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Redebeitrag
auf der Demo "Flora bleibt unverträglich" 3.3.2001
Redebeitrag
Polizeikontrollen
S-Bahnhof Sternschanze
Am Sternschanzen-Bahnhof finden bekanntermaßen
seit Jahren Razzien gegen die Drogenszene statt und der Bahnhof
wie der angrenzende Park sind Tummelplatz für Uniformierte
aller Arten. Um diese und um einige Neuheiten in den Rahmenbedingungen
ihrer Praxis, soll es im folgenden gehen.
Mitte Januar diesen Jahres wurde in der Presse eine Großrazzia
gegen die Drogenszene abgefeiert. Diese fand zeitgleich am Hauptbahnhof
und an mehreren S-Bahnhöfen statt, so auch hier am Sternschanzenbahnhof.
Beteiligt waren 300 PolizeibeamtInnen und BGSlerInnen, sowie MitarbeiterInnen
der Ausländerbehörde. Mit dieser Aktion wurde eine neue
Hamburger Praxis zum ersten Mal öffentlich vorgeführt:
Die Einbindung des Bundesgrenzschutz in die polizeiliche Bekämpfung
offener Drogenszenen. Um das rechtlich möglich zu machen, sind
die BGS-BeamtInnen für solche Einsätze nicht dem BGS-Gesetz,
sondern dem Hamburger Polizeigestz unterstellt. Zusätzlich
bekamen sie Zugriff auf Computersysteme und Datenbanken der Polizei.
Dadurch erhalten sie die nötigen Informationen über vermeint-liche
Angehörige der Drogenszene, um in der Umgebung der Bahnhöfe
eigenständig Platzverweise erteilen und Menschen schikanieren
zu können. Umgekehrt fließen die Daten, die der BGS bei
solchen Einsätzen erhebt ins polizeiliche Computersystem ein.
Gespeichert werden nun auch die Informationen, die eine spezielle
Zugriffseinheit des BGS sammelt. Diese 40 "in konspirativen
Einsätzen erfahrenen BeamtInnen wurden extra aus Uelzen
abgeordnet, um als zusätzliche Kräfte gegen die Hamburger
Drogenszene vorzugehen.
Daß die Justiz- und Innenbehörden wenn es um die Verbesserung
der Bekämpfung der Drogenszene geht, viel repressive Energie
an den Tag legen können, zeigten auch zwei neue "Verfügungen
zur wirksameren Bekämpfung von Straßendealern die
am 1.September 99 in Kraft getreten sind.
Mit den neuen Dienstanweisungen bekamen Polizei und Justiz ein Instrument
geliefert, das die Kriminalisierung und Verfolgung von Menschen,
die als Klein- und KleinstdealerInnen angesehen werden, erleichtern
soll. Bis dahin galten geringe Mengen von illegalisierten Drogen
als Eigenbedarf und ihr Besitz wurde im Interesse einer Entkriminalisierung
von UserInnen in der Regel nicht strafrechtlich verfolgt. Nun gilt
als "gewerbsmäßiger Dealer, wer 3-4 Mal mit
solchen geringen Mengen angetroffen wird. In Hardliner-Manier gab
Innensenator Wrocklage im August die Stoßrichtung vor: "Ein
Vergehen wird so zum Verbrechen.
Im Hinblick auf die DrogenkonsumentInnen ist die verschärfte
Praxis in erster Linie zur Einschüchterung gedacht. Es geht
zur Zeit noch weniger darum, sie als HändlerInnen massenhaft
einzuknasten, als viel-mehr darum, ihre Bewegungs-spiel-räume
in der Öffentlichkeit wirkungs-voller zu steuern. So sieht
die Verfügung ausdrücklich vor, daß auf Anzeigeerhebung
auf keinen Fall verzichtet werden soll, wenn jemand in der Nähe
von Kindergärten, Spielplätzen oder Schulen öffentlich
Drogen konsumiert.
Um die UserInnen ging es Innen- und Justizbehörde aber nur
in zweiter Linie. Die begleitenden Presseartikel von August/September
99 sprachen dann auch eine deutliche Sprache: Da war von sog. "schwarzafrikanischen
Dealern die Rede, die noch immer nicht abgeschoben werden
könnten, weil sie - clever wie sie wären - immer nur Eigenbedarfsmengen
bei sich hätten. Deshalb würden sie bei Kontrollen dann
auch nicht belangt. Damit sollte jetzt Schluß sein.
Die neuen Verfügungen erlauben die Strafverfolgung auf der
Basis einer sehr zweifelhaften "Beweisführung. Frei
nach dem Motto "Wenn wir nur genug Einzeldaten sammeln, können
wir (fast) jeden zum Dealer machen. Das heißt: Durch
das schnelle Zusammenfassen aller möglicher Informationen zu
einer Person, die für sich genommen niemals zur Anklage führen
würden, werden Strafverfahren ermöglicht. Auch hier hilft
die neuere Computertechnik und die massenhafte Sammlung von Daten
über die Drogenszene bei der Einleitung von Strafverfahren.
