Kopfverletzungen entstehen durch Gewalteinwirkung auf den Schädel z.B. durch Stürze oder Schläge. Unter dem Sammelbegriff "Schädel-Hirn-Verletzung" werden Weichteilverletzungen am Kopf, Frakturen (Brüche) der Knochen des Gesichtsschädels und des Schädels und Gehirnverletzungen zusammengefaßt, die Du auf der Straße oft nicht unterschieden oder nach ihrem Schweregrad nach beurteilen kannst. Manchmal liegt auch eine Kombination der verschiedenen Verletzungen vor. Gehe im Zweifelsfall vom Schlimmeren aus!
Bei Weichteilverletzungen, also Verletzungen, bei denen die Kopfhaut, aber nicht der Schädelknochen verletzt ist, handelt es sich oft um stark blutende Kopfplatzwunden. Bei sogenannten Skalpierungsverletzungen sind Haut und Gewebe großflächig vom Schädelknochen abtrennt. Die notwendigen Maßnahmen sind in der Erste-Hilfe-Broschüre [ « Ruhig Blut! ] beschrieben.
Wenn Du Dir das Modell des Gesichtsschädels ansiehst, erkennst Du, dass der Schädel aus vielen Teilen besteht, die durch gezackte Zonen verbunden sind - gewissermaßen miteinander verzahnt sind. Diese Bereiche werden Knochenhaften genannt. Durch die "schutzhelmartige" Form des Schädels sind Brüche des Schädelknochen ohne Röntgengerät meistens nicht festzustellen. Wir beschreiben an dieser Stelle deswegen nur diejenigen Gesichtsschädelfrakturen, die Du tatsächlich sehen oder einfach feststellen kannst.
Kennzeichen des Nasenbeinbruchs sind meist Nasenbluten und Anschwellen des Nasenrückens. Manchmal ist der Nasenrücken eingedrückt, so daß eine "Boxernase" entsteht.
Deine Maßnahmen beschränken sich auf die Versorgung der äußeren Wunden und das Freihalten der Atemwege. Der Verband darf den Blutabfluß nicht behindern. Die Verletzte soll bei der Versorgung entweder mit nach vorne gebeugtem Kopf sitzen, damit das Blut freie ablaufen kann, oder Du lagert sie auf dem Bauch liegend. Angenehmer ist es dabei die Stirn auf die Hände zu stützen oder beispielsweise mit einer Jacke abzupolstern. Bei Bewußtlosigkeit mußt Du wie immer die stabile Seitenlage herstellen.
Achtung: Bei Nasenverletzungen kann Blut in den Rachenraum fließen und im Extrewmfall die Atmung massiv stören.
Einen Oberkieferbruch erkennst Du an einer unnatürlichen Stellung der oberen Zahnreihe, Schwellungen und Formveränderungen im Bereich des Oberkiefers, eine sichtbare Stufenbildung am Oberkieferrand und Schmerzen bei der Kaubewegung oder Blutungen aus Mund und Nase. Die Bruchlinien können auf eine Oberkieferhälfte beschränkt sein oder auch beide Oberkieferknochen durchziehen, wobei fast immer Verletzungen der Schleimhaut vorliegen. Oft ist gleichzeitig die Nase verletzt. Die Verschiebung der Bruchenden kann bei Gewalteinwirkung von vorne so groß sein, daß eine Oberkieferhälfte gegenüber der anderen weit zum Rachen hin verschoben und die Kieferhöhle durch die Fraktur ebenfalls verletzt ist.
Die Gefahren des Oberkieferbruches sind Blutungen und Lähmungen im Bereich der Oberkiefer- und Gesichtsnerven. Da durch die mögliche starke Blutung Aspirationsgefahr ("Anatmen von Blut und Fremdkörpern") gegeben ist, mußt Du den Abfluß des Blutes aus Mund und Nase nach außen sicherstellen werden. Lagere die Verletzte wie beim Nasenbeinbruch beschrieben. Vor allem mußt Du die Atemwege freihalten. Achte auch auf lose Zähne und andere Fremdkörper im Bereich von Mund und Rachen, die schnell in die Atemwege geraten können.
Die Kennzeichen gleichen im wesentlichen der Verletzung des Oberkiefers. Auch die Versorgung ist letztendlich die gleiche.
