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Stadtpolitik im Jugendbereich. [2] | Wurzen-Broschüre. |
Bürgermeisterkanditat für die DSU, Thomas Mühlner, fährt zum Fest der BB-Baracke Kinder als besondere Attraktion durch die Gegend. |
Katarina Kämpfe - erste Versuche akzeptierender Sozialarbeit.
Zu ihrer Zeit organisiert Katarina Kämpfe zusammen mit den Faschos
mehrere Hilfslieferungen für Rumänien. Die Faschos können
ihren Humanismus dadurch unter Beweis stellen, daß sie Kleidung und
Lebensmittel sammeln und an Roma verteilen. In die Vorbereitung der
Rumänienfahrten sind die MitarbeiterInnen des Heimes so stark eingebunden,
daß sie sich nicht mehr ausreichend um die BewohnerInnen, die ein
zwiespältiges Verhältnis zu den Faschos haben, kümmern
können. Für eine der Fahrten erhält Katarina Kämpfe vom
Sächsischen Kultusministerium 14.000 DM. Vier DiakoniestudentInnen, die
ein Praktikum in Rumänien ableisten wollten, werden unfreiwillig zur
Betreuung der sechs mitreisenden Faschos eingesetzt. Es hilft alles nichts: Die
Faschos beklagen sich, daß sie ihre Waffen nicht mitnehmen durften,
ziehen zum Hitlergeburtstag 1992 faschistische Parolen grölend durch ein
Dorf und stellen fest, daß die Sinti und Roma ja nicht mal
(wissen), was Wasser ist. (16)
Katarina und einer ihrer Zöglinge (Henry Kilsch)
Rene Kotte, Thomas Wick und Henry Kilsch (v.l.n.r.) beim Packen der Rumänien-Packete.
Katarina Kämpfe wurde die Unterstützung durch Stadt und Land erst
entzogen, als die Unterschlagungen zu Ungunsten des Heimes ans Tageslicht
kamen. Daß die Faschos in dieser Zeit keineswegs weniger
gewalttätiger waren und Verbindungen zu organisierten rechten Strukturen
fortbestanden, (17) störte niemanden.Goldenes Tälchen.
Anfangs interessieren sich die Stadt und der Landkreis nicht sonderlich
dafür. Erst als Faschos in der Nacht vom 23. zum 24. August 1991 das
Wurzener Flüchtlingsheim angreifen und mehrere Menschen verletzen, wachen
die Ämter auf. Die Jugendlichen müssen das Haus verlassen und werden
zu einem Runden Tisch der Jugend eingeladen.
Am Freitag, dem 13. Dezember 1991, übergibt der Wurzner Bürgermeister
den Schlüssel für das Goldene Tälchen an den Vorsitzenden des
Jugendhaus Wurzen e.V. Tilo Finger. Anfangs gehen sich Rechte und
»Bunte« im Goldenen Tälchen aus dem Weg, jede Gruppierung
hat ihre eigenen Tage und Räume. Ein Jahr später, im Oktober 1992,
schickt der Vorstand des Jugendhaus Wurzen e.V. einen Brief an die IG
Rock, (19) daß sie das Goldene Tälchen verlassen müssen und die
Punk-Bands nicht mehr im Haus proben dürfen. Begründet wird dies
offiziell mit der eskalierenden Situation zwischen einzelnen Banden
innerhalb der Stadt. Tilo Finger begründet den Rausschmiß im
Nachhinein mit der »Asozialität« der Punks und dem Druck von
den Faschos, die die Punks nicht mehr duldeten und drohten, das Goldene
Tälchen »platt« zu machen. (20)
Tilo Finger
Dieter Reise, der neu geschaffene Jugendpfleger (Sozialarbeiter) der
Stadt, prognostiziert zuvor eine Wandlung der Wurzner Jugend, weg vom
politischen Anspruch hin zur Freizeitgestaltung. Deshalb
unterstützt er das Konzept des Goldenen Tälchens. In dem Projekt
kümmert sich Reise hauptsächlich um rechtsorientierte Jugendliche.
