WER DIE 10-EURO-KAMPAGNE UNTERSTÜTZT BEWEGT SICH AUF DÜNNEM EIS!
Vorab:
Auch wenn wir die 10-Euro-Kampagne für unüberlegt und
völlig falsch halten, betrachten wir die Leute die sie
los getreten haben auch weiter als
Genossinnen und Genossen. Widersprüche innerhalb der
Linken lösen wir mit den Methoden der Diskussion,
Kritik und Selbstkritik und nicht mit Gewalt.
Drohungen,
Beleidigungen und Abreißen von Plakaten sind
vielleicht Methoden von Antirationalen, haben aber in der Inner-Linken
Diskussion nichts zu suchen.
UND
DIESE KAMPAGNE MUSS KRITISIERT WERDEN !
Wir haben den Eindruck, dass sich die
Genossinnen und Genossen mit ihrer Kampagne auf sehr dünnes
Eis begeben haben. Uns ist aufgefallen, dass
ein Teil der Mitglieder der IPA im Irak selbst nicht wirklich präsent
sind, und zwei andere IPA-Gruppen sind uns sehr negativ in
Erinnerung.
Die „Kurdische Islamische Armee“ ist nach Auskunft
befreundeter und verbündeter ausländischer
Organisationen bereits gewaltsam gegen Linke vorgegangen.
Und was ist ein „linker Flügel“ der Ba'ath-Partei? Seit
Februar 1963, also bereits lange vor Saddam, fiel die Ba'ath
immer wieder durch Massenmorde an Kommunisten auf.
Wenn also jemand die Ba'ath-Parteien als „sozialistische, populäre
Parteien“ bezeichnet, ist das bodenlos.
Unsere Meinung ist: Wenn die beiden bekanntesten Vertreter der IPA
antikommunistische Organisationen sind, warum sollten wir dann
die IPA unterstützen.
Möglich wäre dies, gäbe es eine Position der relativen Stärke
der revolutionären Linken im Irak. Wenn absehbar wäre
dass die Linke im Irak im Bündnis mit
anderen/bürgerlichen Organisationen wesentliche Teile ihrer
Inhalte und Ziele durchsetzen könnte. Im Moment sehen wir das
aber nicht als gegeben.
WIR
SIND ALSO NICHT GRUNDSÄTZLICH UND IN JEDER SITUATION GEGEN DAS
KONZEPT VOLKSFRONT!
Es ist aber unter anderem eine Frage des Kräfteverhältnisses:
Darauf haben auch die Genossen des „Revolutionären
Aufbaus“(Schweiz) in der Dezembernummer ihrer Zeitung
bereits hingewiesen:
„Ob das von der Patriotischen Union unter der Führung von Dschabbar
Al-Kubaysi angestrebte Ziel eines säkularen Iraks mit einem
breiten Bündnis aller Kräfte zu realisieren ist, steht auf
einem anderen Blatt und ist mehr als fraglich. ... Die Geschichte
des Nachbarlands Iran zeigt, wie die islamischen Reaktionäre
mit den fortschrittlichen Kräften umgehen. Auf der anderen Seite
lehrt die Geschichte der chinesischen Revolution, dass eine Front
mit den feindlichen Kräften letztlich eine Frage des
Kräfteverhältisses ist. Der Sieg über die
japanischen Imperialisten war nur möglich im Bündnis
mit der reaktionären Kuomintang, die im chinesischen
revolutionären Prozess in einem
zweiten Schritt besiegt wurde. Was nun den Irak betrifft, so scheinen
die Baathisten und die Islamisten unverhältnismäßig
stärker zu sein, als die fortschrittlichen Kräfte, was
im konkreten Fall gegen eine Bündnispolitik mit den
reaktionären Elementen spricht.“
KRITIK UND SOLIDARITÄT – UNSERE POSITION IN KÜRZE
ZUSAMMENGEFASST
Für uns steht die Solidarität mit der irakischen Bevölkerung
und dem Kampf gegen die Besatzung weiterhin auf der
Tagesordnung.
Natürlich ist auch der bewaffnete Widerstand gegen die Besatzungsmacht legitim.
Und nicht wenige haben mehr als klammheimliche Freude über jede
gezielte und gelungene Aktion des Widerstands. Dennoch ist es
natürlich falsch zu glauben, dass die
Feinde unserer Feinde automatisch unsere Freunde sind. Genauso
falsch ist es aber, Widerstand gegen die Imperialisten zu
verdammen, nur weil er von politisch rückständigen
Gruppen kommt. Was dem Imperialismus schadet, ist erst einmal
gut und nicht schlecht.
Konkret unterstützen wollen wir im Irak allerdings ausschließlich
die fortschrittlichen und linken Kräfte, um sie so in ihrem
Kampf gegen die Besatzung, sowie gegenüber den
nationalistischen, reaktionären und radikal-islamistischen
Gruppen zu stärken.
Als beste Solidarität mit dem irakischen Befreiungskampf betrachten
wir allerdings den revolutionären Kampf im eigenen Land gegen
den Imperialismus. Neben dem Blick auf den Irak und die
US-Imperialistische Weltmachtpolitik sollten deshalb radikale
Linke hierzulande die europäischen Weltmachtambitionen ins
Fadenkreuz der Kritik und Praxis rücken, die sowohl auf
ökonomischer, wie auf militärischer Ebene unter erheblichem
Einfluss der BRD immer zügiger umgesetzt werden.
