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Redebeitrag der Roten Flora zur Wasserturmdemo vom 15.05.2004
Autonomer
Kampf gegen Umstrukturierung im Hamburger Schanzenviertel
Als sich hier im Schanzenviertel vor 16 Jahren der Widerstand gegen das damalige
Musicalprojekt "Phantom der Oper" organisierte, war die Welt scheinbar noch ein wenig
einfacher. Wir haben halt den Widerstand in den Vierteln organisiert, der Rest ist eine noch
heute gern erzählte Erfolgsgeschichte, wenn man denn die Verhinderung eines
Kommerzprojekts und die nunmehr fast 15-jährige Existenz der Roten Flora für einen Erfolg
hält...
Seitdem ist hier im Schanzenviertel eine Menge passiert und wir hoffen, dass diese
politischen Erfahrungen beim Widerstand gegen das Wasserturmprojekt eine Rolle spielen
werden!
Im Schanzenviertel ist der Widerspruch zwischen dem aufstrebenden Medienstandort und der
gleichzeitigen Verarmung und Verelendung in Hamburg unübersehbar. Und damit ist die
Situation im Stadtteil beispielhaft für eine Entwicklung, in der mit Ungleichheit und Armut
nicht solidarisch umgegangen, sondern vielmehr die Ausgrenzung von allen organisiert wird,
die zum Beispiel nicht für 1-Euro-Jobs, sinnlose Beschäftigungsprojekte und für Projekte
zumutbarer Arbeit zur Verfügung stehen wollen oder können.
Stadtplanung orientiert sich dabei nicht am Ideal einer Stadt, die sich an den Bedürfnissen
aller Menschen ausrichtet, sondern Stadtplanung ist Teil der Vermarktung des öffentlichen
Raums, zunehmend kommerzialisiert und privatisiert. Und mit dieser Entwicklung sorgen
mehr Polizei, mehr Überwachungskameras, mehr private Sicherheitsdienste dafür, dass sich
die Investoren um störendes Elend keine Sorgen machen müssen.
Die Liste dieser Projekte ist mittlerweile beliebig und austauschbar:
Egal, ob es um die Wirtschaftswunderwelt Hafencity als Spielwiese zur Selbstverwirklichung
der New Economy geht,
ob es der Fun bei einem lässigen Ausflug ins aufgeräumte, klinisch-subkulturelle St. Pauli,
die sogenannte Elbuferperlenkette ist,
oder ob es um Eigentumswohnungen im Schanzenviertel geht -
am Ende steht allein die Frage, ob sich die passenden Investoren finden, ohne die Belange der
Menschen vor Ort zu berücksichtigen. So sind immer mehr soziale Projekte gefährdet, bzw.
stehen auf der Strasse, wie z.B. der Fixstern, diverse Frauen- und Mädchenprojekte,
Frauenmusikzentrum; andere Projekte werden von vorneherein verhindert, wie das geplante
Afrikazentrum und eine wichtige Einrichtung wie das Café mit Herz sollte systematisch
kaputtgemacht werden.
Gerade das Schanzenviertel war in den letzten Jahren das Beispiel für ein Wechselspiel des
Nebeneinanders fröhlicher Lifestyle-Inszenierung, staatlicher Stadtverplanung und zynischer
Vertreibungspolitik;
hier wurde die heile Welt eines multikulturellen Stadtteils beschworen um den Preis von
Vertreibung und Ausgrenzung von Menschen, die wie wir alle das Recht haben, hier zu sein
und hier zu leben.
Aber die Koffeinszene hatte nun mal offensichtlich eine größere Lobby als andere Szenen, die
nicht in die heile Konsumwelt passen.
So haben wir es nicht verhindern können, dass DrogenkonsumentInnen ohne Sinn und
Verstand durch Platzverweise und willkürliche Festnahmen aus der Schanze weiter vertrieben
wurden und der Fixstern mittlerweile geschlossen wurde.
Wir haben es nicht verhindern können, dass Menschen mit schwarzer Hautfarbe unter den
Generalverdacht des Dealens gestellt wurden und dieser Stadtteil zu einer no-go-area für
Schwarze geworden ist;
wir haben es nicht erreicht, dass sich eine Mehrheit in diesem Stadtteil gegen die falsche
Politik der einfachen Lösungen und für eine fortschrittliche Politik engagiert.
Stattdessen wurde und wird auch in diesem ach so multikulturellen Stadtteil nun schon seit
Jahren unter maßgeblicher Mitarbeit der STEG von Sicherheits- und Sauberkeitskonzepten
gefaselt. Wir erlebten eine Kampagne gegen Hundescheiße, und die beschissene Politik der
letzten Jahre wird als Errungenschaft quartiersbezogener Politik verkauft.
Auch wenn das hier manch einer in diesem Stadtteil nicht hören will:
Obdachlosigkeit bekämpft man nicht, indem man Obdachlose bekämpft,
Armut und Verelendung sind kein Schicksal,
sondern das Produkt gesellschaftlicher Ungleichheiten.
Arbeitslosigkeit ist auch in Zeiten flexibilisierter Arbeit kein persönliches Problem
Arbeitsloser, sondern das Ergebnis einer entfremdeten Arbeitswelt, in der Menschen nach
ihrer Verwertbarkeit eingeteilt werden.
Aus diesem Grund wird es weiter notwendig sein, sich gegen die Art und Weise der
vermeintlichen Lösung von Problemen im Schanzenviertel und in dieser Stadt zu stellen.
Denn dies steht im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Frage, wie in Zukunft
gesellschaftliche Widersprüche gelöst werden sollen. Uns geht es nicht nur allein um die
Verhinderung des Hotelprojekts im Wasserturm, sondern wir müssen auch über den
Pisspottrand des Viertels hinausschauen und die Ereignisse in den Kontext stellen, in den sie
gehören.
Und deswegen geht es unserer Meinung nach nicht mehr nur allein um einen Kampf gegen
die stadtplanerische sogenannte "Umstrukturierung", es geht nicht um das einfache Reich
gegen Arm, Gut gegen Böse...
Sondern es geht um ihr Konzept der sogenannten "Wachsenden Stadt", das eben nicht nur von
Stadtplanung spricht, sondern in das eine repressive Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ebenso
hineingehört wie die Frage, wie mit MigrantInnen und Flüchtlingen umgegangen wird.
Und deswegen sagen wir: es ist gut und richtig, das Wasserturmprojekt zu verhindern; doch
das ist nicht alles, danach gibt es noch viel mehr zu tun!
Mövenpick auftauen! Investorenpläne zum Schmelzen bringen! Gegen Ausgrenzung
und Vertreibung! Regierungen stürzen!
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