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Die Auflösung der bestehenden Konflikte ließe sich
nur mit der vollständigen Legalisierung des Drogenkonsums und
handels realisieren.
Eine kontrollierte Abgabe von illegalisierten Drogen würde
an den oben beschriebenen Zuständen wenig ändern, da lediglich
sogenannte "Schwerstabhängige" in den Genuss eines
solchen Programms kommen sollen. Weil selbst diese Änderung
staatlicher Drogenpolitik in absehbarer Zeit aber nicht umgesetzt
werden wird, bleiben außer Lippenbekenntnissen nur Forderungen
nach Polizeieinsätzen und "mehr Härte der Justiz"
übrig. In letzter Zeit wurde häufig das eigene repressive
Verhalten und die Durchsetzung egoistischer Interessen mit dem Bekenntnis
zur (begrenzten) Drogenfreigabe verbrämt. Die kontrollierte
von Drogen zu fordern, d. h., die Situation von KonusmentInnen ernst
zu nehmen und zugleich ins "Dealer raus"-Geschrei einzustimmen
ist widersprüchlich. Schon allein deshalb, weil sich bis zu
einer völligen Freigabe der Konsum und der Handel illegalisierter
Drogen nicht trennen lassen.
Überhaupt "die Dealer": sie, bzw. die öffentlich
sichtbaren Kleindealenden, sind gemeinhin das am schärfsten
angegriffene Ziel des Unmuts sowohl der AnwohnerInnen als auch der
PolitikerInnen und der Medien, die immer wieder ein noch härteres
Vorgehen fordern. Dabei werden die Lebensumstände von Menschen,
die dealen, völlig missachtet. Man muss sich doch nur die Bedingungen
des Drogenhandels auf der Straße vor Augen führen, um
zu begreifen, dass niemand so ganz "freiwillig" dealt,
solange er echte Wahlmöglichkeiten hat. Und die oben geschilderten
brutalen Geschäftsbedingungen des Dealens auf der Straße
sind auf die Illegalität ihrer Arbeit und eben nicht auf "böse"
Charakterzüge der Dealer zurückzuführen.
In dieser "weißen" Gesellschaft werden schwarze
Menschen besonders wahrgenommen. Diese Wahrnehmung ist nie wertfrei,
sondern motiviert von Vorurteilen, die zum gesellschaftlichen Rassismus
beitragen.
Das zeigt sich zum Beispiel auch in dem Muster, dem aktuell im Schanzenviertel
die Diskussionen folgen. Die scheinbare Bedrohung, die vom Drogenhandel
für die AnwohnerInnen ausgeht, wird personifiziert in der herrschenden
Vorstellung, daß im Stadtteil lediglich Schwarze dealen. Klar
gibt es auch Schwarze, die dealen, aber das heißt nicht, daß
jeder Dealer schwarz ist. Die Schwarzen, die diesen Job hier erledigen,
sind häufig minderjährige unbegleitete Flüchtlinge,
deren Asylgesuch abgelehnt wird, die keine Arbeitserlaubnis haben
und damit keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Es dealen also ausgerechnet diejenigen, die in dieser hierarchischen
Gesellschaft die schwächste, unsicherste Position haben und
für die eine Verhaftung/Verurteilung früher oder später
(je nach Alter) die Abschiebung bedeutet. Natürlich wissen
wir, daß im Schanzeviertel viele der Ansicht sind, daß
Flüchtlinge zumal wenn ihre Asylanträge abgelehnt
sind in diesem Land nichts zu suchen hätten. Und deswegen
sagen wir es auch in diesem Zusammenhang auch noch einmal: Unsere
Solidarität endet weder an den Grenzen des Schanzenviertels,
noch an denen der BRD oder Westeuropas; wir buchstabieren hier nicht
die Frage nach Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen anhand
des "Ausländerrechts" oder des faktisch abgeschafften
Asylrechtsartikels. Alle Menschen, egal welcher Herkunft oder Hautfarbe,
haben das Recht, in einem der reichsten Länder der Welt sich
um ihr Auskommen zu kümmern und zu bleiben. Die häufig
geäußerte Meinung, niemand sei "gewzungen" zu dealen,
übergeht die konkrete Situation vieler Flüchtlinge hier.
Es kann auch nicht angehen, Urteile über dealende Flüchtlinge
zu fällen, wenn sie keine Möglichkeit haben legal
zu arbeiten. Die Zurückweisung des Rassismusvorwurfs mit der
behauptung, man gleichermaßen gegen Dealer aller Hautfarben
und könne ja schließlich nichts dafür, daß
ausgerechnet Schwarze dealten, ist überhaupt kein Argument.
