetzte Beamte - gar beleidigen. Es muß mir aber doch möglich sein, in der politischen Auseinandersetzung - und niemand wird bestreiten, daß die Polizei ein politisch handelndes Subjekt ist - ihre objektive Rolle anzuzweifeln, kritisch zu hinterfragen und anzugreifen.

Ich werde den Eindruck nicht los, daß bei der Staatsanwaltschaft, die mich hier zur Anklage bringt, die Auffassung herrscht, daß jeder Angriff auf die Autorität der Polizei verwerflich sein soll. Dabei hat uns doch die jüngste deutsche Geschichte gelehrt, daß offene Kritik auch und gerade an Polizei und Justiz wichtiger Bestandteil der Meinungsfreiheit sein muß.

Herr Staatsanwalt, Herr Vorsitzender, was soll ich tun, wenn ich persönlich aufgrund meiner Erfahrung zu der Meinung komme, daß Polizisten oft zum Schutz und, bildlich gesprochen, eben auch im Dienste der Faschisten unterwegs sind. Wenn sie mich heute per Urteil dazu zwingen, meine Meinung nicht mehr aussprechen zu dürfen, trifft dies die gesamte antifaschistische Opposition. Gerade In diesem Land müßten wir doch gelernt haben, daß es wichtig ist, daß diese Opposition ihre Meinung sagt und auch sagen darf. (gehalten am 25.10.1989 vor dem Singener Amtsgericht)

Jürgen wurde wegen Beamtenbeleidigung verurteilt. Seine Argumente blieben für die Urteilsbegründung ohne Bedeutung.

Macht mensch schon bestimmte Erfahrungen mit der Polizei, so hat er noch lange nicht das Recht, sich darauf zu berufen und seine Kritik offen auszusprechen; am besten, er/sie bleibt ganz zu Hause, dann würde ihm/ihr dieser "Blödsinn" gar nicht erst einfallen. Tut er/sie dies nicht, so bietet das HERRschende Rechtssystem genügend Mittel, KritikerInnen mundtot zu machen: Die Feststellung, daß Polizisten im Dienste der Faschisten unterwegs sind, ist dann nicht mehr die einfache Beschreibung eines tatsächlichen Vorgangs, sondern vorsätzliche oder fahrlässige Beamtenbeleidigung.

Die Polizei zwischen den Fronten?! Ein Lehrstück in Sachen "Neutralität"

"Für den Leiter der Schutzpolizei (Paul Scholz, d. S.) war die Konstanzer Demonstration (anläßlich des Todes von Conny in Göttingen, d.S.) eine schlimme Erfahrung: Auf der einen Seite Demonstranten, die Beamte als Faschisten beschimpfen, auf der anderen Seite am Straßenrand Sätze, wie "das bringt uns Republikanern Stimmen" oder, zu den begleitenden Polizeibeamten gewandt: "Das laßt Ihr Euch gefallen! Warum schlagt Ihr nicht rein?"" (Südkurier, 30.11.89)

1. Akt - ein Rückblick in die 70er

Seit 1974 findet in Frankfurt a.M. alljährlich zum 17. Juni das "Deutschlandtreffen" der NPD statt. Auch 1978 sind es wieder 4000 Faschisten aus der gesamten BRD, die sich zur Kundgebung auf dem Römer versammeln wollen. Diesmal regt sich jedoch Widerstand: Über 10000 AntifaschistInnen demonstrieren an diesem Tag in Frankfurt; die NPD ist gezwungen, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Doch auch die Polizei zeichnet sich im Gegensatz zu den Vorjahren durch eine geradezu martialische Präsenz aus: Ihrem gesetzlichen Auftrag verleiht sie zusätzlich Nachdruck indem sie die Demonstration der AntifaschistInnen als Störung einer genehmigten Kundgebung beurteilt und massiv angreift. Die bittere Bilanz: über 70 z.T. schwerverletzte AntifaschistInnen.

