Rassismus und Antisemitismus
1. Einleitung
Sicherlich wird jeder schon im Alltag Situationen mit antisemitischem oder rassistischem Hintergrund erlebt haben. Des Öfteren ist beobachtbar, wie ausländische Mitschüler stärker gemobbt werden oder eine „jüdische Lobby“ hinter der Politik Amerikas vermutet wird. Dass sich die beiden Denkweisen nicht nur im Kopf abspielen und mündlich geäußert werden, zeigte in grausamer Weise die deutsche Geschichte.
Durch den Antisemitismus im nationalsozialistischen Deutschland kam es zu einer grauenhaften Massenvernichtung der durch die Volksgemeinschaft ausgeschlossenen Juden und Jüdinnen. Die unnachgiebige Verfolgung und Auslöschung der Juden und Jüdinnen sollte allumfassend sein und speiste sich aus der Vorstellung, „der Jude“ würde Deutschland in den Ruin stürzen und eine minderwertige Rasse sein – im Gegensatz zu der von den Deutschen halluzinierten „arischen Rasse“. Die unsägliche Grausamkeit der nationalsozialistischen Verbrechen zu kritisieren, bedeutet auch, das man sich dabei zum Teil vom Gefühl lösen muss, um diese in Worte zu fassen. Die ungeheuren Leiden und Schmerzen dürfen bei der Kritik und dem Begreifen der Ursachen aber keinesfalls unberücksichtigt bleiben.
Führt man sich vor Augen, dass Rassisten heute immer noch behaupten, „die Schwarzen“ aus Afrika seien aufgrund ihrer Gene faul, stinken und gäben sich ihren Trieben hin wie Affen, wird die fortwährende Aktualität des Themas deutlich. Damit schreibt der Rassist den Menschen in der sogenannten „3.Welt“ Eigenschaften zu, die ihn minderwertig erscheinen lassen – sind doch Ordnung, Disziplin und Sauberkeit die „kulturellen Errungenschaften“ des „weißen Mannes.“ Entgegen diesen Vorstellungen hat der italienische Genetiker Cavalli-Sforza in einer Studie bewiesen, dass ein Afrikaner mit dunkler Hautfarbe genetisch enger mit einem hellhäutigen Europäer verwandt sein kann, als mit jemanden aus seinem Heimatort. Es ist demnach strittig, ob es Rassen überhaupt gibt. Nach Guillaumin müsste jeder Mensch eine Rasse für sich sein, da die Einteilung nach vielfältigen Erscheinungen nicht möglich ist (Poliakov „Über den Rassismus“).
Der folgende Text liefert daher eine Kritik der beiden Ideologien Rassismus und Antisemitismus. Wir wollen nicht dabei stehen bleiben, einfach nur eine bestimmte Denkform zu begreifen und sie in die Geschichte der Menschheit einzuordnen, sondern wollen diese mitsamt der sie hervorbringenden Gesellschaft abschaffen.
Somit sei eine Betrachtung der bestehenden Verhältnisse vorangestellt.
2. Kapitalismus als Voraussetzung
Um zu begreifen, wieso Menschen antisemitisch bzw. rassistisch denken und handeln, muss man sich erst einmal die Grundlage für solche Denkformen anschauen. Diese ist offenbar die kapitalistische Gesellschaft.
Die heutige Weltsituation stellt sich als schrecklich dar: Ein großer Teil der Weltbevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, hat nicht genug Essen und Wasser und auch kein Geld, um Nahrungsmittel zu erwerben. Heutzutage bekommt man nicht etwas zu essen, wenn man Hunger oder Durst hat, sondern nur, wenn man Geld dafür bezahlt. Die Wirtschaft ist also nicht darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, sondern mit den Produkten Geld zu verdienen. Das macht auch deutlich, dass die Gesellschaft nicht bewusst von Menschen gestaltet wird, sondern vielmehr für einen Markt produziert wird, der dem Prinzip des Profitstrebens (aus Geld mehr Geld zu machen) gehorcht und dadurch den Produzenten und den Käufer nicht direkt in ein Verhältnis zueinander treten lässt. Die schwankenden Aktienkurse, Preise und Löhne entscheiden über den Lebensstandard vieler Einzelner, können aber nur sehr begrenzt beeinflusst werden. Ebenso wenig wird vom einzelnen Produzenten nach Lust und Laune über den Einsatz neuer Technologien entschieden, sondern die Konkurrenz macht es notwendig.
Der zur Profitmaximierung notwendige Prozess wird dabei von allen mitgetragen. Die kapitalistische Gesellschaft besteht aus vielen einzelnen Individuen, die alle durch einen Faktor gleich sind: Sie besitzen durch ihre Arbeitskraft die Möglichkeit zu arbeiten und damit Geld zu verdienen. Aber was heißt es, wenn Menschen arbeiten und Lohn vom Arbeitgeber beziehen? Wozu wird das Geld verwendet?
