Böser
Bush, gutes Europa. Geschickt hat sich der französische Staatspräsident
Jacques Chirac als unerbittlicher Verfechter des Friedens inszeniert. In
seinem Kielwasser schwimmen Deutschland, Belgien und neuerdings auch Luxemburg
als Kriegsgegner mit. |
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Bedauern,
Entsetzen, Bestürzung und sorgenvolle Kummermienen waren die Reaktionen
der Regierungen Belgiens, Deutschlands und Frankreichs angesichts des
Kriegsbeginns gegen den Irak. Mit Ausnahme der Hasstiraden britischer
und US-Medien wurde international unkritisiert die Position der französischen
Regierung propagiert, dass die Sorge um den Frieden treibende Kraft der
Position von Präsident Chirac sei.
La France.
Die KriegsgegnerInnenschaft
ist in Frankreich breit. Alleine am 22.3. fanden in 25 Städten Demonstrationen
statt, wobei hunderttausende als TeilnehmerInnenzahl stark untertrieben
ist. Bei einer Demonstration in Bordeaux wurde gar die dortige Kopie der
Freiheitsstatue, die Frankreich ja anno dazumal den USA geschenkt hatte,
mit Benzin und Lack übergossen, was der frühere Premierminister
und jetzige Bürgermeister Juppé von der SP verurteilte.
Allerdings werden die Antikriegsaktionen durch den außenpolitischen
Konflikt zwischen Frankreich und den USA bzw. Großbritannien überschattet.
Es sind gewichtige Argumente, die Zweifel über die moralische Integrität
von Chirac aufkommen lassen.
Zunächst sind französische versus US-amerikanische Interessen
keine Neuigkeit. Schließlich trat Frankreich in den 60er Jahren
aus der NATO aus und baute eine eigene Atomstreitmacht auf. Dieser eigenständige
Weg der französischen Außen- und Militärpolitik ist parteiübergreifender
Konsens, einschließlich der KP, die stets auch für ein gegen
die Sowjetunion gerichtetes eigenes Atomwaffenprogramm eintrat. Der damalige
Präsident de Gaulle verurteilte nach mehreren Kolonialkriegen Frankreichs
in Indochina 1966 die US-Intervention in Vietnam, ebenso wie die Stationierung
von US-Truppen in Haiti und den nachfolgenden Putsch im Nachbarland, der
Dominikanischen Republik. Erst 1981 trat Frankreich wieder in die NATO
ein, und Chirac machte als erster Präsident nach de Gaulle 1996 wieder
den Vorschlag, französische Truppen in die militärische Befehlsstruktur
der NATO einzugliedern.
Diese Konstante einer nationalen Politik ist regierungsübergreifend.
Die Atomtests wurden von Chirac vehement vertreten, wie von Mitterand.
Ebenso die exzellenten Verbindungen der französischen Geschäftswelt
zum Irak, die nun vor allem von Großbritannien als Propagandawaffe
eingesetzt werden. Das britische Industrieministerium veröffentlichte
ein Dossier über die Irakgeschäfte Frankreichs. Demnach exportierte
Frankreich in den sechs Monaten vor Kriegsbeginn Waren für 212 Mio.
US$, verglichen mit 27,8 Mio. $ aus Großbritannien. Insgesamt sollen
bis zum Beginn des UN-Embargos 1991 alleine Waffenverkäufe in Höhe
von 25 Mrd. US$ über die Bühne gegangen sein, darunter Mirage-Kampfjets.
Außerdem lieferte Frankreich zwei nie fertiggestellte Atomreaktoren,
wobei der erste 1981 von israelischen Kampfflugzeugen bombardiert und
zerstört wurde.
Aber auch während des Embargos war Frankreich wichtiger Handelspartner
des Irak, mit steigender Tendenz und vor allem durch die Ölgesellschaft
TotalFinaElf.
Allerdings ist die französische Position nicht nur dadurch zu erklären.