ABER
NEBEN DER 10-EURO-KAMPAGNE MACHT UNS NOCH ETWAS ANDERES GROSSE
SORGEN !
Die „10-Euro-Kampagne“ ist in eine größere
Kampagne eingebettet, die in eine falsche Richtung geht.
Sowohl im Internet, wie in Broschüren werden zur Zeit Beiträge
verbreitet, die „zur Diskussion anregen“ sollen, mit
linken Ansätzen aber kaum mehr etwas zu tun haben.
Von einigen Leuten wird versucht, dem Islam eine besondere,
hervorragende Rolle im Anti-Imperialistischen Kampf
zuzubilligen.
Dabei werden sogar eindeutig islamistische Organisationen schön
geredet. Was soll das, wenn plötzlich die Hisbollah wegen
ihrer tollen Frauenförderung gelobt wird, und behauptet wird,
dass sie die einzige größere Kraft sei, die „für
einen demokratischen Staat eintritt“. Bei solchen Positionen
hört für uns jeder Spaß auf!
DIE
THESEN DES CONSTANZO PREVE
Eine besondere Rolle in der Kampagne spielen seit Saloniki und Assisi die
Thesen des Italienischen Philosophen Constanzo Preve. Dass
er in Teilen der Linken als „marxistischer Philosoph“
gehandelt wird, halten wir für völlig unberechtigt.
Was haben seine Ideen mit Marxismus zu tun?
Preve ist ein besonders hartnäckiger Vertreter der Meinung, dass dem
Islam eine besondere Rolle im Anti-Imperialistischen Kampf
zusteht. Jede mögliche Kritik versucht Preve dadurch abzuwehren,
dass er meint, dass sich hier eben zwei Kulturen, zwei Welten
gegenüberstehen. Sprich: Wer den Argumenten Preves nicht folgen
will, hat sich gefälligst aus der Diskussion herauszuhalten.
Am liebsten wäre Preve eine vereinte Front von islamischen und
linken Kräften vom Irak bis zu den Philippinen. Unter
welchen Bedingungen, mit welchem strategischen Ziel, verschweigt er.
Der Hang Preves in der Religion die Neue Lösung zu suchen, endet
aber keineswegs bei islamischen Ländern. Es ist deshalb
auch nicht verwunderlich, dass er die Religion nicht mehr zur
Ideologie der Herrschenden rechnen möchte. Preve gibt zwar vor,
nicht religiös zu sein, glaubt aber an die Existenz Gottes,
„wenn auch nicht an einen christlichen Gott“. „Gott
ist tot“ bedeutet für ihn nur das Ende „der
westlichen Zivilisation, basierend auf dem christlichen
Bürgertum und sozialistischen Modellen“.
Da fragen wir uns, was will Preve nach diesem „Ende“ ?
Am liebsten möchte Constanzo Preve den ganzen Marxismus von Grund
auf neu schreiben:
„Ich denke nicht, dass wir die Religion
bekämpfen müssen, obwohl ich nicht religiös bin. Ich
denke, dass der Marxismus komplett erneuert werden muss,
nicht nur von diesem Standpunkt aus.“ oder „Alle
marxistischen Begriffe, wie Produktionsverhältnisse,
Produktivkräfte, Ideologie und so weiter müssen in
ihrer Struktur, in ihrem Gefüge, in ihrem Zusammenwirken
zueinander neu gedacht werden“
Revolutionäres Subjekt ist für ihn auch nicht mehr die Arbeiterklasse.
Revolutionäre Subjekt versteht er „im
Sinn des 'generell intellect' (sic!) - ein auf Marx
zurückgehender Begriff. Das sind die sozialen geistigen Kräfte
der Produktion, die Träger der immateriellen
Produktion.“
Was bewirkt Preve mit dieser knappen Aussage: Er löst
den Begriff 'revolutionäres Subjekt' nicht nur von der
Arbeiterklasse ab, sondern überhaupt von real
existierenden, handelnden Menschen.
Das revolutionäre Subjekt wird in den Bereich der Idee verbannt.
Wer bei solchen Positionen weiterhin behauptet, dass Constanzo Preve ein
„marxistischer Philosoph“ ist,
muss sich fragen lassen, was er damit bezweckt.
Auf die „neuen Gedanken“ eines Preve können wir
verzichten und antworten ihm mit den Worten eines Chinesischen
Revolutionärs:
„Woher
kommen die richtigen Ideen der Menschen? Fallen sie vom Himmel? Nein!
Sind sie dem eigenen Gehirn angeboren? Entstehen sie in den Schädeln
italienischer Philosophen? Nein!
Die
richtigen Ideen der Menschen können nur aus der
gesellschaftlichen Praxis herrühren, nur aus dem
Produktionskampf, dem Klassenkampf und dem wissenschaftlichen
Experiment – diesen drei Arten der gesellschaftlichen Praxis.
Sobald
die richtigen Ideen, die die fortschrittliche Klasse repräsentieren,
von den Massen beherrscht werden, werden sie zur materiellen Gewalt,
welche die Gesellschaft und die Welt umgestaltet“
Davon
wollen wir bei unseren Diskussionen in Nürnberg auch weiter
ausgehen!