Ein/e KapitalistIn investiert in Arbeitskräfte, um einen Produktionsprozess am Leben zu erhalten, der nur darauf abzielt, Gewinn zu machen und diesen neu zu investieren. Sehr wohl bekannt ist die Tatsache, dass für Geld viel, wenn nicht gar alles zu haben ist. Möchte ich es besitzen, sollte ich arbeiten gehen oder den Prozess der Arbeit organisieren, d.h. Waren produzieren lassen, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Allein darauf richtet sich die ganze Gesellschaft aus: Sie gibt sich einem Prinzip der Profiterwirtschaftung hin und rückt so nicht den Menschen in den Mittelpunkt der Gesellschaft, sondern Geld und Arbeit. Trotzdem wird dieses Prinzip von allen Mitgliedern getragen – und somit kommt meist auch nicht die Frage auf, wieso man sich einem fremdbestimmten Zweck hingibt, der einer humanen Organisation der Gesellschaft entgegensteht. Möchte ich in einem Laden z.B. zwei Waren (Pullover, DVD-Player) kaufen, so muss der Verkäufer die gleichen Gedankengänge haben wie der Käufer. Erwerben werde ich den Pullover/DVD-Player nur, wenn wir übereinstimmend feststellen, dass sich der 50€ Schein jeweils gegen die eine bzw. die andere Ware eintauschen lässt. Hier fällt auf, dass die beiden Waren sich trotz ihrer unterschiedlichen Erscheinung (andere Form, Beschaffenheit) und Verwendbarkeit vergleichen lassen, sonst könnte ich ja nicht beides für Geld erwerben (50€ =Pullover, 50€ =DVD-Player, Pullover=DVD-Player). Diesen Gedanken der Gleichheit müssen alle heutzutage ausprägen und denken, sonst gäbe es diese Gesellschaft nicht. Hier wird augenscheinlich, dass die Gedanken der Akteure auch von der Gesellschaft geprägt werden. Die einzelnen Individuen reflektieren so nicht darauf, dass sie genau dieses gemeinsame „Dritte“ in den Waren schaffen, das sie vergleichbar macht. Das einzige Gemeinsame aller heutzutage produzierten Waren ist nämlich, dass sie im Rahmen der Erwirtschaftung von Profit hergestellt werden und bei ihrer Herstellung menschliche Arbeitskraft verausgabt wurde.
Da es dem Großteil der Menschen durch ihre Eingebundenheit schwer fällt, sich den inhumanen gesellschaftlichen Zweck einzugestehen, wird die Funktionsweise auch nicht begriffen. Es ist ihnen unmöglich zu erkennen, warum ihre Entlassung bevorsteht, warum Firmen pleite gehen, oder wieso Aktienkurse, Preise und Löhne steigen oder fallen. Anstatt einer Reflexion, die die Grundlage der Vergesellschaftung beleuchtet, stellt sich dem Betroffenen reflexartig ein „Irgend jemand muss doch Schuld sein!“ ein. Weil die Quelle der Veränderungen „geheim“, also nicht einfach sinnlich wahrnehmbar, und kaum beeinflussbar ist, wird auch der angeblich Schuldige als übermächtig und konspirativ wahrgenommen („jüdische Weltverschwörung“). Die sozialen Missstände „erklären“ sich also für die/den NormalverbraucherIn: Er/sie zeigt mit dem Finger auf die Schuldigen, die die Ursache für die eben beschriebenen Umstände sein sollen. Das eigene Denken zielt bei den meisten Arbeitenden usw. darauf ab, die alltäglichen Handlungen innerhalb eines Welterklärungsmodells so wahrzunehmen, dass man selbst keine Schuld an den Missständen trägt. Trotz der Eingebundenheit in die Profiterwirtschaftung, wird die Verantwortung anderen angelastet. Das Wesen kapitalistischer Gesellschaft kann so nicht wahrgenommen werden – oftmals wird es noch nicht einmal versucht. Im Falle des traditionellen Antisemitismus ist der Schuldige als „Jude“ ausgemacht und es gibt eine Lösung, wie eine bessere, harmonische Welt geschaffen werden kann – durch Vernichtung. Damit schreiben die Antisemiten dem Judentum eine übermächtige Position in der Gesellschaft zu, die es ihm ermögliche, in Staat und Wirtschaft Kontrolle auszuüben, die sich doch nur nach der ihr eigenen Gesetzmäßigkeit vollzieht – dem allgemein akzeptierten Maximen des Wirtschaftswachstums, der Betriebswirtschaft usw. Die Herrschaft einer Gesellschaftsformation, die auf Vermehrung von Geld unter Vernutzung menschlicher Arbeitskraft aus ist und ihre Angehörigen blendet, so dass sie ihre Grundlagen nicht so leicht erkennen können, bringt die antisemitische Ideologie notwendig hervor.
Der Rassismus dagegen hat seinen Ursprung in einem anderen Denkschema: Die Arbeitsplätze sind aufgrund der betriebswirtschaftlichen Rationalität – dem Kosten sparenden Einsatz von Maschinen plus Entlassung der nicht länger benötigten Arbeitskräfte – knapper geworden. Diese arbeitseinsparende Technik ist menschlich gesehen eigentlich gut: ist doch weniger Anstrengung erforderlich, um ein Produkt herzustellen; und sie ist kapitalistisch notwendig, damit Unternehmen durch niedrigere Preise nicht in der Konkurrenz versinken. Die Arbeitenden fürchten nun um den Verlust ihrer Arbeitsplätze und die Jobsuchenden wollen einen bekommen, schaffen es aber nicht, weil sie vielleicht minder qualifiziert sind und ihre Arbeitskraft daher nicht gebraucht wird. Nun wird sich nicht über die Gesellschaft bewusst der Kopf zerbrochen, d.h. darüber reflektiert, welche Stellung die eigene Person in der Gesellschaft innehat, sondern darüber, wer schuld sein könnte, dass man seinen Arbeitsplatz verloren hat. Schuldig sind dann genau die, welche vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin aufgrund des Konkurrenzverhältnisses von Firmen billiger eingestellt werden und manchmal sind dies die so genannten Ausländer. Gesehen wird nicht, dass die Gesetzmäßigkeit des Marktes Firmen dazu zwingt, möglichst billig zu produzieren, um Profit zu erwirtschaften – sondern die Fremden sind schuld, die es den Beheimateten nicht gestatten, ihre Arbeit zu verrichten. Die sogenannte Minderwertigkeit beim „Neger“ entspringt beim rassistisch Denkenden aus der Berufung auf die eigene „Höherwertigkeit“. „Ich bin besser als der andere, und deswegen steht eigentlich mir der Arbeitsplatz zu.“
Den Rassifizierten wird ein unveränderliches Wesen angedichtet, das auf genetischen Voraussetzungen beruhe, und das sie nicht dazu befähige, so zu arbeiten, wie es von Zivilisierten erwartet werden könne.
