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Tue Oct 15 20:20:24 1996
 

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Stadtpolitik im Jugendbereich. [2]

Wurzen-Broschüre.

Parteien.

Jugend(politik) spielt im Denken und Handeln aller Parteien in Wurzen, falls sie sich nicht gerade Wahlkampf befinden, eine untergeordnete Rolle. Da die CDU die Mehrheit im Stadtparlament inne hat, ist sie von politischer Seite hauptverantwortlich dafür, daß sich in der Stadt eine rechtsextremistische Szene bilden konnte. Der Bürgermeister, der mit den Rechten sympathisiert, stößt in seiner Fraktion auf keinerlei Widerspruch. Interessant wird das Fascho-Problem erst dann, wenn die Gefahr besteht, daß Investoren ausbleiben. Noch im Juli 1995 lehnte die CDU die Schaffung von zwei Jugendhäusern mit der Begründung ab, die »Jugendströmungen« könnten sich dann polarisieren.
Daß sich die PDS
in einigen Orten des Landes die Bewältigung »sozialer Probleme« und eine antifaschistische Haltung auf die immer noch roten Fahnen geschrieben haben soll, scheint sich in Wurzen nicht herumgesprochen zu haben.
(10) siehe Antifaschistischer Widerstand, Zusammenarbeit mit der PDS

(11) Auf eine Frage nach den Konsequenzen für die Jugendpolitik in Wurzen angesichts einer gefestigten rechtsextremen Szene antwortet der Bürgermeister: „Diese (Frage) zielt vielmehr darauf hinaus, wie Erziehung, Reglementierung, Beaufsichtigung usw. der Jugend in Wurzen erfolgen soll. Dazu muß ich Ihnen eindeutig sagen, die Zeiten, wo eine Partei und ein Staat Leitung und Erziehung der Jugend an sich gerissen haben, sind - Gott sei Dank - vorbei. Die Erziehung der Kinder und Jugendlichen ist in der Bundesrepublik Recht und Pflicht der Eltern.

(12) Deutsche Soziale Union, rechtslastige Wendepartei in Anlehnung an die CSU, Koalitionspartner der CDU und des Demokratischen Aufbruchs zur Wahl 1990 in DDR, mittlerweile eine bedeutungslose rechte Splitterpartei.

(13) Sächsischer Landtag, 12.Sitzung, Seite 18/6

(14) Damals begehen viele Faschos kleinkriminelle Delikte, vom Ladendiebstahl über Plünderungen in Kleingärtenanlagen bis hin zu Raubüberfällen. Mittlerweile achtet die Führungsriege der Wurzner Faschos mehr auf das Saubermannimage. Kriminelle Faschos werden von ihnen bestraft. (siehe S. 38)

(15) „zwei Schlafsäcke zu je 180 Mark und eine 500-Mark-Uhr zum Beispiel“ (die Andere 22/1992)

(16) So Tilo Finger, der damals über eine Hausarbeit zum Rechtsradikalismus den Zugang zu den Wurzner Rechten gefunden hatte (Interview mit Tilo Finger von Toralf Staud, 27.1. 1993). Ähnlich wie Tilo Finger nahmen auch andere Jugendliche, die nicht der rechten Szene zuzuordnen sind, vereinzelt an den Rumänienfahrten teil. Die Fahrten finden in der Regionalpresse eine sehr gute Resonanz.

(17) Katarina Kämpfe lobt im Fernsehen ihre Faschos, daß sie am Fascho-Aufmarsch am 21.3.1992 in Leipzig als Fahnenträger teilgenommen haben, sich jedoch später bei einem Angriff auf ein Flüchtlingsheim nicht beteiligten.

(18) Diese Zusammenarbeit ist für die Kleinstadt Wurzen in den Nachwendejahren nicht untypisch. Die verschiedenen Jugendszenen haben sich zwar schon herausgebildet, die Übergänge sind jedoch fließend. Mensch kennt sich von der Schule und unter scheidet sich weniger in politischer Hinsicht als vielmehr in Kleidung und Musikgeschmack. Tilo Finger bemüht sich, die »bunten« und rechten Jugendlichen über gemeinsame Interessen im Jugendfreizeitbereich zusammenzubringen. Seiner Initiative ist es mit zu verdanken, daß es zu der gemeinsamen Besetzung kommt.

