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Wir sehen in der Einrichtung von Partizipationsgremien einen Versuch,
die bestehenden Herrschaftsverhältnisse noch wirkungsvoller
abzusichern. Dabei sind Partizipationsgremien ein weiterer Schritt
zur Formierung einer Mehrheitsgesellschaft: Während die Mehrheit
der Bevölkerung (zumindest scheinbar) in Mitbestimmungsprozesse
einbezogen wird, und im allgemeinen wohl auch in ihren Interessen
Berücksichtigung findet, werden marginalisierte und ausgegrenzte
Gruppen (Obdachlose, DrogenkonsumentInnen u.a.) übergangen.
Deren Interessen und Bedürfnisse finden sich nicht im Kanon
dessen, worüber geredet oder z. B. die Tatsache, daß
bisher keine Initiative im Schanzenviertel den Versuch unternommen
hat, mit DrogenkonsumentInnen ins Gespräch zu kommen. Es wird
immer nur über sie geredet, nicht mit ihnen. Da die Stimme
von Marginalisierten i der öffentlichen Diskussion ohnehin
kein Gewicht hat, wird ihnen die Teilnahme an Partizipationsgremien
(faktisch) verwehrt. Die ganz besondere Qualität dieses Ausschlusses
zeigt sich, wenn wir uns klarmachen, was daraus folgt, wenn einerseits
offiziell "alle an einem Tisch sitzen, andererseits aber
faktisch bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden: Diese Gruppen
sind nicht mehr nur, wie bisher, von den Entscheidungsstrukturen
ausgeschlossen, sondern sie fallen nicht einmal mehr unter die Bezeichnung
"alle ihre Interessen werden nicht mehr übergangen,
sondern sie sind quasi nicht mehr existent. Damit ist die Grundlage
geschaffen, sie noch geräusch- und reibungsloser auszugrenzen
und zu vertreiben.
Mit der Einrichtung von Partizipationsgremien wird außerdem
suggeriert, es sei für alle "Konflikte ein Interessenausgleich
möglich wobei schon die unterschiedliche Defintionsmacht
dessen, was ein "Konflikt sein soll, Audruck von Herrschaftsverhältnissen
ist. Dabei wird ausser Acht gelassen, daß ein "Kompromiss
in einem solchen Gremium immer nur ein Kompromiss innerhalb der
herrschenden Spielregeln sein kann. Insofern ist er in bestimmten
Fällen entweder gar nicht möglich, oder er bedeutet ein
Über-den-Tisch-ziehen derjenigen, deren Interessen mit den
Spielregeln nicht vereinbar sind. Zum Beispiel ist ein wie auch
immer gearteter Kompromiss zwischen einem Dealer, der auf der Straße
seinen Stoff verkaufen will/muss und einem Polizisten, der das verhindern
will/soll, nicht möglich. Ein tatsächlicher Ausgleich
dieses "Konflikts müsste die Freigabe aller illegalisierten
Drogen beinhalten.
Das inflationäre Auftreten von Partizipationsgremien, unter
unterschiedlichen Bezeichnungen wie z. B. "Runder Tisch,
"Präöventionsrat oder "Mediationsverfahren,
knüpft an eine lange Tradition an: Solch Gremien wurden vor
allem dann eingesetzt, wenn es effektiver war, auf die (repressive)
Durchsetzung städtischer Interessen teilweise oder ganz zu
verzichten und parallel bzw. stattdessen einen "sanften
Weg der Herrschaftssicherunhg einzuschlagen. Dieser besteht darin,
auch schon potentiellen Protest aufzugreifen, ihn in einen angeblich
offenen Diskussionsprozess umzuwandeln und dabei in herrschende
Interessen miteinzubeziehen. Dabei wird darauf geachtet, den Eindruck
zu verhindern, als wolle hier irgendjemand irgendetwas durchsetzen.
Partzipationsgremien erfüllen aber nicht nur diese integrierende
Funktion, sondern sie dienen auch dazu, Unmut gegenüber städtischer
Politik rechtzeitig zu erkennen, damit die Durchsetzung städtischer
Interessen darauf abegstimmt werden kann.
Wie vorsichtig und geschickt sich ei Interesse an Umstrukturierung
im Schanzenviertel zu Wort meldet, zeigt die Einsetzung eines "Quartiersmangagements.