Man kann also aufzeigen, dass im Kapitalismus Denkformen (z.B. Rassismus und Antisemitismus) zwangsweise notwendig sind, denen die meisten Menschen – auf Grund der fehlenden Reflexion über Gesellschaft – anhängen müssen. Das heißt aber andersherum nicht, dass jeder einzelne Mensch dementsprechend denken muss. Man kann sich immer noch entscheiden, ob man Nazi sein will und AusländerInnen durch die Straßen jagt oder nicht.
3. Rassismus und Antisemitismus als Ideologien
Die Frage nach den Entstehungsursachen von Ideologien ist beantwortet, wenn wir uns die Gesellschaft, die sie hervorbringt, näher betrachten: Sie muss, wie oben gesehen, als eine kapitalistische begriffen werden, die sich nach den Gesetzmäßigkeiten des Kapitals, also der Vermehrung von Geld in mehr Geld, ausrichtet und so den Menschen nur als ihr notwendiges Anhängsel betrachtet. Die dabei entstehenden Erklärungsmodelle, die versuchen, diese sinnwidrige Gesellschaft zu begreifen, streben letztendlich nicht danach, die Ursachen für Elend usw. zu erklären und abzuschaffen, sondern bringen Tendenzen hervor, die sich tödlich auf die Menschen auswirken können. Diese ideologischen Bewusstseinsformen sind nicht einfach nur Manipulationen, sie werden nicht von gesellschaftlichen Gruppen zu irgendeinem Ziel verwendet und bewusst gesteuert, wie die oben beschriebene Vergesellschaftung zeigt. Auch durch historische Fakten lässt sich verdeutlichen: Die antisemitische Weltanschauung wurde vom sogenannten „deutschen Volk“ verinnerlicht, wie Goldhagen, der das überzeugend und fundiert nachgewiesen hat, zusammenfasst: „Es kann gar keinen Zweifel daran geben, dass die konservativen und völkischen Nationalisten in Deutschland, die die große Mehrheit der Bevölkerung stellten, von Beginn des neunzehnten Jahrhunderts an durch und durch antisemitisch waren.“ (Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker)
Menschen, die in einer kapitalistischen Gesellschaft aufwachsen und leben, sind zum einen – als Staatsbürger – um das Allgemeinwohl bemüht: Die zu entrichtenden Steuern finanzieren Polizei und andere Organe der öffentlichen Sicherheit und soziale Einrichtungen wie Kindergärten. Ohne Sicherheit und schulische Ausbildung, die dem Staat die Arbeitskräfte zur Verfügung stellen, gibt es kein Wirtschaftswachstum, das sich positiv auf alle MitbürgerInnen auswirken soll. Außerdem werden Bürgerinitiativen gegründet und PolitikerInnen gewählt, was auch eine Form des Staatsdienstes ist. Auf der anderen Seite muss sich jedeR jedoch um sein/ihr Eigenwohl kümmern: Möchte ich etwas essen, so muss ich es mir erwirtschaften – am effektivsten, wenn ich mir die Konkurrenz vom Hals halte, also egoistisch handle. Diese Selbstwidersprüchlichkeit wird nun durch die beiden ideologischen Denkweisen verschleiert, um dem Menschen seine Identität zu gewähren. Will sich also eine Bürgerin als konkurrenzfähige Arbeitskraft behaupten, so tut sie dies, indem sie sich aufwertet, sich als potentielle „Immer-Arbeiterin“ hinstellt und sich dadurch nach unten abgrenzt; die als „minderwertig“ Geltenden sind nun mit rassistischen Ressentiments belegt, derer sie sich nicht entledigen können, da sie der Rassistin als ihre genetisch festgelegte Natur erscheinen.
Im Gegensatz zu „den Negern“, die als minderwertig angesehen werden, wird „der Jude“ als ein übermächtiges Wesen begriffen, das seine („ihm angeborenen“) verschwörerischen Fähigkeiten einsetzt, um seine angebliche körperliche Unterlegenheit auszugleichen. Setzt sich der/die ehrliche StaatsbürgerIn für das Allgemeinwohl der eigenen Bevölkerung eines Staates ein, so handelt er nicht egoistisch, sondern „solidarisch.“ Gerade in der antisemitischen Ideologie wurde und wird „dem Juden“ die Unfähigkeit zu Gemeinsinn angedichtet: Seinem Wesen nach könne er eben nur egoistisch handeln und so in den Staaten nur Schaden verursachen, sie gegeneinander zum Krieg anstiften und die Volkswirtschaften in tiefe Krisen stürzen. Genau diese Krisen, Kriege usw. resultieren aber aus der kapitalistischen Gesellschaft, die von allen getragen wird und nicht durch eine kleine verschwörerische Gruppe.
