Licht am
Horizont
Annäherungen an die PKK |
III. Der Kampf der Frauen
als zentraler Punkt innerhalb der PKK
III.2. Entscheidungen für die
Teilnahme am bewaffneten Kampf
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III.3. Frauen in der Guerilla. Welche Schwierigkeiten gab es?
Viele Schwierigkeiten, mit denen Frauen in der Guerilla konfrontiert waren, sind nicht geschlechtsspezifisch; sich an die Realität des Krieges, den Kriegsalltag, Härte der Natur und auch an ein neues Verhältnis zur Bevölkerung zu gewöhnen, sind Aufgaben, die sich für beide Geschlechter stellen. Doch stellen sich die Ausgangsbedingungen für Frauen anders dar. In der Guerilla wird sie wieder mit den feudal-patriarchalen Strukturen konfrontiert, die sich darin ausdrücken, daß sich viele Männer dagegen wehren, daß Frauen in der Guerilla eine Rolle neben ihnen einnehmen. Sie sind der Meinung, Frauen hätten im bewaffneten Kampf nichts zu suchen, wären nicht in der Lage dieses Leben zu führen und den Kampf weiter zu entwickeln.
Vor allem aber stehen Frauen sich selbst, bedingt durch ihre Sozialisation, im Wege. Hier suchen sie auch die Ursachen für Schwierigkeiten und Probleme in ihrer eigenen Persönlichkeit, die sich vor dem Hintergrund der feudal-kolonialistischen Gesellschaft entwickelt hat. Und hier sehen sie auch den Ansatzpunkt, an dem sie am meisten verändern und erreichen können.
In einer Analyse zur Stellung der kurdischen Frau in der Gesellschaft, einem Vorbereitungspapier zum Frauenkongress 1995, stellen sie fest: „Frauen haben ihre Rolle als Sklavin akzeptiert, sie sehen sie als natürlich an. Diese Linie führen sie in der Partei weiter. Sie haben sich keine radikale Veränderung ihrer Persönlichkeit vorgenommen, sehen die Frauenfrage nicht als ihr Problem an, das sie lösen können. Sie verleugnen und tabuisieren die Frauenfrage, stellen sich nicht die Frage nach dem Problem, den Bedingungen. Das ist die Basis dafür, daß Männer ihre Privilegien behalten können. „
Diese Haltung hat sich in den letzten Jahren jedoch schon stark verändert. Frauen gehen bewußter an ihre eigene Rolle in der Gesellschaft und in der Guerilla heran. Dieses Bewußtsein mußte langsam mit den Methoden der PKK durch die Praxis aufgebaut werden. Ab 1987 wurde das Thema Frauenfrage in der PKK immer zentraler. Vorher hatten sich nur wenige Frauen beteiligt. Ab 1990 kamen dann sehr viele Frauen in die Guerilla. Die Partei hatte festgestellt, daß sich die Frauen in der Frontarbeit, also der politischen Arbeit in der Bevölkerung, nicht wirklich von ihrer alten Rolle trennen, deshalb wurden viele in den bewaffneten Kampf aufgenommen. Die Frauen, die damals zur Guerilla gingen, waren mit der Situation konfrontiert, nur sehr wenige zu sein. Viele von ihnen waren noch sehr jung und hatten keine oder nur sehr wenig Ausbildung. Sie wurden auf Männereinheiten verteilt. So berichtet z.B. die junge Kommandantin Heval Newroz, die seit fünf Jahren in der Guerilla ist: „Ich sah am Anfang die Personen als die Partei an, weil ich die Partei nicht kannte. Ich habe mich sehr an die Personen gebunden. Damals habe ich nicht sehr viel Ausbildung bekommen. Deshalb habe ich auch keine großen Fortschritte gemacht. Ich dachte, wenn ich den Freunden keine Last mehr bin, ich ihnen beim Tragen helfe oder irgendwelche kleinen Verantwortungen übernehmen kann, erst dann spiele ich eine Rolle. „
Eine andere Freundin, Heval Hatice, über diese Zeit: „lch bin 1990 in die Guerilla eingetreten. Einer der Gründe waren vor allem die Probleme in der Familie, gegen ich mich gewehrt habe. In den Camps in Haftanin haben wir eine militärische Ausbildung mit Männern zusammen bekommen. Am Anfang waren wir sechs Freundinnen, jede hat in einer anderen Manga teilgenommen, nur zwei waren zusammen. Wir waren keine Personen, die irgend etwas verantwortungsvolles in die Hand genommen haben, sondern solche, die einfach mitgelebt haben."
