Prozesserklärung von Eva Juhnke
zur Zeit im Gefängnis von Mus
Ich denke, daß mit der heutigen Verhandlung der Prozess gegen
mich zuende geht. Das Ergebnis, die gefällte Entscheidung hat keine
Bedeutung, denn es ist eine politische Entscheidung. Das Gericht hat nicht
die Funktion zu entscheiden, ob ich schuldig bin oder nicht. Entscheidender
für das Gericht ist, ob meine Aussage in die offizielle Ideologie
paßt oder nicht, darüber entscheidet das Gericht. Die türkische
Republik ist in den Händen einer Mörderbande, da dies offensichtlich
ist, kann man von diesem Gericht nichts anderes erwarten. Wenn man sich
die Geschichte der Türkei betrachtet, sieht man, daß die gerechten,
die unschuldig waren schuldig gesprochen wurden und die Schuldigen freigesprochen
wurden.
Diese Situation hatten wir auch 1936 in Deutschlandund jetzt ist sie
in der Türkei. Aber was heute geschieht muß und darf nicht morgen
geschehen, das darf man nicht vergessen. In den ersten beiden Teilen meiner
Aussage habe ich versucht einiges darzustellen, nicht sehr ausführlich,
aber ich denke es reicht aus. Ausführlichkeit ist auch nicht notwendig,
denn ich habe nicht als erste zu dem Kampf der PKK vor Gericht Stellung
bezogen. Das haben schon andere vor mir getan und weitere werden folgen.
Sich für diesen Kampf einzusetzen, ist nicht auf dieses Gerichtsverfahren
begrenzt. Bis zum heutigen Tag gibt es viele Äußerungen und
Dokumente dazu und die entscheidende Stärke ist die Praxis der Partei
und die Teilnahme des Volkes an diesem Kampf.
Die Frage Kurdistans ist nicht nur eine kurdische Frage, sondern das
Problem ist die Ausbeutung. Die einzige Lösung ist, daß die
Kolonielisierung beendet wird. Der Kampf den die PKK führt hat nicht
das Ziel die Integrität zu zerstören, dies hat die PKK nie als
ihr Ziel gesehen und das wird auch nicht das Ziel sein. Der Kampf der PKK
hat das Ziel die Ausbeutung Kurdistans zu beenden. Sie haben wir bekämpft
und werden sie auch weiter bekämpfen. Wir sind als RevolutionärInnen
KämpferInnen für jedes Volk, daß sich befreien will. Wir
kämpfen zum gemeinsamen Vorteil der Völker. Wem das bewußt
ist, der unterstützt und beteiligt sich am Kampf. Seit 15 Jahren kämpft
das türkische Regime mit seiner Genozidpolitik gegen das kurdische
Volk, dagegen versuchen wir das kurdische Volk zu verteidigen. Die ARGK
hat so auf die Eröffnung des Krieges der türkischen Republik
geantwortet, denn jedes Volk hat das Recht sich zu verteidigen. Unser Ziel
ist, daß das kurdische Volk dieses Recht bekommt über sich selbst
zu bestimmen. Nur so kann kann gesellschaftlich, sozial und politisch eine
Entwicklung erreicht werden. Das was heute Demokratisierung der Türkei
genannt wird, hat mit Demokratie nichts zu tun. So einfach kann Demokratie
nicht erreicht werden. Entweder gibt es Demokratie oder nicht. Was unter
dem Namen der Demokratie in der Türkei geschieht ist mörderisch.
Das Verschwindenlassen von Menschen, der Druck auf die Medien und gesellschaftlichen
Organisationen, Menschen die ins Exil getrieben werden und Massenprozesse,
das heißt Demokatisierung in der Türkei. Kurz gesagt, ein Krieg
auf allen Ebenen. Um die Demokratisierung der Türkei zu erreichen,
müßte dem kurdischen Volk das Recht gegeben werden, seine Zukunft
selbst zu bestimmen. Wir rufen das türkische Volk auf sich mit uns
zu solidarisieren. Unser Kampf ist Teil der Befreiungskämpfe aller
Völker der Welt.
Wir glauben, daß alle Völker in Frieden leben können.
Vorrausetzung dafür ist Emanzipation und Demokratie, gegenseitiger
Respekt und Sensibilität. Eine Einigung zu finden ist eine politische
Kunst, und wird nur mit dem Einverständnis aller geschlossen, nicht
gegen einen.
