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Dass sich seit Bestehen des
Fixsterns immer wieder Menschen an seiner Existenz gestört
haben ist hinlänglich bekannt und u.a. Thema dieses Flugblatts.
Doch die Rufe nach Verlagerung fanden ihren ersten Höhepunkt im
September 1999. Eine Rückschau: Im Juli 1999 wurde die STEG mit
dem Quartiersmanagement für das Schanzenviertel beauftragt und
gründete alsbald die „AG zur Umgestaltung des
Schulterblattes“.
In diesem Zuge wurde der heutige
Achidi-John-Platz (ehemals Schulterplatz) erschaffen um eine Zone
des Verweilens innerhalb der Konsummeile Schulterblatt zu
ermöglichen - schließlich kann einkaufen nur allzu
stressig sein. Wer diesen Platz wie nutzen sollte und was
konsumieren bedeutete war damit schnell bestimmt: Alle die Geld auf
der Tasche haben um am Flanieren teilzunehmen seien herzlichst
eingeladen.
Der Rest sollte aus dem Sichtfeld verschwinden. Eine
niedrigschwellige Drogenhilfeeinrichtung mit ihren BesucherInnen
passt nicht dazu. Armut passt nicht zu Schwarzwälderkirsch und
latte macchiato. So sprach sich das Neuner-Gremium (heute
Dreizehner-Gremium) bereits im September 1999 einstimmig für
einen „anderen Standort“ des Fixsterns aus mit der
Begründung, dass der jetzige höchst problematisch sei. Zum
einen liege er unmittelbar in einem Wohngebiet und verursache
Lärmbelästigungen bei den AnwohnerInnen. Außerdem
reisten die DrogenkonsumentInnen mit der S-Bahn Sternschanze an und
müssen von dort aus zum Fixstern gelangen. Drogendealer würden
sich angeblich aus diesem Grund über die ganze Susannenstrasse
verteilen.
Als Folge zögen vermehrt Familien mit Kindern aus
dem Schanzenviertel weg. Und schließlich sei „zusätzlich
problematisch die unmittelbare Nähe zur alten Flora, so dass
hier eine Gemengelage entstanden ist, die aus einer möglichst
geringen Belastung eine ausgesprochen hohe Belastung hat werden
lassen“. Als neuer Standort stand die Lagerstrasse schnell
fest und wurde von allen beteiligten Parteien als erwünscht
angesehen. Mit der Entscheidung, die Messe
nicht wie andernorts an den Stadtrand zu verlegen, sondern
innerstädtisch zu erweitern, entbrannte die Diskussion um die
Verlegung des Fixsterns in die Lagerstrasse aber erneut.
Und eigentlich wusste zu diesem
Zeitpunkt niemand mehr so recht, warum der Fixstern überhaupt
im Schanzenviertel bleiben sollte. Es gelte, das Aufeinandertreffen
von TouristInnen / MessebesucherInnen und Drogenabhängigen zu
verhindern.
Der Mitte September 2002
einstimmig gefällte Beschluss der Bezirksversammlung, dem
Fixstern in der Lagerstrasse ein neues Domizil anzubieten, wurde
bereits 4 Wochen später von der Behörde für Umwelt
und Gesundheit mit Senator Rehaag an der Spitze mit Bezug auf die
Messeerweiterung, in deren Konzept die Lagerstrasse eine zentrale
Rolle spielt, abgelehnt. Mitte Februar 2003 fiel dann die endgültige
Entscheidung, dass die Einrichtung ersatzlos gestrichen werden soll.
So sollen zukünftig alle
Drogenabhängigen im „Wüstenrothaus“ in St.
Georg verschwinden und das Schanzenviertel wird endgültig zu
dem, was es eigentlich schon ist: ein sauberes Szeneviertel, eine
Amüsiermeile für Partyvolk, TouristInnen und
MessebesucherInnen.Die Umstrukturierung des
Schanzenviertels scheint nicht aufzuhalten zu sein. Nachdem der
olympische Bogenschiess-Wettbewerb im Schanzenpark den AnwohnerInnen
erspart bleibt, wird nun durch das Hotel im Wasserturm die
öffentliche Nutzung des Parks in Frage gestellt.
Die Messeerweiterung wird dem
Schanzen- und Karoviertel weiter steigende Mieten und noch mehr
Verkehr bescheren, schließlich müssen die 7500 neu
geplanten Parkplätze ja irgendwie gefüllt werden.
