linksrhein Quelle: AZW Nummer 14, erschienen am 16.12.1995
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Erklärung des AK Asyl:

Protest gegen Abschiebehaft

Der letzte Tag der Menschenrechte (10.12.94) wurde vom Komitee für Grundrechte und Demokratie zum Anlaß genommen, mit einer "Entzäunungsaktion" des Abschiebeknastes in Worms gegen die unsäglichen Bedingungen der Abschiebehaft in Deutschland zu protestieren. Dazu wurde mit Unterschriftenlisten aufgerufen. Gegen alle Unterzeichnerlnnen - darunter auch 13 Personen aus Konstanz - wurde von der Staatsanwaltschaft Bonn wegen "öffentlicher Aufforderung zu Straftaten" ermittelt. Diese Form des Protests ist unseres Erachtens jedoch nicht nur legitim, sondern dringend geboten, um auf schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in deutschen Abschiebeknästen aufmerksam zu machen, die der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt sind.

Nach Abschluß des Asylverfahrens und rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrages können deutsche Behörden Abschiebehaft anordnen. Sie wollen hierdurch verhindern, daß sich die Flüchtlinge einer erzwungenen Ausreise entziehen. Häufig führt bereits das Fehlen von Ausreisedokumenten dazu, daß Flüchtlinge in Abschiebehaft landen. Allein in Baden-Württemberg sitzen derzeit ca. 250 Personen in Abschiebehaft ein. Bundesweit sind es mehr als 3000. Im vergangenen Jahr wurden in der BRD rund 40.000 AusländerInnen zur Vorbereitung ihrer Abschiebung inhaftiert. Die durchschnittliche "Sicherungs- oder Vorbereitungshaft" beträgt 4 Wochen und wird im Extremfall auf bis zu 18 Monate (!) ausgedehnt.

Nicht nur für Flüchtlinge unverständlich handelt es sich bei den Abschiebehäftlingen nicht um StraftäterInnen, sondern lediglich um Opfer des Verwaltungsapparates. Abschiebehäftlinge werden zudem noch restriktiver und entwürdigender als Straffällige behandelt. So sitzen bei gleicher Größe in den Abschiebeknästen mehr Häftlinge pro Zelle ein als im normalen Vollzug. In Abschiebehaftanstalten gibt es kaum Freizeit- und in der Regel keine Arbeitsangebote. Es gibt kaum SozialarbeiterInnen oder psychologische bzw. seelsorgerische Betreuung. Die Isolation der Flüchtlinge wird verschärft durch die sprachlichen Barrieren.

Ein Flüchtling ist extremen psychischen Belastungen ausgesetzt. Der Zeitpunkt seiner Abschiebung ist für ihn ungewiß. Er muß befürchten, nach der Abschiebung in sein Heimatland erneut gefoltert und mißhandelt zu werden. Hinzu kommt die Scham, von seiner eigenen Familie möglicherweise als Straftäter angesehen zu werden. Diese Zermürbung führt nicht selten zu Nervenzusammenbrüchen, Weinkrämpfen und Depressionen. Mindestens 5 Selbsttötungen und ein Vielfaches an Suizidversuchen im letzten Jahr - von den Behörden zynisch als "Selbstschädigungen mit Demonstrationscharakter" bezeichnet - sprechen eine deutliche Sprache.

Zahlreiche Hinweise auf Folterungen gibt es inzwischen nicht nur im Umgang von deutscher Polizei mit AusländerInnen, sondern ebenso in der Abschiebehaft. In einem Fall, den der WDR am 30.1.95 dokumentierte, gibt der Gefängnisleiter des größten deutschen Abschiebeknastes in Büren unverblümt zu, bei der Ruhigstellung von schreienden und um sich schlagenden Gefangenen eine Fesselungstechnik anzuwenden, bei der es sich laut des angesehenen Berliner Zentrum für die Behandlung von Folteropfern" eindeutig um Folter handelt: dem auf dem Boden liegenden Flüchtling werden hinter dem Rücken die Hände aneinander gebunden, dann die Beine nach hinten gebeugt, die Füße gefesselt und dann mit den Händen verschnürt. Diese aus ai- Berichten als "Schaukel" bekannte Fesselung ist äußerst schmerzhaft, besonders im Bereich der Schulter und Kniegelenke wegen des Durchblutungsstaus aber auch an Armen und Beinen.

Von den 800 UnterzeichnerInnen des Entzäunungsaufrufs wurden 16 Personen angeklagt. Die restlichen Verfahren wurden eingestellt und sind inzwischen verjährt.

Die bisherigen Prozesse haben allesamt zur Verurteilung geführt, ohne daß eine inhaltliche Auseinandersetzung seitens der RichterInnen stattgefunden hat. Generell wurde zu 30 bis 40 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Die Strafen liegen mit 1800 bis 7500 DM ungewöhnlich hoch. Ziel solcher exemplarischer Verfahren ist die Kriminalisierung und damit verbunden die inhaltliche Diffamierung der Anliegen der AktionsteilnehmerInnen.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat für diese und die noch zu erwartenden Verfahren eigens einen Rechtshilfefonds eingerichtet. Zur Unterstützung und aus Solidarität mit den Angeklagten beschloß der Arbeitskreis Asyl Konstanz aus seinen begrenzten Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit eine Spende von 300 DM zu überweisen und bittet um weitere Spenden.

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