GegenDruck Nr. 20 - Januar/Februar 1998
zurück
Inhalt
weiter

Gedenken ohne Bewußtsein: LL-Demo in Berlin

Masse statt Klasse

Wieder einmal jährte sich Anfang Januar der Todestag von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Am 15. Januar 1919 wurden sie im Auftrag der SPD-Führung von Freicorps ermordet. Seitdem finden am Jahrestag der Ermordung Kundgebungen statt, die einerseits dem Gedenken dienen, andererseits als politische Kundgebungen genutzt werden. So auch die alljährliche Demonstration in Berlin zur Gedenkstätte der SozialistInnen. Im letzten Jahr noch als Liebknecht-Luxemburg-Lenin-Demo (kurz LLL) betitelt, mußte dieses Jahr Lenin kurzerhand der Massenkompatibilität weichen, die Demo wurde zur LL-Demo verkürzt, Lenin aus dem Gedenken gestrichen. Vergessen scheint die Solidarität mit der Russischen Revolution, aufgrund derer Lenin 1924 nach seinem Tod in die Ehrung mit aufgenommen wurde.
In diesem Jahr gedachten etwa 15.000 Menschen in der Demonstration den beiden GründerInnen der Kommunistischen Partei. Wie auch schon in den beiden Jahren zuvor gab es auch in diesem Jahr einen revolutionären Antifablock, diesmal unter dem Motto "Der Kampf geht weiter … - Organisiert den revolutionären Widerstand! - Antifaschistisch käm-fen!“. Während der Demonstration kam es immer wieder zu Übergriffen seitens der Polizei auf diesen Block, behelmte Einsatzkräfte brachen mehrmals mit großer Brutalität in den Demozug ein, um TeilnehmerInnen niederzuschlagen und festzunehmen; 21 Personen befanden sich am Ende in Polizeigewahrsam. Dennoch sprechen die VeranstalterInnen von einem vollen Erfolg.
Aufgerufen zu der Demonstration hatte in diesem Jahr ein breites Bündnis aus verschiedensten Gruppen. Zum ersten Mal fand sich auch die PDS unter den UnterzeichnerInnen. Was an sich kein Grund zum besonderen Hervorheben wäre, wenn nicht gerade diese Tatsache von vielen teilnehmenden Antifagruppen als Erfolg proklamiert worden wäre. Fraglich bleibt, was daran erfolgreich sein soll, wenn eine Partei nun eine Demo unterstützt, von deren TeilnehmerInnen sie sich im letzten Jahr noch distanziert hat. Spricht das dann für den Wandel der Partei oder für den Wandel der Inhalte der Demonstration? (An dieser Stelle ist sich noch einmal kurz das verschwundene L ins Gedächtnis zu rufen …).
Ein Blick in den gemeinsamen Demoaufruf hilft dann die Prioritäten der VeranstalterInnen zu klären. Abschließend heißt es dort "Wir rufen zu einem breiten Bündnis auf: GewerkschafterInnen und AntifaschistInnen, FeministInnen, SozialdemokratInnen, SozialistInnen und KommunistInnen, Grüne und ChristInnen, Autonome, Menschen aus sozialen, Jugend- und Bürgerbewegungen sollten gemeinsam demonstrieren.“ Da können sich dann auch die politischen NachfolgerInnen der Mörder Luxemburgs und Lieknechts in die Demo einreihen, solange die Masse stimmt. Spätestens an dieser Stelle werden Inhalte egal, Hauptsache es geht irgendwie gemeinsam.
Bei der Suche nach Gemeinsamkeiten wird dann auch schon einmal die Geschichte zur Nebensache und verdrängt. Denn wie weit das Erinnern reicht, zeigt sich an der Flagge der SPD, die vor den Gräbern der beiden ermordeten RevolutionärInnen gezeigt wurde, ohne daß sie Proteste hervorgerufen hätte.

Karla Ampf

Home
Archiv
Inhalt
Links