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Berliner Zeitung
Das sind doch irgendwie Exoten
Grenzcamp in Forst: Linke wollen für Flüchtlinge werben und stoßen doch nur auf Unverständnis FORST. Die 350 überwiegend jungen Leute hat niemand gerufen. Aus ganz Deutschland sind sie angereist. Sie haben ihre Zelte am Stadtrand aufgeschlagen, demonstrieren durch das Grenzstädtchen Forst und fordern das Bleiberecht für Flüchtlinge. Viele Forster schütteln den Kopf. "Was wollen die hier?" fragt ein Mann, der an einem Imbissstand eine Bierbüchse öffnet. Seit Wochen diskutiert die Stadt über die Aktion einer bundesweiten Initiative, die sich unter dem Motto "Kein Mensch ist illegal" für Flüchtlinge und Asylbewerber einsetzt. In Forst will sie bis Sonntag ihr "3. antirassistisches Grenzcamp" abhalten und demonstrieren. Und mit den Menschen diskutieren - auch wenn die gar nicht zuhören wollen. Bürgermeister Gerhard Reinfeld ließ wissen, dass die Linken nicht willkommen seien, weil dann wohl auch die Rechten kämen. Und es vorbei sein könnte mit auf Flächen der Stadt zu zelten, lehnte er ab. Gekommen sind die Linken trotzdem und vorsichtshalber auch zwei Hundertschaften Polizei. Die Camper laufen durch die Stadt und werden beäugt. "Lasst uns doch in Ruhe", sagt eine Frau und dreht sich weg, als ein Mädchen mit ihr ins Gespräch kommen will. "Immer wieder kommen Flüchtlinge bei ihrer illegalen Einreise nach Deutschland ums Leben", sagt Sabine Schreiner, die das Camp mit organisiert. "Auch hier in der Neiße." Man wolle doch nur zeigen, dass man das nicht hinnehme. Angst vor den Demonstranten Solcherart Engagement irritiert die Forster. Ja, ab und zu kämen schon Flüchtlinge illegal über die Grenze, erläutert ein älterer Herr. Und wenn Autos oder Häuschen in den Kleingärten aufgebrochen werden, dann heißt es, das wären die Flüchtlinge gewesen. Doch viel mehr Angst habe er vor den Demonstranten. "Wenn so viel Polizei kommt, müssen die doch gefährlich sein." "Ich würde die auf den Mond schießen", sagt ein Mann wütend. Er sagt seine Meinung, aber nicht seinen Namen. "Wir haben genug Chaoten, die die Scheiben einschmeißen." Jetzt, nach der Demo, werde alles noch schlimmer. Solche Befürchtungen hält Ulrich Falkenhagen für unbegründet. Seit Jahren engagiert sich der Forster Sozialarbeiter für Ausländer. Doch auch er hat Probleme mit den angereisten Demonstranten. Die seien hier Exoten. "Sie kommen, machen einmal viel Rummel und wir brauchen dann drei Jahre, um die Vorurteile, die entstanden sind, wieder abzubauen." Vor den Demonstranten erinnert er an die tamilischen Flüchtlinge, die 1993 im Fluss ertranken. Er erzählt von seinem fünfjährigen Kampf mit den Institutionen der Stadt, um am Ufer offiziell eine Gedenktafel aufhängen zu dürfen. "Warum hast du sie nicht einfach aufgestellt", wird ihm vorgeworfen. Doch Falkenhagen will, dass die Stadt über die Tafel diskutiert, will keine schnelle, spektakuläre Aktion. Wenigstens bleibt es am Wochenende ruhig. "Ich bin froh, dass die wochenlange Hysterie um die befürchteten Krawalle unbegründet war", sagt Frank Höhnke, der im "Bunten Haus", einem linksorientierten Jugendtreff in Forst, aktiv ist. Er ist bei der Demo dabei, obwohl den Bewohnern der Stadt von den Camp-Teilnehmern vorgeworfen wird, Flüchtlinge zu denunzieren. Alfred Krüger, ein früherer Grenzsoldat, kann das nicht mehr hören. "Jeder macht doch seine Haustür zu und lässt nur den rein, den er haben will." Mit den Demonstranten diskutiert er darüber nicht. Klaus, ein Camp-Teilnehmer aus Berlin, schüttelt den Kopf. "Warum sind die Leute hier so verbohrt?" fragt er. "Wir wollen doch nur mit ihnen reden und unsere Meinung sagen."
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