Da es bei schweren Unterkieferbrüchen zur Instabilität des Mundbodens mit der Gefahr der Verlegung der Atemwege durch den Zungengrund kommen kann, mußt Du, wie bei allen massiven Gesichtsschädelverletzungen, besonders auf das Freihalten der Atemwege achten. Bedenke bei Ober- und Unterkieferbrüchen, dass die Verletzte nicht gerade gerne reden möchte. Um die Kommunikation zu erleichtern kannst Du Sie bitten z.B. Gesten, wie "Daumen rauf" - "Daumen runter" zu verwenden.
Verletzungen der Schädelknochen können zum einen geschlossene (gedeckte) Schädelbrüche sein, bei denen die Haut im Bereich der Fraktur intakt geblieben ist. Es können dabei neben sichtbaren deutlichen Formveränderungen auch Frakturen ohne eine Verschiebung der Knochen oder Knochenrisse im Schädel entstehen. Kommt es zur Verschiebung der Bruchstücke oder zu einer Splitterung der Innenseite des Schädeldaches, können dabei Knochensplitter auch tief in das Gehirn eindringen.
Einen Sonderfall stellen die Schädelbasisbrüche dar, bei denen eine Verbindung zwischen dem sterilen Schädelinneren und den unsterilen Höhlen des Gesichtsschädels oder dem Gehörgang entsteht, so dass erhöhte Infektionsgefahr entsteht. Da weiterhin alle Blutgefäße und Nervenverbindungen des Körpers mit dem Gehirn durch die Schädelbasis laufen, mußt Du bei einem Schädelbasisbruch mit deren Verletzung und damit mit Störungen der vitalen (lebenswichtigen) Funktionen rechnen.
Als offene Schädelbrüche werden Schädelfrakturen bezeichnet, bei denen eine Wunde über dem Knochenbruch entsteht, so daß Hirnhäute oder das Gehirn selbst freiliegen können. Neben der Verletzung des Gehirns besteht auch hier eine erhöhte Infektionsgefahr.
Hirnverletzungen können mit oder ohne äußerlich sichtbare Wunden entstehen.
Unterschieden werden die Gehirnerschütterung (Commotio cerebri) ohne nachweisbare Verletzung von Gehirngewebe, die Gehirnquetschung (Contusio cerebri) mit Verletzung von Gehirngewebe an der Stoß- und Gegenstoßstelle und die Zerstörung von Gehirngewebe bei offenen Schädelverletzungen oder Hirnblutungen.
Eine Unterscheidung zwischen reinen Frakturen der Schädelknochen und Gehirnverletzungen ist außerhalb eines Krankenhauses selten möglich, weil das Ausmaß der Knochenverletzung kaum Rüchschlüsse auf die Schwere der Hirnschädigung zuläßtt. Schwere Hirnverletzungen können ohne Brüche der Schädelknochen eintreten, während umgekehrt das Gehirngewebe selbst nach mehrfachen Schädelbrüchen oft nur geringfügig verletzt ist. Für die Versorgung ist es entscheidend, ob ein Schädel-Hirn-Trauma vorliegt und ob dabei zusätzlich eine Weichteilverletzung oder offene Fraktur entstanden ist. Kennzeichen einer geschlossenen Schädel-Hirn-Verletzung ist in allen Fällen die Bewußtlosigkeit, die manchmal auch nur für kurze Zeit auftritt. Zusätzliche Hinweise liefert ein Verletzungshergang, der eine Schädigung des Gehirns bei der Verletzung wahrscheinlich macht.
Je länger die Bewußtlosigkeit anhält, desto ernster ist die Verletzung. Aber auch kurzdauernde Benommenheit oder Bewußtlosigkeit, die zügig wieder verschwunden ist, mußt Du als Anzeichen einer Schädel-Hirn-Verletzung werten. Bei einer Gehirnerschütterung ist die Gedächtnislücke (retrograde Amnesie), die Du durch Befragen der Verletzten nach Unfallhergang, Ort und Zeit des Unfalls sowie nach Ereignissen vor dem Unfall feststellen kannst, oft das einzige Zeichen für ein Schädel-Hirn-Trauma.
Da Komplikationen drohen, muß auch diese scheinbar leicht Verletzte auf jeden Fall zur Ärztin, besser noch in ein Krankenhaus. Weitere Kennzeichen der Gehirnerschütterung können Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Kopfschmerzen sein. Da die Übergänge zwischen leichten und schweren Schädel-Hirn-Verletzungen aber fließend sind, können diese Zeichen auch im Anfangsstadium einer schweren Schädigung auftreten.
