Editorial
Zugegebenermaßen ist der Titel dieser Sonderausgabe nicht wirklich ernst gemeint. Denn jene Menschen, denen der tägliche Schulbesuch tatsächlich Freude und Spaß bereitet, spielen in ungefähr derselben Liga, wie eine im Gefängnis Inhaftierte, die ihre Zelle liebt, weil nichts anderes ihr zu lieben übrig geblieben ist. Ihnen allen gebührt unser aufrichtiges Mitleid. Mitleid, weil sie jahrelange Dressur und Zurichtung tatsächlich mit dem verwechseln, was in Wirklichkeit dabei stets zu kurz kommt: zur Freiheit erziehende Bildung. Mitleid, weil sie ihre Ausbildung als lieb gemeintes und beispielhaft selbstloses Geschenk ansehen und nicht als dass was es ist: eine Investition des Staates in die Leistungsfähigkeit seiner zukünftigen Untertanen und Steuerzahler. Und Mitleid, weil sie weder die Kraft noch die Lust dazu besitzen, sich gegen ihre Einschränkungen aufzulehnen; weil sie sich eine bessere und menschlichere Bildung und ein freies Zusammenleben von Individuen nicht einmal mehr vorstellen können.
Von dieser Einstellung sind wir weit entfernt. Die Rede von dem Glück einer kostenlosen Ausbildung spottet all den tatsächlichen Erfahrungen, welche man in den langen Jahren der Schulpflicht durchmacht. Frühes Aufstehen, mit 20 anderen Menschen 45 Minuten lang ein Zimmer nicht verlassen dürfen, Verhaltensregeln während der Pause, Schikanierung seitens autoritärer Lehrer/innen, ein Lehrplan, der einen feuchten Kehricht auf individuelle Interessen gibt und so weiter und so fort. Diese konkreten Erlebnisse sind in der Erinnerung fest mit Schule verknüpft. Was soll das denn bitte für ein „Geschenk der Bildung“ sein, für dass ein ganzer Regelkatalog an Strafen aufgestellt werden muss, falls man es nicht willig annimmt? Es gehört schon eine gehörige Portion Naivität dazu, die Möglichkeit von Schulverweisen, Strafarbeiten und Verwarnungsgeldern nicht als Repression wahrzunehmen, bloß weil sie in einem bunten Karton mit Schleife überreicht werden. Und was hat denn bitte eine Schulpflicht mit freier Entfaltung zu tun? In was für einem Stadium der Entscheidungsfreiheit befindet sich ein 7-jähriges Kind bei seiner Einschulung?
Für alle, die bereit sind, diese Fragen noch zu stellen, ist dieses Heft. Für alle die den Leistungsdruck, den Stress und die anderen Zumutungen der Schule nicht verdrängen wollen als ob sie nicht der Rede wert wären. Für alle, die keine Lust haben ihr Leben lang die Zähne zusammen zu beißen und die Augen zu verschließen. Und für alle, die dagegen etwas unternehmen wollen…
Schüler und Schülerinnen aller Länder: Macht Schluss!
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