Untertunnelungen, Tiefgaragen, Parkhäuser, neue Hallen – an dem Baulärm werden die AnwohnerInnen bis 2008 ihre helle Freude haben. Aber es geht nicht nur um bauliche Veränderungen, die Messeerweiterung wird den Gesamtaufwertungsprozess des Viertels massiv beschleunigen und die Angebotspalette dahingehend verändern, immer neue Bedürfnisse zu befriedigen, wie ein Vergnügungspark der ständig mit neuen Attraktionen locken muss um interessant zu bleiben. Der Baubeginn ist noch in diesem Jahr und wird bis zur Fertigstellung 330 Millionen € verschlingen. Schließlich soll „Hamburgs Messe... dauerhaft in die Champions-League europäischer Messestädte aufsteigen“ so Senator Mettwurst.
Dass der Fixstern aus dem
Schulterblatt verschwinden soll, ist schon länger formulierter
politischer Wille. Die „Vision“ des Schulterblatts als
Flanier- und Konsummeile für Besserverdienende transportiert die Vorstellung, dass diese mit der lokalen Präsenz einer offenen
Drogenszene nicht zu vereinbaren sei.
Und seitdem der Bürgerblock
im Amt ist, ist auch die zuvor erwogene Verlagerung des Fixsterns in
die Lagerstrasse kein Thema mehr. Stattdessen wird eine Integration
der Kapazitäten des Fixsterns in das geplante Großprojekt
„Wüstenrothaus“ in St. Georg propagiert. Der
konkrete Ansatz des Fixsterns, eines niedrigschwelligen, an den
Bedürfnissen der Menschen im Stadtteil orientierten Angebotes,
wird abgewickelt. Mit kaum zu überbietender Dreistigkeit erklärt
der zuständige Gesundheitssenator Rehaag, dass er durchaus
überzeugt davon sei, das 70% der NutzerInnen hier selbst in der
Schanze leben; aber die „Süchtigen“ hätten sich
an den Angeboten zu orientieren und nicht umgekehrt.
Weder der angekündigte Einsatz
von StraßensozialarbeiterInnen, noch die vage in Aussicht
gestellte Schaffung einer ausstiegsorientierten Drogen-beratung mit
Spritzentauschmöglichkeit auf der „Brammerfläche“
(Schulterblatt/ Ecke Max-Brauer-Allee) kann ein adäquater Ersatz
für den Fixstern sein.
Der Senat folgt dabei nicht nur einer
Aufwertungsstrategie fürs Schanzen-viertel, sondern setzt
konsequent auf Desintegration.
So darf nur sein, was sein soll - akzeptierende Ansätze
gehören eben nicht dazu. Über kurz oder lang wird nicht nur
der Fixstern „Opfer“ dieser Politik sein, sondern auch
alle anderen niedrigschwelligen Einrichtungen in der Stadt.
Diese bieten UserInnen bisher die
Möglichkeit anonym und ohne Angst Drogen zu konsumieren.
Duschen, Kleiderkammer, medizinische Versor-gung und Essensausgabe
bieten die Chance die eigenen Lebensverhältnisse zu verbessern
und wenn gewollt über Alternativen nachzudenken. Damit sind
diese Einrichtungen überlebensnot-wendig. Andererseits dürfen
sie aber nicht zur Elendsverwaltung verkommen und dazu beitragen
UserInnen aus der schönen Konsum- und Wohnwelt zu vertreiben.
Denn letztendlich geht es um das Recht auf ein
selbstbestimmtes Leben – auch für sie.
Dieses Recht wird Drogenkon-sumentInnen
abgesprochen. Sie werden zu einer verschiebbaren Masse degradiert,
die, wenn sie sich schon nicht in Luft auflöst, nur noch an
isolierten Orten wie dem Wüstenrothaus geduldet wird und überall
anderswo „auf Trab gehalten“ werden soll.
Es ist völlig klar, dass dadurch keine Probleme
gelöst werden. Vielmehr folgt diese rigorose Politik der
Ausgrenzung und Vertreibung, deren permanente Polizeiroutine
Selbstzweck ist, einer autoritären Ordnungsvorstellung und
präsentiert sich auf Kosten der DrogenuserInnen als symbolische
Handlungsfähigkeit.
