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Zur Geschichte und Politik der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) |
Andreas
(Marburg): Hausarbeit (1997)
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2. Neuere Geschichte und Gesellschaftsstruktur Kurdistans 3.1. Eindringen des Kapitalismus in Nordwestkurdistan 3.2. Die türkische Linke seit 1960 3.3 Kurdische Organisationen in Nordwestkurdistan bis 1978 4. Geschichte der PKK 4.2. Von der Gründung der Partei bis zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes 4.3. Die Offensive des 15.August und die weitere Entwicklung 4.4. Serhildan - Die "kurdische Intifada" 4.5. Der Niedergang der Sowjetunion und der 2.Golfkrieg 4.6. Kräftegleichgewicht und Diplomatie seit 1992 5. Die Ideologie der PKK 5.1. Das Verhältnis von nationaler und sozialer Befreiung 5.2. Stellung der PKK zum Realsozialismus 5.4. Frauenbefreiung / Geschlechterfrage bei der PKK 5.5. Konzepte für die Nachkriegsphase
"Die Fahne der Menschheit und des Sozialismus wird in Kurdistan wehen" So beginnt eine Erklärung der ERNK, der Frontorganisation der PKK, zum 1.Mai 1997. Was ist das für eine Bewegung, die in einer Zeit, die von der Niederlage des Realsozialismus geprägt ist, so siegessicher den Sozialismus als Ziel bestimmt? Diese Arbeit behandelt eine der auffälligsten Erscheinungen nach dem Ende der Systemkonfrontation 1989/1990. Während weltweit die Befreiungsbewegungen in der Defensive sind, sind vor allem zwei Bewegungen neu hervorgetreten. Zum einen der Ejértito Zapatista Liberatión National (EZLN) in Mexiko, zum anderen die Partiya Karkaren Kurdistan (PKK). Die Arbeit soll der Beginn einer Auseinandersetzung mit der letzeren dieser antizyklischen Bewegungen sein. Während weltweit nationale Befreiungsbewegungen zu legalen Parteien wurden und sich mehr und mehr an Reformen orientieren, wurde diese Bewegung nach langer Vorarbeit Anfang der 90er Jahre zur Massenbewegung und erlangte die heutige Stärke. Inzwischen hat sich der Niedergang der Befreiungsbewegungen weltweit verlangsamt, bzw. umgekehrt. So ist seit einigen Jahren in den Metropolen ein Wiederanstieg der sozialen Kämpfe zu beobachten, systemantagonistische Parteien stabilisieren sich und in den Ländern der Peripherie findet teilweise wieder eine Hinwendung zu sozialistischen Parteien statt (Osteuropa) bzw. wird wieder offen über die Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes diskutiert (Nicaragua). Dies ist mit Sicherheit noch keine stabile Tendenz, aber die Anzeichen für ein Erstarken der Bewegungen, die sich gegen das Profitprinzip des Imperialismus bzw. des "Neoliberalismus" stellen, mehren sich. Gerade an die oben genannten antizyklischen Bewegungen stellt sich die Frage, worauf ihr Erfolg beruht und ist nach den Entwicklungsperspektiven der Bewegungen zu fragen. Die wissenschaftliche Literatur über die PKK ist sehr rar. So kann diese Arbeit nur ein Anfang sein, da es erst einmal darauf ankommt, die Grundlagen und die Politik der PKK darzustellen, um darauf aufbauend in einem weiteren Schritt Einzelfragen genauer zu bearbeiten und zu umfassenden Bewertungen zu gelangen. Die Literaturbeschaffung stellt sich sehr schwierig dar. Zum einen ist nur wenig von der PKK selbst auf deutsch übersetzt, zum anderen bewegt man sich bei der Recherche häufig am Rand der Legalität. Da die PKK sowie die meisten ihr nahestehenden Organisationen in Deutschland verboten sind, ist der Großteil der Primärliteratur nicht offen erhältlich, ihre Weiterverbreitung gilt als "Werbung für eine terroristischen Vereinigung". Auch eine Diskussion mit VertreterInnen der PKK wird damit erheblich erschwert. Aber auch von offiziellen staatlichen Institutionen existiert so gut wie kein Material. So konnten das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Landesamt Hessen einem weder eigenes Material zur Verfügung stellen, noch Literaturangaben machen. Die Arbeit bleibt notgedrungen unvollständig. Viele Gesichtspunkte, die auch einer Betrachtung wert gewesen wären, konnten in dieser Arbeit keinen Platz finden. Ich denke aber dennoch, die wesentlichen Punkte berücksichtigt zu haben. Ich schildere vor allem die Situation in Nordkurdistan (Türkei), da dort auch die Hauptaktivität der PKK liegt. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem subjektiven Faktor der Revolution Kurdistans. Den objektiven Faktor habe ich nur insoweit berücksichtigt, wie er zum Verständnis des weiteren notwendig ist (siehe Kapitel 2, 3.1.). Danach skizziere ich das politische Umfeld zum Zeitpunkt der Entwicklung der PKK (4.) und einige Gesichtspunkte ihrer politischen Ausrichtung (5.).