Dieses von einem Gremium jeweils dreier VertreterInnen der Bezirke
Altona, Eimsbüttel und Mitte (sog. "Neunergremium)
einberufene Management soll das Viertel in Schuss bringen. Dabei
soll geklärt werden, welche Bedürfnisse im Viertel bestehen
und wie diese umgesetzt werden können. Daß nur bestimmte
Gruppen und Personen gewissermaßen als Kundin oder Kunde des
Schanzenviertels ihre Nachfrage überhaupt einbringen können
und diese eventuell Brücksichtigung findet, liegt auf der Hand.
Der von umfangreichem Propagandmaterial ("Quartiersmachrichten)
begleitete Versuch, Umstrukturierung als Prozess darzustellen, an
dem sich letztendlich alle AnwohnerInnen beteiligt haben oder zumindest
die Möglichkeit dazu hatten, harmoniert mit der durchgängig
positiven Bewertung von Partizipationsgremien in den Medien. Was
vor allem in der Presse zum Thema zu finden ist, verstärkt
mit ihrer bejahenden Darstellung die Legitimationsfunktion der Gremien
für die städtische Politik: Wer sich nach einem solchen
Verfahren noch gegen eine dort diskutierte Entscheidung stellt,
ist selber schuld.
Im "alternativen Schanzenviertel fallen Bemühungen
wie die Einrichtung von Partizipationsgremien auf fruchtbaren Boden.
Viele Menschen, die hier leben, verstehen sich als kritische, engagierte
BürgerInnen, die nun verstärkt mitreden, womöglich
sogar mitbestimmen dürfen. Partizipation als Teilhabe an der
Macht, als staatlich anerkannte ViertelbewohnerInnen ist schließlich
auch für diejenigen attraktiv, die nicht durch die Institutionen
marschieren wollen. Was mit denen geschieht, die nicht integriert
werden können oder wollen, zeigt die andere Seite dieser Entwicklung:
Für sie stehen PolizistInnen bereit, die sie schikanieren,
kontrollieren, ihnen Platzverweise erteilen oder sie brutal zusammenschlagen
und, falls es sich um Illegalisierte handelt, abschieben.
Aus unserer Kritik an Partizipationsgremien ergeben sich einige
Konsequenzen für uns. Wir wollen nicht alle "Runden Tische
über einen Kamm scheren, sondern uns genau ansehen, auf welche
Initiative hin sie entstanden sind, welche Personen, bzw. Institutionen
teilnehmen und welche Ziele verfolgt werden. Der Runde Tisch vom
BaSchu unterscheidet sich beispielsweise wesentlich von der STEG-AG
zur Umgestaltung des Schulterblatts, die wir hier exemplarisch als
typisches Partizipationsgremium dargestellt haben. Wir werden uns
nicht an Gremien beteiligen, an denen die Polizei oder sonstige
Behörden teilnehmen oder die von ihnen initiiert wurden. Unter
dem Vorzeichen, daß sich unsere Politik in den letzten Jahren
immer gegen die Vertreibung der Drogenszene, gegen Razzein, Platzverweise
und Polizeiübergriffe gewendet hat, finden wir es untragbar,
sich mit ihnen über die "Probleme dieses Stadtteils
aueinanderzusetzen. Ebensowenig wollen wir die Umstrukturierungswut
der STEG unterstützen und uns für ein "attraktiveres
Schanzenviertel einsetzen.
Stattsdessen geht es für uns darum, sich sowohl gegen alte
und neue Formen von Vereinnahmung zu wehren, als auch gegen jede
Form der Ausgrenzung benachteiligter Gruppen Partei zu ergreifen.
Wir werden uns auch weiterhin der alltäglichen Ausgrenzungs-
und Vertreibungspraxis gegen die Drogenszene und gegen Menschen
schwarzer Hautfarbe in den Weg stellen. Und wir werden weiterhin
unsere Interessen außerhalb von Gremien artikulieren und so
gut es eben geht durchsetzen die Spielregeln unserer politischen
Praxis sind mit den herrschenden Spielregeln nicht vereinbar. Dabei
wollen wir mit denjenigen Initiativen einen solidarischen Umgang
pflegen, die sich jenseits staatlicher Gängelei organisieren,
um ihre Belange zu vertreten wenn dies vor dem Hintergrund
geschieht, Herrschaftsverhältnisse abzubauen.
Rote Flora: Arbeitsgruppe gegen Integration,
Januar 2000
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