Das Problem für die Frauen war mangelndes Selbstbewußtsein, fehlende Politisierung und Initiativlosigkeit. Von zuhause waren sie es gewohnt, daß Entscheidungen für sie getroffen wurden, anstatt selbst zu planen, selbst zu entscheiden und eigenständig Schwierigkeiten zu lösen, die sich stellen.
Die fehlende Initiative von Frauen änderte sich zunächst auch nicht, als sie selbst Verantwortung übernehmen sollten: in den ersten Frauenmangas. Heval Newroz: „ In den Frauenmangas war es so, daß die Freundinnen wenig Selbstvertrauen hatten und es auch an Vertrauen untereinander mangelte. Wir wußten nicht, wie stark sind wir? Man hat sich gegenseitig nicht geholfen und Probleme mit den Männern beredet. Am Anfang war es so, daß die Freundinnen die Befehle der Kommandantinnen nicht befolgt haben, daß sie sich geweigert haben, von einer Frau Befehle anzunehmen: aber wenn ein normaler Kämpfer gekommen ist und etwas befohlen hat, wurde der Befehl ausgeführt, ohne darüber nachzudenken, daß er gar kein Recht hat zu befehlen. „
Daß Frauen sich gegenseitig nicht akzeptieren konnten, kein Vertrauen zueinander hatten, stärkte wiederum die Position der Männer. In den gemischten Einheiten wurde so eine eigenständige Entwicklung der Frauen zu starken, selbstbewußten Persönlichkeiten erst einmal verhindert.
Eine Freundin, die in der Region Serhat (am Ararat) gekämpft hat, wo Frauen wegen schlechter Bedingungen erst 1994 in größerer Zahl teilnahmen, sagt über die Zeit 1992/93: „Die Frauen konnten sich gegenseitig nicht akzeptieren, sondern waren von den Männern sehr abhängig. Die Frau, die zur Guerilla kommt, ist ein richtiges Mädchen. Ihr ist wichtig, daß ihre Kleider schön sind, ihr Äußeres. Daß sie versucht, ein starkes Bewußtsein zu gewinnen, ist noch sehr schwach entwickelt. In der Zeit 1992/93 haben wir uns sehr klein gemacht. Die Männer konnten sich ohne weiteres die Autorität nehmen, was sie auch getan haben. Wir haben ihnen den Weg dazu eröffnet. Die meisten Männer hatten einen sehr starken feudalistischen Stolz und konnten uns nicht akzeptieren. Viele Frauen wurden nach Hause geschickt mit der Begründung sie könnten sowieso nichts tun. Und wenn sie da waren wurden sie z.B. in die Küche geschickt, durften nicht in den Krieg, nicht an Auseinandersetzungen teilnehmen. So konnten sich Frauen politisch und militärisch nicht weiterentwickeln. Weil wir selbst keine Erfahrung hatten, blieb uns nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren. Die Freunde haben immer gesagt, daß Frauen zu empfindlich sind, daß sie nicht in dem hohen Schnee gehen können, der über ein Meter ist, daß sie viele Schwierigkeiten beim Laufen haben werden. Aber auf der anderen Seite haben wir sehr oft Kuriertätigkeiten übernommen, auch bei Auseinandersetzungen. „
Frauen und Männer haben sich in ihrer Entwicklung gegenseitig gebremst. Die Männer konnten sich Frauen nur in den Tätigkeiten vorstellen, die sie selbst von zu Hause kannten; und man kannte nur die Frau in der Familie. Als Kämpferinnen konnte man sich Frauen nicht vorstellen. Es wurde um Frauen in der kurdischen Gesellschaft gekämpft, vor allem um ihre Ehre, sie selbst blieb passiv. Dieses Vorurteil wurde durch die Passivität von Frauen auch immer wieder gestützt. Heval Jiyan: „Meistens entstehen traditionelle Beziehungen wie in der Familie, Bruder-, Schwesterbeziehungen, die sehr feudalistisch sind. „