2. Neuere Geschichte und Gesellschaftsstruktur Kurdistans Kurdistan liegt im Zentrum des Mittleren Ostens und reicht von der Nähe der Mittelmeerküste im Westen bis in den Iran im Osten, von der Grenze zu Armenien im Norden bis zur Höhe Bagdads im Iran. Insgesamt umschließt das kurdische Siedlungsgebiet ca. 550.000 Quadratkilometer (siehe auch beiliegende Karte). Die Schätzungen über die Größe des kurdischen Volkes gehen weit auseinander. Die meisten Angaben bewegen sich im Bereich von 25-30 Millionen Menschen. Diese verteilen sich auf die Kolonialländer Türkei (11,4 Millionen), Irak (3,9), Iran (6,6) und Syrien (0,9). Berücksichtigt man, daß die Zahlen von 1980 stammen, so ist bei einem Bevölkerungswachstum von 4,4% (1993) von einer heutigen Größe des kurdischen Volkes von über 30 Millionen auszugehen. Zusätzlich leben noch ca. 2 Millionen KurdInnen in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und im Exil in Europa. Zahlreiche KurdInnen - nach Schätzungen bis zu 7 Millionen - sind in die türkischen Metropolen geflohen und leben dort als unterste "lumpenproletarische" Schicht in den Slums der Großstädte, auch Gecekondu genannt. In Kurdistan sind viele Rohstoffe zu finden: Erdölvorkomen u.a. in Kerkuk, Mossul und Batman, in den Bergen Eisenerze, Phosphate, Schwefelkies, Kohle u.v.m. Der wichtigste Rohstoff Kurdistans dürfte aber das Wasser sein. Durch Kurdistan fließen Euphrat und Tigris. Wer diese Wasserzuflüsse in dem strategisch wichtigen Gebiet Kurdistan beherrscht, hat ein Druckmittel gegenüber dem Großteil des Nahen und Mittleren Ostens in der Hand. Die heutige Aufteilung Kurdistans ist ein Ergebnis der Auflösung des osmanischen Reiches nach dem ersten Weltkrieg. Während des türkischen Befreiungskrieges unter der Führung von Mustafa Kemal (Atatürk) gegen die Aufteilungspläne der imperialistischen Staaten, insbesondere Englands und Frankreichs, wurde die Existenz von KurdInnen noch anerkannt. Um sie für die Befreiungskriege zu mobilisieren, wurden ihnen verschiedene Rechte versprochen. Dies änderte sich jedoch mit dem Erfolg des Kampfes. Im Vertrag von Lausanne am 24.Juli 1923 wurden die Grenzen für die neue türkische Republik festgelegt. Dabei fielen Teile Kurdistans an den Iran, den Irak (unter britischem Mandat), Syrien (französisches Mandat) und die Türkei. Aufgrund der Vierteilung Kurdistans und des starken Interesses imperialistischer Mächte an der Kolonie Kurdistan wird diese häufig als "internationale Kolonie" bezeichnet. Faktisch liegt der Status Kurdistans sogar unter dem einer Kolonie. Im allgemeinen wurde die Existenz eines Volkes in diesen anerkannt und hatte diese Kolonie einen - wenn auch geringen - politischen Status. Beides ist in Kurdistan nicht der Fall. Richtiger wäre daher Kurdistan als Binnenkolonie zu bezeichnen. Seit der Gründung der türkischen Republik versucht der türkische