LOTTA DURA

 

Nr. 9/97

 Offenhausen

Interview: Widerstand ist nie umsonst

Kommentar

 

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3. Republik um den Dichterstein

Anfang Mai wurden Wels und Offenhausen in Oberösterreich wieder einmal zu einer bundesweiten Angelegenheit: Der Dichterstein mit seinen 400 Namen von Schriftstellern, die noch immer als "deutschbewußt" verehrt werden, und Schlagworten wie "Sippenreinheit" und "Muttertum" zog die rechtsextreme Szene Österreichs an. Gleichzeitig riefen autonome antifaschistische Gruppen dazu auf, dieses Nazitreffen nicht ohne Widerstand vorübergehen zu lassen.

Die Offenhausener Begegnungstage fanden um das Wochenende des 3. Mai statt, organisiert vom ortsansässigen rechtsextremen VEREIN DICHTERSTEIN OFFENHAUSEN, der sich einem rassisch-biologistischen Weltbild und dem Kampf gegen "Greuellügen" und "Umerziehung" verschrieben hat. Im Gasthof Lauber tummelten sich Gäste aus der Neonaziszene und bewährte Anti-Antifa-Aktivisten unter dem offiziellen Schutz der oberösterreichischen Behörden.

Dem bundesweiten Aufruf zur Gegendemonstration in Offenhausen waren etwa 300 AntifaschistInnen aus Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck und Graz gefolgt. Fast doppelt soviele nahmen am Abend noch an einer Kundgebung in Wels gegen die braunen "Flecken" in der Stadt, die rechtsextreme Stammtischrunde des SPÖ-Bürgermeisters Bregartner und die Subventionierung des ÖSTERREICHISCHEN TURNERBUNDES (ÖTB) teil. Sie fuhren in ein von bürgerlicher Hetze aufgeheiztes Klima und in einen polizeilichen Ausnahmezustand hinein.

 

GEMEINSAM FüR EIN ANTIFAFREIES OBERöSTERREICH

Die oberösterreichische Presse hatte tagelang das Bild gewalttätiger Berufsdemonstranten aus dem bösen Deutschland herbeigeschrieben, der Welser Bürgermeister hatte sich zum Verteidiger des Stadtzentrums vor den "Antifa-Demonstrierern" (Bregartner gegenüber der Presse) aufgeworfen, die Initiative "Welser gegen Faschismus" war auf lautstarke Distanz zur Kundgebung gegangen. Der Terror der Exekutive, offenbar aus dem Handbuch einer "3. Republik", war der sichtbare Ausdruck dieser politischen Lage. Die Absperrungen, hinter denen AntifaschistInnen am 3. Mai ohne rechtliche Grundlage festgehalten wurden, sind unter dem Beifall der Welser Zeitungen vorbereitet worden.

Massiver Polizeieinsatz sorgte dafür, daß nicht nur die Rechtsextremisten von der Nähe der AntifaschistInnen bewahrt wurden, sondern daß auch die DemonstrantInnen von jedem Kontakt zur Bevölkerung abgeschnitten waren.

Als die Busse gegen Mittag Wels erreichten, um sich dort zu sammeln, umstellten Bundesgendarmerie und Sondereinheiten gerade mit Hunden und Tretgittern den Parkplatz. Nach einer Zeitlang nervenaufreibenden Wartens verließ der Konvoi die Stadt Richtung Offenhausen, nur um einige Kilometer vor dem Ort wieder aufgehalten zu werden. Die beiden Busse aus Wien standen auf Anordnung der Polizei fast eine Stunde vor einem Bauernhof: Die Polizisten versuchten zuerst, die Leute überhaupt nicht aussteigen zu lassen, hielten dann einzelne grundlos davon ab, wieder einzusteigen, und erklärten weder, warum die Busse nicht weiterfahren durften, noch für wielange. Die Ungewißheit wurde den meisten schließlich zuviel und sie beschlossen, zu Fuß nach Offenhausen zu gehen. Die Aussicht, eine Horde potentieller Jausenmesserbesitzer wild in der Gegend herumstreunen zu sehen, bewirkte allerdings einen sofortigen Sinneswandel der Exekutive: Den Bussen wurde erlaubt, ihre Fahrt fortzusetzen.

