Reader zur Veranstaltungsreihe der antirassistischen Gruppe Leipzig
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Die Integrationsfalle

Als „afrikanische Traumkombination“ feierte ein SAT1-Reporter jüngst das schwarze Stürmerduo von Schalke 04. Dabei ist Emile Mpenza Belgier und Gerald Asamoah Deutscher. Überdies rennen sie beide für ihre Nationalmannschaften über den grünen Rasen. Das Beispiel zeigt, wie schwer sich Deutsche noch immer damit tun, auch nur jene Form von Integration zu akzeptieren, die der Leistungsfähigkeit des Standorts dient - heißt das Unternehmen nun Deutschland GmbH oder Schalke 04.

Das spiegelt sich in der aktuellen Debatte um Einwanderung und Integration wider. Beides muss sein, da sind sich inzwischen alle einig, wenn das Rentensystem finanzierbar bleiben soll. Die Auseinandersetzungen um das geplante Einwanderungsgesetz, das Asylrecht und die Staatsangehörigkeitsregelungen zwischen den Parteien, den Wohlfahrtsverbänden und der Wirtschaftslobby zeigen jedoch, dass sich die Denkmuster nicht verändert haben – die Wahnidee einer kollektiven deutschen Identität, mal konkret variiert als Bild vom Schwarzwaldmädel, mal abstrakt als Tradition des aufgeklärten Abendlandes, bleibt erhalten. Deshalb muss noch die dritte Generation der Nachkommen von Zuwanderern um ihre Anerkennung als Deutsche kämpfen. An einer fiktiven Leitkultur muss sich messen lassen, wer zum deutschen Kollektiv gehören will.

So wird an die Einwanderung der Zwang zur Integration geknüpft. Viel mehr als die Forderung nach Spracherwerb ist dazu aber nicht zu hören. Die Caritas verlangt ein besseres Angebot an Sprachkursen, während die CDU den Spieß umdreht und Nicht-Deutsche zum Spracherwerb zwingen möchte. Allen ist dabei gemein, dass es die >>Anderen<< sind, die sich in die Mehrheitsgesellschaft integrieren sollen. Das ist eine etwas einseitige Vorstellung von Integration. Das Lexikon hält immerhin zwei Formen bereit: Integration durch >>Eingliederung von Einzelnen und Gruppen in und ihre Angleichung an bestehende Wertstrukturen und Verhaltensmuster<< ist hier nur der eine Weg. Der andere besteht darin, dass sich verschiedene >>Gruppen, Schichten, Klassen oder Gesellschaften gemeinsam zu neuen kulturellen Strukturen und sozialen Ordnungen<< verbinden.

Auch letzteres Verständnis von Integration, das in der EU-Integration zum Tragen kommt, hält am Prinzip des kapitalistischen Nationalstaates und seiner Ordnungspolitik fest. Das kann jedoch kein Grund sein, auf die Forderung nach staatsbürgerlichen Rechten für MigrantInnen zu verzichten, die ihnen unter dem Vorwand der kulturellen Differenz zwischen aufgeklärtem Abendland und Gesellschaften von Händeabhackern und Buddhazerstörern kollektiv verweigert werden. Denn so berechtigt die Kritik an solchen Machenschaften ist, lassen sie sich doch nicht verallgemeinern. Schließlich käme auch niemand auf die Idee, US-AmerikanerInnen wegen der Praxis von Todesstafen oder EU-BürgerInnen wegen der menschenverachtenden Abschottungspolitik Integrationsunfähigkeit zu unterstellen.

In der hiesigen Integrationspolitik hat sich also die >>auswärtige<< Minderheit der >>einheimischen Mehrheit<< anzupassen. Die Unterordnung geht aber nicht zuvorderst auf Zahlenverhältnisse, sondern auf das jeweilige Machtgefüge zurück. In jenen amerikanischen Regionen, wo es keinen Genozid an der indigenen Bevölkerung gab wie in den Andenstaaten, heißt Integration bis heute Anpassung der Mehrheitsbevölkerung an die europäisch geprägte Norm. Hier bestimmt die Minderheit der Einwanderernachkommen die Integrationsmaßstäbe.

Das Machtprinzip gilt auch für die so ganz anders auftretende Integrationspolitik in Irland. Dort sollen Kurse zum Erwerb interkultureller Kompetenz und über den Umgang mit dem eigenen Rassismus die Iren in ihrer Integrationsfähigkeit fördern. Der Hintergrund dieser Sensibilität ist wohl darin zu suchen, dass Irland einst das Armenhaus Europas war und dramatische Erfahrungen als Auswanderungsland gemacht hat. Vor allem aber braucht die grüne Insel als europäischer Wachstumskrösus der vergangenen Jahre dringend Zuwanderung. Die antirassistische Grundausbildung ist insofern ein Produkt des Marktes. Weil Fachkräfte weltweit knapp sind, müssen sie umworben werden. Irland hat erkannt, dass ein Mindestmaß an Offenheit zum Standortfaktor werden kann.

Marktgesetze haben auch die Geschichte Deutschlands als Einwanderungsland geprägt. Die Aufnahme war durch Nachfrage und Angebot von >>Menschenmaterial<< bestimmt. Daran wird das kommende Einwanderungsgesetz selbst dann nichts ändern, wenn es sich am irischen Modell orientiert. Denn die Integrationspolitik ist eine Falle: Mehr Einwanderung bedeutet unter Marktbedingungen mehr Selektion. Integriert wird nur, wer etwas zu bieten hat. Der Streit um die Integrationsfähigkeit von Angehörigen >>fremder Kulturen<< demonstriert zudem, dass wirtschaftlich begründete Zuwanderung am Rassismus nichts ändert.

Das lässt sich auch an den Resultaten der Selbstethnisierung von MigrantInnen ablesen. Die Einspeisung von MigrantInnen-Kultur und Kanak-Chic in den allgemeinen Kulturbetrieb löst weder diskriminierende Zuschreibungen auf, noch verstört er die Konsumindustrie. Das Beispiel der USA zeigt sogar, wie dort bestimmte Minderheiten inzwischen als Vorzeige-Vertreter uramerikanischer Werte gelten. Vielleicht sind ja auch Leistungsträger wie Emile Mpenza und Gerald Asamoah schon Vorreiter auf dem Weg zur Model Minority

Zuerst veröffentlicht in iz3w 253/2001

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