(19) Die IG Rock ist ein Zusammenschluß der Punkbands und deren SympathisantInnen.

(20) Tilo Finger: „Die (Punks) wollten nur feten, und wir mußten den Dreck wegmachen. Einmal war eine Geburtstagsfete. Da kamen die von überall her und weil der ‘Torte’ hieß, haben sie im Saal eine Tortenschlacht gemacht (...) Und aufräumen mußten wir dann wieder (...) Weil es uns zu bunt wurde, haben wir ihnen das Kassenhäuschen gegeben. Dort konnten sie machen, was sie wollten. Die hatten dann ein paar Wände rausgerissen und einen großen Proberaum daraus gemacht. Mit Baugenehmigung! Eines Nachts kamen die Glatzen und haben die beiden Dachträger durchgesägt. Seitdem ist das Haus gesperrt, wegen Einsturzgefahr. Die Drohungen gegen das Jugendhaus wurden immer massiver, da mußten wir die Punks rausschmeißen.“ (Interviewprotokoll vom 27.1.1993)

(21) Seit dem 26.Januar 1993 als Verein bestehend.

(22) „demolierte Autos und Plünderungen in der Kaufhalle gegenüber“, „Der Verkaufsstellenleiter beziffert den verursachten Schaden auf 7.000 bis 10.000 Mark. Die an den PKW entstandenen Schäden werden mit etwa 5.000 Mark angegeben.“, „die Randalierer hatten es ausschließlich auf Fahrzeuge der Marke ‘Mercedes’ abgesehen“ (MTZ vom 4.und 5.7.1994).
Marcus Müller dazu in einem von der MTZ veröffentlichten Leserbrief (6.7.1994): „Extreme nicht zulassen. Alles spricht von Rostock, Mölln, Solingen und Hoyerswerda von brennenden Asylantenunterkünften, Brandsätze werfende, zumeist jugendliche Rechtsradikaler und die Bilder verächtlicher Rechtsradikaler. (...) Mit Gewalt und Kriminalität wird zur Zeit fast ausschließlich nur rechtsextremes Denken und Handeln gemeint. Aber tatsächlich gibt es auch massive Gewalt von Militanten Linksautonomen und die wird anhand der geschehenen Dinge in (Mölln, Rostock) häufig bzw. ganz vergessen und bleibt somit dem Großteil der Bevölkerung vorenthalten. Wie kann es möglich sein, daß (...) derartige Konzerte organisiert bzw. zugelassen werden. Die eine solche immense Auswirkung wie Plünderung, Zerstörung von Sachgegenständen und Gewalt regelrecht heraufbeschwören.“

Mehr als fragwürdig ist die Haltung der Wurzner PDS
zu der von ihrem Landtagsabgeordneten angemeldeten und begleiteten antifaschistischen Demonstration in Wurzen im Mai 1995. Die Ortsgruppe distanziert sich im Vorfeld von jeglicher konfrontativer Auseinandersetzung mit Faschisten und insbesondere von der Demonstration. Auf einer nachfolgenden Mitgliederversammlung der PDS des Muldentalkreises, bei der PDS-Mitglieder des Bundes- und Landtages anwesend sind, wird mehrere Stunden über die »Gefahr« antifaschistischer Demonstrationen diskutiert und die örtlichen Funktionäre reden sich damit heraus, daß sie zu spät und unvollständig von dem Fascho-Problem in ihrer Stadt in Kenntnis gesetzt wurden. Allerdings lehnen sie das Angebot eines Landtagsabgeordneten aus Zeitgründen ab, mit umfangreichen Materialien zum Thema versorgt zu werden. (10)
Wie schwierig eine konstruktive Zusammenarbeit mit der PDS im Muldentalkreis ist, zeigt sich u.a. auch daran, daß Analysen zu den oben erwähnten Förderrichtlinien vom PDS-Kreisvorstand erst angefordert, dann jedoch nie verwendet werden. Erstmals 1996 nutzt die Wurzner PDS die Möglichkeit, im Stadtparlament eine Anfrage zum Rechtsextremismus in der Stadt zu stellen. (11)
Die Wurzner DSU
(12) teilt sich das Fraktionszimmer mit der Leipziger DSU. Immerhin hatte die DSU im August 1993 in Wurzen 30 und im Muldentalkreis 70 Mitglieder. Gast zum Vereinigungstreffen mit dem Stadtverband Grimma im Jahre 1992 war Erwin Huber (CSU). 1992 war Siegfried Steiner Kreischef, mittlerweile nimmt Herr Löwe diese Funktion wahr. Zur Situation in ihrer Stadt befragt, äußern sich zwei Wurzner DSU-Mitglieder auf einer Veranstaltung mit der rechtsextremen Zeitschrift »Nation und Europa« im Juni 1996 in Halle folgendermaßen: »Linke und Rechte wie überall!« Und wie überall kommt die DSU mit den Rechten sehr gut aus. So organisierte der Besitzer einer Wurzner Fahrschule, Thomas Mühlner (DSU), zum Kinderfest in der BB-Baracke, welches von den Faschos organisiert wurde, um die Kinderfreundlichen zu mimen, als besonderen Höhepunkt Autofahrten für die Kids.