Ein Jahr später ein ähnliches Bild: 50000 DemonstrantInnen gegen das Deutschlandtreffen 1979 werden von 5000 Bereitschaftspolizisten und 3000 Grenzschutzbeamten in Straßenschlachten verwickelt. Die Nazis versammeln sich währenddessen weitgehend ungestört im bayerischen Alzenau.

Diese Musterbeispiele staatlicher "Unparteilichkeit" ereigneten sich in einer Zeit, in der kaum jemand vom "Phänomen des Neofaschismus" sprach. Die Sammlung faschistischer Kräfte hatte damals bei weitem nicht das Ausmaß von heute - das WählerInnenpotential war entsprechend bedeutungslos. Die "Republikaner" standen noch vor ihrer Gründung und auch SSchönhuber machte noch keine Schlagzeilen...

Und trotzdem scheint uns dieser Exkurs in die 70er Jahre lohnenswert zu sein: Obwohl die "geistige Wende", Bitburg und der Historikerstreit noch bevorstanden, gewährt er einerseits einen guten Einblick in die Gründlichkeit deutscher Vergangenheitsbewältigung - nicht das öffentliche Auftreten der NPD, so sehr sie auch programmatisch mit der NSDAP übereinstimmt, soll anstößig sein, sondern die "Störung einer genehmigten Kundgebung". Und damit zusammenhängend zeigt dieser Rückblick andererseits die bis heute ungebrochene Kontinuität staatlichen Vorgehens gegen AntifaschistInnen auf.

Schon damals dachten staatliche Behörden überhaupt nicht daran, Auftritte faschistischer Organisationen zu unterbinden. Schon damals bestand die (objektive) Rolle der Polizei im Rahmen solcher Auseinandersetzungen darin, die Faschisten und ihre Veranstaltungen zu schützen. Schon damals wendete sich polizeiliche Gewalt gegen AntifaschistInnen. Schließlich berief sich die Polizei schon vor 12 Jahren auf das politische Neutralitätsprinzip und die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

2. Akt - Zurück in die Gegenwart

Trotz bitterster Erfahrungen während der Zeit des deutschen Faschismus, trotz Völkermord, Rasseneugenik und Weltkrieg sind nationalistische und rassistische Vorstellungen wieder salon- und teilweise sogar mehrheitsfähig geworden. Parteien, die sich allen Abgrenzungsversuchen zum Trotz, mehr oder weniger stark an die Ziele der NSDAP anlehnen, verzeichneten in den letzten Jahren besorgniserregende Wahlerfolge. "Republikaner", DVU und NPD ist es bereits gelungen, in zahlreiche Parlamente einzuziehen.

Die Verbreitung faschistischen Gedankenguts äußert sich aber auch in der Zunahme faschistisch motivierter Gewalttaten: Angriffe auf AusländerInnen, Flüchtlingsunterkünfte, linke Projekte und zuletzt wieder vermehrt auf jüdische Friedhöfe und Grabsteine gehören fast schon zur Tagesordnung.

Diese bedrohliche Entwicklung hat in kurzer Zeit viele antifaschistische Bündnisse und Gruppen entstehen lassen. Da der Staatsapparat weder dem parlamentarischen Etablierungsprozeß faschistischer Gruppen noch ihren aggressiven-Attacken auf der Straße etwas entgegensetzte, war selbst für reformerisch orientierte .Gruppen Selbsthilfe angesagt.

Das - und nicht etwa das immer unverblümtere Auftreten der Faschisten - hat Polizei und Justiz erst in Bewegung gebracht.

Das Repressionsnetz, mit dem Antifa-Gruppen überzogen werden, ist fein geknüpft; es greift in den großen Städten und in der Provinz:

Zwischen März und Oktober '89 122 Festnahmen bei antifaschistischen Aktionen allein in West-Berlin. In Gelsenkirchen, einer Stadt mit einer vergleichbar kleinen Szene, wurden in der zweiten Hälfte des letzten Jahres sage und schreibe 15 Ermittlungsverfahren gegen AntifaschistInnen eingeleitet. Die Kriminalisierungswelle hat fast jede mittelgroße Stadt der BRD erfaßt - die Liste ließe sich entsprechend lang fortsetzen.