Es unterstllt die gleiche Ausgangslage aller Menschen, die es hier
nicht gibt und legt zugleich die schlechten Lebensbedingungen von
Flüchtlingen in dieser rassistischen Gesellschaft gegen sie
aus ("die wollen ja nicht arbeiten bzw. zur Schule gehen, die
kommen doch nur zum Dealen", "fälschen ihr Geburtsdatum
und lachen über Polizei und Justiz", usw.). Wir wenden uns
deshalb gegen das Sündenbockprinzip, das "die (schwarzen)
Dealer" einseitig für die als problematisch empfundene Situation
im Stadtteil verantwortlich macht. Und um eines mal klarzustellen:
Es geht nicht an, daß die weißen privilegierten BewohnerInnen
des Schanzenviertels ihre "Probleme" über die der Flüchtlinge
stellen, die aufgrund ihrer alltäglichen Bedrohtheit durch
ihre Lebensbedingungen und die alltäglichen Repressionen und
Schikanen gegen sie in einem ganz anderen Maße Probleme haben.
Zusammen mit der verbesserung der Lebensbedingungen von DrogenkonsumentInnen
fordern wir gerade auch die Verbesserung der Lage von Flüchtlingen,
deren Bedürfnisse hier tagtäglich missachtet werden. Daraus
folgt für uns die Forderung nach Bleiberecht für Alle
sowie die Abschaffung aller Sondergesetze gegen MigrantInnen.
Hinter der Flora wird schon seit längerem gedrückt, insbesondere,
wenn der Fixstern geschlossen oder überfüllt ist.
Wegen der Polizeimaßnahmen am Schanzenpark, und weil die Dealer
nun mal dort sind und sein müssen, wo die KonsumentInnen sich
aufhalten, wird inszwischen an der Flora auch gedealt.
Für viele FloristInnen und BesucherInnen ist es nicht leicht,
mit der Situation um die Flora umzugehen. Wir sehen, daß unsere
teilweise abstrakten Ansichten zur Drogenproblematik sozusagen auf
die Probe gestellt werden und sich so manche nicht ohne weiteres
auflösbare Widersprüche auftun. Es war schon immer so,
daß autonome/selbstverwaltete Zentren mit manchen in dieser
Gesellschaft produzierten Problemen übermäßig stark
konfrontiert sind, unter anderem, weil sie Menschen angzogen haben,
die wegen ihrer Lebensumstände anderswo vertrieben werden.
Und es gab auch Zentren, die an der Auseinandersetzung darum gescheitert
sind. Es gibt daher unter uns und um uns herum Stimmen, die eine
Überforderung des Prjekts Rote Flora durch die Drogenszene
befürchten. Im Moment würde es uns bzw. das Projekt Flora
in seinem jetzigen Zustand übefordern, Hilfsangebote für
z. B. DrogenkonsumentInnen zu organisieren und zu betreuen und mit
den momentanen Begeiterscheinungen des Drogenkonsums fertig zu werden
allein schon weil wir nicht dazu ausgebildet und auch nicht
rund um die Uhr anwesend sind.
Andererseits ist das letzte, was wir wollen, daß nu auch wir
uns vor den Karren der staatlichen und gesellschaftlichen Vertreibungshetze
spannen lassen und unsererseits respressiv handeln. Wir werden nicht
selber praktizieren, was wir bei anderen kritisieren: Vertreibung
und Panikmache. Die Flora ist immer noch ein autonomes Stadtteilprojekt
und das beinhaltet vor allem den Versuch, die Utopie eines herrschafts-
und ausgrenzungsfreien Lebens praktisch umzusetzen (so unbefriedigend
uns das oft auch gelingen mag und kann).
Deshalb wollen wir die Situation für alle Beteiligten (also
wir, Drogenszene und AnwohnerInnen das bezieht sich ausdrücklich
nicht auf Polizei, Medien etc.) so annehmbar wie möglich machen.
Konkret heißt das, daß wir niemanden vertreiben und
es auch nicht billigen, wenn andere das tun. Seit dem 14.11 gibt
es nach einigem Zögern der Bullen Vertreibungsaktionen gegen
die sich vor der Flora aufhaltende Drogenszene. Es sieht so aus,
als würde die irrsinnige (aber deshalb noch lange nicht planlose
oder gar widerwillig praktizierte) Polizeitaktik sich zum unzähligem
Male wiederholen. Gegen eine "Verfestigung" der Drogenszene
wird massiv vorgegangen, egal wo die Leute dann hingehen können
und das immer mit dem Verweis auf Beschwerden von AnwohnerInnen.