Die aktuelle
Vertreibungspolitik, in der polizeiliche Repression zur zentralen
Form politischen Handelns gegenüber der offenen Drogenszene
wird, ist Bestandteil eines umfassenden Konzeptes, wie mit
sichtbaren sozialen Problemen ungegangen wird. Hintergrund dieser
sehr konkreten und fassbaren Politik sind gesamtgesellschaftlich
begründete Grundsatzentscheidungen. Zugegebenermaßen
vermittelt sich dieser Zusammenhang weniger drastisch als das
unmittelbare erleben massiver Polizeieinsätze, die durch
ständige Präsenz ja scheinbar eine Drogenszene zum
Verschwinden bringen können. Eine ansatzweise Darstellung
dieser komplexen Hintergründe wollen wir hier im Folgenden
versuchen.
Parteiliche und an Betroffenen
orientierte Konzepte werden schon länger als sozialromantisch
denunziert. Hintergrund ist die Verschiebung politischer
Koordinaten. Sozialstaatlichkeit, Wohlfahrtsleistungen, Sicherung
von physischer und ökonomischer Existenz wurden bis in die 80er
Jahre als zentrale staatliche Aufgabe in dieser Gesellschaft
definiert. Das Bild des „eng geknüpften sozialen Netzes“
galt als mustergültiger Ausdruck davon. Mit der
Wiedervereinigung und der Umstrukturierung der internationalen
Beziehungen unter dem Vorzeichen neoliberaler Politik und nach dem
Verschwinden des realsozialistischen Ostblocks als immerhin
theoretische Systemalternative, werden die gesellschaftlichen
Ressourcen neu verteilt.
Standortpolitik, der Wettbewerb
zwischen nationalen und regionalen Wirtschaftsräumen, wird zur
primären Aufgabe staatlichen (und städtischen) Handelns
gemacht, wobei das Gerede von der „weltoffenen Medienmetropole
Hamburg“ das propagandistische Schlagwort für eine solche
Politik auf lokaler Ebene darstellt. Um die angestrebte
Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, ist es seitens der Politik
notwendig, die optimalen Verwertungsbedingungen dafür zu
schaffen, um den eigenen Standort attraktiv zu machen und die
Unternehmen anzulocken. Allzu starre arbeitsrechtliche Regelungen
stellen dabei genauso ein Hindernis dar wie eine Sozialpolitik, die
Geld kostet und keinen wirtschaftlichen Nutzen im beschriebenen
Sinne hat. Die politische Alternative zu gesellschaftlicher
Solidarität wird in der Eigenverantwortungen der/des Einzelnen
für seine/ihre Lebensbedingungen und in der Etablierung
marktwirtschaftlicher Konkurrenz in allen gesellschaftlichen
Bereichen gesehen, wobei diejenigen, die dabei auf der Strecke
bleiben bereits heute - und zukünftig noch verschärft -
selber Schuld sein sollen.
Anders gesagt: es gibt nicht
weniger Geld, sondern es gibt weniger Menschen, die an diesem
gesellschaftlichen Reichtum teilhaben werden. Dies ist natürlich
ein schrittweiser und zugleich schleichender Prozess. Eine
„Gesundheitsreform“ beispielsweise hat nicht die
Verbesserung der medizinischen Versorgung zum Ziel, sondern dient
dem Abbau von Leistungen für die Mehrheit der Menschen. Zugang
zu umfassender medizinischer Versorgung werden sich zukünftig
nur jene leisten können, die über genug private
finanzielle Mittel verfügen. Gesundheit wird so zum Luxus von
Wohlhabenden.
Doch wer glaubt, sich mit
„redlicher“ Arbeit finanziell absichern zu können,
kann schneller an den Gesetzmäßigkeiten der
kapitalistischen Realität scheitern, als ihm/ihr lieb ist. Vor
dem Hintergrund der schon angedeuteten bestehenden
Ost-West-Systemkonkurrenz galt in der BRD bis 1989 immerhin
offiziell das Ziel der Vollbeschäftigung. Mit Arbeitslosengeld
und Arbeitslosenhilfe wurden Instrumente geschaffen, die
Gesetzmäßigkeit des Kapitalismus erträglicher zu
gestalten, die formelhaft lautet: Lohnarbeit ist Bestandteil der
Verwertungsbedingungen des Kapitals und ist nicht Ausdruck eines
Rechts auf Arbeit als ein möglicher Ausdruck selbst bestimmter
Lebensgestaltung. Die aktuelle Behauptung, genügend
Eigenverantwortlichkeit und Leistungswille garantierten die Aussicht
auf einen festen Arbeitsplatz wird allein durch die aktuelle
offizielle Arbeitslosenquote von 11% dementiert. Die offizielle
Propaganda kaschiert derartige „Systemfehler“ mit einer
Kampagne zu zumutbarer Arbeit, Flexibilisierung von
Arbeitsverhältnissen und Abbau gewerkschaftlich erkämpfter
Arbeitnehmerrechte, die in der BRD noch nie allzu üppig
gestaltet gewesen waren. Nicht die ökonomischen
Rahmenbedingungen sind ein Problem, noch nicht mal die
Arbeitslosigkeit an sich, sondern Menschen ohne Arbeit haben ein
persönliches Problem, fortgesetzte Arbeitslosigkeit wird als
Arbeitsunwilligkeit ausgelegt, die die Kürzung der staatlichen
Unterstützung nach sich zieht.
