aus dem türkischen übersetzt

Prozesserklärung von Eva Juhnke
zur Zeit im Gefängnis von Mus

11.Juni 98
Teil III

Ich denke, daß mit der heutigen Verhandlung der Prozess gegen mich zuende geht. Das Ergebnis, die gefällte Entscheidung hat keine Bedeutung, denn es ist eine politische Entscheidung. Das Gericht hat nicht die Funktion zu entscheiden, ob ich schuldig bin oder nicht. Entscheidender für das Gericht ist, ob meine Aussage in die offizielle Ideologie paßt oder nicht, darüber entscheidet das Gericht. Die türkische Republik ist in den Händen einer Mörderbande, da dies offensichtlich ist, kann man von diesem Gericht nichts anderes erwarten. Wenn man sich die Geschichte der Türkei betrachtet, sieht man, daß die gerechten, die unschuldig waren schuldig gesprochen wurden und die Schuldigen freigesprochen wurden.
Diese Situation hatten wir auch 1936 in Deutschlandund jetzt ist sie in der Türkei. Aber was heute geschieht muß und darf nicht morgen geschehen, das darf man nicht vergessen. In den ersten beiden Teilen meiner Aussage habe ich versucht einiges darzustellen, nicht sehr ausführlich, aber ich denke es reicht aus. Ausführlichkeit ist auch nicht notwendig, denn ich habe nicht als erste zu dem Kampf der PKK vor Gericht Stellung bezogen. Das haben schon andere vor mir getan und weitere werden folgen. Sich für diesen Kampf einzusetzen, ist nicht auf dieses Gerichtsverfahren begrenzt. Bis zum heutigen Tag gibt es viele Äußerungen und Dokumente dazu und die entscheidende Stärke ist die Praxis der Partei und die Teilnahme des Volkes an diesem Kampf.
Die Frage Kurdistans ist nicht nur eine kurdische Frage, sondern das Problem ist die Ausbeutung. Die einzige Lösung ist, daß die Kolonielisierung beendet wird. Der Kampf den die PKK führt hat nicht das Ziel die Integrität zu zerstören, dies hat die PKK nie als ihr Ziel gesehen und das wird auch nicht das Ziel sein. Der Kampf der PKK hat das Ziel die Ausbeutung Kurdistans zu beenden. Sie haben wir bekämpft und werden sie auch weiter bekämpfen. Wir sind als RevolutionärInnen KämpferInnen für jedes Volk, daß sich befreien will. Wir kämpfen zum gemeinsamen Vorteil der Völker. Wem das bewußt ist, der unterstützt und beteiligt sich am Kampf. Seit 15 Jahren kämpft das türkische Regime mit seiner Genozidpolitik gegen das kurdische Volk, dagegen versuchen wir das kurdische Volk zu verteidigen. Die ARGK hat so auf die Eröffnung des Krieges der türkischen Republik geantwortet, denn jedes Volk hat das Recht sich zu verteidigen. Unser Ziel ist, daß das kurdische Volk dieses Recht bekommt über sich selbst zu bestimmen. Nur so kann kann gesellschaftlich, sozial und politisch eine Entwicklung erreicht werden. Das was heute Demokratisierung der Türkei genannt wird, hat mit Demokratie nichts zu tun. So einfach kann Demokratie nicht erreicht werden. Entweder gibt es Demokratie oder nicht. Was unter dem Namen der Demokratie in der Türkei geschieht ist mörderisch. Das Verschwindenlassen von Menschen, der Druck auf die Medien und gesellschaftlichen Organisationen, Menschen die ins Exil getrieben werden und Massenprozesse, das heißt Demokatisierung in der Türkei. Kurz gesagt, ein Krieg auf allen Ebenen. Um die Demokratisierung der Türkei zu erreichen, müßte dem kurdischen Volk das Recht gegeben werden, seine Zukunft selbst zu bestimmen. Wir rufen das türkische Volk auf sich mit uns zu solidarisieren. Unser Kampf ist Teil der Befreiungskämpfe aller Völker der Welt.
Wir glauben, daß alle Völker in Frieden leben können. Vorrausetzung dafür ist Emanzipation und Demokratie, gegenseitiger Respekt und Sensibilität. Eine Einigung zu finden ist eine politische Kunst, und wird nur mit dem Einverständnis aller geschlossen, nicht gegen einen.
Was ist die Aufgabe einer Revolutionärin oder eines Revoutionärs? Eine Führung hat die Aufgabe die Situation zu analysieren und Entscheidungen zu treffen, Welche Gefahren wrd es bei der Erreichung des Ziels geben? Die Kunst des Sehens ist nicht nur das sichtbare zu sehen, sondern auch es zu analysieren und das noch nicht Geschehene vorrauszusehen. Das ist die wahre Kunst des Sehens. Eine Führung erzeugt eine Kraft entwickelt und stützt sie. Sie vertritt diese Kraft und die Bewegung. Sie sieht die kleinsten Gelegenheiten und Möglichkeiten, und analysiert sie. Wenn es scheinbar keine gibt, findet sie diese und nutzt sie. Führung ist dann meisterhaft, wenn ein/e Militante/r diese Arbeit in die Praxis umsetzt. Die Schwierigkeit in der Revolution ist so nicht eine Aktion zu machen und sich dort zu beweisen, sondern, wie CHE gesagt hat : "Wir haben unser ganzes Vertrauen den Menschen gewidmet, Die Aufgaben sind ihnen entsprechend ihrer Fähigkeiten anvertraut. Der Sieg oder die Niederlage hängt von ihnen ab. In unseren Kämpfen können wir den Menschen der Zukunft sehen. Eine unserer grundlegendsten Aufgaben ist es in unserem Alltagsleben diese heroische Haltung aufrechtzuerhalten, von ideologischen Standpunkten der Bewegung überzuleiten und einen Lösungsweg zu finden."
In dem Kampf, den das Volk für seine Interessen führt, muß es ein unerschütterlicher Teil sein. Heute wird in einer empörenden Weise nicht nur gegen das kurdische Volk vorgegangen, sondern gegen alle Völker. Dabei ist das Ziel die Plünderung der natürlichen Ressourcen, die Zerstörung der sozialen und ökonomischen Infrastruktur. Hunderttausende sind so in Armut, Krankheit und in eine ausweglose Situation geraten. Die Verantwortlichen für diese Misere, die Folterer und Mörder sind an der Macht. Aber es wird Morgen nicht mehr so weitergehen, denn die Völker wachen auf.