Staat die kurdische Bevölkerung mit Gewalt zu assimilieren. Grundlage hierfür bildet das kemalistische Staatsverständnis "innerhalb der eigenen Grenzen eine einzige türkische Nation zu schaffen." Den Grund für dieses Prinzip benennt Mustafa Kemal. So habe man "den Balkan verloren, weil die Entwicklung der slawischen Sprach- und Kulturbewegung nicht verhindert worden wäre. Daraus sei ein Nationalbewußtsein entstanden, das nicht mehr zu unterdrücken war. In der zusammengeschrumpften Türkei müsse das unter allen Umständen verhindert werden." In den Jahren bis 1937 kommt es immer wieder zu Aufständen gegen die türkische Besatzungspolitik, die mit harter Repression beantwortet werden. Am bekanntesten ist der Aufstand in Dersim 1937, nach dem Kurden und Kurdinnen massenhaft umgesiedelt wurden. Nach Schätzungen von türkischen Kommunisten wurden in den 20er und 30er Jahren in einem Zeitraum von 13 Jahren ca. 1,5 Millionen Kurden und Kurdinnen in der Türkei ermordet oder umgesiedelt. Im türkischen Teil Kurdistans sind damit vorläufig die Freiheitsbestrebungen durch die Repression erstickt worden. Als Hauptgrund für das Scheitern dieser Bewegungen wird die mangelnde Entwicklung der objektiven Bedingungen und die feudale Strukturiertheit dieser Aufstände gesehen. Aufgrund der ökonomischen Unterentwicklung und der bewußten Erhaltung der Feudalstrukturen durch den türkischen Staat blieben die traditionellen Familien- und Stammesbindungen erhalten. Die Mehrzahl der KurdInnen bewegte sich in direkter Abhängigkeit vom Agha (Großgrundbesitzer und Stammesführer). Sowohl auf der materiellen Ebene (Das Land gehört meist dem Agha), als auch im gesellschaftlichen Bereich (da viele kein türkisch können, sind sie auf den Agha angewiesen, wenn sie zu Behörden, Arzt, usw. müssen). Der türkische Staat versuchte sich diese feudale Strukturierung zunutze zu machen. "Wenn es z.B. gelingt, irgendeinen Scheich zum eigenen Mann und zu einem Element der eigenen Geheimdienstorganisation zu machen, dann braucht man sich nicht mehr mit Zehntausenden von Menschen abzugeben, da sein Wort in seiner Umgebung als Gesetz gilt." So gelang es, die Ansätze von Widerstand in Nordkurdistan immer wieder im Ansatz zu zerstören. Erst mit dem Heranreifen der objektiven Bedingungen und deren Ausdruck in modernen Formen der Nationalbewegungen konnte sich dies ändern. Siehe hierzu Kapitel 3. Kurdistan ist bis heute ein im wesentlichen landwirtschaftlich geprägtes Land. Dieses Land befindet sich vor allem in dem Eigentum von Großgrundbesitzern. "Genaue Zahlen über die Bodenverteilung in Kurdistan liegen nur über die GAP-Region vor. Über 70% der arbeitenden Bevölkerung verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit landwirtschaftlicher Tätigkeit; über 93% aller Bauern besitzen jedoch weniger als 10 Hektar Land. Meist verdingen sich mehrere Mitglieder