Dennoch sind die beiden Ideologien ineinander verschlungen: Redet der/die AntisemitIn von der jüdischen Weltverschwörung, glaubt er auch an die immerwährende Charakteristik der jüdischen Rasse, glaubt, sie müsse andere „Völker“ durch Tücken in den Krieg stürzen und gefährde so die Souveränität der „Völker.“ Damit drückt der antisemitisch und rassistisch Denkende auch sein Bedürfnis nach Gemeinschaft aus, die sie ihm im kapitalistischen Arbeitsleben (Konkurrenzdenken usw.) verwehrt bleibt und sich im positiven Bezug auf Gemeinschaft, Volk und Rasse, äußert.
Gesellschaft, die sich, weil sie nicht bewusst von Menschen gestaltet wird, fast so undurchschaubar wie Natur vollzieht, bringt auch Denkweisen hervor, die Gesellschaft für Natur halten. In der biologistischen Argumentation, die heute nicht mehr unbedingt vorherrschend ist, werden Eigenschaftszuschreibungen so festgesetzt, dass sie unveränderbar erscheinen. Bei negativen Zuschreibungen birgt das schon die Vernichtung in sich – wie soll denn das Übel „ausgemerzt“ werden, wenn es unveränderbar an die Erbsubstanz geknüpft ist? Andererseits, bei der eigenen Gruppe also, bedeutet es, dass man sich dieser Eigenschaften sicher sein kann, sie sind beständig, ewig, unwandelbar – also im völligen Gegensatz zu den kapitalistischen Verhältnissen, in denen man sich seines Arbeitsplatzes, der Preise, der Aktienkurse und so weiter nie sicher sein kann.
„Untermenschen“, „Minderwertige“ werden mit bloßer Natur gleichgesetzt, der/die RassistIn geht gegen sie vor, aus Angst, auf deren Stufe zurückzufallen. Dabei berufen sie sich auf einen soziologischen Rassenbegriff, dessen biologische Basis sie voraussetzen. Dabei ist nicht allein die Ausdehnung auf das Soziale problematisch, weil der biologische Rassebegriff zumindest umstritten, eigentlich widerlegt ist, und man, um ihn aufrechtzuerhalten, für jeden Menschen eine Rasse beschreiben müsste. Aber selbst wenn er denn eine biologische Basis hätte, ist klar, dass Bildung und Charaktereigenschaften nicht auf Blut und Erbsubstanz zurückzuführen sind, sondern vielmehr auf Sozialisation und die finanzielle Situation der Eltern (ob hoher Bildungsstandard gewährt werden kann oder das Geld fehlt).
Für die Rassenzugehörigkeit wurden aber – vor allem ab Ende des 19.Jh. – moralische, intellektuelle, charakterliche und kulturelle Eigenschaften als ausschlaggebend angegeben. Um die Jahrhundertwende leitete sich daraus die „Erkenntnis“ von der „Rassenmischung“ ab: Die reinen Rassen sollten durch wissenschaftliche Methoden wie Eugenik, die Pflege der Erbgesundheit, wiederhergestellt werden sowie das Rassebewusstsein geschärft werden. Dabei wurden Methoden wie Sterilisation und Gettoisierung zunächst diskutiert und später vollzogen.
4. Unterschiede zwischen Rassismus und Antisemitismus
Die Rassifizierten, die als „minderwertig“ begriffen werden, hatten und haben, gerade auch bedingt durch das rassistische Ressentiment, reale Nachteile im Arbeitsbereich. Die afrikanischen Sklaven Nordamerikas z.B. mussten – auch nach der Sklavenbefreiung – mit geringeren Löhnen als „Weiße“ auskommen. Nur freie Individuen können auf einer gleichrangigen Ebene mit dem Arbeitgeber um ihre Löhne verhandeln (was natürlich erst mithilfe von Gewerkschaften Sinn macht); den ehemaligen Sklaven aber wurde die persönliche und politische Freiheit noch sehr lange vorenthalten.
Handelt es sich beim Rassismus mehr um die Ausbeutung der Nichtgleichgestellten für wirtschaftliche Zwecke (bzw. den Wunsch dazu) oder die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, so ist die Angst, die dem halluzinierten „allmächtigen Juden“ entgegengebracht wurde und wird, sehr viel stärker. Indem den Juden die Macht zugesprochen wird, „unterdrückte Völker“ wie das deutsche (oder das palästinensische) auszuschalten, muss der Antisemit nicht nur um seinen Arbeitsplatz, sondern auch um sein Leben, schlimmer noch, um sein „Volk“ Angst haben. Rasend wird der Antisemit, wenn er dann entdecken muss, dass die Fakten eine andere Sprache sprechen. Die Blindheit gegenüber der realen Situation geht dabei soweit, dass sich Deutsche vor der Rache der Juden fürchteten, falls die Deutschen den Zweiten Weltkrieg nicht gewinnen würden.
Die Umdeutung aller politischen und wirtschaftlichen Vorgänge auf der Welt in durch die jüdische Lobby verursachte Täuschungsmanöver deutet auf noch größeren Realitätsverlust hin, als das beim Rassismus der Fall ist: Die Abstufung der „Schwarzen“ als minderwertige Wesen hat durch die koloniale Versklavung als eine historische Tatsache einen realeren Bezug, ist aber nicht mit den genetischen Eigenschaften („Minderwertigkeit“ oder „Einfältigkeit“ etc.) der Versklavten zu begründen, sondern vielmehr mit der Abstufung ihrer Arbeitskraft auf dem weltweiten Arbeitsmarkt. Ein geringerer Bildungsstandard ist für die ärmeren asiatischen, südamerikanischen und afrikanischen Länder, aus denen viele Flüchtlinge und Einwanderer kommen, durch die Kolonialgeschichte durchaus typisch – hat aber nichts mit vererbbarer Faulheit oder Dummheit zu tun.