Mehr denn je hat Präsident Bush gezeigt daß er von messianischem
Fundamentalismus blind ist, ließ der frühere Kulturminister
der Regierung Mitterand von sich hören. Jack Lang ist derzeit Vorsitzender
des Außenpolitischen Ausschusses der Nationalversammlung (Parlament),
einer in Frankreich wie in den USA wichtige Position. Lang brachte beinahe
im Alleingang das Freihandelsabkommen MAI gegen die USA zu Fall, indem
er die französische Filmindustrie gegen eine Liberalisierung beschützte
und Frankreich schon damals die alleinige Wortführerschaft für
Europa in Verhandlungen mit den USA übernahm.
Innenpolitisch hat Chirac, der durch die Zertrümmerung der Front
National bei den letzten Präsidentschaftswahlen einsame Rekordwerte
an Zustimmung erreichte, noch weiter dazugewonnen. Nach übereinstimmenden
Umfragen unterstützen 85% der FranzösInnen seine Politik, interessanterweise
aber sogar 94% der kommunistischen WählerInnen.
Realpolitik.
1990 rief
der vom Sturz bedrohte Präsident Ruandas beim damaligen Präsidenten
Mitterand an. Er ersuchte um Militärhilfe, die Frankreich auch gewährte.
Die Folge war ein vierjähriger Bürgerkrieg, der mit Massenabschlachtungen
endete. Seitdem sind Hutus und Tutsis weltweit bekannt.
Doch schon vorher zeigte die Grande Nation ihr Können.
Als 1960 Patrice Lumumba im belgischen Kongo die Unabhängigkeit ausrief,
wurde er international gefeiert. Nicht so von Frankreich, Belgien und
den USA. 1965 beschlossen diese drei Mächte, dass Lumumba stürzen
mußte. Fallschirmjäger aus Belgien und Fremdenlegionäre
aus Frankreich unterstützten eine Militärrevolte, die Diktator
Mobutu an die Macht brachte. Als Mobutu nach 30 Jahren Diktatur gestürzt
wurde, standen französische und belgische Legionäre wieder im
Land, das im Chaos und Bürgerkrieg zerfiel.
Zu praktisch jedem Zeitpunkt seit der Unabhängigkeit der afrikanischen
Länder stehen französische Fremdenlegionäre oder andere
Truppeneinheiten in mehreren Ländern Afrikas. Derzeit etwa in der
Elfenbeinküste, wo vor wenigen Wochen aufgebrachte DemonstrantInnen
die französische Botschaft zu stürmen versuchten und von französischen
Wasserwerfern und französischen Soldaten zurückgeschlagen wurden.
Bürger der Elfenbeinküste sind in französischen Lagern
in der Elfenbeinküste interniert.
Ein besonders lehrreiches Bespiel über Frieden liefert der endlose
Krieg im Libanon. Als in den 80er Jahren Selbstmordkommandos die US-Truppen
zum Rückzug zwangen, brachten die USA, Großbritannien und Frankreich
Kriegsschiffe vor der Küste in Stellung. Diese schossen dann vereint
als Vergeltung Raketen in die Wohngebiete Beiruts.
Der Kuchen.
Es gibt
viele Theorien, weshalb im Irak Krieg geführt wird. Tatsache ist,
daß die UN-Embargopolitik europäische gegenüber US-Firmen
benachteiligte. Schon vor dem ersten Golfkrieg hatte das US Army Corp
of Engineers freihändig US-Firmen mit dem Wiederaufbau beauftragt.
Damals hatten Firmenvertreter teilweise noch vor den Truppen die zukünftigen
Baustellen erreicht. Doch im Irak selbst hatten die US-Firmen auf lange
Sicht das Nachsehen.
Mit jeder Lockerung der Sanktionen konnte vor allem Frankreich sein Handelsvolumen
ausbauen, französische Firmen stellten das größte Kontingent
auf der Handelsmesse in Bagdad und demnächst hätte TotalFinaElf
neue Ölförderverträge unterschrieben.
Internationale Agenturen und Konzerne haben für den Irak schon längst
ein Megabusiness durchgerechnet. Reparatur von Kriegsschäden ist
zum Supergeschäft geworden. Der Libanon erhielt innerhalb von zehn
Jahren noch vergleichsweise mickrige 4 Mrd. US$, Bosnien in fünf
Jahren schon 5,4 Mrd. US$. In Afghanistan mit seiner kaum vorhandenen
Infrastruktur wurden schon 15 Mrd. US$ gesteckt. Jetzt ist die Bonanza
in Sicht: 100 Mrd. US$. Den Anfang macht die US-Entwicklungshilfeorganisation
USAID, die schon jetzt 900 Mio. US$ vergibt.
