"Wir wollen mit Musik, Theater und anderen phantasievollen Aktionen die Burschenschafter mit unserem Widerstand konfrontieren." Das schrieben einige Leute aus der Spektakelvorbereitungsgruppe gegen den Kommers im TATblatt +96. Weiters hieß es, daß "möglichst viele Gruppen, aber auch unorganisierte Menschen, durch das Spektakel die Möglichkeit nutzen (sollen), ihrem Widerstand gegen den Kommers Ausdruck zu verleihen". Im folgenden Artikel soll versucht werden, diesen formulierten politischen Anspruch am tatsächlichen Geschehen am Abend des 16. Mai zu messen.
ein TATblättling
Ende letzten Jahres formierte sich eine Art Vorbereitungsgruppe zum
geplanten "Revolutionskommers" der deutschnationalen Burschenschafter.
Einige Personen aus verschiedenen Gruppen setzten sich zusammen und begannen
inhaltliche Texte zu Burschenschaften, Männerbünde und Deutschnationalismus
zu lesen und zu diskutieren. Die Gruppe gab sich später den Namen
"BANG!" (Bündnis antinationaler Gruppen).
Aus verschiedenen Gründen waren weite Teile der Wiener Linken nicht
in dieser Vorbereitungsgruppe eingebunden. Einerseits lehnten einige Gruppen
eine Zusammenarbeit mit einer Gruppe innerhalb von BANG! ab, eine Folge
von Auseinandersetzungen in der Wiener Szene, zum anderen konnten sich
einige Gruppen ein Mitmachen in der BANG! aufgrund deren antinationaler
Ausrichtung nicht vorstellen. Im März veröffentlichte die Gruppe
BANG! ein Vorbereitungspapier zum Burschenschafterkommers ("Wider
das gegenrevolutionäre Übel", TATblatt +94). In diesem Papier
wurde nicht nur die ideologische Ausrichtung der Anti-Kommers-Aktivitäten
festgeschrieben, sondern auch der Ablauf und das Konzept der geplanten
Aktionen fix und fertig präsentiert. Gleichzeitig wurde an verschiedene
linke Gruppen eine Einladung zu einem allgemeinen Vorbereitungsplenum versandt,
im Brief wurde der Führungsanspruch der Gruppe BANG! noch einmal deponiert.
In internen Vermittlungsgesprächen zwischen BANG! und anderen Gruppen aus dem linksradikalen Spektrum wurde daraufhin versucht, eine Form von Zusammenarbeit auszuloten. Kurz vor dem allgemeinen Vorbereitungsplenum stellte sich heraus, daß die meisten Personen aus der Gruppe BANG! die Anti-Kommers-Aktionen nicht vorbereiten wollen bzw. einige die Gruppe bereits verlassen hatten. Durch diese Entwicklung kam es zur bemerkenswerten Situation, daß die Vorbereitungsarbeit überwiegend von anderen Personen und Gruppen übernommen wurde. Die Spektakelvorbereitungsgruppe aus dem BANG!-Umfeld arbeitete autonom weiter. Die neue Anti-Kommers-Vorbereitungsgruppe mußte in den folgenden Wochen auf der Basis des nicht unumstrittenen BANG!-Konzeptes arbeiten. Zu viele linke Medien hatten das Demokonzept schon abgedruckt, eine Änderung des Konzeptes war also nicht mehr möglich.
Zu dem allgemeinen Vorbereitungsplenum kamen schließlich die meisten eingeladenen Gruppen nicht mehr. Zum einen lag dies sicherlich an den Vorfällen bei der Anti-Kommers-Demonstration im November 1996 (sexistisch motivierte gewalttätige Auseinandersetzungen innerhalb der Demonstration und militante Angriffe auf die Polizeisperre). Einige Gruppen hatten aber auch offensichtlich wenig Bereitschaft sich in eine Vorbereitung für ein Konzept einbinden zu lassen, welches nicht mehr diskutiert werden sollte. In der folgenden konkreten Vorbereitung waren also wenige Gruppen und Personen eingebunden. Daher war es nicht verwunderlich, daß die großen politischen (von BANG! formulierten) Ansprüche an die Aktionen nicht verwirklicht werden konnten. Vom politischen "RAVEolutionären Spektakel" blieb nicht viel mehr als eine RAVE-Straßenparty über. Mit Müh und Not konnten gerade noch die beiden Demonstrationen organisiert werden. Auf der Strecke blieb in weiten Teilen die Mobilisierung für die Demonstration. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl der Plakate blieb liegen, eine Koordination mit Gruppen außerhalb von Wien funktionierte nicht.
Nach dieser mißglückten Vorbereitung war es eigentlich überraschend, daß mehr als 700 Personen zu den Anti-Kommers-Aktionen kamen. Überraschend war auch, daß die meisten DemonstrantInnen bis zum Schluß der "Party" ausharrten und dann noch an der folgenden Demonstration teilnahmen. Vom Konzept des "RAVEolutionären Spektakels" vor dem Burgtor, bei dem "mit viel Lärm einerseits der Kommers gestört wird, andererseits 'unsere' Revolution gefeiert wird" blieb nichts übrig. Die eineinhalb Stunden monotoner Techno mit mehr oder weniger witzigen Moderationseinlagen waren weder besonders politisch noch störten sie irgendwelche Burschenschafter, die im übrigen nur 100 Meter vom Kundgebungsplatz entfernt über die Ringstraße in größeren Gruppen in die Hofburg einzogen. Es stellt sich auch die Frage, warum Technomusik "unsere" Revolution symbolisieren kann oder soll. Die MusikerInnen in der Techno oder auch der Punk/Hardcore-Szene sind, nicht nur in Österreich, überwiegend männlich und "weiß". Mit dem Rave am Ring wurde vielleicht eine gesellschaftliche Realität gezeigt, einen Idealtypus von Revolutionskultur stellte es nicht dar.
Die gesamte Vorbereitung der Anti-Kommers-Aktivitäten zeigte den eklatanten Unwillen vieler Beteiligter, eigene Standpunkte zur Diskussion zu stellen oder gemeinsam neue Konzepte auszuarbeiten. Eine Diskussion über antinationale Standpunkte fand kaum statt. Die Spektakel-Vorbereitungsgruppe entgegnete KritikerInnen ihres Konzeptes, daß sie nur deswegen gegen das Spektakel seien, weil die "falsche Musik" gespielt würde. Das Problem dabei war, daß die Personen aus dieser Gruppe nicht bereit waren, darüber zu diskutieren, warum gerade elektronische Musik die "richtige" sein sollte. Dabei wäre eine Diskussion über "unsere Revolutionskultur und -musik" nicht unspannend.
aus: TATblatt Nr. +98 (10/98) vom 22. Mai 1998
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