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Berliner Morgenpost
Spremberg: Eine ganz normale Stadt
[...] Wenn Robert* durch seine schöne Heimatstadt (Spremberg) geht, ist er (...) vorsichtig, besonders nachts. Er gehört zu einer Gruppe linker Jugendlicher und wurde offensichtlich deshalb schon mehrmals angegriffen, zuletzt auf dem Heimatfest der Stadt Anfang August. «Etwa 50 Leute mit Glatzen, Springerstiefeln und Reichskriegsflagge auf dem T-Shirt haben uns gegen Mitternacht eingekreist», erzählt er, «dann flogen Flaschen und Steine.» Die Linken, deutlich in der Minderheit seien regelrecht über den Rummelplatz gejagt worden. Robert erlitt dabei einen Nasenbeinbruch. Auch Stefan*, und seine Freunde sind vorsichtig, wenn sie in Spremberg unterwegs sind. Der Achtzehnjährige ist Asylbewerber und lebt seit sieben Jahren im Heim hinter dem Spremberger Bahnhof. Vor einem Jahr, so erzählt er, wurde er von kahlgeschorenen Jugendlichen mit einer Pistole bedroht. Ein Bosnier aus dem Heim, berichtet er, wurde kürzlich auf der Straße mit einem Messer bedroht und beschimpft, ein Araber verprügelt. Im Juni wurde nachts ein Brandsatz gegen ein Fenster im Jugendclub Mittelstraße geschleudert. Im Juli wurde die Drohung gegen diesen als «links» geltenden offenen Jugendtreff neben dem Strittmatter-Gymnasium erneuert. Unbekannte sprühten an die Wand: «Das Haus brennt bald und ihr mit.» Bis Ende vorigen Jahres hatte die rechte Szene von Spremberg etwa zwei Jahre lang einen recht ungestörten Platz, um sich zu treffen: den städtische Jugendclub «Georgenberg». Jetzt ist er geschlossen. Monatelang konnte dort, so berichten Insider, die rechtsextremistische Band «Frontalkraft» ungestört proben. Auch sie wird im jüngsten Verfassungsschutzbericht des Landes ausdrücklich erwähnt. Mancher, der früher in den «Georgenberg» ging, kommt heute ins «Bergschlösschen» [...] heute ein kommunaler Freizeittreff für Kinder und Jugendliche. Von den etwa 40 Jugendlichen zwischen 14 und 22, so schätzt die Leiterin Birgit Kamenz ein, sei etwa die Hälfte «rechts-orientiert». [...] «Wir reden mit denen mehr über die Freizeit, weniger über Politik,» räumt sie ein und fügt hinzu, «das ist hier aber alles nicht dramatisch.» Karin Kasprzyk soll sich seit ein paar Monaten zielgerichtet um die Jugendlichen kümmern. Die gelernte Horterzieherin absolviert gerade eine Ausbildung als Sozialarbeiterin. Speziell über den Umgang mit rechten Jugendlichen erfahre sie dort jedoch nichts. [...] Ralf*, Siegfried* und seine Freundin «Mello» gehören zu der rechten Clique [...]. Sie schimpfen auf Ausländer und auf den Staat, der ihnen angeblich keine Meinungsfreiheit lässt. «Die Linken können ihre Konzerte machen», schimpft Siegfried, «warum ist unsere Musik verboten». Siegfried ist Fleischer, zwei seiner Kollegen sind Afrikaner, ein anderer Kroate. «Mit denen rede ich kein Wort mehr als notwendig», versichert er. Die Begeisterung für den Nationalsozialismus begann bei ihm mit einem Fotoalbum seines Großvaters und dessen Erzählungen vom 2. Weltkrieg. «Da war noch Zucht und Ordnung drin», sagt er. «Ich fand es bei Honecker auch gut», ergänzt seine Freundin «Mello», «da ging’s uns allen nicht schlecht, da gab es nicht so viele Ausländer.» Einig sind sich alle drei auch bezüglich der Nazizeit, dass das mit der Judenvergasung «hätte nicht sein müssen». «Die hätten lieber für uns arbeiten können», sagt Ralf, der überzeugt ist, dass alle Juden nur «von Schacher und Beschiss» gelebt hätten. Ihre Eltern, so versichern alle drei, hätten sich mit ihrer politischen Meinung abgefunden. [...] «Der hat uns in Ruhe gelassen», lobt der rechtsradikale Lehrling das Stadtoberhaupt. Der in Spremberg äußerst beliebte Egon Wochatz versichert auch prompt, der Club sei nur wegen «unzureichender Ordnung» und Differenzen mit dem Vermieter geschlossen worden. Probleme mit einer rechtsradikalen Jugendszene in Spremberg sieht Egon Wochatz nicht: «Wir sind eine ganz normale Stadt mit normalen Problemen.» Von der Erwähnung seiner Stadt im Verfassungsschutzbericht habe er gehört: «Mein Ordnungsamtschef hat so was erzählt.» Es gebe eine rechte und eine linke Szene, alles ganz normal. Auch dass Asylbewerber nachts auf der Straße in Spremberg Angst hätten, sei leider - zumindest im Osten - normal. «Ich bin nicht zufrieden damit», so Wochatz knapp, «aber ich kann es nicht ändern». Die hohe Arbeitslosigkeit in der Region sei ein wichtigeres Problem. Den Rechten würde er gern wieder einen Club geben, wenn sich ein Träger fände: «Die auszugrenzen ist keine Lösung.» Ausländer können bei Egon Wochatz kaum mit so viel Verständnis rechnen, zum Beispiel der Algerier Omar ben Noui, der sich auf der Flucht vor rechten Jugendlichen in Guben tödlich verletzte. «Was hatte der denn nachts um diese Zeit auf der Straße zu suchen», fragt der Spremberger Bürgermeister. Auch ein Ausländer, so versichert er, der hier mit einer verheirateten Frau «anbandelt», müsse doch damit rechnen «Ärger zu bekommen». * Namen geändert |
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