Dafür muß den Betroffenen noch nicht einmal ein konkreter
Handel nachgewiesen werden. Es genügt, daß BeamtInnen
andere sogenannte relevante Unstände feststellen: Der Kontakt
zu KonsumentInnen, ohne selbst eine/einer zu sein oder das Entgegenehmen
von "Drogengeld, wie immer das aussehen mag. Sogar die
"Beobachtung von "Schluckbewegungen im Rahmen einer
Festnahme ist ein ausreichender Anhaltspunkt.
Aus Unterstellungen und vermeintlichen Beobachtungen wurden "Beweise.
Die bekannte Praxis von PolizistInnen, Menschen willkürlich
nach "Augenschein und rassistischem Vorurteil zu verdächtigen
und zu kontrollieren, bekam mit den Verfügungen das Mäntelchen
der Rechtsstaatlichkeit umgehängt. Ein Szenario, in dem ein
Flüchtling als "Straftäter abgeschoben wird,
weil ein Polizist ihn beim Schlucken beobachtet haben will, ist
nicht so absurd, wie es klingt. -Hatte Wrocklage bei der Vorstellung
der neuen Praxis doch schon triumphierend angekündigt, daß
"afrikanische Dealer jetzt verstärkt mit Abschiebungen
zu rechnen haben.
Lagerstrasse
Im Juni vergangenen Jahres wurden fünf
Polizisten der Lerchenwache schuldig gesprochen, an der Lagerstrasse
den 18jährigen Alimang S. mißhandelt, bzw. Beihilfe dazu
geleistet zu haben.
Am 14.11.97 wurde Alimang S. auf dem Schulter-blatt
von den zwei Zivilfahndern Carsten Schwerdtfeger und Uwe Engelbrecht
abgegriffen und unter dem Vorwand, ihn zur Personalienfeststellung
auf die Wache zu bringen, zum Schlachthofgelände in der Lagerstraße
gefahren. Dort knebelten sie ihn mit einem Lederhandschuh und schlugen
ihn zusammen.
Weil Alimang S., als er auf der Lerchenwache Anzeige erstattete,
die Schläger identifizieren konnte, und weil sie sich so sicher
wähnten, daß sie noch nicht einmal Beweise vernichteten,
kam es tatsächlich zu Ermittlungen und schließlich zum
Prozeß.
Nachdem die Schläger im Vorfeld des Prozesses mit dem Versuch
gescheitert waren, ihr Opfer als Dealer zu stigmatisieren, und damit
vielleicht indirekt Sympathie für ihre Gewalttat zu gewinnen,
hielten sie bis zum Prozeßende an ihrer Version fest, sie
hätten S. nur freundlicher-weise zur S-Bahn fahren wollen.
Dort sei er dann abgehauen und hätte seine Papiere zurückgelassen.
An dieses Märchen mochte auch der Amtsrichter nicht so recht
glauben. ("Die Polizei ist doch kein Taxi-unter-nehmen)
Er verurteilte die Prügel-polizisten wegen gefährlicher
Körperverletzung im Amt und Freiheits-beraubung zu 15 und 14
Monaten auf Bewährung bzw. zu Geldstrafen zwischen 11000 und
13000 DM wegen Beihilfe. Berufung steht noch aus.
Bemerkenswert an diesem Prozeß ist zunächst einmal das
Urteil und die Tatsache, daß der Fall überhaupt vor Gericht
kam. Bemerkenswert ist aber auch, wie wenig öffentliche Beach-tung
diese bekanntgewordene brutale Mißhandlung fand. Das Vertrauen,
das die Polizei im Schanzenviertel genießt, ist ungebrochen.
Auch wenn im Zusammenhang mit dieser Mißhandlung aus Kreisen
der Wache 16 verlautete, mit den beiden Schlägern seien ja
eigentlich noch die Harmlosesten aus dem Verkehr gezogen worden,
gilt der Fall als Exzess, der mit der alltäglichen Praxis nicht
das geringste zu tun haben soll. Vor dem Hintergrund jahrelanger
systematischer Stigmatisierung, Schikane, der rassistischen Kontrollpraxis
und nicht weniger Übergriffe, die nie zur Anzeige kamen, ist
die Rede vom "Einzelfall ein Hohn. Die Mißhandlungen
durch Schläger wie Carsten Schwerdtfeger und Uwe Engelbrecht
dienen dem gleichen Ziel wie der "reguläre Dienst
ihrer KollegInnen: Der dauerhaften Einschüchterung vor allem
schwarzer Menschen im Schanzenviertel.
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