Vor dem Juni-Krieg 1967 lebten in der Westbank 934.000 Menschen. Die durch den Krieg ausgelöste Fluchtbewegung verringerte die Bevölkerung bis 1968 auf 603.000 Menschen. Danach wuchs sie wieder an und erreichte 1980 813.000. Auf der Suche nach Arbeit verliessen 1968-80 140.000 Menschen die Westbank; allein 1982 waren es 25-30.000.
Im Gazastreifen waren schon vor dem Krieg 1967 58% der Bevölkerung des Gazastreifens Flüchtlinge, sie waren 1948/49 dorthin geflohen. In den Jahren 1967/68 flohen aus dem Gazastreifen 60100.000 Menschen, vor allem nach Jordanien und in die Golfstaaten. Die Bevölkerung stieg von 356.800 in 1968 durch natürlichen Bevölkerungszuwachs auf 510.000 Menschen in 1985 an. Aufgrund schlechter ökonomischer Bedingungen jedoch wanderten zwischen 1968 und 1980 100.000 Menschen aus dem Gazastreifen aus. Noch 1980 lebten über die Hälfte der Einwohner des Gazastreifens in Flüchtlingslagern.
Nach dem Junikrieg begann Israel zügig mit der Kolonisierung der besetzten Gebiete. Dabei ging es Israel zunächst nicht um die Annexion, sondern um den Ausbau des wirtschaftlichen Einflusses, die Umstrukturierung und Vereinnahmung der besetzten Gebiete für die Wirtschaftsinteressen Israels. Ohne die Pflichten wie Sozialversicherung, Krankenversorgung etc. für die in den Gebieten lebenden Palästinenser auf sich zu nehmen, wollte die israelische Regierung von den Arbeitskrähen und dem Land profitieren. Israel hat bewusst eine Politik gewählt, die darauf beruht, einerseits die wirtschaftliche Anbindung an Israel bei gleichzeitiger militärischer Besatzung zu vollziehen und andererseits nach aussen hin den politischen Status der besetzten Gebiete so lange wie möglich oben zu lassen. Dies wird häufig mit dem Schlagwort von der "Schleichenden Annexion" versehen und meint eine Schaukelpolitik, die Israel über Jahre enorme Vorteile gebracht hat. Aber die Intifada beweist, dass die Rechnung ohne die Palästinenserinnen gemacht wurde.
Die Landwirtschaft bildete vor dem Krieg in der Westbank und im Gazastreifen den wichtigsten Produktionssektor. In der Westbank war die Agrarproduktion vor allem zur Selbstversorgung und erst in zweiter Linie für den Export - nach Jordanien etwa - bestimmt. Im Gazastreifen wurden bis 1967 in erster Linie Zitrusfrüchte angebaut und exportiert. In der Westbank arbeiteten über die Hälfte der Menschen in der Landwirtschaft, im Gazastreifen nur ca. ein Viertel. 1980 konnten sich nur noch 30% der Palästinenser in der Westbank und 18,2% im Gazastreifen von der Landwirtschaft ernähren.
Der Krieg von 1967 hatte für die Landwirtschaft in den besetzten Gebieten verheerende Folgen. Gründe hierfür waren nicht nur die Zerstörung der Felder, sondern auch die erneute Fluchtbewegung der Bevölkerung, so dass viele Felder brachlagen. In der Westbank betrug die Ernte 1966 420.000 Tonnen. Zwei Jahre später wurden nur 225.000 Tonnen geerntet. 1977 war mit 372.000 Tonnen der Produktionsstand von 1966 immer noch nicht wieder erreicht. (Für den Gazastreifen liegen uns keine Vergleichszahlen vor.)
Israelische Siedlung Ramot Allon (Foto: Cornelia Suhan, 1985; aus: Waltz, 1986)
Nach der Besetzung ging die israelische Militärregierung rasch daran, die Produktpalette der Landwirtschaft - vor allem in der Westbank - zu verändern. Wurden vor dem Krieg in erster Linie Gemüse, Melonen und Getreide angebaut, so forderte die israelische Nachfrage eine Umstellung auf Produkte zur Weiterverarbeitung wie Sesam, Tabak, Hülsenfrüchte und Baumwolle. Der selektive Einsatz von Traktoren und Düngemittel, Subventionen für israelische Siedler in den besetzten Gebieten und Landenteignungen sorgten für die Verdrängung palästinensischer Produzenten aus dem Landwirtschaftssektor. Im Gazastreifen blieb es im grossen und ganzen bei der Produktion von Zitrusfrüchten.
Die palästinensische Bevölkerung aber durfte unter der Besatzung ihre Produkte nicht mehr selbständig vertreiben; das übernahm eine israelische Exportfirma. Die Einnahmen gingen an den israelischen Staat. Palästinensische Früchte kamen als israelische Waren auf den Markt.