Bürgermeisterkanditat für die DSU, Thomas Mühlner, fährt zum Fest der BB-Baracke Kinder als „besondere Attraktion“ durch die Gegend.
Die SPD
ist in Wurzen wie in Grimma in der Opposition. Aus diesem Grund kann sie sich natürlich immer dagegen verwahren, Entscheidungsträgerin von Beschlüssen zu sein, die sich im Nachhinein als falsch erweisen. Aus machtpolitischem Kalkül kritisiert sie die Jugendpolitik der Stadt und setzt sich in Einzelfragen für Wurzner Alternativprojekte ein. So beteiligt sich der Wurzner SPD-Landtagsabgeordnete Joachim Schulmeyer an einer Aktion der »Bunten« im Rathaus zum Erhalt der Villa Kuntabunt. Andererseits nimmt derselbe während der von der PDS-initiierten Landtagsdebatte den Bürgermeister und dessen Politik in Schutz und greift die PDS an. Er fordert zur Lösung des Gewaltproblems zwischen „Links-und Rechtsextremisten“, „daß alle Schulabgänger eine Lehrstelle erhalten“ und „Bedingungen für sinnvolle Freizeitbeschäftigung“. (13)
Schulmeyer
vertritt jedoch die Meinung, daß ein gemeinsames Haus für die Jugendlichen, wie es die CDU immer fordert, nicht ausreichend ist. Im April 1996 stellt Schulmeyer im Sächsischen Landtag eine Kleine Anfrage zu dem von den Faschos besetzten Haus, von dem er befürchtet, daß es sich zum Zentrum rechter Aktivitäten mit überregionaler Bedeutung entwickeln könnte.

Katarina Kämpfe - erste Versuche akzeptierender Sozialarbeit.

Katarina Kämpfe, die »Glatzenmutter«, ist bis 1992 Leiterin des Behindertenwohnheimes in Hohburg, gleichzeitig sitzt sie für die CDU im Kreistag und arbeitet als Dezernentin für Bildung, Kultur und Sport in Wurzen. Sie versucht in dieser Zeit (1991 und 1992) im Behindertenheim integrative Angebote für die Faschos zu schaffen. Die Faschos kommen häufig und gerne zu ihr und feiern auch mit den HeimbewohnerInnen Weihnachten. Zu den Privilegien, die die Faschos genießen, gehört fortan, daß sie ihr Diebesgut (14) im Heim verstecken können und daß sie in Prozessen durch günstige Zeuginnenaussagen und positive Sozialprognosen von Katarina Kämpfe entlastet werden. Die Faschos können im Heim kostenlos wohnen, erhalten Essen und Geschenke von zum Teil erheblichen Wert, (15) ab und zu sogar zahlt Katarina Kämpfe ihnen Taschengeld aus. Die Gelder, die sie dafür benötigt, beschafft sie von den Konten des Heimes. Später verliert sie ihre Arbeit und Parteifunktionen wegen dieser Veruntreuungen in einer Gesamthöhe von mehreren zehntausenden Mark. Außerdem fiel eine Überprüfung durch die Gauck-Behörde zu ihren Ungunsten aus. Die Faschos können selbst danach noch in das Heim kommen, müssen jedoch ihr Essen selbst bezahlen. Entsprechend schnell verlieren sie das Interesse daran.

Katarina und einer ihrer Zöglinge (Henry Kilsch)


Rene Kotte, Thomas Wick und Henry Kilsch
(v.l.n.r.) beim Packen der Rumänien-Packete.

