LOTTA DURA

 

Nr. 9/97

 Offenhausen

3. Republik um den Dichterstein

Interview: Widerstand ist nie Umsonst

 

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Das Blöken der Schafe oder:

Wo blieb der Widerstand?

Offenhausen hatte den Notstand gegen AntifaschistInnen ausgerufen. Mit Hunderten Polizisten, mit Tretgittern, Hunden und Ausnahmebestimmungen schützte der Staat Österreichs Rechtsextremisten vor einer gewaltfreien Demonstration. Eine einzige Lautsprecherdurchsage setzte das Recht auf persönliche Freiheit außer Kraft. Selbst die minimalen Beschränkungen polizeilicher Allmacht, die das Gesetz noch beinhaltet, legte die Exekutive an diesem Tag als einen Luxusartikel aus besseren Zeiten zu den Akten.

Mit manchem haben wir gerechnet. Doch genau mit dem, was passiert ist, sicher nicht!

Wir haben massiven Polizeieinsatz erwartet, aber nicht eine solche Zuspitzung: die Brutalitäten, die den Durchsuchungen vorausgingen, die zynische Grobheit, mit der die BeamtInnen ihrer Verachtung gegenüber jugendlichen AntifaschistInnen freien Lauf ließen, oder das Eingesperrtsein in den unzumutbar heißen Bussen.

Wir haben Rechtsbrüche erwartet, aber nicht die Suspendierung sämtlicher zur Gewohnheit gewordener Verhaltensmaßregeln.

Eines waren wir auf jeden Fall nicht: vorbereitet auf diesen Ausnahmezustand völliger Rechtlosigkeit.

Der Polizei gelang es mit Erfolg, ein Klima des Terrors und der Ungewißheit zu inszenieren, in dem wir jede Handlungsfähigkeit aus der Hand gaben. Wir haben nicht reagiert, wir haben uns geduckt. Wir ließen uns wie Schafe durch die Absperrungen treiben, die ab und zu ein bißchen unwillig blöken.

Dabei war es durchaus so, daß Potential für Widerstand vorhanden gewesen wäre. Genug Leute habe ihre Wut und ihre Empörung ausgedrückt, aber vereinzelt und chancenlos, artikuliert entweder in sinnlosem Verbalradikalismus oder in Appellen an die Vernunft der Beamten, die sich als ebenso sinnlos erwiesen.

Unser Protest richtete sich gegen die Exzesse des polizeilichen Vorgehens, nicht grundsätzlich gegen dieses Vorgehen: Beispielsweise versuchten wir, uns gegen besonders grob durchgeführte Durchsuchungen zu wehren und nicht überhaupt dagegen, daß wir uns mit erhobenen Händen vor den Kameras der rechten Szene an die Buswand stellen mußten.

Militante Parolen mögen das Gefühl der Ohnmacht übertönen, aber sie ändern an der Ohnmacht selbst nichts. Aggression gegen die eigenen Leute, die passiv danebenstehen, während die Staatsgewalt amtshandelt, ist nachvollziehbar, aber der falsche Weg, um diese Leute aus ihrer Passivität zu reißen.

Was fehlte, war eine Organisation, die die ziellose Wut aufgefangen und in kollektiven Widerstand umgeleitet hätte. Natürlich können das nicht undurchdachte Gewaltaktionen sein, die außer Isolation und Eskalation nichts bewirken. Ein kollektiver Widerstand müßte die gemeinsame Bereitschaft sein, sich der Behandlung durch die Polizei zu verweigern. Was die einen oder anderen spontan und auf sich allein gestellt versuchten - nicht zu tun, was verlangt wurde, diktierte Handlungen nicht freiwillig auszuführen, hinzugehen und sofort einzugreifen, wenn andere Probleme bekamen - , hätte geschlossene Strategie sein können.

Dabei geht es nicht um Erfolg. Es geht nicht darum, was wir tatsächlich an Gewalt oder Willkür verhindern oder mehr herausfordern würden. Gegenüber "Bewaffneten", wie es der Herr der Bezirkshauptmannschaft Wels formulierte, werden wir noch länger machtlos sein.

Dabei geht es darum, daß wir unsere Handlungsfähigkeit wieder erlangt hätten. Wir hätten nicht wie das Kaninchen auf die uniformierte Schlange gestarrt, statt uns auf die eigene Kraft und Wut zu konzentrieren.

Bei einem Exekutiveinsatz unter den Vorzeichen einer 3. Republik haben wir nicht mehr viel zu verlieren. Da ist nicht mehr viel an Rechten oder Freiheiten, das wir aufs Spiel setzen würden.

Darum sollten wir um das kämpfen, das es unter solchen Bedingungen noch zu gewinnen gibt: nicht irgendeine Sicherheit oder irgendein Zugeständnis von oben, sondern das eigene Bewußtsein eines selbstbestimmten und aktiven Widerstandes, der sich auch im Polizeikessel organisiert und der seine Kraft aus tatsächlicher Solidarität und ständigem Hinterfragen jeglicher herrschenden Macht bezieht.

 

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