Die Industriegüterproduktion führte in der Westbank und im Gazastreifen immer ein Schattendasein - in der Westbank schon durch die systematische Benachteiligung in der Industrieentwicklung unter jordanischer Herrschaft. In bescheidenem Ausmass existierten vor dem Krieg Lebensmittelverarbeitung (vor allem Oliven) und Textilindustrie sowie Handwerksbetriebe und kleine Manufakturen. Maschinenbau oder weiterverarbeitende Industrie gab es in den besetzten Gebieten nicht. Auch nach der Besetzung blieb das industrielle Entwicklungsniveau in der Westbank niedrig. Wenn industrielle Anlagen aufgebaut wurden, so waren es Firmen in israelischer Hand, die Halbfertigprodukte für die israelische Industrie herstellten. Die palästinensische Bevölkerung selbst hatte kein Interesse an Investitionen in industrielle Anlagen. Denn es war erstens unklar, wie Israel weiter mit den Gebieten verfahren würde, zum anderen wurden Lizenzen für industrielle Anlagen in den Händen der Palästinenser wirtschaftspolitisch entschieden - d.h. Genehmigungsverfahren waren langwierig und meist auch kostspielig. Im Gazastreifen spielten industrielle Anlagen zu keiner Zeit eine Rolle.
Die Besetzung von Westbank und Gazastreifen ermöglichte der israelischen Wirtschaft auch noch eine andere Art der Ausbeutung. Durch die systematische Beschränkung der Selbstversorgung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten durch Landenteignung, Einschränkung der Wassernutzungsrechte und Zerstörung der Felder wurden viele vorher in der Landwirtschaft beschädigte Palästinenser arbeitslos. Den arbeitslos gemachten Palästinensern wurden nach der Überprüfung durch den Sicherheitsdienst Arbeitsplätze in Israel vermittelt. Die Einstellung palästinensischer Arbeiter richtet sich nach dem Bedarf der israelischen Wirtschaft. Neben offiziellen von Israel eingerichteten Vermittlungsbüros gibt es einen "freien Markt", auf dem Palästinenser von Tag zu Tag vermittelt werden. Ein Jahr nach dem Krieg kamen erst 0,5% der Arbeiter in Israel aus den besetzten Gebieten. Bis 1974 stieg der Prozentsatz auf 6,1% an - trotz der wirtschaftlichen Rezession nach dem Oktoberkrieg 1973 - , sank danach aber wieder (1978J auf 5,6% ab. Israel hatte sich durch die Besatzung ein Arbeitskräftereservoir erobert, dessen es sich jederzeit nach Bedarf bedienen konnte.
(Quelle: Motzger, Orth, Das ist unser Land, S. 95. - Nicht in dieser Statistik enthalten sind die palästinensischen Gelegenheitsarbeiter, die einen oder mehrere Tage für einen Arbeitgeber arbeiteten und am nächsten Tag an einem anderen Ort eingesetzt wurden.)
1985 waren insgesamt 76.600 Palästinenser aus der Westbank und dem Gazastreifen in Israel beschäftigt. Von allen im Israelischen Bausektor arbeitenden Menschen waren 62,3% Palästinenser; sie mussten als die billigsten Arbeitskrähe die Israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten bauen. An zweiter Stelle der Arbeiten für Palästinenser lag die Landwirtschaft mit 29,5%, danach folgte die Industrie mit 13,9%. Das Schlusslicht der Jobs für Palästinenser aus Westbank und Gazastreifen bildete der Dienstleistungssektor mit 10,5%.
Die wirtschaftliche Verflechtung Israels mit den besetzten Gebieten hatte 1987 ein Stadium erreicht, das in israelischen Kreisen die Ahnung aufkommen liess, dass bei einer so weitreichenden Abhängigkeit der besetzten Gebiete von Israel und Israels von den besetzten Gebieten die Verflechtung nicht mehr rückgängig zu machen sei. Israel sei von den Produkten und den Arbeitskrähen aus den besetzten Gebieten abhängig, die besetzten Gebiete von den Fertigprodukten aus Israel. Der Beginn der Intifada stellt die Vorteile dieser Abhängigkeit in Frage.
Palästina- Arbeitskreis im KP
Anmerkung: In den von uns benutzten Quellen - palästinensische, israelische und UN-Quellen - differieren die statistischen Angaben z.T. erheblich. Wir haben uns, nach palästinensischen Quellen gerichtet, wenn ihre Zahlen von den UN- Zahlen oder anderen wissenschaftlichen Statistiken (z.B. MERIP - Middle East Report) nicht erheblich abweichen. Eine neue Untersuchung von Friedhelm Ernst unterzieht die unterschiedlichen Ergebnisse von Zählungen einer kritischen Untersuchung. Er bezieht sich aber nur auf Flüchtlingszahlen und Fluchtbewegungen und hat keine anderen Statistiken untersucht (siehe Literatur).
