Quelle: AZW Nummer 04, erschienen am 22.06.1995 | |
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Ein regionaler Schwerpunkt dieser Befragung war der Bodenseeraum mit den Orten Konstanz, Radolfzell und Markdorf, wo MitarbeiterInnen des Wissenschaftsladens Konstanz, sowie der BUND-Gruppen aus Konstanz und Markdorf 40 Supernärkte, Reformhäuser, Bioläden und Discountläden befragten. Das Ergebnis war eindeutig und der Konstanzer Lebensmittelhandel liegt mit seinen Antworten im Landestrend: Je nach Lebensmittel lehnen 80 bis 90% der konventionellen HändlerInnen gentechnisch manipulierte Lebensmittel ab. Im Bioladen und im Reformhaus werden genmanipulierte Lebensmittel kompromiß1os abgelehnt. Nur einige FilialleiterInnen im konventionellen Supermarkt würden Gentechnik bei Obst, Gemüse und Fertiggerichten, überraschenderweise aber auch beim Bier und Wein zulassen.
Sowohl die HändlerInnen in Supermärkten als auch in Naturkostläden und Reformhäusern vertreten die Meinung, daß genmanipulierte Lebensmittel von der Mehrheit der VerbraucherInnen nicht erwünscht sind - eine Einschätzung, die die Verbraucherverbände bestätigen können. Vor allern würde der Verkauf nicht ohne Wirkung bleiben. Das mühsam durch diverse Bioprodukte aufpolierte Image der Supermärkte sehen 90 Prozent durch den Verkauf von Gen-Nahrung wieder in Gefahr. Gleichwohl ist die Mehrheit der Ansicht, daß bereits heute - unerkannt - Lebensmittel im Umlauf sind, die mit Hilfe gentechnischer Methoden hergestellt wurden. Die verschiedenen kürzlich von Naturkostläden und Reformhäusern initiierten Anti-Gen-Kampagnen oder auch das vor einigen Jahren gegebene Versprechen der Hensler-Kette auf gentechnikfreie produzierte Lebensmittel zu verzichten, zeigten am, wo am ehesten auf die gentechnikfreie Zonen erhalten bleiben werden. Das Umfrageergebnis ist auch im Hinblick auf die laufende Kennzeichnungsdebatte in der EU interessant. Denn während gerade die EU- Kommission eine Stigmatisierung der Gentechnik verhindern will, setzen Verbraucher- und Umweltverbände die Forderung nach umfassenden Kennzeichnung dagegen. Diese Forderung ist in Deutschland ungeheuer populär. Nachdem Minister Seehofer die Kennzeichung als amtliche Regierungsmeinung ausgegeben hat, bekannte sich sogar der CDU-Politiker Hans-Peter Repnik entsprechend in der Öffentlichkeit. Auch die Reformhäuser haben mit der Kennzeichnungsforderung kürzlich wieder eine Werbekampagne gestartet. Als ginge es darum, eine Regelung des geordneten Nebeneinanders von Bio- Produkten und GenTech auszuhandeln. Daß die Kritikbewegung der letzten Jahre der das Motto "Essen aus dem Genlabor natürlich nicht" zugrunde lag, inzwischen auf die Kennzeichnungsformel als quasi verbraucherfreundliche Lösung abgerutscht ist, geht zwischen den Zeilen der Umfrageergebnisse hervor: Beantworteten doch einige HändlerInnen in Bioläden und Reformhäusern die Frage, ob sie gemnanipulierte Lebensmittel verkaufen wurden, (mißverständlicher Weise?) nicht mit "Nein", wie aus ihren anderen Antworten zu erwarten gewesen wäre, sondern kreuzten sie die Option "Ja, wenn sie gekennzeichnet sind" an. Ein Indiz für die Verkennung ihres (unterstellten) eigentlichen Ziels, nämlich Gen-Food gar nicht zu verkaufen. Sollte sich die EU einer Kennzeichungspflicht verweigern - das wäre aus Sicht der Verbraucheroolitik ohne Zweifel ein politischer Skandal - wird es die Genrevolution im Supermarkt dennoch schwer haben. Denn unklare Verhältnisse schüren das Mißtrauen: Jede Aufdeckungsarbeit durch die Verbraucherverbände oder die Macht einer Report-Sendung würden den heimlichen Markt gentechnischer Produkte empfindlich treffen können. Aus diesem Grund ist es derzeit schwer zu sagen, ob eine Kennzeichnungsregelung wirklich so förderlich wäre, Gentechnik im Supermarkt zu verhindern, oder ob sie in diesem Sinne kontraproduktiv eher die gentechnische Nische im liberalen Marktgeschehen öffnet. Die HändlerInnen jedenfalls, die gentechnisch hergestellte Lebensmittel nicht ohnehin prinzipiell ablehnen, fordern das GenTechLabel. Aus Sicht der kritischen VerbraucherInnen ist zu hoffen, da8 die HändlerInnen es als ein Instrument nutzen werden, um Politik mit dem Geschäftsregal zu machen und Gen-Food aus ihrem Sortiment verbannen.
Nur eine der landesweit befragten Personen - ein Konstanzer oder eine Konstanzerin - hätte ausdrücklich nichts dagegen, Gen-Food ohne entsprechenden Vermerk zu verkaukn. Weil bei der Umfrage jedoch der Datenschutz gewahrt wurde, bleibt ungeklärt, wer dieser Händler oder diese Händlerin ist, die Gen-Nahrung ihrer Kundschaft unterjubeln würde. Klar ist lediglich, daß er oder sie sich einer gentechnischen Herstellungsweise nicht nur bei Obst und Gemüse aufgeschlossen zeigte, sondern Zugeständnisse ebenso beim Gentech-Wein, wie auch bei der gentechnisch stabilisierten Schaumkrone beim Bier machen würde. Ob jener Händler oder jene Händlerin das Bier grundsätzlich nur in Dosen verkauft und den Wein im Tetrapack, bleibt indes ein Geheimnis.
Marc Haug
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