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IKEA zu Kleinholz machen!
Für vielfältige, selbstbestimmte Projekte und Kultur im Frappant-Gebäude!

Wir unterstützen die Kundgebung und den anschließenden Stadtteilspaziergang der Initiative „Kein Ikea in Altona“ am Montag 15.2. und rufen alle zur Teilnahme auf. An diesem Tag läuft für Ikea das Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag aus. Gleichzeitig soll an diesem Tag ein Bauvorbescheid die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt erstellt werden.

Wir stehen Bürgerbegehren kritisch gegenüber, weil diese in der politischen Realität vor allem dazu dienen Ressentiments einen legitimen Anstrich zu geben. Während z.B. Bürgerbegehren gegen Drogenhilfeeinrichtungen sicheren Erfolg versprechen und von der Politik ebenso tatkräftig umgesetzt werden wie eine Ansiedlung von IKEA, werden Bürgerbegehren, die politisch nicht gewollt werden schlichtweg übergangen. Wo eine Mehrheit sich gegen die Rechte und Bedürfnisse einer Minderheit ausspricht, darf dies nicht die Legitimation von Vertreibung und Ausgrenzung werden. Einen solchen Prozess wird die Ansiedlung von IKEA durch eine anschliessende Aufwertung und steigende Mieten aber zweifellos hervorrufen.

Viele von uns haben sich am Bürgerbegehren von vorne herein nicht beteiligt. Einerseits da es in stadtplanerischen Prozessen nicht um Mehrheitsverhältnisse, sondern um legitime Bedürfnisse von Menschen geht, die sich weder objektivieren noch als Diktat der Mehrheit unsichtbar machen lassen. Andererseits weil klar ist das ein Ergebnis gegen IKEA ohnehin langfristig ausgehebelt und ignoriert würde. Mitbestimmung wird durch Bürgerbegehren vor allem simuliert, während die ökonomischen Rahmenbedingungen in Wirklichkeit den weiteren Verlauf diktieren.

Wir wollen uns weder privatwirtschaftlichen Standortinteressen beugen noch Lebensentwürfe annehmen, die als kleinster gemeinsamer Nenner funktionieren. Stadt ist für uns kein Ort einer bürgerlichen Norm, der es sich als Vorraussetzung für das Recht auf Teilhabe zu unterwerfen gilt, sondern die Verdichtung von Unterschiedlichkeit. Stadt nimmt deshalb für uns die Form der Menschen an, die in ihr leben und nicht umgekehrt wir die Form der Verkaufsflächen, Promenaden und Lieferanteneingänge.

Die Neue Große Bergstraße wird in den Medien immer wieder als als tot, anachronistisch und nicht verwertbar dargestellt, das Frappant als hässlicher Klotz. Ähnlich ergeht es uns als Rote Flora. Wir teilen dies mit vielen anderen hier in der Stadt. Illegalisierte Flüchtlinge, Obdachlose, Drogenkonsument_innen und Jugendliche aus den Vororten sind der „Dreck“, den Innensenatoren und Stadtplaner gegen die Unwirtlichkeit der Städte beseitigen wollen. Gewünscht ist, was dem Konsum gut tut. Vertrieben wird, was diesem schadet oder einfach nicht ins Bild passt. Solange Kapitalismus als Grundlage der Stadtentwicklung existiert, wird sich dies auch nicht ändern. Deshalb richtet sich unser Widerstand nicht nur gegen deren schlimmste Auswüchse, sondern gegen das ganze verdammte System, welches uns als alternativlose Form des Zusammenlebens verkauft wird. Wir wollen die Verhältnisse nicht reformieren und auch nicht Teil von runden Tischen oder sonstigen Mitbestimmungs-Alibiveranstaltungen sein.

Der Senat bastelt an einer Stadt wie ein Billy Regal. Funktional, praktisch, profitabel. Da passt es natürlich, auf den Stecksystemelementeprofi zurückzugreifen, um Altona-Altstadt ein eben solches Profil zu verleihen. Die Politik und Ole von Beust stellen sich zunehmend als Moderatoren dar. „Partikularinteressen“ der Bevölkerung müssten, zugunsten des Gemeinsamen ausgehandelt werden. Aber es gibt weder objektive Interessen noch gleichberechtigte Verhältnisse der Beteiligten: Wieviel Bedeutung hat wohl die Stimme und das Interesse einer Obdachlosen gegenüber dem eines Eigenheimbesitzers, vor dessen Tür sie lebt? Die Ergebnisse solcher „Aushandlungsprozesse“ sind vorgegeben. Und zwar nicht durch die existenziellen Bedürfnisse der Anwohner_innen, sondern die ökonomischen Rahmenbedingungen, die das Zusammenleben dirigieren. Dies ist auch der einzige Grund, weshalb IKEA nicht in die defizitäre Elbphilharmonie zieht, um der vergleichsweise trostlos dahinvegetierenden Investitionsruine Hafencity endlich ein erhofftes Gefühl des Aufbruchs zu verschaffen, sondern in das Frappant Gebäude, um dort ein bestehendes Kulturprojekt platt zu machen. Der Senat und Bezirk moderieren nicht unterschiedliche Interessen, sondern sind verantwortlich für die Verhältnisse, die diese regulieren.

Wenn wir IKEA angreifen, dann vor allem deshalb, weil wir die politischen Verhältnisse, den Senat und Bezirk angreifen und kritisieren. Als vereinnahmbarer und kreativer stadtplanerischer Faktor sind wir nicht zu haben. Wir suchen nicht den Dialog, sondern Widerspruch, Konflikt und Selbstinszenierungen als Aneignung des öffentlichen Raumes.

Wir lieben die Brachflächen und das Totgeglaubte, weil wir uns selbst darin lebendig vorfinden. Es sind Orte, die wir besetzen, gestalten oder einfach nur betrachten können um den Blick frei auf die Verhältnisse zu haben. Das Frappant ist für uns ein Projekt des Auf- und Umbruchs, die Neue Große Bergstraße ein urbaner Ort dessen Sperrigkeit wir erhalten wollen. IKEA dagegen die selbe Aussicht wie an jeder zweiten Autobahnauffahrt. Vor kurzem wurde in der Presse gar die mögliche Ansiedlung einer C&A Resterampe als großer politischer Erfolg und Beweis der positiven Dynamik durch IKEA gewertet. Ein Stadtteil, in dem solche Schnäppchen mehr wiegen als das Bedürfnis der Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben, drückt einen Gegensatz aus, der unvereinbar bleibt und nicht zu befrieden ist.

IKEA will nach eigener Aussage nur kommen, wenn es keine länger anhaltenden Proteste gibt. Wenn IKEA, der Bezirk oder Senat glauben, die Auseinandersetzung sei nun gewonnen, dann liegen sie falsch. Sie fängt erst an. Wir verweisen auf die Erfahrungen um das Musicalprojekt „Phantom der Oper“, welches heute anstelle der Roten Flora stände, wäre es nicht nach Baubeginn durch militante Aktionen und Proteste gekippt worden.

Montag 15.02.
Kundgebung und Stadtteilspaziergang
„Ikea, Moorburgtrasse, Masterplan: Unser Atem ist länger!“
Treffpunkt: Paul Nevermann Platz, um 18.00 Uhr

Rote Flora Plenum
10.02.10