5. Rassismus nationalsozialistischer Prägung
Dem Rassismus nationalsozialistischer Prägung gilt der Arier als höchste Rasse. Die Nazis behaupteten nun, diese sei unrein, weil sie mit anderen Rassen durchmischt sei („Ostrassen“, Juden …) und machten es sich zur Mission, die Reinheit wiederherzustellen. Aufgrund ihres gefährlichen Wesens, das von der antisemitischen Ideologie als minderwertig, umherschweifend und schmarotzend bestimmt wurde, seien Juden und Jüdinnen nicht fähig, produktive Arbeit zu leisten, die zu einer unabdingbaren Eigenschaft der Deutschen erklärt wurde. Die bodenständige germanische Rasse habe nun, den Nazis zufolge, die Aufgabe, Richtung Osten zu expandieren, um den dort vorhandenen Raum für das deutsche Volk zu nutzen. Des Weiteren stellten sie sich die Aufgabe, die angebliche Ausbreitung der „jüdischen Rasse“ in Deutschland zu bekämpfen. Diese betreibe aufgrund ihrer weltbürgerlichen Ausrichtung die Zersetzung der harmonischen Gemeinschaft. Dabei treten biologisierende Vorstellungen zu Tage: Die deutsche Volksgemeinschaft wurde als ein starker deutscher Stamm empfunden, der durch das jüdische Parasitenvolk von innen her zum Faulen gebracht werde. Darum müsse dieses bekämpft werden – bis zur endgültigen Vernichtung.
Der biologisch-genetische Lebensbegriff, der den einzelnen Menschen als erblich vorherbestimmt behauptet, begreift das Individuum nicht als eigenständig, sondern als Teil einer Rasse oder eines Volkes, das sich deswegen nach bestimmten Mustern verhalten müsse. In diesem Zusammenhang ging es den Nazis auch um die Betonung des Gemeinnutzes vor dem Eigennutz, sodass der Einzelne im Verhältnis zur Masse nichts bedeutet. Die Ausrichtung auf die Gemeinschaft war ausschlaggebend, nicht die Bedürfnisse des Einzelnen. Dies vollzog sich durch Kollektivierung und hob den individuellen Charakter der Menschen fast vollständig auf. Augenmerk lag dadurch auch auf der Beseitigung der TrägerInnen von Erbkrankheiten, welche als schädlich für den deutschen Volkskörper empfunden wurden. Die Last des Einzelnen wurde somit zur Last aller – Erbkrankheit war nicht mehr das Problem des Individuums, sondern vor allem das der Gesamtheit.
6. Antisemitismus und Arbeit
Warum kam es gerade in Deutschland zu einer so ungeheuren Judenvernichtung?
Es muss sich, um eine Antwort zu finden, auf die deutschen Besonderheiten konzentriert werden: Allgemein ist nun die Grundlage für diese Ideologie das (eingangs beschriebene) Kapitalverhältnis, welches ein (Un)Bewusstsein produziert, das nicht auf die realen Ursachen der gesellschaftlichen Missstände reflektieren kann. Aber nur in Deutschland entschloss sich die Masse der Bevölkerung dazu, so grausam zur Tat zu schreiten gegen jene, die sie als die Ursache für ihre missliche Lage ausmachten: die Juden und Jüdinnen. Diese galten dem arbeitenden Deutschen als das parasitäre Gegenprinzip als solches und mussten in Abgrenzung zum deutschen Kollektiv vernichtet werden. Zurückzuführen ist dies auf den engen Zusammenhang zwischen Arbeit und Antisemitismus, der an die antijüdische Tradition der deutschen Geschichte nahtlos anknüpfen konnte. Mit dem Stereotyp des Juden, der sich auf Kosten anderer bereicherte, war die Ursache der sozialen Ungleichheit gefunden: Er stehe dem ehrlich arbeitenden Deutschen, der für sich die konkrete Seite des Kapitals – durch Arbeit geschaffene Gebrauchsgüter, industrielles Kapital – in Anspruch nimmt, entgegen und wird als die Verkörperung abstrakter Prinzipien wie Bankwesen und Zinssystem wahrgenommen.
Es gab kaum andere Länder, die ihre nationale Identität so stark an Arbeit geknüpft haben wie Deutschland. Im Parteiprogramm der konservativen Regierungspartei des wilhelminischen Kaiserreichs heißt es dementsprechend: „Wir fordern ein wirksames Einschreiten der Staatsgewalt gegen jede gemeinschädliche Erwerbstätigkeit und gegen die undeutsche Verletzung von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr.“ Die sich hier ausdrückende Verbindung von Arbeit als deutsche Tugend im Gegensatz zu vertrauensunwürdiger undeutscher Praktik (einem Code für das „Jüdische“) hat eine lange Geschichte. In Großbritannien z.B. wurde der Arbeitsprozess anders gewichtet als in Deutschland: Im Mittelpunkt des Produktionsprozesses stand in Großbritannien das Produkt, in Deutschland hingegen die Arbeitskraft. Die britischen Unternehmer waren aufgrund ihrer liberalen Ausrichtung stärker am Markt orientiert als die Deutschen; sie ließen ihre ArbeiterInnen z.B. Bußgelder zahlen, wenn sich deren Produkte am Markt als nicht verkaufsfähig erwiesen. Es war dagegen weniger wichtig, wie die Produktion ablief – während in Deutschland der konkrete Arbeitsprozess durch AufseherInnen genauestens überwacht wurde, um keiner Unterbrechung stattzugeben und so die behauptete „deutsche Qualität“ zu gewährleisten.
