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junge Welt
Dürfen Antirassisten in Brandenburg nicht zelten?
Ursula Michels ist an der Vorbereitung des antirassistischen Grenzcamps in Forst beteiligt. jW sprach mit ihr F: Vom 29. Juli bis 6. August planen Sie ein antirassistisches Grenzcamp bei Forst an der polnischen Grenze. Was hat Campen mit Antirassismus zu tun? Die Aktionsform soll auch klarmachen, daß Flüchtlinge auf ihren langen Wegen aus Furcht vor Entdeckung oder rassistischen Attacken oft im Freien übernachten müssen. F: Es gab in den letzten beiden Jahren im Sommer schon Grenzcamps in Sachsen. Warum haben Sie nun einen Ort in Brandenburg gewählt? Ob Brandenburg so »tolerant« ist, wie es die Landesregierung trotz ständiger rechtsextremer Übergriffe behauptet, werden wir mit dem Grenzcamp herausfinden. Für die Flüchtlingspolitik nimmt die deutsch-polnische Grenze als Schengen-Außengrenze immer noch eine zentrale Rolle ein. 1994 erreichte die Stadt Forst traurige Berühmtheit, als mehrere Flüchtlinge beim Versuch, die Neiße zu überqueren, ertrunken sind. Zum anderen war es uns wichtig, die Vorbereitung zu diesem Camp dafür zu benutzen, mit Antirassisten und Antifaschisten von vor Ort zusammenzuarbeiten. F: Was ist in dieser Woche an politischem Programm geplant? Dieses Camp bearbeitet wie die beiden letzten nicht nur ausschließlich Themen wie Antirassismus, sondern auch Antifaschismus und Antisemitismus. Unser Veranstaltungsplan hat noch Lücken, die jedoch sicherlich durch phantasievolle Teilnehmer gefüllt werden. So wird es am Samstag einen Stadtspaziergang zum Flüchtlingsheim geben. Am Sonntag ist unter dem Motto »An den Stätten der Täter der Opfer gedenken« eine Aktion auf einer Kriegsgräberstätte geplant. Damit soll an die Verwüstung des jüdischen Friedhofs von Guben im März dieses Jahres erinnert werden. Diskussionsveranstaltungen sind unter anderem zur Problematik der Fluchthilfe, zur Residenzpflicht für Flüchtlinge und anderen Themen geplant. F: In den letzten Jahren hat es in den Grenzcamps Auseinandersetzungen um die Frage gegeben, wie man mit der Bevölkerung zusammenarbeiten soll. Gibt es dieses Jahr einen Konsens in dieser Frage? Nein, natürlich nicht. Von der Vorbereitung gibt es aber in diesem Jahr die klare Vorgabe, alle diejenigen aus der Bevölkerung, die sich mit Antirassismus identifizieren, als Bündnispartner zu gewinnen. Ob dieser Ansatz von allen Campteilnehmern geteilt wird, ist aber offen. Aber das Camp versteht sich ja auch als ein offenes Forum zum Austragen von Streitigkeiten in der Linken. F: In Ihrem Aufruf für das Camp haben Sie angekündigt, die »öffentliche Ordnung des Grenzregimes« grundsätzlich in Frage zu stellen. Was meinen Sie damit? Wenn ein Mensch die Neiße überquert, dann sind es keine unsichtbaren Mächte, die seine Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland verhindern. Diejenigen, die das besorgen, haben Namen und Ränge. Sie sind aus Fleisch und Blut und verstecken sich hinter Pflichterfüllung sowie nationaler bzw. europäischer Verantwortung: BGS, Bundesinnenministerium, Zentrale Ausländeraufnahmestelle. Andere vollstrecken den Willen schweigender Mehrheiten, indem sie in der Sprache der Gewalt Menschen anderer Hautfarbe, Nationalität oder Weltanschauung angreifen. Viele tun ihren Teil dazu, indem sie wegsehen und schweigen. Diese Einheit von Rassismus in der Gesellschaft und staatlichem Verfolgungsinteresse wollen wir mit dem Grenzcamp zumindest eine Woche lang verunsichern. F: Neonazis mobilisieren über das Internet schon gegen das Camp. Gibt es darauf Reaktionen von den Camporganisatoren? Eine solche Mobilisierung durch Neonazis wurde auch schon in den letzten Jahren durchgeführt. Wir schätzen unsere Kraft so ein, daß sie wie in den letzten Jahren auch dieses Jahr nichts gegen das Camp unternehmen werden. F: Bis jetzt gibt es noch keinen Platz für das Camp. Wo liegen die Schwierigkeiten? Wir sind politisch an diesem Ort wie vorher in Rothenburg und auch Zittau nicht gewollt. Die Gründe für die Verweigerung des Platzes reichen von Natur- und Wasserschutzrecht bis zur befürchteten Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Damit wird eine politische Stellungnahme zum Camp wieder einmal umgangen. Der Bürgermeister versucht sich offensichtlich als starken Mann darzustellen, der damit einige antipolnische Ressentiments bedienen will, da wir für offene Grenzen eintreten. F: Haben Sie einen Ausweichort, falls bis zum 29. Juli kein Platz in Forst zur Verfügung gestellt wird? In Forst selber haben wir keinen Ausweichort. Dort werden 24-Stunden-Veranstaltungen vom 28. Juli bis zum 6. August durch öffentliche Prominente angemeldet wie den PDS-Bundestagsabgeordneten Carsten Hübner, die grüne Europaabgeordnete Ilka Schröder und Vertreter der IG Metall Brandenburg. Die Kundgebung ist gleichzeitig eine Protestaktion gegen die Verweigerung einer Fläche für das Camp.
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