Aber auch europäische Konzerne kommen nicht zu kurz. Der Wiederaufbau
des Kosovo brachte ein Füllhorn von 2,3 Mrd. US$, die von der Europäischen
Kommission spendiert wurden.
Für den Irak sind die großen Anwärter schon ausgemacht.
Etwa der US-Konzern Bechtel, Costain und Balfour Beatty aus Großbritannien,
und Spie aus Frankreich. Dazu werden auf jeden Fall die Warenkontrollfirma
SGS mit Konzernzentrale Schweiz kommen. British Crown Agents aus Großbritannien
hat schon einen Auftrag in der Tasche.
Frankreich hat zunächst einmal bescheidene 11 Mio. US$ als erste
Rate reklamiert, nämlich für den erneuten Aufbau des Abwasser-
und des Telefonsystems, das französische Firmen schon nach dem ersten
Golfkrieg wieder aufgebaut hatten. Währenddessen rittern bereits
80 britische Firmen um Aufträge, die sich auch bitter darüber
beklagen, daß im Kosovo vor allem französische und deutsche
Firmen trotz größeren Kriegseinsatzes Großbritanniens
zum Zug kamen.
Entscheidend für die Beziehungen werden jedoch die Ölkonzessionen
sein. Im jüngsten Korruptionsprozess hat der ehemalige Präsident
von Elf, nunmehr TotalFinaElf, Le Floch-Prigent gestanden, daß Elf
während der Präsidentschaft Mitterands alle Parteien geschmiert
hatte. Laut Le Floch bestand Mitterand sogar persönlich darauf, daß
nicht nur die SP, sondern auch Chiracs Partei Schmiergelder erhalte. Außerdem
schmierte Elf zwischen 1989 und 1993 auch Staatspräsidenten von 19
afrikanischen Ländern. Bei Elf gab es einen Referenten für die
Bestechung linker, einen für die Bestechung rechter Parteien. Chirac
lehnt jede Stellungnahme zu dem Prozeß ab.
Während auf französischer Seite die unumgänglichen Bedingungen
für eine erneute Freundschaft zwischen Frankreich und den USA/Großbritannien
klar sind, ist die US-Regierung auf einem anderen Dampfer. Das Pentagon
hat eine Liste erstellt, die alle Firmen umfaßt, die mit dem Iran
als weiterem Schurkenstaat Geschäfte machen und deshalb auf keinen
Fall im Irak zum Zug kommen sollen. Ganz oben steht: TotalFinaElf.
Noch etwas
Unterhaltung gefällig.
Bis zur
Verteilung wird sich Chirac, gescholten von Blair und Bush, noch etwas
für französische zivilisatorische Werte ins Zeug legen und seinen
Friedenswillen unter Beweis stellen. Erst letzte Woche schlug der algerische
Staatspräsident Bouteflika anläßlich eines Staatsbesuches
von Chirac in Algier diesen für den Friedensnobelpreis vor. Ähnliches
wird wohl in nächster Zeit häufiger passieren.
Dieser Tage gab die Regierung ein Statement ab, daß Frankreich auch
weiterhin die Frankophonie hochhalten und dementsprechend das Budget aufstocken
wird. Ziele der Frankophonie sind die Sicherung der Bedeutung der
französischen Sprache, die Bewahrung der kulturellen Vielfalt und
die Verwurzelung der Demokratie und der Menschenrechte im französischsprachigen
Raum., so die Erklärung. Wer schon mal im schönen Badeort
Calvi in Korsika war, wird zwar anhand der dortigen Fremdenlegionärskaserne
und der über die Insel im Tiefflug donnernden Mirage-Jets ahnen,
daß das nicht alles ist. Doch jetzt ist Frieden im Herzen des großen
Präsidenten.
Das wird ihm vorläufig auch gedankt. DemonstrantInnen in Wien jubeln
dem Botschaftspersonal zu, das begeistert zurückwinkt. Die Botschaft
in London kann britischen Medien mit lästigen Fragen Waschkörbe
von Fanpost für Chirac vorzeigen.
