Bundesweite Hausdurchsuchungen gegen den organisierten Antifaschismus

Solidarität ist unsere Waffe

Passau/München. Der Rechtsstaat kann es einfach nicht lassen: Nach den §129/129a-Mammutverfahren gegen die Autonome Antifa (M) und die radikal wird erneut mittels dieses Gesinnungsparagraphen gegen die organisierte radikale Linke losgeschlagen. Diesmal sollen 39 Personen, davon sind 28 bereits "Beschuldigte", spätestens 1993 in Passau eine "kriminelle Vereinigung" gebildet haben. Diese Vereinigung „innerhalb der `Antifa Passau´" soll für "über 100 politische Straftaten" im Raum Passau verantwortlich sein. Klingt alles relativ nichtssagend, doch ein Blick in den bayerischen
Solidarität mit den Passauer AntifaschistInnen!
Verfassungsschutzbericht belegt nicht nur den offensichtlichen Kriminalisierungswahn dieser Herren, sondern läßt auch vermuten, daß die meisten der "Straftaten" dieser "kriminellen Vereinigung" wohl verklebte Aufkleber und Plakate, sowie Sprühereien sein könnten.

Dieses Konstrukt reichte der Staatsanwaltschaft München jedenfalls aus, um am 12. Mai ´98 in 8 verschiedenen Städten insgesamt 36 "Objekte" durch das bayerische Landeskriminalamt und diverse örtliche Behörden durchsuchen zu lassen. In Passau wurden die Zimmer praktisch leergeräumt, in Berlin Türen eingetreten und ein Betroffener ans Bett gefesselt, in Hamburg waren pro Betroffenen gleich 20 Beamte aufgeboten, die gleich alles filmten. Im Vorgehen unterschieden sich die Aktionen in den verschiedenen Städten also, was gesucht wurde war aber überall klar: Alles, was etwas mit der Antifaschistische Aktion Passau, der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) und mit der Roten Hilfe e.V. zu tun hat, und alles Schriftliche, was irgendwie Auskunft über das Privatleben der Betroffenen geben könnte. So wurden neben Computern, Handys, Flugblättern etc. vor allem Briefe, Tagebücher und Kontoauszüge beschlagnahmt.

Demonstration gegen den NPD-Bundeskongreß in Passau am 7. Februar '98
In Göttingen wurde auch der Buchladen Rote Straße und eine Druckerei durchsucht, beschlagnahmt wurden nichts. Doch geht aus diesen Durchsuchungsbeschlüssen hervor, welche Politik die Staatsschutzaktion denn nun wirklich treffen soll. Der Buchladen wurde durchsucht, weil er Kontaktadresse der Autonomen Antifa (M) und des Bundesarchivs der Roten Hilfe ist. Da der Autonomen Antifa (M) "eine federführende Rolle" in der AA/BO zugeschrieben wird, sollten hier Informationen über z.B. "strukturellen Aufbau, Organisatorisches, Arbeitsteilung und Kampagnenplanung" der AA/BO gesucht werden. Die Rote Hilfe war betroffen, weil die Staatsschützer eine Mitgliedsliste der Passauer Roten Hilfe suchten, die eine "Teilorganisation" der AA Passau sein soll. In der Druckerei wurden "Druckwerke" der AA/BO und der Antifaschistischen Aktion Passau, sowie deren "Auftraggeber" etc. gesucht. Auch die in der Presseerklärung der Staatsanwaltschaft München zitierten "Querverbindungen zu weiteren autonomen Spektren in anderen Städten" untermauern die Vermutung, daß Ziel der Staatsschützer ist, bundesweit gegen antifaschistische Organisationen vorzugehen.

Es ist davon auszugehen, daß das Verfahren auf die Kriminalisierung der Antifaschistischen Aktion Passau ausgerichtet ist, was zwar der normale staatliche Umgang mit erfolgreicher antifaschistischer Politik ist, aber vor der momentanen gesellschaftlichen Situation schon grotesk anmutet. Abgesehen davon, daß es der Antifaschistische Aktion gelungen ist, im erzkonservativen Provinzstädtchen Passau eine kontinuierliche öffentliche antifaschistische Politik zu etablieren, bestand einer der politischen Schwerpunkte in der Organisation von Aktivitäten gegen die alljährlichen Großveranstaltungen der DVU in Passau. Hinzu kommt noch, die Mobilisierung gegen den NPD-Bundeskongreß am 7. Februar ´98, bei der es erstmals seit Jahren in Passau gelang, auch eine liberale Öffentlichkeit in die antifaschistischen Aktionen miteinzubeziehen. Während sich also zur Zeit alles über die Stärke von DVU und NPD „besorgt", geht der Stadt genau gegen diejenigen vor, die gerade diesen Parteien einen äußerst wirkungsvollen Widerstand entgegengesetzt haben.

Über die Kriminalisierung nach § 129 der Antifaschistische Aktion Passau als Hebel hält sich der Staat zumindest die Möglichkeit offen, auch gegen die AA/BO vorzugehen. Daß es bei den Durchsuchungen auch darum ging, Strukturen der AA/BO zu durchleuchten und diese Durchleuchtung mittels des § 129-Sonderrechts auch fortgesetzt wird, liegt auf der Hand. Abzuwarten bleibt, ob die Ermittlungen auch offiziell auf die AA/BO ausgerichtet werden. Hintergrund ist sicherlich, die Arbeit der derzeit wohl am meisten beachteten antifaschistischen Organisation möglichst weit einzuschränken. Die große Mobilisierungkraft der Mitgliedsgruppen der AA/BO ist dem Staat mit Sicherheit ein Dorn im Auge. Noch viel mehr scheint die Behörden die vom Berliner Verfassungsschutz zitierte "früher nicht feststellbare Kontinuität an politischer Arbeit und eine (…) beachtliche Verbindlichkeit" zu stören.

Die bundesweit bedeutende politische Dimension des Verfahrens besteht nicht nur darin, daß die bislang 28 Beschuldigten über die ganze BRD verstreut leben und in der möglichen Kriminalisierung der AA/BO, sondern auch darin, daß sich der Staatsschutz eines der wesentlichen politischen Konzepte in der antifaschistischen Bewegung vornimmt. Dieses Verfahren könnte zum Beginn von Kriminalisierungsversuchen antifaschistischer Organisierungsansätze insgesamt werden. Und genau deshalb geht dieses Verfahren auch die ganze Bewegung an.

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