Dabei klingen die strafrechtlichen Vorwürfe in der Regel nicht allzu spektakulär: Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beamtenbeleidigung. Bemerkenswert ist, wie sich in vielen Verfahren das Vermummungsverbot des verschärften Versammlungsgesetzes auswirkt. Vermummte werden oft direkt abgegriffen und wegen ihrer Vermummung verklagt, andererseits werden viele Leute noch Wochen nach Demonstrationen als Beschuldigte vorgeladen, weil sie bei der Auswertung der polizeilichen Videos aufgefallen waren und (da unvermummt) identifiziert werden konnten.

Die Strafen in den derzeit geführten Antifa-Verfahren fallen denn auch meist nicht allzu hoch aus. Es gibt aber auch sehr bittere Ausnahmen, (siehe auch O. Tolmein in KONKRET 3/90, S. 34)

Mit dem Paragraphen 129a (Bildung, Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) als Abschreckungswaffe wird die Zuspitzung der Kriminalisierung bereits vorbereitet. Auf Dortmunder und Hamburger Antifa-Zusammenhänge wurde er bereits angewandt, und er droht allen, für die Antifaschismus mehr ist, als ein bloßes Glaubensbekenntnis. Der 129a ist ein Instrument des politischen Strafrechts. Sollte die Anwendung dieses Gesinnungsparagraphen die Regel in Antifa-Verfahren werden, so hätte dies verheerende Folgen für die gesamte Antifa-Bewegung.

Bisher am weitesten sind die Ermittlungen in einem 129a-Verfahren gegen AntifaschistInnen und Antifaschisten im norddeutschen Raum gediehen. Dazu dokumentieren wir auf der nächsten Seite ein Flugblatt aus Hamburg.

Gerade selbstbestimmte antifaschistische Initiative kommt diesem Staat alles andere als gelegen. Sie braucht gar nicht einmal von einer besonderen Militanz gekennzeichnet zu sein, damit ihr der Stempel "kriminalisierungswürdig" aufgedrückt wird. Die Erfahrungen hier in der Konstanzer Region, unsere Be- und Verhinderungsaktionen oder unsere schlichte Gegenpräsenz während faschistischen Veranstaltungen sind der beste Beweis dafür, daß Kriminalisierung als Hebel für die Diffamierung zunächst eines bestimmten, langfristig aber des gesamten antifaschistischen Widerstands intendiert ist. Die Vorgehensweise von Polizei und Justiz wird dabei regelmäßig von einer Berichterstattung in der Lokalpresse (Südkurier) flankiert, die bemüht ist, staatliche Repression als legitim, recht(S)mäßig und dadurch demokratisch erscheinen zu lassen.

Zur Anatomie" der Represslonswelle

Wie äußert sich nun Repression? Wie manifestiert sie sich gegenüber denen, die mit ihr konfrontiert werden?

Mit den Zielen des Staatsapparates und den tatsächlich eingetretenen Auswirkungen auf den Antifa-Widerstand (Komitee) beschäftigen wir uns bereits an anderen Stellen der Dokumentation. Das Kalkül der Repressionsstrategen wollen wir deshalb hier außen vor lassen - soweit eine solche Trennung überhaupt möglich ist.

Es soll also nicht um die Funktionen staatlicher Repression gehen, sondern um ihre "Anatomie", ihre Wesensmerkmale bzw. Handlungsebenen. Wir halten diese Auseinandersetzung für notwendig, auch wenn wir sie der Klarheit willen z.T. theoretisch bzw. allgemein führen müssen. Zum einen, um Handhabungen zu entwickeln, Repression genauer zu erfassen, zum anderen, weil sie ein grelles Licht auf die unmittelbaren Akteure wirft, die diversen Justiz- und Polizeiorgane.

