Seeblättle <<  >>  Quelle:  Seeblättle  Jg. 2000  Nr.4

Tuberkulose

TBC und Politk?

Was hat eine Krankheit mit Politik zu tun? Für denjenigen, der aktiv oder passiv die Aufrechterhaltung des status quo als das wichtigstes Element seines Seins ansieht, ist die Verneinung obiger Frage klar. Je weniger Ahnung die BürgerInnen von dem bis in die Zeit von Platon zurückgehenden Anspruch haben, sich in die Gestaltung eines gerechten Gemeinwesens einzuschalten, desto gesicherter ist die Macht der Herrschenden. Das funktionierte beispielsweise bestens in der lange währenden Zeit des dekadenten alten Roms mit dem Angebot von panem et circenses (Brot und Spiele) und funktioniert in unserer Zeit mit der Umwandlung des aufgeklärten citoyen in den Bürger, der blind das Wesen der fun generation akzeptiert.

Für denjenigen, der immer noch dem Traum anhängt, daß das Bemühen um eine solidarische und gerechte Gesllschaft alle Vorgänge bestimmen sollte ist die einleitende Frage zu bejahen.

Mit Folgendem will ich das verdeutlichen: Mit den schon seit Jahrzehnten zur Verfügung stehenden Medikamenten ist die TBC mit der Aussicht auf 100%igen Erfolg zu bekämpfen. Das Schicksal des an dieser Krankheit verstorbenen Wohnungslosen (worüber ich ja schon berichtet habe) ist der unmenschlichen Distanzierung von einer kleinen, an den Rand gedrängten Gruppe geschuldet. Dieses, hier vielleicht als Randerscheinung abgetane und vergessene Phänomen hat eine gewaltige globale Dimension. Nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation sterben - bei zunehmender Tendenz - in der sogenannten Dritten Welt jährlich 2,5 Mio. Menschen. Diese könnten am Leben bleiben, wenn nur ein Bruchteil des Geldes, das der Rüstungshaushalt der BRD verschlingt zum Kauf der Medikamente ausgegeben werden würde. Dasselbe gilt für die ungeheuere Verbreitung der AIDS-Erkrankung in Afrika , die seit Jahren diesen Kontinent heimsucht. In einem Artikel des Südkurier vom 13.07.00 ist zu lesen, daß ein privilegierter Südafrikaner, der es sich leisten konnte die ca. 600 DM für eine erfolgreiche Behandlung aufzubringen, geheilt werden konnte. Ein Schuldenerlaß würde ganz ohne Zweifel ein Vielfaches von dem erbringen, was nötig wäre, um diese Pest einzudämmen.

Es ist mir gegenwärtig, daß ich mit meiner Schilderung nicht dem entspreche, was ich sonst für die politische Argumentation als ganz vordringlich erachte: den sachlichen rationalen Umgang mit politischen Problemen. Mit der Darstellung der menschlichen Probleme in Ländern, die als Folge der jahrhundertelangen Ausbeutung , aktuell verschärft durch die sogenannte Globalisierung, nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen, sollen Emotionen geweckt werden, um überhaupt den Zugang zur Erfahrung dieses von uns verschuldeten Leidens zu öffnen . Wir haben auf der anderen Seite erlebt, welchen ungeheueren und verderblichen Einfluß auf das Bewußtsein die Benutzung des Wortes "Auschwitz" als Pseudo-Rechtfertigung des verbrecherischen und durch kein Recht gedeckten Krieges gegen Jugoslawien gezeigt hat.

Fazit: Der Zweck läßt - als Anstoß zu gerechter Empörung - auch den Einsatz des Appells an Gefühle als akzeptabel erscheinen. Die Nichtbefolgung dieser Meinung ist m.E. wesentlich dafür verantwortlich, daß die oft mit theoretischer Überfrachtung versehene Argumentation der Linken in einem Land, wo die Analphabeten herrschen, so wenig Erfolg zeigt.

Manfred Finnendegen


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linksrheincm27.09.2000