GegenDruck Nr. 20 - Januar/Februar 1998
zurück
Inhalt
weiter

Prozeßflut in Sachsen wegen illegaler Beihilfe zur Einreise

Kriminelle Taxis

Das neue Jahr bringt nichts Neues. Auch nicht in Sachsen. Startete bereits im letzten Jahr der Bundesgrenzschutz (BGS) im sächsischen Grenzgebiet eine rassistische Selektionskampagne gegen alle Menschen, die nicht "typisch Deutsch“ aussehen, keine blonden Haare, keine blauen Augen, haben, so setzt er sie auch in diesem Jahr fort.
Zur Vorgeschichte: im letzten Herbst verurteilte das Amtsgericht Zittau zwei sächsische Taxifahrer zu einem Jahr und zehn bzw. einem Jahr und vier Monaten Haft ohne Bewährung. Das "Vergehen“: Indem sie in einem bzw. mehreren Fällen Jugoslawen beförderten, hatten sie sich des "Einschleusens von Ausländern“ und der "Beihilfe zur unerlaubten Einreise“ schuldig gemacht. Denn laut Gericht hätte ihnen auffallen müssen, daß es sich bei den Jugoslawen um sog. "Illegale“ handelt (siehe gd 17). Die Kriterien, an denen "Illegale“ erkannt werden, wurden zuvor in einem Flugblatt festgelegt, das der BGS in den Grenzregionen zu Polen und Tschechien an alle TaxifahrerInnen verteilte: "ausländisches Aussehen, mit schlechten Deutschkenntnissen, viel Gepäck und nasser Kleidung“. Weiterhin forderte er die FahrerInnen auf, "offensichtlich illegal eingereiste Personen“ nicht zu befördern oder mittels eines geheimen Codes über Taxifunk die Einsatzzentrale des BGS zu informieren.
Im Januar ’98 hat nun das Landgericht Görlitz die Berufung eines der beiden verurteilten Taxifahrer abgelehnt, mit der Begründung, daß es sich bei seinem "Vergehen“ um organisierte Kriminalität handele. Sein Knastaufenthalt scheint damit unausweichlich zu sein. Ein Schicksal, das nicht nur ihm droht. Im Landkreis Löbau-Zittau kommt es derzeit zu einer wahren Prozeßflut; gegen 22 von 73 im Landkreis registrierten TaxifahrerInnen wird ermittelt. Willkürliche Kontrollen und Festnahmen durch den BGS sind an der Tagesordnung. So wurde zum Beispiel ein Taxifahrer aus Chemnitz im Sommer ’96 bei einer Fahrt kurz vor Berlin gestoppt. Unter dem Vorwurf, er hätte seine Fahrgäste illegal über die Grenze geschleust, wurde er 24 Stunden festgehalten und verhört.

Und die Reaktion der TaxifahrerInnen?

Nachdem zunächst die beiden TaxifahrerInnenverbände die BGS-Forderungen übernommen hatten und Tips gaben, wie illegale Flüchtlinge erkennbar sein könnten, demonstrierten im Dezember etwa 50 KutscherInnen aus Hamburg, Berlin und den Grenzregionen in Görlitz. In einer von fast 200 FahrerInnen unterschriebenen "Görlitzer Erklärung“ protestierten sie gegen den Versuch, ihr Gewerbe "für die rassistische Politik deutscher Behörden“ zu instrumentalisieren. Weiter heißt es in ihrer Erklärung: "Die Beförderungspflicht des ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) gilt für alle Menschen. Gegen geltende Gesetzte verstößt nicht, wer alle Menschen befördert, sondern wer dazu aufruft, eine bestimmte Gruppe von Menschen von der Beförderung auszuschließen. (…) Wir werden auch in Zukunft Menschen ?ausländischen Aussehens, mit schlechten Deutschkenntnissen, viel Gepäck und nasser Kleidung‘ zu den geltenden Beförderungsbedingungen zum Fahrziel bringen.“

gd

Home
Archiv
Inhalt
Links