Licht am
Horizont
Annäherungen an die PKK |
III. Der Kampf der Frauen
als zentraler Punkt innerhalb der PKK
III.3. Frauen in der Guerilla, welche
Schwierigkeiten gab es?
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IIII.4. -Aufbau der Frauenarmee - Loslösung von der traditionellen Rolle
Der Weg für Frauen in die Guerilla war ein Weg, der mit vielen Schwierigkeiten verbunden war. Für viele Frauen fing die wirkliche Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Rolle erst im Kampf selbst an. Vor dem Hintergrund der kurdischen Volksaufstände, der Serhildans, in denen Frauen eine sehr wichtige Rolle gespielt haben, und vor allem durch die Aufrufe der Partei, schlossen sich ab 1990 immer mehr Frauen dem bewaffneten Kampf an. Bis dahin waren Frauen hauptsächlich in der politischen Frontarbeit der ERNK tätig.
Dort waren sie sehr aktiv und erfolgreich. Obwohl diese Arbeit vor allem in Nordwest-Kurdistan sehr aufwendig und gefährlich ist, werden die Ergebnisse dieser Arbeit nicht als Erfolg der Frauen gesehen, sondern als Erfolg der Front. Es ist Arbeit, die im verborgenen bleibt. Es war wichtig, daß die Frauen sichtbar wurden, daß sie bewaffnet kämpfen, weil nur so ihre Beteiligung im Krieg wirklich anerkannt wird.
In der Armee mußten eigene Strukturen aufgebaut werden, um das Selbstbewußtsein der Frauen zu stärken und gleichzeitig der Bevölkerung zu zeigen, welchen Anteil Frauen am Befreiungskampf tragen. Abdullah Öcalan: „Soldat sein allein reicht nicht. Der Krieg kann nur eine Basis schaffen, für die eigene Identität zu kämpfen und Vorurteile zu überwinden. Wenn ihr die Unabhängigkeit erreichen wollt, dann müßt ihr es selbst in die Hand nehmen. „
Zur Schaffung erster Frauenmangas mußte jahrelange Vorbereitungsarbeit geleistet werden. Ziel war es, in absehbarer Zeit die Frauenarmee aufzubauen. Frauen mußten zuerst militärische Erfahrungen sammeln und politisch ausgebildet werden. In allen Bereichen mußte eine Basis geschaffen werden, damit solch eine Idee überhaupt erst diskutiert werden konnte. Die Schritte mußten langsam entwickelt werden, sonst wäre dieses Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.
Eine Frauenarmee ohne Vorbereitungsphasen hätte in der Bevölkerung große Widersprüche ausgelöst. Zuerst mußten sich noch mehr Frauen beteiligen. Als diese Quantität erreicht worden war, mußten die Frauen gleichzeitig politisch auf diesen Schritt der eigenen Armeegründung vorbereitet werden.
Vielen wurde es ermöglicht an einer einjährigen Schulung teilzunehmen. Da die Anzahl der Frauen immer weiter angestiegen war, entstanden auch immer mehr Frauenmangas. Mittlerweile gab es einige Frauen mit sehr viel Kampferfahrung. Dazu kamen Frauen, die lange Erfahrung in der Arbeit unter der Bevölkerung, also in der Frontarbeit hatten, in die Guerilla.