An die traditionelle Verbreitung des Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik konnte die NS-Ideologie ohne Weiteres anschließen und begründete den Widerspruch jüdischen Wuchers und deutscher Arbeit rassisch. Für Hitler und die übrigen antisemitischen Deutschen waren deutsche Arbeit und jüdische Nichtarbeit totale Gegensätze. Der Zusammenhang wird aufs Schärfste verdeutlicht, wenn man sich vor Augen führt, dass über den Toren vieler Vernichtungslager „Arbeit macht frei“ stand – nach dem ideologischen Prinzip: Dem/der ehrlichen deutschen ArbeiterIn wurde seine/ihre Freiheit zur Arbeit durch die internationale jüdische Verschwörung geraubt, deren AnhängerInnen genetisch nicht arbeitsfähig seien. Im Denken des Nationalsozialismus wurde den Juden und Jüdinnen der Tod durch das zugedacht, was ihnen wesensfremd war – harte körperliche Arbeit.
7. Ursachen der Durchsetzung des eliminatorischen Antisemitismus
Wir haben die Ideologie der Nationalsozialisten gekennzeichnet; die Vernichtung, die aus ihr folgte, sollte jedem/r bekannt sein. Nun wenden wir uns weiteren Ursachen zu, die dazu führten.
Zunächst muss auf den in der deutschen Bevölkerung tief verankerten eliminatorischen Antisemitismus hingewiesen werden, der an die antijüdische Tradition ohne weitere Schwierigkeiten anknüpfen konnte.
Die meisten Deutschen stimmten mit den Nazis in ihrer antisemitischen Haltung überein, auch wenn sie anderen Elementen des Nationalsozialismus kritisch gegenüberstanden. Diese übereinstimmende Haltung gegenüber den Juden und Jüdinnen lässt sich auch anhand der Opposition aufzeigen, die im Nazireich fast gar nicht vorhanden war. Im Folgenden wird ein Bericht aus Sachsen von 1936 zitiert, welcher an die Parteigenossen der SPD im Exil geschickt wurde: „Der Antisemitismus hat zweifellos in breiten Kreisen des Volkes Fuß gefasst. Wenn die Leute trotzdem beim Juden kaufen, dann tun sie es nicht, um den Juden zu helfen, sondern um die Nazis zu ärgern. Die allgemeine antisemitische Psychose wirkt auch auf denkende Menschen, auch auf unsere Genossen. Alle sind entschiedene Gegner der Ausschreitungen, man ist aber dafür, daß die jüdische Vormachtstellung ein für alle Mal gebrochen […] wird […] Die Arbeiter sagen: in der [Weimarer] Republik und auch in der [SPD] sind die Juden zu groß geworden.“ (Sopade, Januar 1936, A 18; nach Goldhagen, S. 137)
Kein einziger deutscher Bischof – ob Protestant oder Katholik – hat die Juden und Jüdinnen in jener Zeit in einer öffentlichen Stellungnahme verteidigt. Im Gegenteil: Viele fromme christliche Zeitungen passten noch vor Hitlers Machtübernahme ihre antisemitische Rhetorik der nationalsozialistischen an – freiwillig und bereitwillig.
Die Kirche wirkte sogar aktiv an der rassischen Einteilung von Menschen mit, indem sie den Nazis das Taufregister zur Verfügung stellte, auf dessen Grundlage eine Selektion erst möglich wurde.
In allen Widerstandsgruppierungen – Arbeiterwiderstand, konservative und religiöse Gruppen – gab es erstaunlich wenig Reaktionen auf die Ausgrenzung, Verfolgung und selbst Ausrottung der Juden und Jüdinnen.
„Dass es offenkundig keinen bedeutenden Protest […] oder Dissens über die Behandlung und […] Ermordung der Juden gab, sollte weder als Ergebnis erfolgreicher ‚Gehirnwäsche’ durch den Staat gewertet werden noch als Unfähigkeit der Deutschen, ihre Unzufriedenheit […] zu äußern. Die Quellen stützen keiner dieser Thesen. […] Die unterschiedlichen Reaktionen – Zustimmung und Unterstützung für das eliminatorische Programm einerseits, Widerspruch, teilweise gar Widerstand gegen andere Aspekte der NS-Politik andererseits – machen deutlich, dass die Deutschen keine passiven Schachfiguren oder terrorisierte Opfer ihrer eigenen Regierung waren; vielmehr besaß dieses Volk einen Willen, fällte bewusst Entscheidungen […].“ (Goldhagen, S. 147 f.)
Die Rassegesetze konnten nur mithilfe von Freiwilligen durchgeführt werden, die die Gestapo über Verstöße informierten – die Gestapo allein wäre dazu nicht in der Lage gewesen, da sie gar nicht genug Personal hatte, um die Deutschen aus eigener Kraft zu kontrollieren.
Die Verbreitung des Antisemitismus in Deutschland ist auch auf die bereitwillige Aufnahme der Schriften Martin Luthers und Adolf Riehls zurückzuführen. Mit ihrer Hilfe hatte sich die Arbeit zu einem nationalen Prinzip erhoben, das sich in stetiger Abgrenzung zu den Juden und Jüdinnen ausdrückte. Darauf berief sich später der auf einer Schicksalsgemeinschaft basierende so genannte Volkskörper.