STAATLICHE REPRESSION AGIERT IM VERHÄLTNIS PRÄVENTION/KONFRONTATION/VERGELTUNG

PRÄVENTION (Abschreckung, Vorbeugung): Gerade die Repressionswelle, die gegenwärtig über die Antifa-Gruppen hinweggeht, hat offensichtlich stark präventiven Charakter. Die angesichts unübersehbarer Faschisierungstendenzen dringend notwendige gesellschaftliche Polarisierung soll bereits im Ansatz blockiert werden.

Maßnahmen zur Durchsetzung einer solchen "Deeskalations- und Konfliktvermeidungspolitik" können z.B. Demonstrationsverbote oder eine unverhältnismäßig starke Polizeipräsenz sein.

Auch die Hetze und die Angstmache in den Medien, das Negieren antifaschistischer Inhalte, z.B. durch die Reduzierung auf die Gewattfrage und die Dämonisierung des politischen Gegners ("vermummte Chaoten") sind unter Prävention zu verstehen.

Ebenso gehören die Erstellung von Bewegungsprofilen, Videoauswertung, die Ausweitung polizeilicher Datenverarbeitungssysteme, sowie die Vereinheitlichung und Ausweitung der Melde- und Ausweispflicht zum Repertoir präventiver Einsatzmittel.

Schließlich sei noch das verdeckte und offene Observieren und Terrorisieren politisch aktiver Menschen durch Zivilpolizisten erwähnt; in Göttingen beispielsweise gehört die Anmache und die Einschüchterungen durch Angehörige des sog. Zivilen Streifenkommandos (ZSK) fast schon zum Alltag engagierter AntifaschistInnen. (siehe auch Kasten auf Seite 23: "'ne gute Repression ist die beste Prävention")

In Konstanz werden wir bei Antifa-Aktionen bzw. -Verfahren regelmäßig von Staatsschutz-Beamten observiert.

KONFRONTATION bezieht sich auf die unmittelbaren Versuche, Aktionen, Demos zu verhindern, zu beeinträchtigen und zu zerschlagen, einzelne Leute herauszugreifen und unsere politischen Zusammenhänge anzugreifen. Zivile Greiftrupps, Spitzel, die bei uns mitlaufen, der Polizeiknüppel und die Wasserwerfer, oder ein einschüchterndes übermächtiges Polizeiaufgebot gehören unter anderem dazu.

Daß dabei die Polizei keine "neutrale" Kraft ist, die die .fehlgeleitete Politik" der HERRschenden .auszubaden" hat, muß jeder/m klar sein, die schon mal gezielte und geplante Überfälle auf Demos miterlebt oder von ihnen gehört haben - an die Frankfurter " Nie wieder Deutschland"-Demo am 12.5.90 werden sich wahrscheinlich noch viele erinnern können.

Unter VERGELTUNG fallen insbesondere die Maßnahmen der Strafverfolgung: Festnahme, Verhör, Verhörmethoden, Strafbefehl, Bußgeld, Verfahren und Knast.

Wir wissen, daß die Repressionswelle, die sich über das Konstanzer Antifa- Komitee ergießt, noch nicht das Ausmaß und die Stärke erreicht hat wie in einigen anderen Städten (Hamburg, Dortmund, Göttingen, ...). Manch eineR neigt deshalb dazu, sie nicht ernst-, als "zufällig" und unbedrohlich hinzunehmen.

Gerade einer solchen Haltung wollen wir mit dieser Dokumentation entgegenwirken. Prävention, Konfrontation und Vergeltung sind auch in Konstanz keine Fremdwörter mehr. Es vergeht kaum ein Monat, ohne daß ein Antifa-Prozeß stattfindet. Die größte Festnahmeaktion in Konstanz seit dem Ende des 2. Weltkriegs 1 hat deutlich gezeigt, daß die Polizei auch in der herausgeputzten Provinz nicht davor scheut, hart durchzugreifen.

