Gedenken ohne Bewußtsein: LL-Demo in Berlin
Masse statt Klasse
Wieder einmal jährte sich Anfang Januar der Todestag von Rosa
Luxemburg und Karl Liebknecht. Am 15. Januar 1919 wurden sie im
Auftrag der SPD-Führung von Freicorps ermordet. Seitdem finden
am Jahrestag der Ermordung Kundgebungen statt, die einerseits
dem Gedenken dienen, andererseits als politische Kundgebungen
genutzt werden. So auch die alljährliche Demonstration in Berlin
zur Gedenkstätte der SozialistInnen. Im letzten Jahr noch als
Liebknecht-Luxemburg-Lenin-Demo (kurz LLL) betitelt, mußte dieses Jahr Lenin kurzerhand der Massenkompatibilität
weichen, die Demo wurde zur LL-Demo verkürzt, Lenin aus dem Gedenken
gestrichen. Vergessen scheint die Solidarität mit der Russischen
Revolution, aufgrund derer Lenin 1924 nach seinem Tod in die Ehrung
mit aufgenommen wurde.
In diesem Jahr gedachten etwa 15.000 Menschen in der Demonstration
den beiden GründerInnen der Kommunistischen Partei. Wie auch schon in den beiden Jahren zuvor gab es auch in diesem
Jahr einen revolutionären Antifablock, diesmal unter dem Motto
"Der Kampf geht weiter
- Organisiert den revolutionären Widerstand!
- Antifaschistisch käm-fen!. Während der Demonstration kam es immer wieder zu Übergriffen
seitens der Polizei auf diesen Block, behelmte Einsatzkräfte brachen
mehrmals mit großer Brutalität in den Demozug ein, um TeilnehmerInnen
niederzuschlagen und festzunehmen; 21 Personen befanden sich am
Ende in Polizeigewahrsam. Dennoch sprechen die VeranstalterInnen
von einem vollen Erfolg.
Aufgerufen zu der Demonstration hatte in diesem Jahr ein breites
Bündnis aus verschiedensten Gruppen. Zum ersten Mal fand sich
auch die PDS unter den UnterzeichnerInnen. Was an sich kein Grund
zum besonderen Hervorheben wäre, wenn nicht gerade diese Tatsache
von vielen teilnehmenden Antifagruppen als Erfolg proklamiert
worden wäre. Fraglich bleibt, was daran erfolgreich sein soll,
wenn eine Partei nun eine Demo unterstützt, von deren TeilnehmerInnen
sie sich im letzten Jahr noch distanziert hat. Spricht das dann
für den Wandel der Partei oder für den Wandel der Inhalte der
Demonstration? (An dieser Stelle ist sich noch einmal kurz das
verschwundene L ins Gedächtnis zu rufen
).
Ein Blick in den gemeinsamen Demoaufruf hilft dann die Prioritäten
der VeranstalterInnen zu klären. Abschließend heißt es dort "Wir rufen zu einem breiten Bündnis auf: GewerkschafterInnen und
AntifaschistInnen, FeministInnen, SozialdemokratInnen, SozialistInnen
und KommunistInnen, Grüne und ChristInnen, Autonome, Menschen
aus sozialen, Jugend- und Bürgerbewegungen sollten gemeinsam demonstrieren. Da können sich dann auch die politischen NachfolgerInnen der
Mörder Luxemburgs und Lieknechts in die Demo einreihen, solange
die Masse stimmt. Spätestens an dieser Stelle werden Inhalte egal,
Hauptsache es geht irgendwie gemeinsam.
Bei der Suche nach Gemeinsamkeiten wird dann auch schon einmal
die Geschichte zur Nebensache und verdrängt. Denn wie weit das
Erinnern reicht, zeigt sich an der Flagge der SPD, die vor den
Gräbern der beiden ermordeten RevolutionärInnen gezeigt wurde,
ohne daß sie Proteste hervorgerufen hätte.
Karla Ampf |