dieser bäuerlichen Großfamilien als Tagelöhner auf Plantagen oder als Saisonarbeiter. (...) In der GAP-Region verfügen noch heute 7% aller Grundbesitzer über mehr als die Hälfte des zur Verfügung stehende Bodens." Industrie konnte sich in Kurdistan kaum entwickeln. "Die lokalen Großgrundbesitzer ziehen es in der Regel vor, den auf ihren Hazienden erwirtschafteten Mehrwert in der Türkei zu investieren." Investitionen wurden vor allem vom Staat getätigt. Diese jedoch vor allem in militärische Infrastruktur und stellenweise in den Rohstoffabbau. Der Anteil des Dienstleistungssektors am Gesamteinkommen betrug in der Provinz Hakkari, einer der meist umkämpften Kriegsregionen, Anfang der 90 Jahre 21% (Im Vergleich dazu die Hauptstadt Ankara: 14%). Demgegenüber entfallen nur 7,19% des türkischen Bruttoinlandprodukts auf die 18 kurdischen Provinzen. Die Erdölförderung befindet sich vollständig im Besitz von Shell und einer staatlichen Firma. Zusammenfassend ist festzustellen, daß es eine Entwicklung der Industrie in Kurdistan nicht gegeben hat und der geschaffene Mehrwert sowie die abgebauten Rohstoffe in die Türkei transferiert werden. Der größte Teil der Bevölkerung muß sich als Landpächter oder Tagelöhner durchschlagen und die Bindungen an die Familie und den Clan bleiben erhalten.
3. Historischer und sozialstruktureller Rahmen der Entstehung der neueren kurdischen Nationalbewegung Der Aufstand in Dersim 1937 war der letzte unter feudaler Führung in der Geschichte Nordkurdistans. Danach konnten sich für 20 Jahre keine kurdischen Bewegungen entwickeln. Die seit den 60er Jahren entstehenden Bewegungen waren unter anderer Führung als die von den traditionellen Führern bestimmten Aufstände der 20er und 30er Jahre. Nach dem zweiten Weltkrieg traten zu der Geschichte der Kolonialisierung und der in wesentlichen Teilen unveränderte Sozialstruktur Kurdistans andere, sich neu entwickelnde Faktoren hinzu. Neue Widersprüche entfalteten sich, die die Grundlagen für die Entwicklung moderner Nationalbewegungen in Kurdistan waren. Als wesentlich kann dabei die Entfaltung von kapitalistischen Strukturen, vor allem in der Landwirtschaft, und deren Folgen gesehen werden, weshalb der Darstellung dieser Zusammenhänge hier der größte Raum beigemessen wird. Desweiteren werden hier als bedeutsame Faktoren für die Entstehung der modernen Befreiungsbewegung die Position der türkischen Linken, aus der heraus sich viele kurdische Bewegungen entwickelt haben und die zum Zeitpunkt der Entwicklung der PKK existierenden kurdischen Organisationen behandelt. Auf zwei weitere Faktoren, den weltweiten revolutionären Aufschwung, und die bewaffneten Kämpfe der KDP-Irak von 1961-1975, die von Einfluß auf die Entwicklung des nationalen Bewußtsein in Nordwestkurdistan waren, kann hier aus Platzgründen nicht in einem speziellen Punkt eingegangen werden.