Die staatliche Dreieinigkeit von Polizeieinsatz, Ermittlungs- und Strafverfahren hat auch bei uns Folgen gezeitigt - wer das nicht einsehen will, lebt an den Realitäten vorbei.

"Sowohl die Legitimation des eigenen Vorgehens als auch die Distanzierung davon und damit die Diskussion über die Orientierung künftiger praktischer antifaschistischer Arbeit werden so von der Justiz forciert und dadurch geprägt." (O. Tolmein in KONKRET 3/90)

Unterstützung der Polizei durch die Presse

Wir haben weiter oben bereits angedeutet, daß die Berichterstattung in der Presse staatliche Repressionsmaßnahmen nachträglich rechtfertigt oder ihnen durch eine tendenziöse Ausrichtung den Boden bereitet.

So versucht sie entweder den politischen Konflikt zwischen Faschisten und AntifaschistInnen zum sozialen Konflikt rivalisierender Jugendbanden herunterzuspielen, oder sie operiert mit der schlichten und darum so eingängigen Gleichsetzung von rechter Gewalt und linker Gegengewalt. Die Polizei erscheint in diesem Szenario regelmäßig als schlichtende Instanz der Mitte, ihre rücksichtslos-gewalttätigen Prügelorgien gegen Linke wirken so als aufopferungs-nobler Kampf zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Wen wunderts, gehen doch Berichte über antifaschistische Aktivitäten meist auf Mitteilungen der Polizei zurück. Das gilt vor allem dann, wenn die Polizei, wie nach dem Tod von Conny Wissmann in Göttingen von ihrer Verantwortlichkeit ablenken will. Sie verhängt eine Nachrichtensperre und kann sich dann darauf verlassen, daß die von ihr gefilterten Informationen in den Massenmedien Verbreitung finden.

Der Konstanzer Südkurier setzt diesen Grundsatz mit besonderer Gründlichkeit um. Wie offensichtlich die Unterstützung der Polizei durch die sog. freie Presse ist, und wie weit sie geht, veranschaulicht ein Südkurier-Artikel vom 30.11.1989, in dem es um die Konstanzer Demonstration anläßlich des Todes von Conny in Göttingen geht. GdP-Kreisvorsitzender Felgenhauer, Schupo-Leiter Scholz und Kriminaloberrat Schöpflin wird so ein öffentliches Forum gewährt, um das "polizeiliche Dilemma zwischen den Fronten" zu beklagen. In aller Länge und Breite kommen die Polizistenmänner zu Wort, waschen sich rein und hetzen gegen das Antifa-Komitee, welches zu der Demo aufgerufen hatte. Von der vielbeschworenen Ausgewogenheit keine Spur; was VeranstalterInnen und TeilnehmerInnen der Demo zu sagen haben, darüber gehen sie wohlwissend hinweg: die Polizei lügt nicht! Also kann Felgenhauer auch mit der "Lüge" aufräumen, daß besonders viele Polizeibeamte auf die "Republikaner" abfahren würden. Die "Lügen" zu entlarven, daß sein Kollege Köhler nur wenige Tage zuvor zum Landesvorsitzenden der REPs gekürt wurde, oder daß im Augsburger Stadtrat von sechs Vertretern der Republikaner vier Polizeibeamte sind, ist dann hinfällig. Auch der Hinweis auf die GdP-Demonstration gegen die Autonomen und den rotgrünen Senat im Mai '89 in Westberlin, an der sich ein weit über 1000 Polizisten starker REP-Block beteiligte, ist nicht mehr von Nöten, (der Südkurierartikel ist weiter unten vollständig abgedruckt)

Unterdessen nimmt die Diffamierung des Antifa-Komitees im Südkurier immer groteskere Formen an - die Phantasie, neue Begriffsschöpfungen zu kreiieren, muß in der Konstanzer Lokalredaktion grenzenlos sein: "Eine sich als antifaschistisches Komitee bezeichnende Gruppe..", heißt es z.B. am 30.11.89. Davor war schon zu lesen: "Eine Gruppe von Leuten, die sich antifaschistisches Komitee nennt" oder schlicht das "sogenannte antifaschistische Komitee", und wenn's zu schwierig wird, sind wir "Chaoten", "Linksextreme" oder "sog. Autonome".