Wir überlegen uns noch, wie wir uns zukünftig dazu verhalten
werden, aber eins ist klar: Wir werden uns gegenüber Vertreibungsaktionenen,
Razzien, Festnahmen, Kontrollen etc. nicht passiv verhalten, dieses
Vorgehen ist Ausdruck einer menschenverachtenden Politik!
Stattdessen versuchen wir, Kontakt zu DrogenhändlerInnen und
konsumentInnen aufzunehmen und gewisse Absprachen über
das Verhalten um die Flora zu treffen erste positive Erfahrungen
in die Richtung gibt es schon, zumal der Wunsch nach Gesprächen
beiderseitig war. Daß man nicht nur über die Menschen
in der Drogenszene reden kann, sondern auch mit ihnen, musste vielen
von uns auch erstmal in den Kopf, die Hemmschwellen sind auch bei
vielen von uns ziemlich hoch. Hinter der Flora werden wir zumindest
Spritzencontainer aufstellen und vielleich noch mehr, was den Aufenthalt
dort etwas erträglicher macht. Das ist nicht als Einladung
zu verstehen, sondern als akzeptierende Zurkenntnisnahme der Situation,
wie sie nun mal seit Monaten ist (hat lange genug gedauert). Wir
wollen einen Umgang finden, der perspektivisch versucht, Ängste
und Probleme zu überwinden, antatt sie zu personifizieren.
Die Entfernung bestimmter Personengruppen aus einzelnen Straßen
oder Umfeldern ist ein falscher Umgang, der sich auf der Suche nach
Sündenböcken statt auf die eigentlichen Probleme richtet.
Einige von uns würden es prinzipiell für richtig oder
gar für einen notwendigen Ausdruck von Konsequenz halten, die
Flora als geschützten Raum zum Konsum und auch Handel illegalisierter
Drogen anzubieten,
damit beides unter korrekteren Bedingungen als draußen auf
der Straße stattfinden könnte.
Bei realistischer Betrachtung unserer Möglichkeiten und Käfte
ist uns aber klar, daß die Rote Flora so ein Experiment nicht
tragen könnte. Was den Handel mit illegalisierten Drogen betreffen
würde, ist di Flora einfach kein dermaßen "rechtsfreier"
Raum, als daß wir sowas wie einen "freien Markt" duchsetzen
könnten. Alles weitere (also vor allem die Ermöglichung
des Konsums) liefe eher auf den Aufbau einer Entlastung für
den Fixstern unter etwas anderen Bedingungen hinaus. In der jetzigen
Situation wäre es zwar eine humane Aktion, aber für uns
konkret doch eher "Sozialarbeit", in dem Sinne´, daß
wir all unsere Energie darein investieren würden, im Mikrokosmos
Flora punktuell die Folgen einer gesellschaftlichen Problematik
zu bearbeiten. Damit würden wir Staat und Gesellschaft gerade
an den Punkten aus einer Verantwortung entalssen, wo sie sich der
Lösung selbstverursachter Probleme verweigern und das
wird in Zeiten der Standort-Deutschland-Besessenheit ja immer mehr
zum Muster der herrschenden Politik. Da mitzuspielen kann nicht
der Sinn unserer Politik sein. Da leben wir dann doch lieber mit
einigen offen benannten Widersprüchen, als der Illusion anzuhängen,
in unserer kleinen Nische alle gesellschaftlichen Probleme perfekt
lösen zu können.
Auch der Forderung der Drogeneinrichtungen um Erweiterung ihrer
Kapazitäten, weitere Fixerräume usw. würden wir damit
letztlich in den Rücken fallen. Der nötige Druck auf das
sich anbahnende drogenpolitische weiter-so-wie-bisher der neuen
rot-grünen Regierung (die Koalitionsvereinbarungen hierzu sind,
wie in allen anderen Bereichen auch, der rein Hohn), wird nicht
größer, wenn wir das Problem "von der Straße
holen". Uns ist dabei allerdings auch wichtig, nicht jedes verantwortliche
und solidarische Verhalten auf die "bezahlte Sozialarbeit"
abzuwälzen. Und deshalb versuchen wir, so weit wie uns zur
Zeit möglich, die konkreten Bedingungen an der Flora zu verbessern.
Die Flora hat eine eigene lange Geschichte der Diskussion um Drogen.
Die Flora ist als komplett drogenfreies Zentrum gestartet worden
(naja, bis auf Kaffee, Zigaretten, usw.), weil wir drogenfreie Räume
schon immer für wichtig hielten (wegen der Rolle, die gerade
auch legale und halblegale Drogen in dieser Gesellschaft spielen).