3.1. Eindringen des Kapitalismus in Nordwestkurdistan Wie oben geschildert war die Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur Kurdistans bis in die 50er Jahre hinein feudal strukturiert. Seit den 50er Jahren versuchten der türkische Staat und die internationalen Konzerne Kurdistan auch wirtschaftlich zu erschließen. "Der zunehmende Bedarf der internationalen Monopole und der türkischen Bourgeoisie an Märkten, Rohstoffen, billiger Arbeitskraft, Agrar- und Tierprodukten machte die Entfaltung eines so reichen und Großen Landes wie Kurdistan im Dienste ihres Kapitals notwendig." Dies ging zeitgleich zur Integration der Türkei in den NATO-Pakt und ihrem Beitritt in den IWF und die Weltbank (1947) vonstatten. Private Investitionen wurden in Nordwestkurdistan kaum getätigt. Meist handelte es sich um staatliche Investitionen in die Infrastruktur (Straßen) und den lebensmittelverarbeitenden Sektor. Noch heute sind z.B. ca. 70% der Betriebe mit über 10 Beschäftigten in Diyarbakir in Staatsbesitz. Am deutlichsten machten sich die Veränderungen auf dem Land bemerkbar. Die Aghas (Grußgrundbesitzer und Stammesvorstände) begannen auf den verpachteten Ländereien von der Naturalrente zur Geldrente überzugehen, immer mehr kurdische Bauern mußten sich als Tagelöhner verdingen. Die Gewinne wurden von den meist in den Städten lebenden Aghas in die türkischen Metropolen transferiert und dort angelegt. Nach dem Militärputsch von 1960 beschleunigte sich die Entwicklung. Die Türkei versuchte durch stärkere Exportorientierung und Öffnung für ausländisches Kapital die Entwicklung in der Türkei voranzutreiben. Zahlreiche Kredite flossen ins Land. Durch die Einführung von Traktoren, Mähdreschern u.a. stieg die Arbeitslosigkeit auf dem Land enorm, kleinere Bauern konnten der Konkurrenz mit den gut technisierten Grußgrundbesitzern nicht standhalten. So wurde die bisherige Isolierung und Fesselung an feudale Bindungen "ganz allmählich durch den Bau von Straßen, die Einrichtung von Infrastruktur und die saisonale Abwanderung von Dorfbewohnern, die in den türkischen Metropolen nach Arbeit suchten, aufgebrochen." Die meisten wanderten zuerst in die kurdischen Städte und von dort in die türkischen Metropolen ab, wo sie am Rande der türkischen Arbeiterklasse leben und die schlechtbezahltesten und unangesehendsten Arbeiten verrichten. So kann man in dieser Zeit von einer Proletarisierung großer Teile der kurdischen Gesellschaft sprechen, die bis in die heute, verstärkt durch den Kriegszustand und die Dorfzerstörungen der türkischen Armee, andauert. Gibt es eine kurdische Bourgeoisie? Eine entsprechende Bourgeoisie konnte sich in Kurdistan jedoch nicht herausbilden. Die kurdischen Stammesführer nehmen die Agentenfunktion für die Ausbeutung der Region ein und haben sich so teilweise zu Kapitalisten entwickelt. Sie besitzen diese Funktionen jedoch nur noch, aufgrund der wesentlichen Rolle, die sie für den Kolonialstaat ausüben. So konnte sich "die Klasse, die die nationalen Gefühle entwickelt und diese Entwicklung gewährleistet, also die Grundlage dieses Prozesses sein sollte" in Kurdistan nie entwickeln. "Auf diese Weise etablierte sich in Nord-Kurdistan ein von der türkischen Bourgeoisie geleiteter Kapitalismus, der, statt die Produktivkräfte kontinuierlich zu entwickeln, ausschließlich die natürlichen Ressourcen des Landes ausplündert und seine Arbeitskräfte ausbeutet." Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Beziehungen in Kurdistan Diese Veränderungen in den ökonomischen Grundlagen hatten schwerwiegende Auswirkungen auf die Jahrhunderte alten feudalen Bindungen in Kurdistan. Denn diese Entwicklungen führten dazu, daß "die Massen im Vergleich zu früher untereinander sehr viel mehr in Kontakt treten". Durch die Verstädterung, durch den wachsenden Handel oder ganz einfach in den Markthallen, den Kaffeehäusern, Straßen, erweitert sich der Horizont der von feudalen Verhältnissen gelösten Kurden. Die vorherigen traditionellen Bindungen an die Großgrundbesitzer, Stammesführer und Familie lösen sich zunehmend auf. Der dadurch entstehenden Bewußtwerdung der Menschen über die eigene Lage und Herkunft und der damit verbunde Verlust an Einfluß der traditionellen kurdischen Eliten versucht der türkische Staat zu begegnen, indem er Institutionen wie Schulen, Radio, Fernsehen, aber auch militärische Infrastruktur, ausbaut. Nach Besikci bestand die "grundlegende Aufgabe" dieser Institutionen zweifellos in der "Beschleunigung und Erleichterung der Assimilation. "Die herrschende Klasse und ihre politischen Handlanger (...) haben in dem Umfang, in welchem Investitionen durchgeführt wurden, welche im ökonomischen Aufbau für den Osten Strukturveränderungen mit sich bringen konnten, Assimilationsmaßnahmen durchgeführt, die den durch die Investitionen eingeleiteten Nationalisierungsprozeß aufhalten sollten." Aber diese Maßnahmen entfalteten auch eine entgegengesetzte Wirkung. Besikci schreibt hierzu, daß diese Medien, wie Fernsehen, Radio und Zeitungen, auch Nachrichten von Kämpfen um Freiheit, Gleichheit und Demokratie übertragen, "selbst wenn sie dies nur in ihrem eigenen Interesse tun." Über die Medien erfahren KurdInnen von dem Kampf des vietnamesischen Volkes und der Unterdrückung von TürkInnen in Bulgarien. Diese Schilderungen werden mit der eigenen Lage verglichen und so setzt ein Bewußtwerdungsprozeß ein. In den Schulen lernen viele Lesen und Schreiben, stellen Fragen und forschen selber nach. Die Unterdrückung wird direkt erfahrbar, wenn in den Schulen nur türkisch gesprochen werden darf, diese Sprache aber von den meisten kurdischen Kindern nicht gesprochen wird. Besikci stellt also fest: "So wie der Kapitalismus die statische gesellschaftliche Struktur und die Beziehungen der Menschen zur Erde und die Einwohnerzahlen in Bewegung bringt, so versetzt er auch die ideellen Strukturen der Menschen in Bewegung." wodurch die Bestrebungen nach demokratischen Rechten und nationaler Gleichberechtigung immer mehr zunehmen. Zwar ist die Mehrzahl der KurdInnen nach wie vor feudal geprägt, jedoch erfaßt dieser Wandel durchaus größere Teile der kurdischen Gesellschaft. Die Lösung von feudalen Bindungen wurde durch den Befreiungskampf, der sich explizit gegen genau diese Verhältnisse richtet, noch intensiviert. Siehe hierzu die Kapitel zur Geschichte der PKK (4.1.-4.5.) und insbesondere zum neuen Menschen und Geschlechterfrage (5.3.,5.4.).
3.2. Die türkische Linke seit 1960 Nach dem Militärputsch von 1960 und der relativen Liberalisierung ab 1961 erlebte die Linke in der Türkei einen starken Aufschwung. Unter anderem wurde das erste Mal eine sozialistische Partei für längere Zeit zugelassen. Die TIP (Türkische Arbeiterpartei) entwickelte sich zu dieser Zeit zu einem Sammelbecken der sozialistischen Kräfte in der Türkei. Sehr viele Kader der späteren kurdischen Bewegung waren zuvor in der TIP aktiv. Aufgrund der relativ großen kurdischen Basis der TIP erkannte diese 1970 als eine der ersten Gruppierungen die Existenz des kurdischen Volkes an, was sie jedoch zu späteren Zeitpunkten immer wieder zurücknahm, um ihre legalen Möglichkeiten nicht zu beschränken. 