Wir haben den begründeten Verdacht, daß diese Wortspielereien nicht auf dem Mist der LokalredakteurInnen gewachsen sind, sondern der Weisung der Chefredaktion entspringen.

Der Polizei, Herrn Felgenhauer, Scholz, Schöpflin oder Tillmann ist diese Berichterstattung ganz recht, können sie doch davon ausgehen, daß der überwiegende Teil der Konstanzer Öffentlichkeit ihre Kriminalisierungskampagne gegen AntifaschistInnen mangels einer auflagenstarken Gegenöffentlichkeit gutheißen wird.

Einheitsfront gegen AntifaschistInnen
- Zwischen Staatschutt und Faschisten gibt es keine Berührungsängste

Einen weiteren Zugang in die Erforschung des Wesens polizeilicher "Neutralität" bietet die Vergegenwärtigung der bekanntgewordenen Fälle der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Faschisten. Dabei scheut sich die Polizei nicht einmal davor, mit einschlägig bekannten und vorbestraften Nazi-Schlägern zu kooperieren, besteht nur die Aussicht, AntifaschistInnen vor dem Kadi zu bringen:

Kurz nach dem Tod von Conny Wissmann führte das WDR 3-Jugendmaganzin "Zack" ein Interview mit dem 2. Kreisvorsitzenden der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) Torsten Heise durch. Unter einer Hakenkreuzfahne gab der des Totschlags beschuldigte Neonazi Auskunft zu seinem Verhältnis zur Polizei. Heise wörtlich: "Wir versuchen, so weit es geht, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, ihr, wenn es geht, Straftäter zuzuführen. Das klappt teilweise ganz gut. Wir stehen durchaus positiv zur Polizei, speziell zu zivilen Streifenkommandos. Aber es gibt auch Reibungen." (s. Doku zum ZSK, S. 13)

Trotz einiger "Reibungen" ist das Verhältnis zwischen dem ZSK und FAP "durchaus positiv". Ein gemeinsames Feindbild verbindet, und es geht ja schließlich um die Überführung von "Straftätern". So greift mann sich schon mal unter die Arme. Da dürfen z.B. am 9.12.1989 knapp 100 FAPIer im SA-Stil durch die Göttinger Innenstadt marschieren und als Höhepunkt unter den Augen der Polizei das "verhaßte" JUZI mit Steinen und Leuchtraketen angreifen. Erst als sich 300 AntifaschistInnen zur Wehr setzen, greift die Polizei ein und sichert den Nazis den Rückzug.

Zufall?

Die Kooperation setzt sich im Gerichtssaal fort:

"Die Verfahren gegen Linke, die sich gegen den Straßenterror von Neonazis wehren", bestätigt der Göttinger Anwalt Jürgen Ahrens, "macht mittlerweile einen erheblichen Teil der politischen Verfahren hier aus." (KONKRET, 3/90, S.36)

Die Beamten des ZSKfungieren dabei des öfteren als 'Gedächtnisstützen' von Zeugen aus dem rechtsextremistischen Umfeld. Sie identifizieren Täter", an die sich die FAPIer nicht erinnern können; sie helfen dem Erinnerungsvermögen von FAP-lern durch Vorzeigen von Polaroid-Bildern auf die Sprünge, ohne daß dies anschließend in den Akten vermerkt wird; in Extremfällen beharren sie sogar gegen die Aussagen von Zeugen vor Ort darauf, einen bestimmten Linken identifizieren zu können.

