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Redebeitrag
auf der "Flora bleibt unverträglich"-Demo am 3.3.2001
Schanzenviertel:
"was für den Standort tun"
In den letzten 12 Monaten haben im Schulterblatt und in der Susannenstraße
mehr neue Kneipen eröffnet als in jedem Jahr zuvor. Dabei fällt
auf, daß gerade diejenigen Kneipen bzw. Cafés, die
eher schickeres Publikum aus ganz Hamburg anziehen "Transmontana"
und "Bar Projekt" - sich erweitert haben.
Zunächst boten dabei das "pittoreske Abbruch-Ambiente"
der Roten Flora und die täglichen Razzien gegen die Drogenszene
für dieses Publikum die interessante, authentische Hintergrundkulisse,
die prima zusammen mit dem Milchcafé auf der Bordsteinkante
konsumiert werden konnte. Doch dadurch, daß vor allem mit
dem "Café ohne Namen" dieses Publikum allmählich
immer schicker wurde, wurde auch diese Hintergrund-kulisse immer
mehr zum Problem. So schreiben z.B. Pagel&Lerch, Betreiber des
"Bar Projekts" und des "Cafés ohne Namen":
"Die Drogen-situation eskaliert allmählich. Dealer verchecken
vor unserer Bar unge-hindert Drogen. Wir waren nie Rassisten und
wollen auch keine werden. Durch die "Schieß-buden"
wie den Fixstern gibt es immer mehr neue Junks [..] Wo Junkies sind,
sind auch Dealer. Wir wollen das Drogenproblem nicht gänzlich
aus dem Viertel kehren, aber das soziale Gefüge darf nicht
durch über-mäßiges Wachs-tum der Drogenszene gesprengt
werden."
Damit sind Pagel&Lerch voll auf Linie mit der im letzten Herbst
gegründeten Gewerbe-treibenden-Lobbby "Standpunkt Schanze",
bei der sie selbst Mitglied sind. Diese Lobby will "etwas für
den Standort Schanzenviertel tun" und hat sich dafür die
"Lösung von Fragen von Sicherheit und Sauberkeit"
gleich in die Satzung geschrieben. Wie das dann aussehen soll, machte
Frau Stenzel, eine der Vorsitzenden dieses Vereins, u.a. in einem
Interview auf dem offenen Kanal im Juni klar: Nicht nur der Müll
soll aus dem Schulterblatt verschwinden, sondern auch der "Fixstern"
In einer reinen Einkaufsstraße, zu der das Schulterblatt
jetzt immer mehr gemacht wird, paßt eine Drogen-Hilfe-Einrichtung
eben einfach nicht mehr ins Bild.
Wie dieses neue Bild des Schanzenviertels aussehen soll, wird derzeit
im sog. "9er-Gremium" diskutiert. Dieses Gremium aus jeweils
3 Vertretern der Bezirke Altona, Eimsbüttel und Mitte soll
das Viertel in Schuß bringen und hat dazu die STEG als "Quartiersmanagerin"
eingesetzt. Und die agiert gleich in mehreren Bereichen: Während
der von STEG und Handelskammer gemeinsam initiierte "Standpunkt
Schanze" die Straße sauberer und sicherer machen will,
kümmert sich die von der STEG ins Leben gerufene "Arbeitsgruppe
Neugestaltung Schulterblatt" um die architektonische Seite
des neuen Schanzenviertels.
Diese AG ist ein sog. Beteiligungsverfahren und ist damit die wesentliche
qualitative Neuerung im Umstrukturierungsprozeß des Schanzenviertels:
AnwohnerInnen soll die Möglichkeit gegeben werden, bei dem
Umbau des Schulterblatts zu einer schicken Einkaufs- und Konsummeile,
ihre eigenen Vorschläge einzubringen. Das Angebot an die AnwohnerInnen,
sich innovativ an der Umsetzung einer Aufwertungsmaßnahme
beteiligen zu können, bietet für STEG und Senat gleich
mehrere Vorzüge: Erstens kann in einem solchen Gremium Unmut
gegenüber städtischer Politik rechtzeitig erkannt werden,
so daß die Durchsetzung städtischer Interessen darauf
abgestimmt werden kann. Zweitens tritt mit der angeblichen Mitsprache-Möglichkeit
bei den Aufwertungsmaßnahmen die Frage nach dem Sinn der Aufwertung
selbst in den Hinter-grund und mögliches Protestpotential kann
in den Umstrukturierungsprozeß integriert werden. Drittens
erhält die Stadt billige kreativ-Hilfe bei der Planung. Und
viertens bekommt die STEG, die bis jetzt nie wirklich einen Fuß
ins Schanzenviertel bekommen hat, damit eine Chance bei den AnwohnerInnen.
Durch Beteiligungsverfahren wie die "AG Neugestaltung Schulterblatt"
wird versucht, die Interessen der AnwohnerInnen mit den Aufwertungs-Interessen
von Senat und Gewerbe-treibenden auf Kurs zu bringen. Ausgeblendet
werden dabei nicht nur die mit einem solchen Umstrukturierungsprozeß
notwendig verbunden Ausgrenzungs- und Vertreibungs-maßnahmen,
gegen diejenigen, die nicht mehr ins Bild passen und damit dem "Standort"
schaden. Ausgeblendet wird z.B. auch daß die Mieten im angeblich
"verslummenden" Schanzenviertel im letzten Jahr stärker
gestiegen sind als in allen anderen Stadtteilen Hamburgs
was sich mit einer "Umgestaltung Schulterblatt" eher noch
verstärken wird. So sind jetzt schon immer mehr Menschen gezwungen
in andere Stadtteile mit niedrigeren Mieten umzuziehen. Dem Standort
Schanzenviertel tut das keinen Abbruch: die Internet-Design-Firmen
im Hinterhof des Schulterblatts, die Jahres-Umsätze in Millionen-Höhe
machen, haben keine Probleme die neuen Mieten zu zahlen - genausowenig
die meisten derjenigen, die allabendlich die schicken neuen Kneipen
bevölkern. Und so wird ganz allmählich und ohne große
Reibungsverluste das Ziel "sozialer Stadtteilentwicklung"
erreicht: Das Erscheinungsbild und die Bevölkerungstruktur
der verkehrstechnisch günstig gelegenen, schönen Viertel
der westlichen inneren Stadt werden endlich repräsentativ für
die Metropole Hamburg.
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