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Inhaltsverzeichnis Inhalt Der Intellektuelle als Kriegshetzer - Humanität Aufwärts

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Bernard-Henri Lévys Landserromantik

Wie die Welt aussehen würde, wenn an den Schalthebeln der Macht Intellektuelle säßen, die sich aus moralischer Verpflichtung berufen fühlen, sie menschlicher und gerechter zu gestalten, darüber klärt ein Kommentar von Bernard-Henri Lévy auf, der im Auftrag der spanischen Tageszeitung El Mundo aus Sarajevo berichtete. Der Artikel wurde im Rahmen eines internationalen Handelsabkommens auch in der taz vom 30.12.93 abgedruckt, die ihrer Leserschaft wissen läßt, daß dreizehn europäische Zeitungen im wöchentlichen Turnus Reporter nach Sarajevo schicken, deren Berichte dann von allen beteiligten Blättern abgedruckt werden. »Organisiert und finanziert haben die Aktion die französische Hilfsorganisation Reporter ohne Grenzen und der Fernsehkanal arte«. Lévy sitzt im Vorstand von arte.

»Hebt das Waffenembargo auf!« fordert Lévy bereits in der Überschrift, und: »Die bosnische Armee ist noch lange nicht geschlagen.« Das nun folgende Kleingedruckte ist reine Kriegspropaganda, wie sie in jedem Krisengebiet der Welt noch vom unbedeutendsten einheimischen Rundfunkreporter geleistet werden muß, wenn er seinen Job behalten will. Lévy tut freiwillig, was sonst nur Opportunisten und Kriegsgewinnler tun. Mit Durchhalteparolen appelliert Lévy an die Moral der Einwohner Sarajevos. »Nicht nachzugeben und auf keinen Fall zu kapitulieren«, heißt das Gebot der Stunde, das Lévy vox populi abgelauscht haben will. Aus Verzweifelten, die nicht wissen, wohin sie flüchten sollen, macht Lévy ein »neues Märtyrervolk« und legt »Zeugnis« ab vom »Heldenmut dieser Menschen«, von ihrem »Widerstandsgeist und ihrer unglaublichen Willensstärke.«

Die Gründe für diese Kriegshetze verpackt Lévy in Zitate, die er »einfachen Soldaten« oder auch General Divjak zuschreibt. Demnach muß der »Triumph der ethnischen Säuberungen« verhindert und das »Modell der Zivilisation« gerettet werden. Nun behauptet das jede Kriegspartei, wenn ihr ein »Reporter ohne Grenzen« dumme Fragen stellt, und die Argumente werden nicht dadurch glaubwürdiger, wenn sie einem General in den Mund gelegt werden. Wenn der sich z.B. in der Tradition der Résistance oder der spanischen Republikaner sieht, dann mag das seine private Marotte sein, glauben tut das nur ein ehemaliger Linksintellektueller, der von einem General in Kampfanzug schwer beeindruckt ist. Die Belagerung Sarajevos hat jedoch weder mit der Résistance noch mit den spanischen Republikanern etwas zu tun. Die historische Alternative zum Faschismus lautete damals weder Bandenkrieg noch nationaler Befreiungskampf, letzteren hatten sowohl Frankreich als auch Spanien schon lange hinter sich.

Lévy behauptet, daß die »rivalisierenden Mafiabanden«, deren Anführer er liebevoll »Hitzköpfe« nennt, als ob es sich um ein paar übermütige Halbstarke handelte, die über die Stränge schlagen, inzwischen »eliminiert« seien. »Reguläre Offiziere haben nun die Armee in die Hände genommen«, sagt Lévy. Seitdem wird streng nach Vorschrift »eliminiert« und liquidiert. Der unter den Kämpfen leidenden Bevölkerung dürfte es jedoch egal sein, ob sie Opfer regulärer Einheiten oder einer zusammengewürfelten Truppe ist. Die Leute jedenfalls wollen diesen Krieg nicht, das muß sogar Lévy einräumen. Statt sie in dieser hoffnungslosen Situation aber zur Flucht und die »einfachen Soldaten« mit der »beachtlichen politischen Klarsicht« zur Desertion aufzurufen und in Frankreich dafür einzutreten, daß die Flüchtlinge aufgenommen werden, macht er aus einer leidenden Bevölkerung ein »neues Märtyrervolk«. Wenn Intellektuelle aber anfangen, in weihevollem Ton von »Volk« zu reden, dann wird es nur noch ekelhaft.