Mit dem Zusammenspiel zwischen dem Staatsapparat und faschistischen Gruppierungen hat sich auch das AutorInnenkollektiv aus Antirepressionsgruppen befaßt:

"In der BRD ist die Toleranz des Staatsapparates gegenüber Faschisten bekannt. Ihre Einbeziehung in den Kampf gegen die Linke ist u.a. sichtbar geworden

  • in den aufgedeckten Fällen von Verbindungen und Absprachen von Ge- heimdienstlern/Staatsschutz mit Faschisten,
  • in der Duldung (bis hin zur Anstiftung) und Nutzung von faschistischen Brandanschlägen auf Ausländerwohnungen,
  • - in der Vorbereitung und Duldung faschistischer Angriffe auf besetzte Häuser und Linke (zuletzt prügelten Neonazis in Westberlin während der IWF-Tagung im Windschatten der Bullen auf DemonstrantInnen ein).

Die zunehmende Akzeptanz nationalsozialistischer "Leistungen", Konzepte, Praktiken und Geschichtsschreibungen, sowie die stattfindende Durchdringung des hiesigen Wissenschafts- und Kulturbetriebes mit neurechten Positionen, werden nicht nur die ideologische Formierung der Rechten im Interesse des Staates vorantreiben, sondern uns auch mit einem weiteren Repressionsfaktor konfrontieren." ("Durch die Wüste", S. 3/4)

Manch einer/m mag dieses Bild als zu düster gezeichnet vorkommen. Wer will auch schon der Bedrohung, die von diesem Staate ausgeht, ins Gesicht schauen?

Denjenigen, die weiterhin für Gleichheit und Emanzipation eintreten und die nicht aufhören, gegen die Ausbeutung von Menschen, gegen Rassismus und Sexismus anzukämpfen, wird gar nichts anderes übrig bleiben.

Der ehemalige Innenminister von Nordrhein-Westfalen Weyer sagte es schon Ende der 70er Jahre:

"Der Bürger muß sich an den Anblick von Maschinengewehren so wie ans Steuerzahlen gewöhnen."

3. Akt - Einblicke in den Konstanzer (Polizei-)Alltag

Oft wird uns vorgehalten, daß wir mit unserer Kritik an den Polizeiapparat einen wichtigen Fakt verdrängen würden: Die Polizeibeamten seien eben nicht nur Polizeibeamte, sondern auch einfache, "stinknormale" Menschen. Viele würden nur mit Magenschmerzen dem Einsatzbefehl nachkommen, faschistische Veranstaltungen zu schützen, oder gar gegen AntifaschistInnen gewaltsam vorzugehen, aber - so die Argumentation - was sollen sie denn machen, wenn sie nicht ihren Job und damit ihre Existenzgrundlage aufs Spiel setzen wollen.

Wir wollen die Möglichkeit nutzen, um dieser Kritik an unserem angeblich rein funktionalistisches Bild vom Polizisten etwa entgegenzusetzen:

  1. Wir wollen und können nicht ausschließen, daß es Polizeibeamte gibt, die sich subjektiv wirklich "zwischen den Fronten" fühlen.
  2. Wir beurteilen diese Beamten aber nicht an ihren inneren Widersprüchen, sondern an ihren ausgeübten Taten. Warum sie so handeln, können wir sehr wohl nachvollziehen; werden ihnen doch während ihrer Ausbildung und im Dienst permanent eigenständiges Denken und Gefühlsempfindungen ausgetrieben. Blinder Gehorsam und das Ausführen von Befehlen ist erste Beamtenpflicht. Dies alles kann ihr oft genug ausgeübte Brutalität gegen AntifaschistInnen nicht entschuldigen. Der Beruf eines Polizeibeamten verträgt sie schlicht und ergreifend nicht mit einer antifaschistischen Gesinnung und Handlungsweise.
  3. Die Erfahrungen, aus denen wir herau Kritik an die Polizei formulieren, beziehe sich allerdings nicht nur auf unmittelba politische Auseinandersetzungen. Wir haben die Männer in den grünen Uniformel auch während ihrer alltäglichen Routinearbeit erlebt, als sie durchaus die Möglich keit hatten, selbst zu entscheiden, wie sie sich verhalten.