Zerstörung von Gehirngewebe durch Hirnquetschung oder Druck auf bestimmte Abschnitte des Gehirns als Folge von Hirnblutungen können zu Funktionsausfällen und Lähmungen führen und sind ebenfalls Hinweise auf ein mögliches Schädel-Hirn-Trauma.
Bei Schädelbasisbrüchen kann zusätzlich im Verlauf von Stunden oder Tagen Blut in das lockere Bindegewebe um die Augen herum sickern und einen typischen Bluterguß, ein "Brillenhämatom", hervorrufen. Auch das Austreten von Blut und Liquor ("Gehirnflüssigkeit") aus Ohren und Nase sind ein Hinweis auf einen möglichen Schädelbasisbruch.
Bei Vorliegen eines oder mehrerer der genannten Zeichen muß eine Schädel-Hirn-Verletzung angenommen werden. Deine Maßnahmen sind unabhängig von dem eigentlichen Umfang der Schäden, denn auch ein anfänglich harmloses Erscheinungsbild darf nicht über den Ernst jeder Schädel-Hirn-Verletzung hinwegtäuschen, die in kurzer Zeit zu dramatischen Verschlechterungen der Situation führen kann.
Wesentliche Gefahren sind neben der Bewußtlosigkeit das Ansteigen des Druckes im Schädelinneren ("Hirndruck") durch ein Anschwellen der verletzter Gehirnregionen ("Hirnödem") oder durch Blutung ins Schädelinnere ("intrakranielle Blutung").
Anzeichen von Hirndruck sind eine träge Reaktion der Pupillen auf Lichteinfall, ihre Entrundung sowie seitenverschiedene Lichtreaktion, die sogenannte Pupillendifferenz. Weitere Symptome sind starke Kopfschmerzen mit zunehmender Benommenheit, die dann in Bewußtlosigkeit übergeht und ein Druckpuls, d.h. die Pulsfrequenz sinkt unter 55 Schläge in der Minute, ist aber ungewöhnlich kräftig zu tasten. Dieses Symptom muß jedoch nicht immer gegeben sein. Die Verletzte kann auch einen schnellen Puls bei niedrigem Blutdruck haben.
Entscheidend ist, daß die Gefahr des Hirndruckes rechtzeitig erkannt wird und Du Dich vor allem nicht durch das oft vorhandene "beschwerdefreie Intervall" täuschen läßt. Ein Schädel-Hirn-Trauma ist eine sehr ernste Verletzung, bei der Du auf jeden Fall die Hilfe des Rettungsdienstes benötigst!.
Generell mußt Du schon die geringsten Hinweise auf ein mögliches Schädel-Hirn-Trauma beachten. Hast Du den Verdacht auf eine solche Verletzung, stehen auch hier die Maßnahmen zum Erhalt der vitalen Funktionen an erster Stelle. Gerade bei Verletzungen des Gehirns ist die Atmung durch Schädigung des Atemzentrums in der Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) oft beeinträchtigt. Das Freimachen und Freihalten der Atemwege sowie das Sicherstellen einer ausreichenden Sauerstoffversorgung des Verletzten ist daher wesentlicher Punkt der Versorgung.
Bewußtlose werden wie immer in die stabile Seitenlage gebracht. Da Schädel-Hirn-Verletzte oft erbrechen, mußt Du die Verletzte ununterbrochen beobachten, da selbst in der stabilen Seitenlage die Aspirationsgefahr nicht völlig gebannt ist.
Ist die Verletzte noch bei Bewußtsein, lagere sie mit leicht erhöhtem Kopf, um so dem Ansteigen des Druckes im Gehirn entgegenzuwirken. Wenn vorhanden gib Sauerstoff zur Inhalation. Offenen Schädelfrakturen sollen steril aber völlig druckfrei abgedeckt werden. Dazu eignet sich am besten ein Brandwundenverbandtuch.
Wenn möglich kontrolliere in kurzen Abständen Puls und Blutdruckwerte und notiere die Werte für den Rettungsdienst.
Als letzte Anmerkung sei noch erwähnt, dass Du bei schweren Schädelverletzungen immer davon ausgehen solltest, dass auch die Halswirbelsäule (HWS) verletzt ist. Hier gilt: so wenig wie möglich bewegen, besonders auf die Atmung achten ...