Das Goldene Tälchen wird im Herbst 1993 wegen der Veruntreuung von Geldern
seitens der BetreiberInnen geschlossen. Seine Bedeutung als Jugendtreffpunkt
hat es zu diesem Zeitpunkt schon verloren. Die »Bunten« haben
sich mit der Villa Kuntabunt eine Alternative geschaffen, die Rechten wichen in
die Kneipenszene aus.
Goldenes Tälchen
Obwohl das Konzept des Goldenen Tälchens scheiterte, wird es noch heute
von den Regierenden der Stadt zur Begründung, daß Jugendarbeit
für Rechte, »Bunte« und Normale unter einem Dach
möglich ist, positiv zitiert.Villa Kunterbunt/IG Rock.
Ende 1994 schlägt Bürgermeister Pausch nach einem Gespräch mit
den VillanutzerInnen und dem Stadtjugendring der Stadtverordnetenversammlung
vor, die Villa Kuntabunt von der Treuhand zu kaufen und den Jugendlichen
unterzuvermieten. Der Stadtrat beschließt daraufhin deren Kauf.
Dafür sind 500.000,- DM vorgesehen.
Villa Kuntabunt
In dieser Zeit wird die Villa - die ursprünglich als reine
MusikerInnenvilla gedacht war - von den Jugendlichen umstrukturiert, da sie
inzwischen zum Sammelbecken verschiedener Jugendlicher geworden ist. Sie haben
nur eines gemeinsam: Sie sind nicht rechts. So macht es sich erforderlich, das
enge IG-Rock Konzept inhaltlich der inzwischen gewachsenen
BesucherInnenvielfalt der Villa anzupassen. Eine Handvoll Leute geht mit viel
Spaß und Hoffnung an die konzeptionelle Umgestaltung der Villa.
Eingerichtet wird ein Cafe und der »SchnAsselkeller«. Beide
können für Veranstaltungen genutzt werden. Später kommt auf dem
Villagelände die »Taverne« und die von den NutzerInnen
selbsterrichtete Konzertbühne hinzu. Andere Projekte, wie Fotolabor,
linkes Lesecafe, Streetball-Platz und Infoladen, sind angedacht. Die IG-Rock
beantragt ABM-Stellen und eineN SozialarbeiterIn. Schon zu diesem Zeitpunkt
bahnen sich interne Schwierigkeiten zwischen diesen Leuten und der Mehrheit der
BesucherInnen, den Punks, an.
An dem Tag, an dem die Stadtverordnetenversammlung den geplanten Kauf der Villa
durch die Stadt vollziehen soll, taucht in Form eines Faxes ein
Restitutionsanspruch auf. Die Stadt zieht ihren Kaufantrag erstaunlich eilig
zurück, obwohl der Restitutionsantrag anfechtbar gewesen wäre, weil
die Frist zur Einreichung längst vorbei ist. Die Stadt verzichtet
ebenfalls auf das Einlegen eines Widerspruches und auf das Stellen eines
Investititionsvorrangantrages. Das hängt auch damit zusammen, daß
mittlerweile die Villa Kuntabunt als Treffpunkt der Punks der Stadt ein Dorn im
Auge ist. Auslöser für den Meinungsumschwung ist vor allem das
Punkerknackerfestival im Juli 1994, welches etwa eintausend Punks aus
dem gesamten Bundesgebiet nach Wurzen zieht. (22)
Erst als der Druck auf den Bürgermeister von allen Seiten
(Stadtjugendring, Kreisjugendring, SozialarbeiterInnen des JSHZs, SPD,
Landrat Dr. Gey, Presse, Protestaktionen der Villa-NutzerInnen) zunimmt, ist er
zu Verhandlungen bereit. Da es jedoch die BB-Baracke als städtischen
Jugendtreffpunkt gibt, sieht er keine Notwendigkeit für einen zweiten
Treffpunkt. Nach dem Auslaufen des Mietvertrages besetzen einige der
NutzerInnen die Villa bis zu ihrer Räumung am 17. Juni 1995. Das einzig
alternative Zentrum Jugendlicher, die Villa Kuntabunt, ist durch massives Zutun
der StadtpolitikerInnen Wurzens unwiderbringlich gestorben.
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