Tam Dalyell,
ein Labour-Abgeordneter im britischen Unterhaus und offensichtlich nicht
von der Blair-Fraktion, fand für die Verteilungsverhandlungen um
die Aufträge im Irak seine eigenen Worte: vomit making,
zu Deutsch zum Kotzen.
Literatur:
Ryszard
Kapuscinski: Afrikanisches Fieber, Piper Verlag
Der polnische Journalist hat seine Erfahrungen aus 40 Jahren in Afrika
zusammengefasst, wobei er auch an französischer Politik nicht vorbeikam.
Jean Ziegler:
Das Gold von Maniema, Knaus Verlag
Darin hat der Schweizer Abgeordnete seine Erlebnisse im Kongo der 60er
Jahre niedergeschrieben, als Frankreich und Belgien zu einer neuen demokratiepolitischen
Mission ein bisschen Krieg exportierten.
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Friedliches
Frankreich?
Französische Position zur Beteiligung der Nato an der Vorbereitung
eines militärischen Einsatzes.
Zusammen
mit Deutschland und Belgien hat Frankreich eine Beteiligung der NATO an
der Vorbereitung eines militärischen Einsatzes gegen Irak zum jetzigen
Zeitpunkt abgelehnt.
Das Außenministerium
(12.2.2003) begründet die französische Position wie folgt:
"...Das
Engagement Frankreichs in der Allianz in Zweifel zu ziehen, bezeugt im
Übrigen Nichtwissen oder Boshaftigkeit: Nach den Vereinigten Staaten
hat Frankreich die meisten Flugzeuge für den Krieg in Kosovo 1999
zur Verfügung gestellt; es stellt heute vor den Vereinigten Staaten
die meisten Streitkräfte für Einsätze der NATO zur Verfügung..."
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Staatspräsident
Jacques Chirac gab am 20. März folgende Erklärung an die französische
Bevölkerung zum Beginn der Militäroperationen im Irak ab:
"Die
Militäreinsätze in Irak haben begonnen. Frankreich bedauert
dieses Vorgehen...
Frankreich aber, das seinen Prinzipien treu ist - Vorrang des Rechts,
Gleichberechtigung, Dialog der Völker und Achtung des anderen - wird
weiterhin darauf hinarbeiten, dass die Krisen, die die Welt bedrohen oder
zu Blutvergießen führen, gerechte und dauerhafte Lösungen
in kollektivem Handeln finden. Das heißt im Rahmen der Vereinten
Nationen, die der einzige rechtmäßige Rahmen sind, um Frieden
herzustellen, im Irak und anderorts...
Europa muss sich der Notwendigkeit bewusst werden, der Welt seine eigene
Sicht der Probleme darzulegen und diese mit einer glaubhaften gemeinsamen
Verteidigung zu unterstützen...
Service
de Presse, 20.03.2003
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20. März
- Tag der Frankophonie: Die französischen Zielsetzungen
Frankreich
verfolgt bei der Frankophonie drei große Ziele: die Sicherung der
Bedeutung der französischen Sprache, die Bewahrung der kulturellen
Vielfalt sowie die Verwurzelung der Demokratie und der Menschenrechte
im französischsprachigen Raum.
Frankreich
nimmt voll und ganz am Wirken der Frankophonie für den Frieden, die
Demokratie und die Menschenrechte teil. Es unterstützt die Einbindung
der Frankophonie in den Versöhnungs- und Krisenlösungsprozess
in Afrika, dessen hervorstechendste Beispiele Côte d'Ivoire und
die Komoren sind. Darüber hinaus findet die Stärkung des Rechtsstaates
über die Vernetzung der Rechtspfleger, die Weiterbildung der Staatsanwälte
und die Hilfe beim Abhalten freier, zuverlässiger und transparenter
Wahlen statt. Die Bemühungen zielen auch darauf ab, eine demokratische
Kultur innerhalb des französischsprachigen Raums zu verbreiten.
2. Diese
Prioritäten spiegeln sich im Plan zur Aufstockung des Haushalts um
20 Mio.€ pro Jahr ab 2002 wieder, der von Staatspräsident Chirac
beim Gipfeltreffen in Beirut (18. - 20. Oktober) angekündigt wurde...
Service
de Presse 19.03.2003
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