Selbst die traurige Mitteilung für die hungernde Bevölkerung, daß in einer Keksfabrik jetzt Uniformen hergestellt werden, begeistert Lévy, weil die Uniform als emblematische Sichtbarmachung des Nationalen dem Krieg erst das richtige Outfit gibt. Wie die letzte schleimerische Hofschranze hält Lévy es noch für eine »vertrauliche« Mitteilung, wenn IŠzetbegovi´c sagt, was er auf jeder Pressekonferenz zum Besten gibt: »Wenn ihr das Waffenembargo nicht aufhebt, werden wir es letztlich selbst aufheben, und wir werden diesen Krieg gewinnen.« Widerwärtig, wie sich Lévy an General Divjak heranschmeißt: »Seine Professionalität, sein physischer Mut, seine Popularität bei den Truppen, seine Intelligenz in strategischen, aber auch in politischen Fragen nötigen allen Beobachtern Respekt ab.« Dagegen die feigen Serben: »Die Serben sind schlechte Infanteristen, sie sind nur stark, wenn es darum geht, aus großer Distanz Granaten abzufeuern. Doch die direkte physische Auseinandersetzung scheuen sie.« Der Kampf Mann gegen Mann, das waren noch Zeiten, kommt da Lévy ins Schwärmen, so »wie einst unsere Soldaten in Verdun, buchstäblich eingegraben«, oder 1944 die Einwohner von Le Havre und Caen, wie sie den »alliierten Bombardements« standhielten. Gegenüber solchen gefährlichen Idioten, die sich »Reporter ohne Grenzen« nennen, sehen sich plötzlich die Militärs in die Rolle derjenigen gedrängt, die Vernunft und Klarsicht vertreten. »Es macht mich verrückt, wenn einer daherkommt und behauptet, ein paar Flugzeuge würden genügen, um Bosnien zu retten«, sagte der ehemalige UN-Kommandeur in Bosnien-Herzegowina, General Françis Briquemont.

Nicht nur Lévy begrüßte den Zerfall Jugoslawiens als Befreiung aus einem »Vielvölkergefängnis«, immerhin ein Gefängnis, in dem es vergleichsweise freundlich zuging und die Insassen als »Gastarbeiter« ins Ausland gehen konnten. Das Resultat des »Selbstbestimmungsrechts der Völker«, wie die nationalen Sezessionen von den westlichen Intellektuellen genannt werden, war logischerweise Krieg um die Neuaufteilung des Landes. Man würde den Intellektuellen Unrecht tun, wollte man behaupten, das alles sei ihnen unbekannt, aber statt nachzudenken und den Mund zu halten, treten Lévy und Co. für eine weitere Splitternation ein, eine Garantie für neues Blutvergießen und Verelendung, wie die Sezessionskriege in fast allen Kontinenten zeigen.

Die Gründung einer Nation, und das hat die Geschichte bewiesen, ist immer mit Vertreibung und der blutigen Unterdrückung von Minderheiten verbunden. Gebietsansprüche lassen sich weder historisch noch moralisch begründen. Wer auf welchem Gebiet lebt, das wurde schon immer durch das Recht des Stärkeren entschieden, und die Stärkeren sind es, die die Geschichte auf ihrer Seite haben.

Laut Lévy, dem selbstlosen Sprachrohr des »einfachen Soldaten«, »kämpfen wir gegen den Faschismus«. Die Faschisten sind die Serben, wahlweise auch die Kroaten, die gestern noch den antifaschistischen Kampf gegen die Serben ausgefochten haben. Aber Lévy ist resistent gegen die am Beispiel Kroatiens deutlich werdende Einsicht, daß Bosnien morgen möglicherweise selbst dem Faschismus zugeschlagen wird, dann nämlich, wenn die umkämpften Gebiete »befreit« sind und man sich den Konflikten mit den ethnischen Minderheiten in den eigenen Landesgrenzen zuwenden kann. Oppositionelle der Regierung IŠzetbegovi´cs haben die entsprechenden Erfahrungen bereits zu spüren bekommen.

All diese Äußerungen haben Lévy nicht geschadet, sie wurden mit Zurückhaltung und Verständnis aufgenommen, weil es hierzulande schon einen Glaubwürdigkeitsbonus gibt, wenn einer seine Empörung nur laut genug herausschreit. »In der bosnischen Frage hatte ich nie Distanz. Ich bin angewidert seit dem ersten Tag dieses Krieges und will meine Empörung über dieses Desaster hinausschreien«, formulierte Lévy laut Zeit vom 20.5.94 sein »ehrliches Anliegen«, welches in diesem Fall auch »intellektueller Offenbarungseid« heißen könnte.



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