Editorial
Schon eine Weile ist es her, dass wir mit der ersten Ausgabe unserer Zeitung an Jugendliche wie wir es sind herantreten wollten, um unsere Vorstellung von einer linksradikalen Kritik heutiger kapitalistischer Verhältnisse für andere nachvollziehbar zu machen. Nach wie vor versuchen wir die Auseinandersetzung mit der jetzigen Gesellschaftsform zu fördern, nicht weil es unser Hobby ist oder wir Langeweile haben, sondern weil es uns ankotzt, schon jetzt zu wissen, dass diese Welt kein Leben ohne gesellschaftliche Zwänge für uns bereithalten wird. Wir haben es satt, immer nur zwischen Pest und Cholera wählen zu können, egal ob man nun einen großen Teil seiner Kindheit in der Schule verbringen muss, um sich die Unterordnung an gesellschaftliche Prinzipien und Abläufe anzutrainieren oder ob man nach dieser Tortur vom Arbeitsamt von Dorf zu Dorf gescheucht werden kann, um noch irgendeinen lausigen Elendsjob abzugreifen. Uns geht es hierbei nicht darum, irgendwelchen Lehrern, Politikern, Arbeitsberatern oder sonstigen Autoritäten einen Strick zu drehen, ebenso wenig wie wir uns anhören wollen, dass es uns doch frei steht, was wir später machen wollen und nur wir uns Zwänge selbst auferlegen. Die Gewalt, welche die heutige Gesellschaft gegenüber ihren Mitgliedern entwickelt, begreifen wir nicht als bösen Wille einiger Personen, sondern als Folge der Struktur in der die gesellschaftliche Produktion und Verteilung von Gütern heute abläuft. Dass diese – nennen wir es ruhig beim Wort – kapitalistische Produktionsweise es auch noch täglich fertig bringt, auf der ganzen Welt zehntausende Menschen dahinzuraffen, ist nur ein Grund mehr die radikale Abschaffung dieser Gesellschaftsform zu fordern.
Da ja mehr oder weniger alle von diesem Problem betroffen sind, steht ja auf den ersten Blick dem Vorhaben nichts im Weg, eine freiwillige und solidarische Vereinigung von Menschen möglich zu machen, in der für alle ein unbegrenzter Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen offen steht. Die Realität beweist jedoch, dass diese eigentlich einfach klingende Idee von den meisten ja bereits als unmögliche Träumerei auf den Müllhaufen der Geschichte verfrachtet wurde. Viele Menschen denken nach wie vor, dass eine freie Assoziation von Menschen nur eine geistige Ausgeburt naiver Jugendlicher ist, andere wiederum haben ihre Vorstellung von einer freien Gesellschaft schon zu Ende gedacht und bemerken nicht, wie sehr das von ihnen Erdachte dem heute Bestehenden im Grunde ähnelt (z.B. Sozialisten) und wieder andere gehen sogar so weit, bspw. mit dem Bezug auf Gott oder irgendeiner Erbsünde, das heutige Elend zu rechtfertigen.
Weil nach unserer Ansicht der Abschaffung kapitalistischer Zustände vor allem im Wege steht, dass die Menschen so seltsam über sie denken, soll diese zweite Ausgabe unserer Zeitung also der Versuch sein, einige dieser Ideologien etwas näher unter die Lupe zu nehmen, um zu begreifen warum im Kapitalismus immer derartige Denkformen entstehen, um das Leben leichter und widerspruchsloser scheinen zu lassen. Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem bei Ideologien, welche einigen Menschen alleinige Schuld am Elend dieser Welt oder bestimmten Personengruppen unveränderbare biologische Eigenschaften zuschreiben, wie dies beim Antisemitismus, beim Rassismus und deren modernen Abkömmlingen der Fall ist.
Die allgemeine und ausführliche Kritik der Grundstruktur unserer Gesellschaft kommt hierbei zwar etwas kürzer, doch dies können wir mit dem Verweis auf unsere Internetseite bereinigen, auf der alle unsere früheren Veröffentlichungen, auch die der ersten Ausgabe, zu finden sind. Nach wie vor würden wir uns auch über alle Kritiken oder andere Anmerkungen zu unserer Vorstellung von einer radikalen Gesellschaftskritik freuen, welche ihr an tomorrow@left-action.org mailen könnt. Also viel Spaß und Interesse beim Lesen und drüber Nachdenken.
MfG Tomorrow |
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