Heval Newroz: „Es wurde mit Mangas angefangen, die aber in größeren Einheiten mit Männern zusammengefaßt waren. Damals dachte man, daß die Befehle sowieso von oben, von den Freunden kommen und, daß das auch ruhig so weitergehen könnte. Die Initiative lag noch in den Händen der Männer. Mit der Zeit hat sich aber etwas entwickelt und wir haben Selbstvertrauen gefaßt. Das kollektive Leben, die gegenseitige Hilfe hat sich erweitert. Schon allein die Notwendigkeit neue, bessere Kriegstaktiken entwickeln zu müssen, hat bei uns Initiative ausgelöst. Als wir noch mit den Freunden zusammen waren, hatte sich das nicht so entwickelt. Jetzt waren wir auf uns selbst angewiesen und hatten Verantwortung, die wir entsprechend tragen mußten. Dabei hat sich die Initiative von selbst entwickelt. „
Auf die Frage, ob es den Wunsch nach Frauenmangas und Fraueneinheiten gab, oder ob es sogar eine Forderung der Frauen war, sagt Hatice: „lch möchte betonen, daß das Wollen zu einer solchen Entwicklung sehr stark war. Wir haben uns nicht sehr wohl gefühlt. Zum Teil waren wir ja auch ganz allein zwischen den Männern und als dann dieser Befehl Mangas zu gründen kam, war es uns wirklich sehr recht. Es war genau das, was wir wollten . . . In einem Krieg Verantwortung zu tragen ist aber nichts leichtes, sondern etwas sehr schweres; am Anfang hat uns da die Erfahrung gefehlt. Auf einmal waren wir auf uns selbst angewiesen. Wir sollten die Initiative ergreifen, um ein ganz neues Modell auf der Welt zu schaffen. Das war am Anfang nicht so leicht. Wir hatten sehr große Probleme. „
Eine andere Freundin bemerkt: »Es wurde öfters diskutiert, ob die Freundinnen zusammenkommen sollten, aber es war nur so untereinander geredet. Wir waren auch zuwenige. In jeder Manga ein oder zwei Frauen, nicht mehr. Es wurde nicht laut ausgesprochen, aber dann kam die Anweisung von der Parteileitung und das kam uns sehr entgegen ... Wenn die Freunde gemerkt haben, daß wir Schwierigkeiten hatten, wurde unseren Gruppen sehr viel Hilfe gegeben. Zum Beispiel hat ein Gebietskommandant den Frauen sicher doppelt soviel Unterstützung gegeben wie den Männern, damit wir so schnell wie möglich Erfahrungen sammeln können und wir selbstständig werden. Zum Beispiel hat der Gebietskommandant während einer Operation entweder einen sehr starken Kommandanten geschickt, oder er ist selbst gekommen, um seine Erfahrungen an uns weiterzugeben, damit wir ausgebildet werden. Die Freunde haben diese Hilfe nicht so stark erhalten. Sie waren auf sich selbst gestellt. Die größte Hilfe war, daß die Freunde uns, nachdem wir etwas ausgebildet waren, alleine gelassen haben, so daß wir auf uns selbst angewiesen waren ... Da wurde nicht viel vorgegeben oder Befehle erteilt. Im Gegenteil, man hat uns gesagt: Ihr seid verantwortlich! Das hat uns weiterentwickelt. Zum Beispiel konnte sich kein Freund bei unserer Manga einmischen, außer der Leitung, und die hat sich selten eingemischt. Nur, wenn es sehr ernste Probleme gab. Wir hatten zum Teil sehr große Schwierigkeiten, aber der Glaube war da und schon deswegen haben wir unser Bestes gegeben. Und das hat uns immer wieder weitergebracht. „
Diese Entwicklung war nur möglich, weil die Parteileitung beziehungsweise der Generalsekretär sich ständig über Funk erkundigte, ob die Anweisungen Frauengruppen zu gründen durchgeführt wurden und welche Fortschritte es gebe.
Als die ersten Fraueneinheiten gegründet wurden, hatten bis dahin nur wenige Frauen Erfahrungen in kämpfenden Einheiten gesammelt. Die meisten hatten Aufgaben in den größeren Camps oder Hauptquartieren übernommen und wenig Praxis in der Auseinandersetzung mit dem Feind. Mit der Bildung von Fraueneinheiten mußten auch Kommandantinnenaufgaben übernommen werden.
„Als die Freunde mir die Verantwortung übertragen wollten, habe ich mir das selbst nicht zugetraut. Ich wollte die Verantwortung erst gar nicht. Ich wußte nicht, wie ich für die Fragen eine Lösung sein sollte. Aber dann habe ich gemerkt, daß ich mich nicht einfach so verweigern kann, daß ich dieses Selbstbewußtsein selbst finden muß, daß ich vor allem Soldatin bin und die Befehle befolgen muß, daß es nicht zu einem militanten Charakter gehört, kein Selbstvertrauen zu haben. Ich habe begriffen, daß es nicht so weitergeht. Daraufhin habe ich es akzeptiert. Die Freundinnen haben mir dabei geholfen. Ich hatte Bedenken, wie ich gleichgestellten Freundinnen Befehle erteilen sollte. Als ich dann die Verantwortung übernommen hatte und meine Praxis eigentlich nicht so schlecht war, habe ich Fähigkeiten bei mir entdeckt, die ich noch gar nicht kannte und diese weiterentwickelt. Daher denke ich, daß es gut war, mir diese Aufgaben zu geben. Auch wenn ich in der Guerilla unerfahren war, hatte ich doch einige Erfahrungen in der Front gesammelt." (Heval Dilan)
Mit der Übernahme der Verantwortung und somit dem Ablegen der passiven Rolle stellten die Frauen fest, daß viel Potential in ihnen steckte, das bis dahin verborgen war. Heval Hatice. „ Wir haben plötzlich gemerkt, daß wir schon sehr viele nützliche Erfahrungen hatten. Als uns das bewußt wurde konnte niemand mehr ein Hindernis sein. Wir merkten, daß wir jede Arbeit erledigen können, die Männer auch machen. „
Im praktischen Bereich machten die Frauen sehr schnell Fortschritte. Um die Rolle der Frauen in der Guerilla weiter auszubauen, legt die Partei vor allem darauf Wert, Frauen politisch und ideologisch weiterzubilden. Analysen des Parteivorsitzenden Abdullah Öcalan zur Frauenfrage sind die Grundlagen dieser Ausbildung. Über Funk werden die aktuellen Analysen in die Camps übermittelt, wo sie verschriftlicht werden und die Basis für Unterricht und Diskussionen bilden. Außerdem wird Frauen die Möglichkeit gegeben an speziellen Schulungen teilzunehmen, um sich in allen Bereichen gründlich auszubilden. Sie werden besonders gefördert, damit sie ihre Rolle als Kommandantinnen selbstbewußt übernehmen und Initiativlosigkeit überwinden können.