Mit dem Gründerkrach von 1873, einer schweren Wirtschaftskrise, die viele Firmenpleiten mit sich brachte, und dem verlorenen 1.Weltkrieg entwickelten sich dann Vorstellungen einer jüdischen Weltverschwörung, die beseitigt werden müsse und z.B. ihren Ausdruck im Angriff gegen den Marxismus fand, der die Frontkämpfer aus dem Landesinnern heraus demoralisiert hätte. Die Errichtung eines nationalsozialistischen Deutschlands führte letztendlich zum Ausschluss der Juden und Jüdinnen aus dem gesellschaftlichen Leben, ihrer Verfolgung und schließlich Ermordung.
Die Ursachen der Durchsetzung des eliminatorischen Antisemitismus lassen sich allerdings nicht nur durch die bisher angeführten gesellschaftlichen Voraussetzungen fassen. Vielmehr muss auch die individuelle Seite beleuchtet werden, um z.B. auch zu begreifen, warum viele Deutschen begeisterte Mörder wurden, es aber auch Menschen gab, die sich dem kollektiven Wahn z.B. durch Flucht entziehen oder ihm entgegentreten konnten. Es stellt sich also die Frage, wieso Menschen fähig waren, sich an die Verbrennungsöfen zu stellen und ihre Taten später nicht zu bereuen.
Ob sich Ideologien im Kopf eines Menschen mehr oder weniger ausprägen, hängt von seiner psychischen Verfassung ab, die schon in der frühen Kindheit geprägt wird: die erziehenden Eltern, die zuerst den Anstoß geben, eine Gewissensinstanz auszuprägen, sind aber schon von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ereignissen gezeichnet und erziehen dementsprechend. Die damals in weiten Teilen Deutschlands verbreitete Schwarze Pädagogik spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Die Erziehenden versuchten hierbei den Willen des Kindes so früh wie möglich mit Gewalt zu brechen und es so für den uneingeschränkten Gehorsam gegenüber den Eltern gefügig zu machen. Auf diese Weise bildeten sich beim Kind autoritäre Charakteristiken heraus, die sich – auch beim Erwachsenen noch – wie folgt darstellen:
Sie verfolgen eine starre Bindung an konventionelle Werte des Mittelstandes, der sich durch Ordnung, Pünktlichkeit und Regelgehorsam auszeichnet. Anfällig sind diese Charaktere auch für autoritäre Unterwürfigkeit, d.h. sie unterwerfen sich unkritisch einer als perfekt eingebildeten Autorität, die der halluzinierten Eigengruppe (Rasse) entstammt, so dem „Führer“, und üben autoritäre Aggression gegen die Menschen aus, die sie selbst als nicht der Ordnung entsprechend erachten. Dabei versuchen sie auch an der Macht der Autorität teilzuhaben: Um z.B. ihre Macht gegenüber den Juden zu demonstrieren, die die Nazis bereits in ein Ghetto gesteckt hatten, schnitten sie ihnen die Bärte ab und erfreuten sich ihrer Tat. Durch eine Erziehung, die sich in der Abwehr des Subjektiven, d.h. des Phantasievollen und Sensiblen, ausprägt, sind diese Menschen hart gegen andere und gegen sich selbst, da sie sich keine Gefühlsregungen usw. eingestehen. Durch die eben beschriebenen Charakterzüge kommt genau jenes Denken zum Vorschein, ein Denken, das Dimensionen wie Herrschaft/Unterwerfung, Führer/Gefolgschaft und stark/schwach für die Realität hält und sich diesen Prinzipien aufs Entschiedenste unterwirft.
Die schwarze Pädagogik war in Deutschland in der Zeit der Jahrhundertwende sehr weit verbreitet und trug zu den eben beschriebenen Charakterzügen bei: Man erzog die Kinder dahingehend, dass sie die Erwachsenen als Herrscher begriffen, die über Recht und Unrecht wie Götter entscheiden. Das Kind sollte demnach für den Schutz der Eltern verantwortlich sein; die lebendigen Gefühlen des Kindes bedeuteten nach dieser Erziehungsmethode eine Gefahr für die Eltern, da sich hier ein Eigenwille zeigte, der schon in frühen Jahren gebrochen werden musste. Als Mittel, den Kindern Regelgehorsam und Ordnung einzuprägen, verwandten die Eltern Lügen, Manipulation, Ängstigung, Liebesentzug, Gewaltanwendung und sogar Folter. Durch die Vermittlung falscher Vorstellungen sollten im kindlichen Bewusstsein verankert werden, dass die Eltern grundsätzlich Achtung verdienen und die Kinder nicht, dass Gehorsam stark macht und Härte und Kälte eine gute Lebensvorbereitung ist. Wie sich genau diese Vorstellungen in einem Mann namens Adolf Hitler widerspiegelten, soll der nachstehende Ausspruch zeigen: „Meine Pädagogik ist hart, das Schwache muss weggehämmert werden, in meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Jugend muss das alles sein. Schmerzen muss sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muß erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend … So kann ich das Neue schaffen.“ (Adolf Hitler, zitiert nach Alice Miller, Am Anfang war Erziehung)
8. Krieg ist nicht gleich Krieg – Vernichtung als Selbstzweck