Das ließ sich auf Dauer nicht aufrechterhalten, zumindest
nicht mehr zu dem Preis, den wir zu "zahlen" bereit waren,
und inzwischen gibt es nach erbitterten Diskussionen
auf Veranstaltungen im begrnzten Rahmen auch Alkohol. Aber einige
von uns vertreten immer noch die Utopie einer drogenfreien Gesellschaft
auch von hier aus läßt sich nur schwer ei Konsens
für ein "Drogenexperiment" in der Flora finden.
Nun hören wir schon die Stimmen, die unsere vorläufige,
breit getragene kein-Dealen-und-Drücken-in-der-Flora-Entscheidung
mit dem gewöhnlichen "Nicht vor meiner Haustür"
gleichsetzen:
im Gegenteil, wir billigen das Fixen und Dealen unmittelbar um die
Flora.
Und vor allem kritisieren wir an den Fordernugen nach "Schutzzonen
vor Drogen" ja auch nicht den Wunsch z. B. nach spritzen- und
depotfreien Spielplätzen an sich, sondern andere Aspekte:
daß dies auf Aufenthaltsverbote in Gebieten, die öffentlich
sind; für Drogenabhängige (bzw. Leute, die so aussehen)
hinausläuft;
daß Spielplätz nur die Spitze des Eisbergs sind, als
nächstes kommen Parks und Hinterhöfe, dann die Straße,
etc., weil es für jeden dieser Fälle Leute geben wird,
die der Meinung sind, wichtigere Bedürfnisse zu haben, als
die von "Junkies"; - weil mit dieser Forderung so getan wird,
als ab KonsumentInnen sich ohne weiteres irgedein anderes Plätzchen
zum Kaufen und Drücken suchen könnten, was jedoch in keinster
Wise der Fall ist. "Schutzzonen vor Drogen" würden also
zumindest "Schutzzonen für Drogen" voraussetzen und die
müssten dementsprechend mitgefordert werden (wie es die Ini
1. Hilfe Sternschanze inzwischen auch tut, wobei die dabei vorgeschlagene
Polizeiaufsicht definitiv auf das gegenteil einer Schutzzone hinausläuft);
- überhaupt ist es eine nicht sehr konsequente Herangehensweise,
Forderungen hauptsächlich gegenüber der Drogenszene zu
erheben und dabei die Verantwortlichen für die Entstehung und
Lösung der Drogenverbotsproblematik zu schonen oder gar zu
unterstützen; - daß die politische und mediale Instrumentalisierung
von solchen Forderungen immer mitbedacht werden muß. Das letzte
Jahr hat gezeigt, daß so manche Partei, Institution, Zeitung
usw. ihr eigenes Süppchen auf solchen bedürfnissen kocht,
so manches rassitsisches Geschrei damit gerechtfertigt wird.
Nochmal zur Klarstellung: hiermit sollen nicht prinzipiell andere
Interessen denen von DrogenkonsumentInnen und händlerInnen
untergeordnet, auch nicht jedes Verhalten von Menschen aus der Drogenszene
gerchtfertigt werden. Es sollte jedoch selbstverständlich sein,
die Gewichtung dieser Interessen und Bedürfnisse kritisch zu
hinterfragen und zu denen anderer Gruppen in Relation zu setzen.
Was wir kritisieren, ist der Übergang von der Wahrnehmung der
eigenen Interessen zur Augen-zu-Mentalität, die sich um die
Probleme schlechter gestellter Menschen einen Dreck kümmert.
Diese ganze Gesellschaft beruht in immer größerem Ausmaß
au Spaltug, Hierarchie, Konkurrenz und Egoismus und hier ist mal
ein Punkt erreicht, wo es nötig und möglich ist, dem anhand
des Umgangs mit der Drogenszene entschieden eine Alternative entgegenzusetzen.
Wir wehren uns gegen das Ausspielen verschiedener sozialer und sonstiger
Notlagen gegeneinander und wir bekämpfen den in den letzten
Monaten sichtbar gewordenen Rassismus. Wir wollen einen anderen
Weg gehen und wir hoffen, daß das Möglichkeiten des solidarischen
Umgangs aufzeigt, die auch für andere praktizierbar sind, und
wir halten es für notwendig, daß die AnwohnerInnen diesen
Umgang mittragen bzw. ihn nicht behindern.
Für einen solidarischen Umgang statt Vertreibung, Rassismus
und Ausgrenzung, gegen "Sicherheitspartnerschaften", mobile
Wachen und Platzverweise.
Ausbeutung und Herrschaft im Alltag angreifen
Rote Floa, Dezember 1997