Innerhalb der Guerilla werden Strukturen geschaffen, die verhindern sollen, daß sich feudale Ansätze in irgendeinem Punkt wieder durchsetzen können. In einigen Gebieten sind noch keine Fraueneinheiten entstanden, da dort die Guerillastrukturen insgesamt noch im Aufbau sind und nur wenige Kämpfer und Kämpferinnen in gemischten Einheiten oder Mangas Vorarbeit leisten. Aus allen Gebieten werden täglich Berichte an das Hauptquartier übermittelt. Umgekehrt erfolgen Anweisungen, wenn es Schwierigkeiten gibt. Der Bericht ist ein wichtiges Mittel der Kommunikation zwischen der Basis und der Leitung. Zum Beispiel gehen Berichte an das Hauptquartier oder gegebenenfalls direkt an den Parteivorsitzenden, der garantiert, daß Mängel, die etwa bei der Leitung auftreten, behoben werden. Frauen können ihre Arbeit in der Gewißheit machen, daß sie die Parteileitung in jeder Hinsicht unterstützt, wenn sich irgendwo alte Strukturen installieren. Zunehmende Institutionalisierung - wie die Kontrolle durch das Hauptquartier und ständige Funkverbindung - verhindert, daß sich, wie früher häufig vorgekommen, Kommandanten kleine Herrschaftsgebiete aufbauen.
Im November 1993 wurde beschlossen, die Frauenarmee zu gründen. Die Basis dafür war geschaffen. Frauen sollten jetzt in der Revolution sichtbarer werden und Autorität aufbauen. Mangas und Takims wurden zu größeren Einheiten von Frauen zusammengefaßt.
Frauen sollen allmählich in allen Bereichen der Revolution Führungsrollen übernehmen. Die Partei setzt diesen Anspruch auch gegen den Willen führender Kommandanten durch, weil sie die Auffassung vertritt, daß Frauen nur wirklich ernst genommen werden, wenn sie sich nicht scheuen die Macht zu ergreifen, daß sie nur Erfolge erzielen, wenn sie auch Verantwortung übernehmen und den Kampf weiterentwickeln.
Der Aufbau der Frauenarmee begann in Botan und wurde dann in Behdinan fortgeführt. In diesen beiden Gebieten waren die Voraussetzungen am günstigsten. Es gibt dort Genossinnen mit langer Kampferfahrung und der Feind hat Schwierigkeiten in das Gebiet auf dem Landweg einzudringen. Im November 1993 wurde begonnen die Fraueneinheiten zusammenzufassen. Die Frauen begannen sich auf den Winter vorzubereiten und ihre eigenen Strukturen in allen Bereichen aufzubauen: eigene Ausbildungsstätten, eine eigene Logistik, eigener Schutz mußten geschaffen werden.