Die Besonderheiten des Krieges, der von Deutschland ausging, können qualitativ nicht mit Kriegen im Allgemeinen gleichgesetzt werden. Zu erklären wäre zunächst, was mit dem Krieg erreicht werden sollte: Es war ein Vernichtungsfeldzug, an deren Ende die Ausrottung der von den Nazis halluzinierten jüdischen Antirasse stehen sollte; diese Vernichtung war sich selbst Zweck, da es keine rationalen, ökonomischen Gründe dafür gab. Sie folgte aus der vernichtenden Logik des eliminatorischen Antisemitismus. Die Arisierung des jüdischen Besitzes ist zwar eine historische Wahrheit, aber sie war wohl kaum der Grund, einen Krieg anzufangen; schließlich hätten Juden und Jüdinnen nicht getötet werden müssen, nur um ihnen allen kostbaren Besitz abzunehmen. Des Weiteren muss die Tatsache beachtet werden, dass gegen Ende des Kriegs Transportkapazitäten des Zugverkehrs für die Deportation von Juden und Jüdinnen bereitgestellt wurden, statt Truppen an die Ostgrenze zu befördern und so der bevorstehenden militärischen Niederlage entgegenzuwirken. Auch spielte die Arbeitskraft der Juden und Jüdinnen in der Kriegsproduktion keine derart entscheidende Rolle, um sie nicht im Herbst 1942 aus wichtigen Kriegsproduktionen zu nehmen und zu deportieren. Die kalkulierten Einbußen waren für die Nazis gegenüber ihren eliminatorischen Zielen unwichtig. Der antifaschistisch-militärische Widerstand der Alliierten dagegen muss als eine historische Notwendigkeit benannt werden – Mord ist also nicht gleich Mord. Die industrielle Massenvernichtung der Juden und Jüdinnen macht einen großen Unterschied zur Notwendigkeit eines antifaschistischen Krieges, der auch viele Tote gefordert hat; denn die Zerschlagung einer Volksgemeinschaft, die die ganze Welt mit antihumanistischen Maßstäben überziehen wollte, hatte äußerste Priorität. Das zeigt sich auch an den unterschiedlich hohen Opferzahlen:
Die Nazis verfolgten das vernichtende Konzept der „verbrannten Erde“, das auf die totale Verwüstung der eroberten Gebiete im Osten hinauslief: Alles sollte verbrannt und zerstört werden, um kein weiteres Leben dort zu ermöglichen. Die Alliierten hingegen reagierten – durch den Widerstand der Deutschen bedingt – mit Luftangriffen. Das so genannte „moral bombing“ zielte dabei auf die Zermürbung und Demoralisierung der deutschen Bevölkerung ab und nicht auf dessen endgültige Vernichtung. Diese Taktik der Kriegsführung war notwendig, um den Glauben an den Sieg der barbarischen Ideologie zu brechen, der selbst am Ende des Krieges bei weiten Teilen der deutschen Bevölkerung noch vorhanden war und sich im erbitterten Kampf gegen die Befreier Europas äußerte.
Die Verbrechen durch das nationalsozialistische Deutschland, die ihren Ausdruck im erbarmungslosen Vernichtungsfeldzug fanden, werden in den Konzentrations-, Arbeits- und Vernichtungslagern besonders deutlich. Die Behandlung der in Arbeitslager eingesperrten Häftlinge hing dabei maßgeblich von der Position des Häftlings im rassischen Weltbild der Nazis ab. So wurden die Angehörigen der osteuropäischen Länder zur Arbeit unter widrigsten Umständen gezwungen. Die Juden und Jüdinnen hingegen wurden nicht zur Arbeit gezwungen, um etwas zu produzieren, sondern zu ihrer eigenen Vernichtung: Sie mussten fast ohne Nahrung tagelang schwere Steine oder Säcke von einem Ende des Feldes zum anderen tragen, bis sie schließlich starben. Diese Sinnlosigkeit des Vernichtens ist somit als eine besondere herauszustellen und auf keinen Fall gleichzusetzen mit nicht-nationalsozialistischen Arbeitslagern.
Die allumfassende Wirkungsmächtigkeit der nationalsozialistischen Ideologie (Propaganda, Militarismus usw.) lässt sich zwar mit anderen so genannten totalitären Regimes vergleichen; allerdings muss solch ein Vergleich unweigerlich von den deutschen Besonderheiten absehen und wird somit dem Anspruch auf tief greifende Kritik an diesen nicht gerecht. Die faschistischen Staaten, wie Italien unter Mussolini, der als Begründer der faschistischen Bewegung gilt, oder Spanien unter Francisco Franco, weisen zwar bestimmte Wesenszüge des deutschen Nationalsozialismus auf, wie z.B. den Antimarxismus oder das Führerprinzip, haben aber keine antisemitische Massenvernichtung hervorgebracht und lassen sich daher nicht mit dem deutschen Phänomen in eine Reihe stellen.
9. Überwindung
Dieser Text hat gezeigt, dass die beiden Ideologien Rassismus und Antisemitismus sich notwendig aus der bestehenden Gesellschaft ergeben und aus sich heraus zur Vernichtung treiben bzw. in besonderer historischer Konstellation zu barbarischen Grausamkeiten führen können. Dennoch müssen auch die potentiellen Fortschritte der kapitalistischen Gesellschaft hervorgehoben werden: Im Zuge der maschinellen bzw. technologischen Entwicklung sind die Voraussetzungen für eine befreite Gesellschaft geschaffen worden, da es jetzt die technischen Möglichkeiten gibt, alle Menschen zu versorgen und vor vielen Krankheiten zu schützen. Durch die oben genannten falschen Denkweisen sind aber die Überwindungsmöglichkeiten des Kapitalismus gefährdet, weil die Voraussetzungen der damaligen Barbarei (Auschwitz) auch heute noch vorhanden sind.
Es gilt also, sich heute innerhalb der weltpolitischen Ereignisse gegen faschistische Bewegungen zu wenden – zur Not auch mit militärischer Gewalt. So ist die Verteidigung des Staates Israel gerade angesichts der erstarkenden weltweiten antisemitischen Bewegung (palästinensische Terrorgruppen, Al Quaida etc.) wichtiger denn je.
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