Auch emotionale Beziehungen zu Männern haben die Frauen oft an einer Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit gehindert. Die Vorbereitungsgruppe zum Frauenkongreß hat sich mit dem Thema Beziehungen in der Guerilla auseinandergesetzt. Ihre Erfahrungen sind: „Die Frau, die kein Bewußtsein über sich hat und Beziehungen eingeht, begibt sich in eine versklavte Situation. Liebe und Verliebtheit werden (in der kurdischen Gesellschaft) als feudale, kleinbürgerliche Verlogenheit gelebt. Die Frau hat keine Möglichkeiten zur Wahl, keine Kriterien und Maßstäbe. Sie ist lenkbar. Der Mann schöpft seine ganze Kraft aus der Unterdrückung der Frau. Die Frau benutzt ihre sexuelle Anziehungskraft, um etwas durchzusetzen, auch in den Bergen. Sie versucht, den Mann an sich zu binden. Dadurch wird Sexualität mißverstanden, Liebe und Interesse aneinander darauf reduziert. Die Sexualität dient wieder nur den Bedürfnissen des Mannes. „
Abdullah Öcalan sagt dazu in einer Analyse zur Situation der Frauen im Befreiungskampf: „Mit dem 'ich liebe dich' verschließt sich die Frau die Tür des Lebens sehr schnell. Sie hat dann keine Möglichkeit zur Entfaltung mehr. „
Die Frauen selbst sagen dazu, daß sie sich nicht bereit fühlen für emotionale Beziehungen zu Männern, sondern daß es vielmehr darum geht, die Beziehungen untereinander, unter Frauen, aber auch zu Männern, auf einer politischen, also genossenschaftlichen, Ebene aufzubauen, die durch gegenseitige Achtung und Respekt bestimmt ist. Eine andere Art von Beziehung ist nicht denkbar, da das Bewußtsein auf beiden Seiten noch nicht sehr weit entwickelt ist. Zuerst muß eine Persönlichkeit entstehen, die sich von den Denkmechanismen der alten Gesellschaft befreit hat.
Heval Hatice: „Wir müssen erstmal etwas erreichen. Was haben wir denn bisher? Gar nichts. Wir sind immer noch sehr weit von allem entfernt, da können wir nicht das letzte als das erste sehen. Wir haben viel vor: die Befreiung, die Unabhängigkeit. Dieses Ziel muß zuerst erreicht werden. Serok sagt, daß er Beziehungen nicht verbietet. Es ist auch so, daß verheiratete Paare in die Partei kommen. Aber sie sehen, daß es dort keine Familienbeziehungen geben kann. Sie gehen auseinander und leben genossenschaftlich. Sie entscheiden selbst, daß sie lieber so leben wollen denn als Paar. Gleichzeitig denke ich, daß wir Angst davor haben, in eine solche falsche Beziehung zu geraten, etwas Falsches zu tun, so daß wir uns damit begrenzen und die wahre Genossenliebe nicht genießen. Wir halten Abstand. Das ist auch nicht richtig."
Beziehungen zwischen Frauen und Männern haben nicht nur die eigenständige Entwicklung der Frauen behindert und immer wieder die alten Strukturen entstehen lassen, sondern auch dem Feind direkt in die Hände gearbeitet, wenn z.B. Paare von der Guerilla desertiert sind und dem Feind Stellungen verraten haben.