M 55.3: Yediot Ahrocot1, 16.3.76: Arbeiter aus den besetzten Gebieten werden nachts eingeschossen, um Herumtreiberei zu verhindern. Von Arje Egosi
Die Katastrophe, die sich vorgestern in einer Matratzenfabrik in Tel Aviv ereignete, wobei drei Arbeiter verbrannten, brachte die Existenz von "Arbeiterhotels" ans Tageslicht, in denen die Arbeiter unter Haftbedingungen leben.
Abend für Abend werden die Türen von Lagerräumen - sogenannte Wohnräume - hinter Tausenden von Arabern aus den besetzten Gebieten verschlossen, die in Fabriken innerhalb der grünen Zone arbeiten (Die "grüne Zone" ist die Bezeichnung für das israelische Staatsgebiet vor dem Juni-Krieg 1967; Anm. d Übers.) Die Türen bleiben bis zu den frühen Morgenstunden kurz vor Arbeitsbeginn verschlossen.
Dieser Brauch, der sowohl der Polizei als auch dem Zivilschutz durch seine nächtlichen Kontrollen in den Zentren von arabischen Arbeitern sehr wohl bekannt ist, drang nun anlässlich des nächtlichen Brandes, der vorgestern Nacht in einer kleinen Matratzenfabrik in der Aliagasse in Tel Aviv ausgebrochen war, an die breite Öffentlichkeit. Am Ende der Löscharbeiten drangen die Feuerwehrleute in das total zerstörte Gebäude ein und fanden in einem der Zimmer drei verbrannte Leichen. Das Ergebnis einer kurzen Untersuchung ist, dass die Toten junge Arbeiter ausdem Gazastreifen sind, die in der Fabrik arbeiteten und des nachts dort zu schlafen pflegten.
Ein Sprecher der Tel Aviver Polizei, Avinoam Kahani, teilte gestern mit, dass die polizeiliche Untersuchung des Falls ergab, dass die drei, sich nicht aus dem Zimmer, in dem sie schliefen, retten konnten, weil die Türen von aussen abgeschlossen waren. Der Sprecher teilte weiter mit, dass die Fabrikbesitzer wahrscheinlich vor Gericht gestellt würden.
Wie schon erwähnt, ist das nächtliche Einschliessen von Arbeitern aus den besetzten Gebieten sehr weit verbreitet. Dies hat zwei wichtige Gründe. Die Fabrikbesitzer, die ihre arabischen Arbeiter mit Arbeits- und Schlaferlaubnis ausrüsten, suchen auf diese Art und Weise sie an nächtlicher überflüssiger Herumtreiberei auf den Strassen zu hindern. Die Arbeitgeber wissen, dass der Arbeiter, wenn er nach Mitternacht auf der Strasse gefasst wird, auf die Polizeistation gebracht wird. Manchmal wird ein solcher Arbeiter bis zum nächsten Mittag auf der Wache festgehalten, und das bedeutet Arbeitsausfall. Es kommt noch hinzu dass es sich in den meisten Fällen, in denen die Fabrikbesitzer die Türen verriegeln, um Arbeiter handelt, die keine Arbeits- und Schlafgenehmigung besitzen. Da diese Genehmigungen über die Arbeitsämter zu erhalten sind, ist der Arbeitgeber verpflichtet, zusätzlich zu dem Lohn noch verschiedene Sozialabgaben zu zahlen, die gesetzlich festgelegt sind. Diese Abgaben verteuern natürlich die Produktionskosten. Um die Entdeckung solcher "Untergrundarbeiter" zu verhindern, sei es durch die Polizei oder durch die Kontrollen des Zivilschatzes (die das Industriegebiet des nachts sehr oft kontrollierend pflegen Fabrikbesitzer, Besitzer von kleinen Werkstätten und Autoreparaturwerkstätten die Türen, sobald es dunkel wird, abzuschliessen.
"Ich verschliesse die Tür am Abend und weiss. dass ich am nächsten Morgen alle an Ort und Stelle antreffe - und nicht zur Polizei rennen muss und Arbeitsstunden verliere und verschwende", sagte mir gestern der Inhaber einer kleinen Metallwerkstatt im Süden TelAvivs, der vier Arbeiter aus Rafiach (Ort im Gazastreifen; Anm. d Übers.) beschäftigt, die mit allen nötigen Papieren ausgerüstet sind.
Ein Rundgang in den Industriegebieten der Städte mitten im Land zeigt "Hotels" in denen die Arbeiter aus den besetzten Gebieten eng aufeinander zusammengepfercht und ohne die nötigen sanitären Einrichtungen untergebracht sind.
(1 Yediot Ahronot ist eine hebräischsprachige Abendzeitung; d. Red.)
(Übersetzung aus: M. Pelster, H. Stüwe, Israel in Palästina, Materialien für Unterricht und Bildungsarbeit, S. 59)