Auch diese Erfahrungen fließen in unsen Kritik ein. Und, an unsere KritikerInnen gewandt, gerade hier könnt ihr uns nicht mehr vorwerfen, wir würden da irgendetwas verdrängen.

Wir haben erlebt, wie Polizeibeamte mit Obdachlosen umzugehen pflegen:

Eines Nachmittags auf dem Konstanzer Obermarkt: Ein Vorfall, wie er sich tagtäglich wiederholt. Zwei Polizeibeamte gehen, nachdem sie ihren Streifenwagen abgestellt haben, auf eine Gruppe von Obdachlosen zu. Ihre Personalien werden festgestellt. Ein Obdachloser macht seinen Unmut über die Schikane kund, indem er seinen Reisepaß, der von den "vielen Kontrollen nur noch an Fetzen hängt", demonstrativ hochhebt. Die Polizisten nehmen nun kein Blatt mehr vor den Mund. Obwohl der Vorgang von mehreren Passantinnen und Passanten beobachtet wird, sehen sie keinen Anlaß zu verschweigen, was sie von diesem "Gesindel" halten: "Ihr seid der letzte Dreck!" Und als einer aus der Gruppe seine Obdachlosigkeit beklagt, bezeichnen ihn die Beamten als "Parasit" und "arbeitsscheues Element".

Die Attacken auf die Obdachlosen sind jedoch nicht nur verbaler Natur. Immer wieder werden sie von Polizeistreifen einfach mitgenommen, entweder in der Mainauwache eingesperrt und mit Schlägen traktiert oder im Mainauwald abgesetzt, wo die teilweise ortsunkundigen Menschen bei Wind und Wetter stundenlang herumirren.

Auch das Verhalten gegen AusländerInnen und Frauen schlägt in die gleiche Kerbe:

Anfang Dezember '89 haben Polizeibeamte in der Innenstadt eine ausländische Frau bedroht, beschimpft und ihr die Luft aus dem Fahrrad gelassen, weil sie damit durch die Fußgängerzone gefahren ist. In einer "Entschuldigung" begründen sie ihr Verhalten damit, daß sie durch einen Einsatz gegen Obdachlose nervös geworden seien.

Daß Polizisten nicht neutral sein können, erklärt sich nicht nur aus ihrer Funktion als Träger staatlicher Macht und Gewalt. Auch in ihrem alltäglichen Verhalten zeigt sich der in Gesetze und Verordnungen gegoßene Sexismus und Rassismus dieser Gesellschaft deutlich. In den zahlreichen Äußerungen und Taten, die die Konstanzer Polizei im Umgang mit Obdachlosen, AusländerInnen, aber auch Punks und Linken an den Tag gelegt hat, lassen sich Parallelen zu programmatischen Aussagen der "Republikaner" nicht leugnen.

Erst auf Grund dieser alltäglichen Erfahrungen erscheint uns die Rolle der Polizei in politischen Auseinandersetzungen plausibel; Können wir nachvollziehen, woher die Begeisterung kommt, mit der Polizisten auf am Boden liegenden DemonstrantInnen niederknüppeln; können wir uns ein Bild davon machen, warum ein so hoher Anteil von ihnen die REPs wählt -und warum sie uns als antifaschistischen Widerstand "plattmachen wollen".

1Am 21.3.1990 wurden vor dem Inselhotel und später vor dem Kaufhaus Hertie insgesamt 32 Leute festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt, weil sie anläßlich des Treffens zwischen Bundeskanzler Kohl und dem spanischen Ministerpräsidenten Gonzalez, friedlich für die Zusammenlegung der spanischen politischen Gefangenen aus GRAPO und PCE(r) demonstrierten, die sich seit dem 30.11.1989 im Hungerstreik befinden.