GegenDruck Nr. 20 - Januar/Februar 1998
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7.2.1998: Antifa-Demo gegen den NPD-Kongreß in Passau

Gegen rassistische Hetze und Polizeiterror!

Am 7.2.1998 will die faschistische National-Demokratische Partei Deutschland (NPD) mit ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) im niederbayerischen Passau in der dortigen Nibelungenhalle einen Bundeskongreß abhalten. Im Internet sowie in parteieigenen Zeitungen werden diverse Redner aus der Nazi-Szene, u.a. wiedermal Jürgen Rieger aus Hamburg, sowie kulturelle Einlagen versprochen (z.B. ein Auftritt des Nazibarden Frank Rennicke). Die NPD ließ verlauten: "Wenn alle kommen, kann es der Tag des nationalen Widerstandes werden!“  Es ist davon auszugehen, daß dieser Kongreß eine der zentralen faschistischen Propagandashows im Bundestagswahljahr 1998 werden wird. Die NPD hat die Genehmigung für die Halle längst und macht für den 7. Februar ’98 mobil. Anfang Januar waren bereits 60 Busse reserviert. Auch für die Bundestagswahl wird die Nazi-Partei mit entsprechenden Slogans Stimmung machen. Dem gilt es mit allen erforderlichen Mitteln entgegenzutreten!

Die NPD und ihre Bedeutung im faschistischen Netzwerk

Die NPD ist mit ihrer Jugendorganisation JN eine der zentralen Organisationsstrukturen im faschistischen Netzwerk. Nach dem Verbot diverser Nazi-Parteien stellt sie ein Sammelbecken für Neo-Nazis sämtlicher Couleur dar. Die funktionierende Infrastruktur der NPD bzw. ihr Status als legale Partei bietet die Möglichkeit zur organisatorischen Spitze faschistischer Mobilisierungen. Exemplarisch dafür steht zum Beispiel der 1.März ’97 in München, wo 5.000 Alt- und Jungnazis gegen die Wehrmachtsausstellung aufmarschierten. Auch am 1. Mai ’97 sowie am 13. September ’97 wurden in Leipzig bzw. Hamburg Aufmärsche federführend von der NPD bzw. JN geplant, die allerdings nicht zuletzt aufgrund antifaschistischer Gegenmobilisierungen verhindert wurden.

Die Jungen Nationaldemokraten

Die Integrationsfunktion der JN zieht vor allem beim Rekrutieren junger Nazis. Die JN versucht, überall wo sie auftritt, sich zusehends von  klassischen Nazi-Themen zu lösen und nun auch zu anderen Problemen wie Arbeitslosigkeit, Drogenpolitik oder Atomkraft Stellung zu beziehen. Mittlerweile ist jede größere Naziveranstaltung in Zusammenhang mit der NPD/JN zu bringen. Ein Schwerpunkt für die Nazi-Hetze ist hierbei das Bundesland Bayern. Auch in Passau wurde nun zum ersten Mal in der Geschichte der NPD ein Ortsverband gegründet, im Landkreis das vermehrte Auftreten von jugendlichen Nazi-Skins registriert.