Heval Dilan: „Wenn ein Paar abhaut ist es ein gesellschaftliches Problem, das noch nicht gelöst ist. Der Feind lebt in uns. Gerade wenn Leute noch nicht so bewußt sind, stürzen sie sich in solche Sachen. Die, die schwach sind, die immer aus Gefühlen heraus handeln, werden im Krieg - egal wo sie sind- immer verlieren."
Das Problem, wenn Paare desertiert sind, war, daß es immer den Frauen angelastet wurde, wenn solche Beziehungen entstanden sind: „Die Frau bringt die Armee durcheinander". In der Regel flüchten jedoch von der Guerilla mehr Männer als Frauen. Frauen haben größere Angst dem Feind in die Hände zu fallen, weil sie mit Vergewaltigung rechnen müssen. Ein weiterer Grund ist, daß keine Guerillera (allerdings auch kein Guerilliero) wieder nach Hause kann, weil das die Ehre der Familie zerstören würde. Frauen können auch nicht wie ein Mann in eine Stadt flüchten, und sich dort Arbeit suchen.
Der Hauptgrund ist jedoch: Heval Dilan: „Wir möchten seit Jahrhunderten frei sein, das ist schon ein Fakt, daß die Frau das nicht mehr so einfach hergibt. „
Die Vorurteile gegenüber Frauen von Seiten der Männer haben ihre Ursache auch in der Tatsache, daß der türkische Staat immer wieder Agentinnen in die Guerilla einschleuste, die versuchten, Beziehungen auf der Kommandantenebene einzugehen um so Entscheidungen zu beeinflussen. Der türkische Staat sucht sich natürlich Schwachstellen der kurdischen Gesellschaft, in der Hoffnung den Kampf somit unter seine Kontrolle zu bekommen. Es entstand generell ein Klima des Mißtrauens gegen Frauen, das in der feudalen Denkweise vieler Männer einen Nährboden fand. Vorurteile, die gegen Frauen als vermeintliche Zerstörerinnen des Armeelebens sowieso bestanden, wurden durch diese Agentinnentätigkeit weiter zementiert. Für einige Kommandanten war es eine willkommene Gelegenheit, die Frauen loszuwerden. Eine solche Situation entstand z.B. 1992 in Amed. Als eine Agentin, die eine Beziehung zu einem Kommandanten aufgebaut hatte, enttarnt wurde, entschied die Leitung, den Großteil der Frauen aus Amed abzuziehen und an die Front (ERNK) zu schicken, was auch getan wurde. Begründet wurde dieser Schritt damit, daß man eine Männerarmee wolle und man sich nicht durch die Beteiligung von Frauen, mit den dadurch hervorgerufenen eigenen Gefühlen konfrontieren wolle. Wenn Beziehungen entstanden, wurde den Frauen die Schuld gegeben. Viele Frauen wurden zu Unrecht verdächtigt, Agentinnen zu sein. Die Parteileitung hat diesen Umgang scharf kritisiert. Die zuständigen Kommandanten wurden abgelöst, die Frauen zurück in die Guerilla geholt. Sobald solche Fehler dem Generalsekretär bekannt wurden, schritt er ein.
Die Vorbereitungsgruppe für den Frauenkongreß stellte fest, daß Frauen in der Vergangenheit häufig versucht haben, über die Beziehung zu einem Kommandanten ihren Weg in die Guerilla zu erleichtern, daß Frauen sich an die Macht der Männer anlehnen und für sich einen individuellen Weg suchen. Häufig sind es Frauen aus dem Kleinbürgertum, die solche Beziehungen anstreben. Karrierismus ist einer der Gründe, sich Vergünstigungen und Privilegien zu verschaffen, ohne selbst umeinander zu kämpfen. Frauen aus dem Kleinbürgertum sahen ihre Freiheit oft darin, „freie" Beziehungen im bürgerlichen Sinne aufzunehmen. Die Genossin llgaz sagt dazu: „An diesen Fragen kann man die Freiheit nicht messen. Viel wichtiger ist, daß Frauen z.B. Iernen auf einer Plattform ihre Meinung zu äußern. „
Ein weiteres Problem für die Entwicklung der Beziehungen zwischen
den Geschlechtern sehen die Frauen darin, daß Frauen mit bürgerlichem
Hintergrund, die häufig Leitungsfunktion übernehmen, die Probleme
nicht vor dem Hintergrund der kurdischen Realität bewerten. Sie bleiben
nicht auf einer politischen Ebene, sondern machen die Quelle der Probleme
an den Männern fest, teilweise um eigene Schwächen zuzudecken.