Zu ihrer Zeit organisiert Katarina Kämpfe zusammen mit den Faschos mehrere Hilfslieferungen für Rumänien. Die Faschos können ihren Humanismus dadurch unter Beweis stellen, daß sie Kleidung und Lebensmittel sammeln und an Roma verteilen. In die Vorbereitung der Rumänienfahrten sind die MitarbeiterInnen des Heimes so stark eingebunden, daß sie sich nicht mehr ausreichend um die BewohnerInnen, die ein zwiespältiges Verhältnis zu den Faschos haben, kümmern können. Für eine der Fahrten erhält Katarina Kämpfe vom Sächsischen Kultusministerium 14.000 DM. Vier DiakoniestudentInnen, die ein Praktikum in Rumänien ableisten wollten, werden unfreiwillig zur Betreuung der sechs mitreisenden Faschos eingesetzt. Es hilft alles nichts: Die Faschos beklagen sich, daß sie ihre Waffen nicht mitnehmen durften, ziehen zum Hitlergeburtstag 1992 faschistische Parolen grölend durch ein Dorf und stellen fest, daß „die Sinti und Roma ja nicht mal (wissen), was Wasser ist.“ (16)
Katarina Kämpfe wurde die Unterstützung durch Stadt und Land erst entzogen, als die Unterschlagungen zu Ungunsten des Heimes ans Tageslicht kamen. Daß die Faschos in dieser Zeit keineswegs weniger gewalttätiger waren und Verbindungen zu organisierten rechten Strukturen fortbestanden, (17) störte niemanden.

Goldenes Tälchen.

Am 4. Mai 1991 besetzen alternative und rechte Jugendliche gemeinsam ein seit zwei Jahren leerstehendes Haus der Wurzener Wasserwirtschaft und arbeiten ein Konzept für ein gemeinsames Jugendzentrum aus. (18)
Anfangs interessieren sich die Stadt und der Landkreis nicht sonderlich dafür. Erst als Faschos in der Nacht vom 23. zum 24. August 1991 das Wurzener Flüchtlingsheim angreifen und mehrere Menschen verletzen, wachen die Ämter auf. Die Jugendlichen müssen das Haus verlassen und werden zu einem Runden Tisch der Jugend eingeladen.

Tilo Finger
Am Freitag, dem 13. Dezember 1991, übergibt der Wurzner Bürgermeister den Schlüssel für das Goldene Tälchen an den Vorsitzenden des Jugendhaus Wurzen e.V. Tilo Finger
. Anfangs gehen sich Rechte und »Bunte« im Goldenen Tälchen aus dem Weg, jede Gruppierung hat ihre eigenen Tage und Räume. Ein Jahr später, im Oktober 1992, schickt der Vorstand des Jugendhaus Wurzen e.V. einen Brief an die IG Rock, (19) daß sie das Goldene Tälchen verlassen müssen und die Punk-Bands nicht mehr im Haus proben dürfen. Begründet wird dies offiziell mit der „eskalierenden Situation zwischen einzelnen Banden innerhalb der Stadt“. Tilo Finger begründet den Rausschmiß im Nachhinein mit der »Asozialität« der Punks und dem Druck von den Faschos, die die Punks nicht mehr duldeten und drohten, das Goldene Tälchen »platt« zu machen. (20)

Goldenes Tälchen
Dieter Reise, der neu geschaffene Jugendpfleger (Sozialarbeiter) der Stadt, prognostiziert zuvor eine Wandlung der Wurzner Jugend, weg vom „politischen Anspruch“ hin zur Freizeitgestaltung. Deshalb unterstützt er das Konzept des Goldenen Tälchens. In dem Projekt kümmert sich Reise hauptsächlich um rechtsorientierte Jugendliche. Das Goldene Tälchen wird im Herbst 1993 wegen der Veruntreuung von Geldern seitens der BetreiberInnen geschlossen. Seine Bedeutung als Jugendtreffpunkt hat es zu diesem Zeitpunkt schon verloren. Die »Bunten« haben sich mit der Villa
Kuntabunt eine Alternative geschaffen, die Rechten wichen in die Kneipenszene aus.
Obwohl das Konzept des Goldenen Tälchens scheiterte, wird es noch heute von den Regierenden der Stadt zur Begründung, daß Jugendarbeit für Rechte, »Bunte« und Normale unter einem Dach möglich ist, positiv zitiert.