Ihr werdet diese Haltung solange einnehmen, bis ihr gelernt habt, daß die Völker in Demokratie, Gleichberechtigung friedlich miteinander leben können und werden. Ihr werdet solange weitermachen, bis ihr alles zerstört und verwüstet habt, aber auch das wird uns nicht einschüchtern und in Schrecken versetzen können. Wir sind es, die alles neu aufbauen und auch in Zukunft aufbau-en werden. Und da die Zukunft uns gehört, werden wir in der Lage sein, ein besseres Dasein zu schaffen und Kurdistan und die Welt in einen menschenwürdigen Ort verwandeln. Die Zukunft, das Morgen wird anders aussehen als das Heute. Heute werden Menschen, die Verantwortung gegenüber dem Volk empfinden, die, die Gleichberechtigung der Völker und das Zusammenleben der Völker in einer friedlichen Weise wollen und fordern für schuldig erklärt. Bin ich deshalb "schuldig"? Wenn das so ist und bewertet wird, bin ich stolz darauf, so eine "Schuld" zu tragen und in dem Sinne auch "schuldig" zu sein. Das ist eine Ehre für mich. Für die Zukunft der Völker und der Menschheit werde ich mich bemühen in diesem Sinne "schuldig" zu werden. Wenn das Gericht mich für "schuldig" erachtet, wird die Geschichte mich freisprechen.
Ich möchte noch etwas hinzufügen. Als Kriegsgefangene kann ich mit dem Begriff, der Bedeutung von "Schuld" durch eine Regierung nicht bestraft oder bewertet werden. Dafür sind universale Begriffe von Schuld oder Strafe notwendig. Da ich Kriegsgefangene bin, kann ich mit Freude sagen, daß ich in keiner Weise schuldig bin.

Es lebe die Freiheit
Alle Völker sind Geschwister
Es lebe die internationale Soldarität
Es lebe die PKK
Es lebe der Parteivorsitzernde Abdullah Öcalan



 
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