Was ist die Aufgabe einer Revolutionärin oder eines Revoutionärs?
Eine Führung hat die Aufgabe die Situation zu analysieren und Entscheidungen
zu treffen, Welche Gefahren wrd es bei der Erreichung des Ziels geben?
Die Kunst des Sehens ist nicht nur das sichtbare zu sehen, sondern auch
es zu analysieren und das noch nicht Geschehene vorrauszusehen. Das ist
die wahre Kunst des Sehens. Eine Führung erzeugt eine Kraft entwickelt
und stützt sie. Sie vertritt diese Kraft und die Bewegung. Sie sieht
die kleinsten Gelegenheiten und Möglichkeiten, und analysiert sie.
Wenn es scheinbar keine gibt, findet sie diese und nutzt sie. Führung
ist dann meisterhaft, wenn ein/e Militante/r diese Arbeit in die Praxis
umsetzt. Die Schwierigkeit in der Revolution ist so nicht eine Aktion zu
machen und sich dort zu beweisen, sondern, wie CHE gesagt hat : "Wir haben
unser ganzes Vertrauen den Menschen gewidmet, Die Aufgaben sind ihnen entsprechend
ihrer Fähigkeiten anvertraut. Der Sieg oder die Niederlage hängt
von ihnen ab. In unseren Kämpfen können wir den Menschen der
Zukunft sehen. Eine unserer grundlegendsten Aufgaben ist es in unserem
Alltagsleben diese heroische Haltung aufrechtzuerhalten, von ideologischen
Standpunkten der Bewegung überzuleiten und einen Lösungsweg zu
finden."
In dem Kampf, den das Volk für seine Interessen führt, muß
es ein unerschütterlicher Teil sein. Heute wird in einer empörenden
Weise nicht nur gegen das kurdische Volk vorgegangen, sondern gegen alle
Völker. Dabei ist das Ziel die Plünderung der natürlichen
Ressourcen, die Zerstörung der sozialen und ökonomischen Infrastruktur.
Hunderttausende sind so in Armut, Krankheit und in eine ausweglose Situation
geraten. Die Verantwortlichen für diese Misere, die Folterer und Mörder
sind an der Macht. Aber es wird Morgen nicht mehr so weitergehen, denn
die Völker wachen auf.
Ihr werdet diese Haltung solange einnehmen, bis ihr gelernt habt, daß
die Völker in Demokratie, Gleichberechtigung friedlich miteinander
leben können und werden. Ihr werdet solange weitermachen, bis ihr
alles zerstört und verwüstet habt, aber auch das wird uns nicht
einschüchtern und in Schrecken versetzen können. Wir sind es,
die alles neu aufbauen und auch in Zukunft aufbau-en werden. Und da die
Zukunft uns gehört, werden wir in der Lage sein, ein besseres Dasein
zu schaffen und Kurdistan und die Welt in einen menschenwürdigen Ort
verwandeln. Die Zukunft, das Morgen wird anders aussehen als das Heute.
Heute werden Menschen, die Verantwortung gegenüber dem Volk empfinden,
die, die Gleichberechtigung der Völker und das Zusammenleben der Völker
in einer friedlichen Weise wollen und fordern für schuldig erklärt.
Bin ich deshalb "schuldig"? Wenn das so ist und bewertet wird, bin ich
stolz darauf, so eine "Schuld" zu tragen und in dem Sinne auch "schuldig"
zu sein. Das ist eine Ehre für mich. Für die Zukunft der Völker
und der Menschheit werde ich mich bemühen in diesem Sinne "schuldig"
zu werden. Wenn das Gericht mich für "schuldig" erachtet, wird die
Geschichte mich freisprechen.
Ich möchte noch etwas hinzufügen. Als Kriegsgefangene kann
ich mit dem Begriff, der Bedeutung von "Schuld" durch eine Regierung nicht
bestraft oder bewertet werden. Dafür sind universale Begriffe von
Schuld oder Strafe notwendig. Da ich Kriegsgefangene bin, kann ich mit
Freude sagen, daß ich in keiner Weise schuldig bin.
Es lebe die Freiheit
Alle Völker sind Geschwister
Es lebe die internationale Soldarität
Es lebe die PKK
Es lebe der Parteivorsitzernde Abdullah Öcalan
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