Seit Oktober 1996 gibt es in Schleswig - Holstein eine
sogenannte Härtefallkommission für von Abschiebung
bedrohte Flüchtlinge. Die Einrichtung dieser Kommission
war Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und
Bündnis 90/ Die Grünen nach der Landtagswahl im
letzten Jahr. Sie soll beratend für das Innenministerium
und die Ausländerbehörden tätig sein und
Empfehlungen geben, wenn nach ihrer Ansicht in der
bevorstehenden Abschiebung eine besondere Härte zu sehen
ist.
Härtefall bedeutet in diesem Zusammenhang, daß
sich ein Asylverfahren über viele Jahre hingezogen hat
oder die Situation in den Herkunftsländern
ungeklärt oder wechselhaft ist. Die Kommission soll ein
behördenunabhängiges Bera-tungsgremium sein, das
sich aus acht Mitgliedern von Kirchen,
Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsorganisationen und
dem Innenministerium zusammensetzt. In Schleswig-Holstein
sind der Caritasverband, die Arbeiterwohlfahrt, die
nordelbische Kirche, das Rote Kreuz und der
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und eine weitere
Flüchtlingsorganisation neben dem Innenministerium
beteiligt. Hintergrund für die Tätigkeit dieser
Kommission war 1996 die sogenannte Härtefallregelung,
auf die sich die Innenminister aller Länder geeinigt
hatten. Danach konnte Flüchtlingen, die vor mehr als 8
Jahren in die Bunderepublik eingereist sind, sich
außerdem in die “wirtschaftliche Ordnung der BRD
eingefügt haben”, das heißt nicht auf
Sozialhilfe angewiesen sind und Arbeit haben, und die sich
strafrechtlich nichts haben zu Schulden kommen lassen, eine
Aufenthaltsbefugnis erteilt werden. Auch wenn ihr Asylantrag
abgelehnt worden war. Diese Härtefallregelung galt nur
bis Ende 1996. Die Kriterien dieser Regelung sind aber nach
wie vor für die Entscheidungen der
Härtefallkommission geltend. Die meisten Anträge
wurden bisher von ausreisepflichtigen AsylbewerberInnen
gestellt, die bei Abschiebung nach Zaire, Syrien, Algerien
oder Iran um ihr Leben fürchten mußten. Viele
Anträge bezogen sich auch auf Härten im
familiären Bereich, bspw. von Familien mit in
Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kindern, die das
Herkunftsland ihrer Eltern nie gesehen haben und die Sprache
nicht sprechen. Oder es bestand die Gefahr, daß
Familien auseinandergerissen wurden durch unterschiedlichen
Ausgang des Asylverfahrens bzw. bei Volljährigkeit der
Kinder. Beispiele für die psychische Aus-nahmesituation
der Betroffenen sind auch Härtegründe wie
Suicid-gefährdung, Psychosen, Stressymptome und
psychosomatische Krankheitsbilder. Gnadeninstanz?
Die Betroffenen setzen große Hoffnung in die
Härtefallkommission und glauben sie sei eine Art
Gnadeninstanz. Dies ist jedoch ein großer Irrtum. Der
Wortlaut des Ausländergesetzes erlaubt humanitäre
Lösungen nicht. So ist es Flüchtlingsfamilien so
gut wie nie möglich, ohne ergänzende Sozialhilfe
auszukommen. Die Eltern bekommen keine Arbeitserlaubnis, weil
sie keine Aufenthaltsbefugnis haben, die Aufenthaltsbefugnis
erhalten sie nicht, weil sie auf Sozialhilfe angewiesen sind.
Und welcher Flüchtling findet eine Arbeit, die es ihm
ermöglicht, eine fünfköpfige Familie zu
ernähren? Die meisten arbeiten, wenn überhaupt,als
Putzhilfen, Tellerwäscher oder haben einen 610 DM-Job.
Und für Flüchtlinge, denen die
„Ausreisepflicht” gerichtlich bestätigt
wurde, darf die Härtefallkommission keine
widersprechende Empfehlung geben. Logische Folge davon ist,
daß in fast keinem Fall positive Empfehlungen an das
Innenministerium bzw. die Ausländerbehörden
möglich waren. Der Flüchtlingsrat
Schleswig-Holstein als Vertreter von sehr vielen
Flüchtlingsorganisationen im Land sieht denn auch seine
Teilnahme an der Kommission sehr kritisch. Es werden
Hoffnungen bei den Flüchtlingen geweckt, denen in keiner
Weise Rechnung getragen werden kann. Das Innenministerium und
die Ausländerbehörden beruhigen ihr Gewissen, indem
sie auf die Härtefallkommission verweisen, wohlwissend,
daß diese an ihren Entscheidungen letztendlich nichts
ändern kann. Und schließlich werden durch negative
Entscheidungen die rassistischen Sondergesetze dieses Landes
legitimiert. Dies ist aus der Sicht der
Flüchtlingsinitiativen politisch fatal. Es sollte von
ihrer Seite schnell deutlich gemacht werden, daß sie
dieses Spiel nicht länger mitspielen und ihre Mitarbeit
bei dieser Alibiveranstaltung eingestellt wird.
Lübecker Flüchtlingsforum
(Das Flüchtingsforum trifft sich jeden
Donnerstag um 19 Uhr, im Akzente, Fleischhauerstr. 32,
Lübeck)
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