Quelle: AZW Nummer 06, erschienen am 20.07.1995 | |
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AZW: Was war der Anlaß für die Begehung der Container durch den Sozialausschuß?
Ch. H.: Direkter Anlaß war ein Antrag der FGL-Fraktion im Sozialausschuß. Aufgrund immer wiederkehrender Berichte über die katastrophalen Zustände in den Containern - nasse und verschimmelte Wände, Ungezieferbefall, gesundheitliche Probleme der dort untergebrachten Flüchtlinge - sahen wir es als wichtig an, uns selber einen Eindruck über die dortigen Verhältnisse zu verschaffen.
AZW: Wer war an der Begehung beteiligt und was waren Deine Eindrücke?
An der Begehung waren neben den Mitgliedern des Sozialausschusses, Bürgermeister Hansen, die Leiterin des Sozialamtes, Frau Herrmann, zwei ihrer Mitarbeiterinnen sowie ein Sozialbetreuer des Landratsamtes beteiligt. Mein Eindruck war - und hier waren sich alle Mitglieder des Sozialausschusses einig -, daß man das nicht so lassen kann. Die baulichen Mängel der Container sind offensichtlich; überall bildet sich Schimmel, der nur notdürftig überstrichen ist; Wände platzen auf. Zudem wissen wir, daß die Räume aufgrund ihrer schlechten Isolierung im Winter so gut wie nicht beheizbar sind. Bedrückend ist auch die räumliche Enge, in der die Flüchtlinge leben müssen: Sie leben wie in Schuhschachteln nebeneinander gepfercht. Die sanitären Bedingungen sind eine Zumutung. Der Sozialbetreuer erzählte uns auch, daß immer mehr Flüchtlinge mit ärztlichen Attesten wegen gesundheitlichen Schäden zu ihm kämen. Kinder seien extrem viel erkältet.
AZW: Zum wiederholten Mal wurde in den Containern bereits Gift gegen das sich dort breit machende Ungeziefer eingesetzt. Auf Anregung des AK Asyl hat das Gesundheitsamt nun eine Schadstoffuntersuchung durchgeführt- Wochen nach der Gift-Aktion -, deren Ergebnisse als unbedenklich eingestuft werden. Ist das ein Anlaß zur Entwarnung?
Ch. H.: Ich denke, es kommt nicht nur auf den Nachweis einer bestimmten Schadstoffkonzentration in den Containern an, um zu belegen, daß die Bedingungen insgesamt dort die Entstehung von Krankheiten fördern. Hierfür spricht die bereits erwähnte häufige Erkrankung der Kinder und die auffallende Häufigkeit der Arztbesuche der erwachsenen Flüchtlinge. Container, die ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht waren, werden heute von Familien mit kleinen Kindern zum Teil seit über vier Jahren zum Wohnen genutzt. Die Flüchtlinge leben auf engstem Raum, ohne Möglichkeit des Rückzuges. Für alle Flüchtlinge , die keine Arbeit finden - und das sind aufgrund der restriktiven Arbeitsbewilligungen durch das Arbeitsamt die meisten - ,wird der Container zum Daueraufenthaltsort. Das sind insgesamt deprimierende Bedingungen, die die Betroffenen krank machen können. Hier entsteht auch ein großer sozialer Zündstoff.
AZW: Wie sieht es mit dem Betreuungsangebot für Flüchtlinge in den Containern der Max-Stromeyerstraße aus?
Ch. H.: Aufgrund der kurzen Zeit, die zur Verfügung stand, konnten viele Fragen nur angerissen werden. Soviel ich weiß, ist ein Mitarbeiter des Landratsamtes für die Sozialbetreuung der dort lebenden Flüchtlinge zuständig. Er ist neben dieser Aufgabe auch noch in anderen Unterkünften eingesetzt. Das Landratsamt reduziert insgesamt die Stellen in diesem Bereich, da es von einer geringeren Zahl an Flüchtlingen ausgeht.
AZW: Viele Flüchtlinge bemühen sich - zum Teil seit Jahren - darum, eine Wohnung außerhalb des Containers zu finden oder in eine andere städtische Unterkunft verlegt zu werden. Was hältst Du von der seit März zwischen Stadtverwaltung und Landratsamt bestehenden Absprache, keine weiteren Flüchtlinge aus den Containern ausziehen zu lassen?
Ch. H.: Diese Regelung war mir bisher nicht bekannt. Frau Herrmann, die Leiterin des Sozialamtes, erwähnte allgemein die Unterbringungsprobleme. Von einer Absprache zwischen Sozialamt und Landratsamt in dieser Frage sagte sie nichts.
AZW: Statt die unbewohnbaren Container dicht zu machen und die dort lebenden Flüchtlinge anderweitig menschenwürdig unterzubringen, macht die Stadt die Unterkünfte in regulären Häusern dicht. Zuerst wurde die Gottlieberstraße geräumt, die heute immer noch leer steht, dann faßte der Gemeinderat den Beschluß, sämtliche Asylbewerber aus den Unterkünften am Bismarcksteig auszuquartieren - Unterkünfte, die ursprünglich genau für diese Gruppe gebaut wurden, - und im Herbst soll nun der Gasthof "Schlüssel" geräumt werden. Was hältst Du von diesen Entscheidungen der Gemeinderatsmehrheit? Siehst Du eine Bereitschaft bei der Mehrheit der Gemeinderatsfraktionen, ihre damalige Fehlentscheidung zum Kauf der Container zu revidieren, die Container zu räumen und die noch nicht abgeschriebene Kaufsumme als Verlust zu verbuchen?
Ch.H.: Ich halte die Entscheidungen des Gemeinderates, reguläre Unterkünfte zu schließen, für sehr unglücklich. Aus meiner Sicht sind die Container nicht bewohnbar und ich denke auch, daß die Begehung der Container hier einen neuen Anstoß für die Meinungsbildung in den Gemeinderatsfraktionen gebracht hat. Beschreibungen sind was anderes als ein persönlicher Eindruck. Im Herbst ist die Unterbringung der Flüchtlinge in den Containern erneut Thema im Sozialausschuß und wir erwarten dann Vorschläge der Verwaltung für eine alternative Unterbringung. Es muß Sofortlösungen für die in den Containern untergebrachten Familien geben. Hier bietet sich an, das bereits früher für die Flüchtlingsunterbringung genutzte Haus in der Gottlieberstraße wieder zu nutzen. Bei einer Unterbringung in diesem Haus könnten bereits zwei Container geräumt werden. Auch die Wobak müßte angesprochen werden, welche Möglichkeiten sie hat, Flüchtlinge unterzubringen. Insgesamt ist es notwendig, die Flüchtlinge dezentral unterbringen. Nur so ist eine Integration möglich. Den hier lebenden Flüchtlingen müssen Lebensbedingungen zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie einigermaßen zurecht kommen, ohne krank zu werden.
AZW: Ich danke Dir für dieses Gespräch.
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