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Geständnisdrang und Bekenntniszwang

Ungeachtet dieses Problems, daß sich die von Weizsäcker mit Weihrauch eingenebelte Identität als Treppenwitz herausstellen könnte, wurde in allen gesellschaftlichen Kreisen, die Bedeutung und Tiefe ausschwitzten, unverdrossen nachgeplappert, was bei der RAF zum ABC ihres Identitätskatechismus gehörte, die Frankfurter Spontis an sich selbst mißtrauisch beäugten und worauf die Volksgemeinschaftsbewegung für Frieden und Abrüstung ihren Erfolg gründete. Wenn also der Begriff zum Sahnehäubchen der Feiertagsrhetorik auf Staatsbanketten, Geflügelzüchterversammlungen oder Kassenärztekongressen werden konnte, so kommt dieses Verdienst einer Linken zu, die die Identität erst gesellschaftsfähig gemacht hat. Es war ein langer und beschwerlicher Weg, aber schließlich konnten die unermüdlichen Identitätsforscher von links wie rechts, die die »Zerstörung der politischen Identität« bejammerten oder sich den Kopf über die »deutsche Identitätsfrage« zerbrachen, doch noch einen breitenwirksamen und konsensstiftenden Achtungserfolg verbuchen und die Identität zu der Beliebtheit verhelfen, die sie heute in der Medienwelt genießt.

Seither hat das neue Selbstbewußtsein der Deutschen mit Bildung und Abitur, also der ideelle Gesamt-Spiegel-Leser, und die Besinnung darauf, daß er deutscher Nationalität ist und deshalb auch unbedingt eine nationale Identität bräuchte, zu einer gründlichen Aufarbeitung der Geschichte geführt. Lehrer, Journalisten, Architekten, Richter und Staatsanwälte, keine etablierte und keine noch so abseitige Berufsgruppe, die nicht auf ihre Verstrickung mit der nationalsozialistischen Ideologie hin untersucht worden wäre. Das mit der Frage der Identität auftauchende Interesse an historischer Ursachenforschung, die »lokale Renitenzforschung« (Michael Brumlik) nicht ausgeschlossen, ebenso wie die Wühlarbeit in der Geschichte deutscher Ständeorganisationen und des Beamtentums, läßt jedoch auf mehr schließen als auf ein berechtigtes Interesse an der deutschen Geschichte in den Jahren 1933 bis 1945. Daß man es auf einmal ganz genau wissen wollte, lag nicht nur in der Distanz zum Geschehenen und in der biologischen Lösung des Täterproblems, sondern hatte mit der Suche nach Identität zu tun, also mit der Frage, ob man außer Täter nicht vielleicht auch Opfer gewesen ist bzw. Nachkomme dieses merkwürdigen Zwitters. Hinter den umfangreichen und detaillierten Wälzern, die popularisierte Versionen im Geständnisdrang und Bekenntniszwang ehemaliger Opfer und Täter und ihrer Kinder, die sich wieder gerne an Vati (Peter Schneider) erinnerten, zur Folge hatten, verbarg sich ein heimlicher Stolz auf die zu Tage geförderten ungeheuren Verbrechen, ein Stolz, der noch hinter der maßlosesten Betroffenheit zum Vorschein kam. Dieses Interesse steht übrigens nicht im Widerspruch zu der Tatsache, daß die Deutschen nie gewußt haben wollen, was in Auschwitz geschehen ist. Gerade weil sie es nicht gewußt haben wollen, wurden genaue Untersuchungen geführt, die der Frage nachgingen, inwieweit die Deutschen in den Ablauf des Vernichtungsprozesses verwickelt waren. Die Auschwitz-Lüge ist nur die andere Seite, die negative Konsequenz der Leugnung. Die Frage nach dem Wissen darum ist aufgehoben in dem wissenschaftlich geführten Nachweis, daß es gar keine Gaskammern gab, und wenn, daß sie nicht funktionieren konnten. Die Juden sind in Wirklichkeit also lebendig.

»Die Künder dieser Wissenschaft [Auschwitz-Lüge] benötigen keine Diskussion, auch keinen Strafrichter, sondern einen Arzt. Anderenfalls entstehen Bücher wie das von Pressac [''Die Krematorien von Auschwitz''], die sich zu dem Blödsinn seltsam spiegelbildlich verhalten. Pressac liefert zum Beweis den Gegenbeweis. Die Öfen haben funktioniert, infolgedessen sind die Juden zweifelsfrei tot« (Jörg Friedrich). Daß das Buch von Pressac nicht als der gleiche Humbug abgetan wurde wie die Auschwitz-Lüge, sondern in den Medien (wie dem Spiegel) als letztgültiger Nachweis für die Existenz der Gaskammern ernstgenommen wurde, zeigt nicht nur, daß einige offensichtlich doch so ihre heimlichen Zweifel an der Judenvernichtung hatten, sondern auch, daß die industrielle Leistung nicht länger im Halbschatten vor sich hindämmern mußte, daß ein freimütiges Bekenntnis und Selbstbewußtsein nicht länger der Tat im Wege stand, sondern sich mit ihr problemlos in Übereinstimmung bringen ließen.

Darum ging es letztlich auch im Historikerstreit, als »die Identität der westdeutschen Gesellschaft an ihrem neuralgischsten Punkt berührt [wurde]. War Auschwitz einzigartig? Standen die Deutschen, indem sie es verursacht hatten, ohne Parallele da?« lauteten die Fragen, und weil diese Fragen gestellt wurden, sind weniger die offensichtlich entlastenden Antworten und deshalb schon fast rührend durchschaubaren Absichten von Nolte und Co. aufschlußreich als vielmehr die von Habermas. Als Habermas nämlich empfahl, »nationales Selbstbewußtsein« aus der »kritisch angeeigneten Geschichte [zu] schöpfen«, gab er seinen rechten Gegenspielern zu verstehen, daß nur die Linken wirkliche Patrioten sein können.



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