Diese beispielhaft angeführten
Entwicklungen markieren zusammengefasst eine zunehmende
Polarisierung der Gesellschaft in jene, die einen gesicherten
Lebensstandard halten können und jenen, die zumindest vom
Abstieg und Verlust eines gesicherten Einkommens bedroht sind. Der
forcierte Abbau von existenzsichernden staatlichen Leistungen
befördert so einen Prozess der gesellschaftlichen
Desintegration. Wo es Menschen gibt, denen es potentiell schlechter
geht als einem selbst, kann die Angst vor dem eigenen drohenden
Abstieg noch immer in Aggression gegen diese kanalisiert werden.
Vermeintliche „Arbeitsunwilligkeit“, angeblicher
„Sozialmissbrauch“ oder der fehlende deutsche Pass
werden zum Stigma dieses soziologischen Stellvertreterkrieges.
Wundert dann noch die im günstigeren Fall gleichgültige
Haltung gegenüber KonsumentInnen illegalisierter Drogen?
An diese Voraussetzungen kann
dann eben auch eine Politik anknüpfen, die gesellschaftliche
Konflikte zu repressiv zu lösenden Problemen umschreibt und als
Bedrohungen inszeniert. Sie findet ihren Niederschlag in den
Diskursen, die unter dem Schlagwort „Innere Sicherheit“
zusammengefasst werden. Dabei ist ein Populismus, wie er von einem
Schill - und zunehmend auch von den etablierten „Volksparteien“
- betrieben wird und der eine symbolische Politik darstellt, da er
vorgibt einfache „Lösungen“ für komplexe
gesellschaftliche Auseinandersetzungen an der Hand zu haben nur die
eine Seite der Medaille. Es geht auch um eine Verschiebung auf dem
Feld politischen Handelns insgesamt:
Der Abbau des Sozialstaates
und neoliberale Deregulierung, Flexibilisierung etc. gehen nicht mit
einer „Verschlankung“ des Staates, sondern mit dem
Ausbau eines Polizei- und Überwachungsstaates einher. Es
entsteht nicht weniger Staat, sondern ein anderer, der die immer
größer werdenden gesellschaftlichen Bereiche, für
die zuvor noch die Sozialpolitik vermittelnd zuständig war,
nicht sich selbst überlässt - er behält sich die
strategische Kontrolle vor und baut diese u.a. durch neue
Überwachungstechnologien und Gesetzesverschärfungen weiter
aus. Und insofern die „Probleme“ nicht aus dem Blick
verschwinden und öffentlich sichtbar bleiben, gilt es, sie
repressiv wegzuregeln, unsichtbar zu machen oder zumindest so zu tun
als ob.
Eine solche Sicherheitspolitik und die mit ihr
verbundenen Diskurse und Maßnahmen werden so zu einem
integralen Bestandteil von Politik überhaupt.
Wenn auf Hamburg bezogen eine
solche Politik der angeblichen Neuen Mitte in diesem Zusammenhang
die Präsentation einfacher Lösungen markiert, so muss der
Umgang mit der offenen Drogenszene und Einrichtungen wie dem
Fixstern als Vorgeschmack darauf gelten, wie in Zukunft mit anderen
gesellschaftlichen Konflikten verfahren werden soll.
Eine zentrale Rolle bei der Akzeptanzschaffung für Strategien
der Ausgrenzung und Vertreibung kommt dabei den Diskursen der
„Inneren Sicherheit“ zu. Diese funktionieren über
den Aufbau von Bedrohungsszenarien, die an das subjektive UnSicherheitsgefühl der BürgerInnen appellieren. Diese
wiederum bauen auf vorhandenen Ressentiments und zunehmend
ungewissen Lebensperspektiven vieler Menschen auf.
Um auf diese
Unsicherheitsgefühle zurückzugreifen, bedarf es der
Konstruktion von Feindbildern oder vermeintlich gefährlichen
Orten, die auf bereits vorhandenen gesellschaftlichen
Hierarchisierungen basieren.