Eine Genossin berichtet in ihrer Selbstkritik. Heval Xezal: »Mein
Wissen über die Partei war beim Eintritt in die Guerilla von Propaganda
geprägt. Als ich der Wirklichkeit gegenüberstand, war ich sehr
schockiert. Das Feudale, die soziale Rückständigkeit, das Dörfliche,
es hat meine Träume zerstört, denn ich hatte eine andere PKK
erwartet: Eine richtige ordentliche Armee, daß eine sozialistische
Lebensart vorherrscht, der Sozialismus erreicht ist. Wenn man das vor dem
Hintergrund meiner Klassenherkunft sieht, war es so, daß ich alles
sehr zurückgeblieben, sehr klein gefunden habe. Ich habe mich als
rettende Person gesehen, die sich überall eingemischt hat, alles verbessern
wollte. Ideologisch und politisch war ich jedoch nicht sehr stark und konnte
Situationen nicht objektiv bewerten. Ich kannte die Realität der Bevölkerung
nicht. Ich liebte meine Genossinnen nicht, zurück zur Familie konnte
ich nicht, daß hat mein kleinbürgerlicher Stolz nicht zugelassen.
Bei den Problemen in unserer Kommandantur hat auch die Frauenleitung
eine gewisse Rolle gespielt. Alles was man an mir kritisiert hat, sah ich
als Kritik an der Parteilinie, obwohl ich hätte wissen müssen,
daß es Kritik an meiner eigenen Linie ist. Wir haben gegen den feudalen
Charakter der männlichen Leitung angekämpft, was auch dazu führte,
daß einige Genossinnen in der Leitung ihre Verantwortung einfach
niedergelegt haben. In der richtigen Art der Leitung waren wir sehr mangelhaft.
Wir haben überhaupt nicht akzeptiert, daß in unserer Arbeit
Mängel lagen. Wir haben uns gegenseitig behindert statt uns weiterzubilden.
Statt uns gegenseitig zu kritisieren, haben wir uns sehr liberal behandelt.
Statt an unsere eigene Kraft zu glauben, haben wir uns immer wieder an
Serok gelehnt. Wir haben seinen Namen sozusagen ausgenutzt, weil er uns
ja auch eine gewisse Stärke gegeben hat.
Eine unabhängige freie Frau zu sein, haben wir total falsch verstanden.
Wir haben die kurdische Realität, vor allem auch die der Männer,
überhaupt nicht verstanden: wir haben überhaupt nicht betrachtet,
daß die Armeebildung„ das Soldatwerden, die militante Persönlichkeit,
daß das alles Schritte zu unserer Freiheit sind. Daß das fehlende
Selbstbewußtsein von Frauen aus ihrer Sozialisation kommt, haben
wir nicht gesehen.. Wir haben das nur sehr oberflächlich und eng betrachtet.