Ein NPD-Thema und der Bundestagswahlkampf 1998

Der Bundestagswahlkampf 1998 hat noch nicht wirklich begonnen und trotzdem ist klar, welches Thema ihn unter anderem zentral mitbestimmen wird: Die sogenannte Innere Sicherheit. Im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf im Herbst1997 wurde deutlich, wie unverhohlen nahezu sämtliche Parteien auf den Zug der vermeintlichen Kriminalitätsbekämpfung und der Etablierung des  law-and-order Staates aufspringen. Es wurden Schreckensszenarien entwickelt, die im Kern auf Ausgrenzung der Menschen hinausliefen, die aus denVerwertungszusammenhängen einer ausschließlich auf Gewinnmaximierung fixierten Gesellschaftsform herausfallen.
So wurde z.B. gegen angeblich "aggressive Bettelei“ gehetzt und damit gegen die soziale Praxis derjenigen, die den Kriterien der Verwertbarkeit nicht mehr entsprechen. Dabei produziert dieses System sozial Schwache. Die Propaganda im Wahlkampf war ein Kampf gegen die Armen und nie gegen die Armut selbst.
Die Zuschreibung des Kriminellen verlief zumeist entlang rassistischer Klischees und betraf damit vor allem Flüchtlinge. Hamburgs Ex-Bürgermeister Voscherau (SPD) sprach z.B. von der "eingewanderten Gewaltkriminalität“. Eine Koalition von SPD, CDU, FDP bis hin zu Nazi-Parteien wie der DVU, NPD oder den Republikanern übertraf sich gegenseitig an Polizeistaatsrhetorik, forderte schnellere Abschiebungen gegen ohnehin  "kriminelle Ausländer“, "Säuberung“ der Innenstädte oder "härteren Strafvollzug“.
Sicherheit durch Recht und Ordnung ist seit eh und je ein Thema der NPD. Es ist die Ordnung der Herrschenden, die sie mit einem autoritären Staat und dem Konstrukt einer "Volksgemeinschaft“ stabilisieren wollen: Eine Gemeinschaft, die den grundlegenden Interessengegensatz zwischen oben und unten verwischt und die mit der Diskriminierung von Minderheiten, Verfolgung und Terror zusammengehalten werden soll. Die Methode von Teile und Herrsche sowie von Sozialpolitik und Terror ist die Methode der Herrschaftssicherung in einer Gesellschaft, die auf Ausbeutung und Unterdrückung beruht. Die in der aktuellen kapitalistischen Entwicklung schwindenden sozialstaatlichen Methoden der Integration und Einbindung führen zu einer Angleichung der Politik aller Parteien, die auf dem Boden dieser Gesellschaftsordnung wirken. So werden z.B. Forderungen von Naziparteien wie der NPD von etablierten Parteien zum Thema gemacht.
Wenn der SPD-Kanzlerkandidat im Wartestand Schröder meint: "für kriminelle Ausländer gibt es nur eins: Raus und zwar schnell“ und damit Applaus bei der Parteibasis findet, zeigt sich, wie das Bewußtsein nach rechts verschoben worden ist. Gerade die SPD, die in weiten Teilen der Bevölkerung als Partei der sozialen Gerechtigkeit, als mit den Gewerkschaften verbundene Interessenvertretung der Lohnabhängigen angesehen wird, spielt eine besondere Rolle bei der rassistischen Verdrehung der sozialen Frage. Soziale Probleme werden zur nationalen Schicksalsfrage umgedichtet, indem z.B. Nicht-Deutsche zu Schuldigen für die Massenentlassungen erklärt und die verlogene Schicksalsgemeinschaft des "Standort Deutschland“ propagiert wird. Wenn der faschistische Mob zuschlägt, so ist das nicht getrennt zu sehen von dieser Politik der etablierten Parteien.
Die Weichen für eine Themenstellung im Bundestagswahlkampf, der von faschistischen Parteien auf der Basis der Diskussion um "Innere Sicherheit“ maßgeblich beeinflußt werden wird, sind längst gestellt. Und nicht zuletzt um international prestigezerstörende Wahlerfolge von rechts zu vermeiden, wird wieder versucht werden, durch Integration von Inhalten der Nazi-Parteien Wählerpotentiale an sich zu binden.

