Streetwork à la Rendsburg oder:
Faschismus akzeptieren
Rendsburg und Umgebung gilt und galt als eine Hochburg
für rechtes Gedankengut, verbunden mit den
dazugehörigen Aktionen und Personen. Die Art und Weise,
wie sich dies nach außen darstellt, hat sich gewandelt.
In die Kritik ist dabei auch das eigentlich sehr sinnvolle
und zu unterstützende (1994 eingerichtete)
Streetworkerprojekt geraten. Warum? Die Antwort dazu im
folgenden.
Eigentlich sind sich Streetworker Thomas Schmidt und die
Rendsburger Polizei immer einig - zielt das von Schmidt
betreute Projekt doch im Rahmen der
Kriminalitätsverhütung von gewaltbereiten
rechtsgerichteten Jugendlichen auch auf die Zusammenarbeit
von Sozialarbeit und Polizei ab, so die Maßgabe aus dem
Ministerium für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit
in Kiel. Doch in der Beurteilung der sogenannten
„Jugendgemeinschaft Kreis
Rendsburg-Eckernförde“ weichen beide Seiten
voneinander ab. „Die Jugendgemeinschaft ist nicht
verfassungsfeindlich und sie ist vor allem nicht
rechtsradikal“, stellt Schmidt den Mitgliedern einen
Persilschein aus. Für die Polizei ist sie dagegen
„rechtsradikal unterlaufen“ (Landeszeitung,
3.2.97) bzw. „rechtsextrem“; „sie haben
sich einen unverfänglichen Namen gegeben, weil es damit
möglicherweise einfacher ist, an Versammlungsräume
und behördliche Unterstützung zu kommen“, so
der Revierleiter Schwark, zitiert in der Rendsburger
Regionalausgabe der „Kieler Nachrichten“ (In die
gleiche Kerbe schlägt übrigens der
Verfassungsschutz).
Der Streit um die Bewertung basiert auf der Veranstaltung
Anfang des Jahres in Büdelsdorf, als die Gruppierung zu
einem Infoabend unter dem Motto „Weg mit dem Dreck aus
dem Internet“ eingeladen hatte. Für die Beobachter
war es ein Treffen „brauner Intelligenz“, das
geschickt „verpackt“ an die Öffentlichkeit
trat, ausgestattet mit dem populistischem Thema
„Kindersex“. Frank Drewes (Büdelsdorf) - lud
schon 1992 zu einem überregionalen Skintreffen ein -
moderierte rhetorisch geschickt. Ingo Stawitz
(NPD-Kader/Uetersen) im Zuhörerraum wird es gefallen
haben. In Flugblättern trat Torsten Dreeßen
(Basdorf/Rieseby) als presserechtlich verantwortlich für
die „Jugendgemeinschaft“ auf. Ihr wahres Gesicht
zeigen Drewes und Co. nur selten, dann aber umso
unmißverständlicher. 1996 sollte am 3. Oktober ein
„Marsch durch Rendsburg“ stattfinden, den die
Polizei im Vorwege unterband. Am 8. Mai, Tag der Befreiung,
1995 verteilte die „Jugendgemeinschaft“ ein
Pamphlet, worin es unter anderem heißt: „Wir
wurden durch sogenannte Befreier mitten in der Stadt von
unseren Armbanduhren, Eheringen und Geldbörsen befreit.
(...) Unsere Tante in Schlesien befreite man beispielsweise
von ihrem Haus nebst ihrem gesamten Hab und Gut. Nach 16
befreienden Vergewaltigungen setzte man sie in Marsch nach
Zwickau.“
Von Schlägern zu Ideologen
Aus den meist gewalttätigen Nazischlägern sind in
Rendsburg und Büdelsdorf offenbar politisch
revanchistisch argumentierende und sich mit populistischen
Themen beschäftigende Jugendliche geworden. Der
Verfassungsschutz im Lande meint dazu sinngemäß:
„Nichts Neues, dahinter steckt Methode!“ Und die
sieht offenbar so aus, daß die noch bis ins Jahr 1995
ausufernden Gewaltexzesse auf der Straße verschwunden
sind, offen faschistische Aktivitäten offenbar
gedrosselt worden sind. Aktiv ist der in Schleswig-Holstein
besonders bezüglich Rechtsextremismus auffällige
Raum in und um Rendsburg aber immer noch. Der noch 1996
für die DLVH kandidierende Rainer Struve
„wirbelt“ weiterhin unauffällig. Der mit
Versandgeschäften der verbotenen Nationalistischen Front
in Erscheinung getretene Ragnar Böhm hat sich innerhalb
der Stadt ein neues Domizil gesucht und betreibt nach
außen hin einen unauffälligen Versandhandel. Hauke
Lage samt Bruder gehört nach wie vor zur
„Szene“, wie seine Teilnahme bei der geplanten
Kranzniederlegung (überregionale Nazibeteiligung) in
Glücksburg zum Volkstrauertag 1996 zeigte. In einem
Gespräch mit den Bürgermeistern auch aus den
Randgemeinden Rendsburgs erläuterte die Polizei sehr
offen, daß es nach wie vor zahlreiche
„Treffpunkte“ für die Rechtsaußen
gibt. Auch über Wehrsportübungen wurde in diesem
Zusammenhang gesprochen. All dies will Streetworker Schmidt
offenbar nicht wahrhaben, der weiß., daß
„seine Leute“ seinerzeit Kontakte zur
mittlerweile verbotenen Wiking- Jugend in Berlin hatten In
Rendsburg konstituierte sich nach dem öffentlichen
Auftritt der „Jugendgemeinschaft“ ein
„Bündnis gegen Rechts“. Dies stellte sich
mit einer Informationsveranstaltung in der Kirche
Büdelsdorf-Rickert vor. Als ein Exkurs über die
Ursachen und die Zeitfolge des Faschismus in Deutschland
vorgetragen wurde und der von den Nazis mißhandelte und
eingesperrte Fritz Niemand als Zeitzeuge über seinen
Leidensweg und die Greueltaten der Nationalsozialisten
referierte, wanderte die zuvor sich um Schmidt scharende
Besuchergruppe der „Jugendgemeinschaft“ ab.
Schmidt sinngemäß zu dem Pulk: „Das ist
jetzt Geschichtsunterricht 9. Klasse, das brauchen wir uns
nicht mehr antun”. Bei solchen Äußerungen
und bei solchem Verhalten kommen Vergleiche zu
Streetworkerprojekten auf, wo beispielsweise in Tostedt oder
Berlin auch offen Partei für die Rechtsaußen
ergriffen wurde. Zur Zeit läuft die politische Debatte
über die Folgefinanzierung des zum Jahresende
auslaufenden Projekts. Die Polizei lobt die Arbeit
ausdrücklich, oben geschilderte Beispiele lassen
allerdings, was die personelle Besetzung angeht, Zweifel
aufkommen. Horst Freires
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