 

BEIFALL FüR DIE STAATSGEWALT

Die 3. Republik war erst in Offenhausen selbst perfekt: Auf dem Parkplatz des Fußballvereins kesselten Polizeieinheiten DemonstrantInnen und Busse ein. Ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Wels verkündete, daß man von geplanten Sachbeschädigungen ausgehen müsse und die Kundgebung von Bewaffneten begleitet werde. Währenddessen trieben Sondereinheiten mit rücksichtsloser Gewalt DemonstrantInnen in die Busse zurück, die versuchten, nach draußen zu entkommen. Ihr panikartiges "Wir wollen raus!" blieb vergeblich. Mehr als eine Stunde wurden die Leute in den überhitzten Bussen unter praller Sonne eingesperrt und von Beamten bewacht, die mit Zynismus Kreislaufzusammenbrüche und Übelkeit kommentierten. Draußen standen eng zusammengedrängt, ohne Möglichkeit, an etwas Trinkbares zu kommen, die so gefürchteten "Autonomen" und sahen tatenlos zu, wie sich an den Buswänden brutale Durchsuchungen und willkürliche Beschlagnahmungen abspielten. Grenzenlose Bewegungsfreiheit genossen dafür die rechten Hobbyfotografen, darunter Porno-Spezialist Humer: Sie filmten ungehindert und aus nächster Distanz zwischen den AntifaschistInnen.

Als die Demonstration endlich beginnen konnten, waren die mit Klappstuhl und Fotoapparat angerückten Offenhausener BürgerInnen voll auf ihre Rechnung gekommen: Sie hatten einen Großeinsatz im Namen eines antifafreien Offenhausens nicht nur live erleben und beifällig begleiten können, sondern auch selbst Hand anlegen dürfen, als es darum ging, DemonstrantInnen das Verlassen des Polizeikessels zu verwehren.

Die Kundgebung selbst zog mit kämpferischen Parolen an der teils neugierigen, teils gleichgültigen, teils offen provozierenden Bevölkerung vorbei. Die Abschlußbeiträge wurden vor dem Gasthaus gehalten, in dem die Rechtsextremisten unter dem Mäntelchen der Kultur tagten und das interessanterweise durch eine Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels als "Gefahrenbereich" deklariert war.

Nach einigen aggressiven, aber relativ sinnlosen Scharmützeln mit Zaungästen endete die Kundgebung im Polizeikessel vor den Bussen. Offenhausen war unter sich mit seinen willkommenen Gästen, die sich um die Parole der "Sippenreinheit" scharren, mit seiner schweigenden Mehrheit und seinen braven BürgerInnen, die eine Staatsgewalt beklatschten, durch die ihre Welt wieder in Ordnung kam.

 

ANTIFASCHISMUS IN WESSEN GRIFF?

In Wels ging bis zum Beginn der abendlichen Demonstration einmal gar nichts: Die Polizei hielt die AntifaschistInnen zwei Stunden lang hinter den Absperrungen am Parkplatz fest, erlaubte später einzelnen Leuten das Verlassen des Geländes nach einer erneuten Durchsuchung, begleitete andere bis in die Gasthäuser, in denen sie Essen besorgten, ließ manche wiederum überhaupt nicht weg, verweigerte die Herausgabe persönlicher Sachen und gestattete das Betreten des Parkplatzes nur denen, die eine demütigende Perlustrierung in Kauf nahmen. Am Straßenrand meinten schließlich selbst ZuschauerInnen, die nichts für die Anliegen der DemonstrantInnen übrig hatten, daß das alles "irgendwie" zu weit ging.

Trotz dieser Kriminalisierung schlossen sich immer wieder WelserInnen der Kundgebung an, die von der Polizei völlig abgeriegelt wurde. Manchen Leuten war es daher schlicht und einfach nicht möglich, mitzugehen, da die Beamten sie daran hinderten. Sogar das Verteilen von Flugblättern wurde verboten. Trotzdem nahm die Bevölkerung recht lebhaften Anteil an der Demonstration: Die Informationen über die Verstrickung des Welser Bürgermeisters in die rechtsextreme Szene und über die Förderung des ÖTB durch die Stadt erreichten einen großen Teil der entlang der Route versammelten EinwohnerInnen. Wirklich durchbrechen konnten die DemonstrantInnen die vom Polizeiapparat inszenierte Isolation allerdings nicht. Die Exekutive geleitete die AntifaschistInnen wieder dorthin, wo sie nach Meinung der anständigen Öffentlichkeit hingehörten: möglichst weit weg von einem Ort, dessen Bürgermeister Stammtisch mit Kameraden aus der Neonazi-Fraktion hält.

Zufrieden konnte zwei Tage später das oberösterreichische "Neue Volksblatt" berichten, die Polizei habe die DemonstrantInnen "fest im Griff" gehabt. Die Zeitung schrieb nichts Falsches: Um beinahe jeden Preis hatten ein paar hundert AntifaschistInnen dafür gesorgt, daß die Kundgebungen gewaltfrei ablief und trotz aller kämpferischen Sprechchöre die Bedingungen eines Demonstrationsrechts á la 3. Republik akzeptiert.

 

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