Nazi-Großveranstaltungen und der Standort Passau

Der Plan der NPD, in Passau den Bundeskongreß abzuhalten, stößt in der niederbayerischen Provinzstadt auf denkbar günstigen Boden. Die DVU, eine weitere Nazi-Partei unter Führung des Münchener Multimillionärs Frey, hält seit 17 Jahren ihre Großkundgebung mit zuweilen bis zu 5.000 Zuhörern in derselben Halle ab, die übrigens aus der NS-Zeit stammt und architektonisch wie namentlich daran zurückerinnert.
Mittlerweile ist die Nibelungenhalle durch den angekündigten NPD-Kongreß zum Gegenstand heftiger Diskussionen geworden. Der neueste Plan der Stadtverwaltung ist, sie abzureißen. Die seit nahezu 50 Jahren durchgehend CSU-dominierte Stadt ist immer wieder durch braune Umtriebe aus Vergangenheit und Gegenwart aufgefallen. Sie ist dennoch hin und wieder peinlich bemüht, einem der größten Wirtschaftsfaktoren der Region, dem Tourismus, nicht den Boden zu entziehen.
Doch das braune Image wird die Stadt nicht los, und das zurecht. Die DVU konnte in der tiefschwarzen Lokalpresse in den 80ern noch hemmungslos Werbung betreiben. Die Haltung der Stadtoberen änderte sich im Zuge größerwerdenden Protestes sowie der wachsenden Bedeutung von Weltoffenheit für die Etablierung der zeitgeistgerechten Universität und des Wirtschaftsstandortes Passau. Der Widerstand geht allerdings bis heute nicht über Lippenbekenntnisse hinaus.
Dennoch gibt es seit 1983 kontinuierlichen Protest in Passau gegen die DVU-Kundgebung. Der Höhepunkt war 1992 erreicht, als 4.000 Menschen auf die Straße gingen und ein breites Bündnis von autonomen AntifaschistInnen bis hin zu bürgerlichen Gruppierungen die antifaschistische Demonstration unterstützte. Trotz der Behinderung durch die Stadt Passau konnte über die Jahre hinweg erfolgreich gegen die DVU mobilisiert werden.
Unter erschwerten Bedingungen wie dem weitgehenden Fehlen einer liberalen Öffentlichkeit oder der Gleichgültigkeit der katholisch-unterwürfig sozialisierten Mehrheitsbevölkerung, gab es kontinuierliche antifaschistische Arbeit. Nicht umsonst setzte im Jahre 1995 eine massive Kriminalisierungswelle gegen die örtliche Antifa-Szene ein, die das Ziel hatte, örtliche Strukturen zu zerschlagen. Mehrere Male wurden Wohnungen durchsucht und Verfahren nach § 129a eingeleitet, eines davon gegen einen damals 15jährigen. Die bayerische Polizeistrategie erlaubt dabei fast alle Register zu ziehen, um zu versuchen, aktive Antifas einzuschüchtern oder zu demoralisieren. Willkürliche Kontrollen wurden zur Regel und gingen Hand in Hand mit einer Diffamierungskampagne, losgetreten von ansässigen reaktionären Politikern oder der Passauer Neuen Presse, die allein auf weiter Flur in der gesamten Region die Meinungsführerschaft besitzt. So wurde z.B. öffentlich von dem Passauer CSU-Landtagsabgeordneten Gebhard Glück dazu aufgefordert, die Antifa als "Passauer Terror-Gruppe“ zu bezeichnen. Die Stadt hingegen verlor jährlich ihren lächerlichen Alibi-Prozeß gegen die DVU. Mittlerweile werden die Prozesse gegen die DVU nicht mehr geführt, gegen die NPD wird gar nichts mehr in diese Richtung unternommen. Das ist nach dem Rückzug fast aller gesellschaftlich relevanten Gruppen in Passau aus dem Bündnis gegen die DVU das Einzige, was offiziell zur Gegenwehr erklärt wurde. Gemäß dem Motto "warten bis es vorbei ist“ wird in Passau seit eh und je politisch Position gegen die faschistische DVU oder auch die NPD bezogen, und dann auch noch gegen diejenigen agitiert, die sich offen und effektiv zur Wehr setzen.

Den antifaschistischen Widerstand organisieren!

Wir werden als AA/BO zur bundesweiten Antifa-Demo unter dem Motto: "Gegen den NPD-Kongreß vorgehen . Zusammen kämpfen gegen Polizeistaat und rassistische Hetze!“ aufrufen. Die Etablierung sämtlicher faschistischer Propagandashows muß verhindert werden. Dabei genügt es allerdings nicht, nur die Nazis und ihre Inhalte anzugehen. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Trends muß die rassistische Formierung, die aus der Mitte der Gesellschaft kommt und die sich um die Debatte zur "Inneren Sicherheit“ manifestiert, herausgestellt und angreifbar gemacht werden. Ihren Hauptbezugspunkt hat diese Hetze bei Parteien wie der NPD. Das Wechselspiel zwischen faschistischer Ideologie und den Inhalten der sogenannten  Volksparteien  ist unübersehbare Realität und muß speziell im Wahljahr 1998 nicht nur in Passau Thema und Angriffspunkt konsequenter AntifaschistInnen sein. Zudem finden wir es notwendig, gerade in der Provinz solidarisch mit den örtlichen Antifas zu agieren und sie zu unterstützen bei ihrem Versuch, der erdrückenden Indifferenz etwas entgegenzusetzen.
Deswegen fordern wir alle auf, am 7. Februar 1998 nach Passau zu kommen, um entschlossen und zahlreich der NPD und ihren dumpfen Parolen entgegenzutreten.
Diese weitere Nazi-Großveranstaltung in Passau dürfen wir genauso wenig wie die DVU-Kundgebung tatenlos hinnehmen, viel mehr ist spätestens jetzt die Zeit reif für breiten Protest.
Achtet auf Ankündigungen, Informationsveranstaltungen, Mitfahrmöglichkeiten!
Kommt alle zum Aktionstag nach Passau!
Organisiert den antifaschistischen Widerstand!
Demoauftakt: 7.2.1998, 14 Uhr auf dem Rathausplatz Passau. Ab 9 Uhr morgens sind im Innenstadtbereich zahlreiche Antifa-Kundgebungen angemeldet!
Plakate, Aufrufe sowie Manuskripte zur Infoveranstaltung können bestellt werden bei: Autonome Antifa (M), c/o Buchladen, Nikolaikirchhof 7, 37073 Göttingen, Fax & Fon: 0551­549081

Antifaschistische Aktion/BO

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