Villa Kunterbunt/IG Rock.

Nachdem aus dem Goldenen Tälchen die beiden Punkbands rausgeworfen werden, suchen sich diese und sympathisierende Jugendlichen ein leerstehendes Haus als neue Proberäume aus - die spätere Villa Kuntabunt. Die IG Rock (21) nimmt Verhandlungen mit der Villaverwalterin Treuhand auf. Es entsteht zunächst ein einjähriger Mietvertrag. Durch Fördermittel des Landes Sachsen wird ein Aufnahmestudio eingerichtet, welches in den folgenden Jahren zahlreichen Bands aus dem Umland als auch aus dem gesamten Bundesgebiet Gelegenheit gibt, billig professionelle Demotapes zu produzieren. Die IG Rock beginnt, Konzerte zu veranstalten.
Villa Kuntabunt
Ende 1994 schlägt Bürgermeister Pausch
nach einem Gespräch mit den VillanutzerInnen und dem Stadtjugendring der Stadtverordnetenversammlung vor, die Villa Kuntabunt von der Treuhand zu kaufen und den Jugendlichen unterzuvermieten. Der Stadtrat beschließt daraufhin deren Kauf. Dafür sind 500.000,- DM vorgesehen.
In dieser Zeit wird die Villa
- die ursprünglich als reine MusikerInnenvilla gedacht war - von den Jugendlichen umstrukturiert, da sie inzwischen zum Sammelbecken verschiedener Jugendlicher geworden ist. Sie haben nur eines gemeinsam: Sie sind nicht rechts. So macht es sich erforderlich, das enge IG-Rock Konzept inhaltlich der inzwischen gewachsenen BesucherInnenvielfalt der Villa anzupassen. Eine Handvoll Leute geht mit viel Spaß und Hoffnung an die konzeptionelle Umgestaltung der Villa. Eingerichtet wird ein Cafe und der »SchnAsselkeller«. Beide können für Veranstaltungen genutzt werden. Später kommt auf dem Villagelände die »Taverne« und die von den NutzerInnen selbsterrichtete Konzertbühne hinzu. Andere Projekte, wie Fotolabor, linkes Lesecafe, Streetball-Platz und Infoladen, sind angedacht. Die IG-Rock beantragt ABM-Stellen und eineN SozialarbeiterIn. Schon zu diesem Zeitpunkt bahnen sich interne Schwierigkeiten zwischen diesen Leuten und der Mehrheit der BesucherInnen, den Punks, an.
An dem Tag, an dem die Stadtverordnetenversammlung den geplanten Kauf der Villa durch die Stadt vollziehen soll, taucht in Form eines Faxes ein Restitutionsanspruch auf. Die Stadt zieht ihren Kaufantrag erstaunlich eilig zurück, obwohl der Restitutionsantrag anfechtbar gewesen wäre, weil die Frist zur Einreichung längst vorbei ist. Die Stadt verzichtet ebenfalls auf das Einlegen eines Widerspruches und auf das Stellen eines Investititionsvorrangantrages. Das hängt auch damit zusammen, daß mittlerweile die Villa Kuntabunt als Treffpunkt der Punks der Stadt ein Dorn im Auge ist. Auslöser für den Meinungsumschwung ist vor allem das Punkerknackerfestival im Juli 1994, welches etwa eintausend Punks aus dem gesamten Bundesgebiet nach Wurzen zieht. (22)
Erst als der Druck auf den Bürgermeister von allen Seiten (Stadtjugendring, Kreisjugendring, SozialarbeiterInnen des JSHZ’s, SPD
, Landrat Dr. Gey, Presse, Protestaktionen der Villa-NutzerInnen) zunimmt, ist er zu Verhandlungen bereit. Da es jedoch die BB-Baracke als städtischen Jugendtreffpunkt gibt, sieht er keine Notwendigkeit für einen zweiten Treffpunkt. Nach dem Auslaufen des Mietvertrages besetzen einige der NutzerInnen die Villa bis zu ihrer Räumung am 17. Juni 1995. Das einzig alternative Zentrum Jugendlicher, die Villa Kuntabunt, ist durch massives Zutun der StadtpolitikerInnen Wurzens unwiderbringlich gestorben.

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