Wir dachten, wenn wir körperlich stark sind und das gleiche tun wie
Männer dann werden wir auch frei sein. Die Geschlechterbefreiung haben
wir nicht verstanden. „
Gerade weil der Generalsekretär Abdullah Öcalan der Entwicklung der Frauen in der Partei besonderen Wert beimißt, nutzten einige Frauen diese Position, um sich selbst den eigenen Werdegang nicht in Frage zu stellen. Die Parteilinie wurde als Autoritätsargument genutzt. Das Problem, daß gerade Kämpferinnen und Kämpfer aus den Metropolen, mit bürgerlichem Hintergrund, von dem niedrigen Stand der Entwicklung des Alltags und sozialen Lebens enttäuscht sind, ist nicht geschlechtsspezifisch. Eine Genossin, Jiyan sagt dazu: „ Diese Leute sind etwas verträumt, haben Utopien im Kopf und kommen dann mit der Realität nicht zurecht. Sie gehen sehr emotional und wenig bewußt in die Revolution, kennen das Leben in der Bevölkerung nicht. „
Frauen aus den Dörfern übernehmen häufig die feudalen Verhaltensmuster von Männern. Heval Newal: „Einige Freundinnen haben sich sehr männlich gegeben. Vom Aussehen her und auch von ihrer Art sich zu bewegen wollten sie wie Männer sein, anstatt starke Frauen zu werden. Obwohl ihre körperlichen Fähigkeiten es gar nicht zugelassen haben, haben sie sich immer wieder in Konkurrenz zu den Männern gestellt. Zum Beispiel wenn die Männer ganz vorne an der Spitze gegangen sind wollten sie auch nach vorne, auf jeden Fall nicht zurückbleiben. Es wurden über die körperlichen Fähigkeiten hinaus Lasten getragen. Das führte zu gesundheitlichen Problemen, z.B. Rückenschmerzen, Unterleibsschmerzen oder die Regel blieb aus. Das revolutionäre Leben wurde nicht gelernt. Statt sich ideologisch-politisch zu bilden, hat man ständig versucht sich den Männern zu beweisen. Wenn wir kritisiert wurden, haben wir typisch weiblich reagiert, total verstört, konnten es nicht glauben, daß wir so hart kritisiert werden. Im Grunde fanden wir uns ja selbst minderwertig. Unterbewußt war es immer wieder so. Wenn man uns sagte: 'Du benimmst dich wie ein Mann' haben wir uns darüber gefreut. Ich muß sagen, das war ein wirkliches Hindernis für unsere Befreiung."
Vielen Frauen war nicht bewußt, daß sie in der Guerilla
ein Leben wie zu Hause weiterführen wollten: ohne Eigeninitiative,
einfach mitlaufen, eine dienende Rolle beibehalten. Dieses fehlende Bewußtsein,
aber auch die fehlende Erfahrung, was Kriegstaktik angeht und die mangelnde
Politisierung haben verhindert, daß Frauen Leitungspositionen anstrebten.
Heval Hatice: „Diese Strebsamkeit hat uns vor allem gefehlt. Wir haben
im Inneren nicht daran geglaubt, daß wir uns entwickeln können.
Dieses Gefühl, etwas eigenständig zu tun hat uns gefehlt. Wir
haben einfach akzeptiert teilzunehmen. Wir haben nicht überlegt selbst
Positionen zu übernehmen. Bis dahin hatte ich mich mit der Frauenfrage
nicht beschäftigt, denn ich sah den Kampf als einen körperlichen
Kampf; körperlich war ich sehr stark, daher habe ich mich als Frau
der Frauenfrage nicht verantwortlich gefühlt. Ich habe es so gesehen,
als hätte ich dieses Problem nicht, als wäre es ein Problem der
anderen. Deshalb wußte ich nichts über das Frauenproblem, konnte
den Freundinnen nicht helfen. Die eigentlichen Probleme kamen, als ich
Verantwortung bekam, Leitungsfunktion übernehmen sollte. Nur bei Auseinandersetzungen
konnte ich meine Rolle gut spielen ... Bis 1993 war es so, daß ich
das Problem mich weiterzubilden für mich nicht sah. Ich habe es auch
nicht für nötig befunden. Ende 1993 gab es Frauenmangas. Die
Frauenarmee sollte gebildet werden. Ich sollte Kommandantin werden, aber
ich konnte es nicht. Ich war politisch zurückgeblieben, kannte mich
nicht aus, konnte nichts beitragen. „