Der Beschluß die Frauenarmee zu gründen, wurde von vielen Frauen begrüßt, die schon in Fraueneinheiten positive Erfahrungen gesammelt hatten. Frauen, die neu in die Guerilla kamen, fanden eine Frauenrolle vor, die sie so nicht kannten. Heval Hebun: „Als ich in die Partei kam, war die Frauenarmee schon am Entstehen. Die Vorarbeiten, die Ausbildung, etwas selbst aufzubauen, das hat uns gestärkt. Wir haben eine politische und militärische Ausbildung erhalten. Wir lernten zum Beispiel, wie man Depots baut. Alle Vorbereitungen, Planungen und Maßnahmen für den Winter haben wir selbst gemacht. „
Es gab auch Stimmen unter den Frauen, die zuerst gegen die Frauenarmee waren. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß Frauen überhaupt in der Lage sind etwas Eigenständiges aufzubauen. Sie hatten nicht das Selbstvertrauen, etwas anderes in der Guerilla zu sein als Befehlsempfängerinnen, die mitlaufen und nichts selbst entscheiden. Die Phase des Aufbaus war sehr schwer und mit vielen Rückschlägen verbunden. Jedoch war es letztendlich der Beweis, daß es zwar nicht leicht ist, aber funktioniert. Nach ersten Anfangsschwierigkeiten ist die Frauenarmee heute in Botan mit etwa 2000 Frauen und in Behdinan mit 700 Frauen fest installiert und hat sich gut entwickelt. Die Frauenarmee hat ihre eigene Oberkommandantur, die auch unabhängig von der übrigen Armee eigene Aktionen, Angriffe und Operationen plant und durchführt.
In einigen Bereichen sind noch keine eigenen Strukturen erreicht. Auf dem Frauenkongreß 1995 wurde jedoch beschlossen Frauen in allen Bereichen auszubilden, unter anderem in Funk- und Pressearbeit.
Bei großen Operationen gegen Städte oder Kasernen soll sich das Hauptquartier und die Kommandantur der Frauenarmee zur Planung gemeinsamer Aktionen koordinieren.
Die Frauenarmee hat den Frauen den Glauben an sich selbst gegeben. Heval Dilan: „Damit wir die Frauen weiterentwickeln können, müssen wir uns auf den Sozialismus stützen. Wir müssen alles selbst in die Hand nehmen, damit wir uns selbst aufbauen. Wir müssen die versklavte Frau in uns vernichten und statt dessen zur militanten PKK´lerin werden. Unser Ziel ist also frei und unabhängig zu sein. Ich glaube daran, daß dies durch die Frauenarmee erreicht wird. Im Krieg habe ich die Erfahrung gemacht, daß es keine Grenzen für diese Entwicklung gibt. Daher glaube ich an alle meine Freundinnen und Genossinnen, daß sie es erreichen können. Und dieses Selbstbewußtsein habe ich auch zu mir, daß ich die freie Frau erreichen werde. „
Die Gründung der Frauenarmee hat die Frauen sozusagen gezwungen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, Verantwortung zu übernehmen, den Krieg selbst weiter zu entwickeln und emotional unabhängig zu werden.
„Die Frau muß an sich selbst glauben. Sie muß die Frau selbst lieben. In der Beziehung gibt es Probleme bei uns: Sie bezieht sich noch häufig auf den Mann. Sie muß lernen, daß sie das Frau sein akzeptiert und anfängt sich selbst zu lieben und nicht versucht männlich zu sein. Ich glaube vollkommen daran, daß sich die Frau in diesem Sinne weiterentwickeln wird." (Heval Newal)
Heval Hatice: „Für uns ist es auch wichtig, daß wir uns nur der Partei beweisen, nicht den Männern. Nur wenn wir militante neue Menschen werden, werden wir frei, wenn wir uns an den Männern orientieren ist das eher ein Rückschritt. Ich habe schon vorher viel Vertrauen in die Frauen gehabt, aber jetzt ist es noch größer geworden. „
Die Frauenarmee wird als Chance gesehen ein neues Frauenbild zu entwickeln, eine Frau, die selbst schöpferisch wird, eine Autorität darstellt. Heval Newroz: „Man muß die Entwicklung der Frau betrachten, die Frau selbst. Eine solche Armee zu gründen ist nicht leicht. Die Frau ist nicht nur in Kurdistan unterdrückt, sondern überall auf der Welt und steht an zweiter Stelle. Zum ersten Mal in der Geschichte wird sie an die erste Stelle gestellt, was die Armee betrifft. Wir haben da sehr große Verantwortung. Ich bin mir sicher, daß es nicht nur um die Befreiung der kurdischen Frau geht, sondern um die Freiheit der Frauen auf der ganzen Welt. „
Die kurdischen Frauen haben sich in der Guerilla von ihrer passiven Rolle gelöst, sich das Bewußtsein erkämpft, daß es um kollektive und nicht um individuelle Befreiung geht, daß sie sich von ihrer inneren und äußeren Kolonialisierung befreien müssen und, daß sie dabei die Avantgarderolle nicht nur in der kurdischen Revolution sondern auch für die Frauen in der ganzen Welt einnehmen müssen, im Kampf gegen Patriarchat und Imperialismus.