Ein solches Feindbild war schnell in der rassistischen Figur des
„schwarzafrikanischen Drogendealers“ gefunden, wobei der
Tod von Achidi John im Dezember 2001 infolge eines
Brechmitteleinsatzes den vorläufigen traurigen Höhepunkt
dieser Entwicklung markierte. Die ausschließliche Anwendung
dieser Maßnahme auf Menschen schwarzer Hautfarbe schreibt die
rassistische Ausgrenzung in ihrer tödlichen Konsequenz weiter
fort. Der kaum vorhandene Widerstand und die wohlwollenden Kommentare
in den Medien lassen auf die breite Akzeptanz von
Brechmitteleinsätzen in der Bevölkerung schließen und
können das dahinter stehende Strafbedürfnis kaum verhüllen.
So setzt der Senat einerseits auf konsequente Vertreibungspolitik und körperliche Repression und weiß den Großteil der Bevölkerung in diesen Punkten hinter sich. Andererseits propagiert er das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit was in letzter Konsequenz nichts anderes bedeutet als: „Selber schuld!“ Die „eigene Verantwortung“ für ihre Situation, die eigentlich eine Folge der staatlichen Verbotspolitik ist, wird auf die KonsumentInnen abgeschoben. Hilfe soll es zukünftig nur noch für Ausstiegswillige geben und nicht mehr für „jene, denen eh nicht mehr zu helfen ist.“
Der Verweis auf ihre Eigenverantwortlichkeit bedeutet jedoch nicht, dass sie nun sich selbst überlassen werden. Mit dem Hinweis auf das Wüstenrothaus als zentraler Ort, an dem sie sich aufhalten dürfen und sollen, wird die Existenz von offenen Drogenszenen an anderen Orten vollends zu einem polizeilichen Problem umgeschrieben.
Genau diese Argumentationslogik ist es, die auch die
Marschrichtung für das Schanzenviertel nach der Schließung
des Fixsterns vorgibt: Die Drogenszene hat in der Schanze nichts mehr
zu suchen. Eine in diesem Sinne formulierte politische Botschaft und
deren Umsetzung wird zur weiteren Verschlechterung der
Lebensbedingung derer führen, die im Viertel bleiben.
Es ist aber nicht nur ein breites Schweigen
und damit die stille Zustimmung zu einer solchen Vertreibungspolitik
zu beobachten, sondern auch die aktive Teilnahme von
ViertelbewohnerInnen, Gewerbetreibenden etc.: Eine Strategie der
Stadtentwicklungspolitik ist es, AnwohnerInnen in die Diskussionen
und Entscheidungsprozesse mit einzubinden, um Protestpotential von
vornherein zu integrieren.
In diesen Gremien, wie z.B. der von der
Steg initiierten „AG Drogen“ geht es aber nicht nur darum
Umstrukturierungs- (Ausgrenzungs-) Maßnahmen schmackhaft zu
machen, vielmehr werden auch ganz gezielt vermeintliche
Sicherheitsrisiken aufs Korn genommen. Die STEG feiert die Arbeit
dieser AG, mit Blick auf die geplante Fixsternschließung
inzwischen als „zentrales Element der Maßnahmen zum Thema
Drogen im Schanzenviertel“ und zeigt damit, dass sie aktiver
Teil ordnungspolitischer Strategien ist.
So sollen als gefährlich stilisierte
reale oder vermeintliche Rückzugsorte kriminalisierter
Menschengruppen systematisch aufgelöst werden. Darüber
hinaus sollen einige dieser Orte durch übersichtlichere und
einladendere Gestaltungen, wie sie z.B. für den Florapark
geplant sind, für diejenigen attraktiver gemacht werden, die
auch weiterhin dazu gehören sollen.
Die derzeitige Drogenverbotspolitik ist bestimmt durch
Vertreibung, Ausgrenzung und Rassismus. Sie lässt die konkreten
Bedürfnisse der UserInnen außen vor und verweigert ihnen
durch Kontrolle und Repression das Recht auf ein selbstbestimmtes
Leben.
Wir fordern eine Drogenpolitik, die sich an den
Bedürfnissen der betroffenen Menschen orientiert, was den Erhalt
und Ausbau niedrigschwelliger Konsumräume wie dem Fixstern am
Achidi-John-Platz beinhaltet und zwangsläufig die Legalisierung
aller Drogen bedeutet.
Gegen autoritäre Ordnungsvorstellungen, Ausgrenzung und Vertreibung
Rote Flora, August 2003