1969 gründete sich die "Türkiye Devrimci Genclik Federasyonu" (Föderation der Revolutionären Jugend der Türkei, kurz: Dev-Genc), "aus der in den 70er Jahren der größte Teil der Dutzenden von Linken Organisationen der Türkei hervorgehen sollte" und die "einen prägenden Einfluß auf einige der wichtigsten Abteilungen der kurdischen Bewegung der 70er und 80er Jahre hatte". Dev-Genc wird häufiger als "guevaristisch" oder "kastroistisch" bezeichnet. Als die wesentlichen aus Dev-Genc hervorgegangenen Organisationen können die THKP-C, TKP-ML, Dev-Yol, Dev-Sol, heute die DHKP-C und auf kurdischer Seite die PKK gelten. Großen Teilen der türkischen Linken gelang es nicht, sich von der kemalistischen Ideologie zu lösen. Dies drückte sich u.a. in einer positiven Haltung gegenüber dem Militär aus, das als Partner in dem Kampf gegen Islam und imperialistische Abhängigkeit gesehen wurde (sog. MDD-Theorie). Deswegen dürfe die Türkei nicht durch separatistische Bestrebungen geschwächt werden. Gegenüber der kurdischen Frage vertraten die meisten türkischen linken Organisationen verschiedene Facetten einer Haltung, die alle das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes negierten. Diese waren entweder, daß es das kurdische Volk nicht gebe, daß eine Lostrennung die Türkei im Kampf gegen den Imperialismus schwäche oder daß das kurdische Problem sich mit der Revolution in der Türkei lösen würde, daß es also die Aufgabe der kurdischen Revolutionäre sei, in der gesamten Türkei die Revolution mitzutragen. So wurden "unter dem Deckmantel des Internationalismus" die nationale Unterdrückung Kurdistans und das Selbstbestimmungsrecht geleugnet. Diejenigen Kreise, die die kurdische Frage diskutierten und zu Thema machten, waren innerhalb der türkischen Linken mit starker Ablehnung konfrontiert. Siloppi faßt dies zusammen, daß "diejenigen, die uns des Nationalismus bezichtigen, (...) selbst Nationalismus und Chauvinismus gegen eine unterdrückte Nation [betreiben]". Die in der Tradition der TKP (Türkische Kommunistische Partei) stehenden Gruppierungen waren in der Positionierung der KOMINTERN und der Sowjetunion zu Kurdistan verfangen und nicht in der Lage, diese zu verändern. Kurdische Nationalbewegungen galten als pro-imperialistisch und waren daher zu bekämpfen. Eine Veränderung der Positionen der türkischen Linken fand vor allem in dem letzten Jahrzehnt statt. Resultat dieses Lernprozesses war z.B. die Gründung der KKP (Kurdisch Kommunistischen Partei) aus der TKEP (Türkische Kommunistische Partei der Arbeit) heraus 1982.
3.3 Kurdische Organisationen in Nordwestkurdistan bis 1978 Nach über 20 Jahren Ruhe in Nordwestkurdistan markiert das Jahr 1961 einen Wendepunkt. Beeinflußt von dem Beginn des bewaffneten Kampfes der KDP im Irak fanden die ersten Massenproteste in Nordwestkurdistan statt. Die türkische Armee kehrt in die Kasernen zurück, kurdische Zeitungen können teilweise erscheinen und die Gründung der TIP im selben Jahr bietet Möglichkeiten der politischen Organisierung. 1965 wurde die KDP-Türkei, ein Ableger und eine "Hilfsorganisation" für die KDP-Irak gegründet, ab 1967 fanden die "Meetings des Ostens" statt und 1969 wurden die "Revolutionären Kulturvereinigungen des Ostens" gegründet. Diese Aufzählung verdeutlicht das Wachsen des kurdischen Nationalempfindens seit den 60er Jahren. Der Militärputsch von 1970 wird im allgemeinen auf zwei Faktoren zurückgeführt: Auf die Entwicklung in Kurdistan und auf die erstarkende türkische Linke, die beide den bürgerlichen Klassenstaat kemalistischer Prägung in der einen oder anderen Weise infrage stellten. 1973 setzte die organisatorische und ideologische Entwicklung innerhalb der kurdischen Nationalbewegung Nordwestkurdistans ein, die bis heute Gültigkeit hat. Dabei sind 3 Hauptquellen festzustellen, "1. Die bürgerlich-nationalistische Strömung, die in ihrer Entstehung wesentlich von der DPK-Irak (Demokratische Partei Kurdistans-Irak, gemeint ist die KDP, A.F.) beeinflußt war, 2. die aus der TIP hervorgegangene Strömung und 3. die Strömung, deren Gründungskader ihre ursprüngliche politische Formierung im Rahmen der ´Dev-Genc´ erfahren haben." Aus der ersten Strömung ging die KDP-Türkei hervor (1965), die im wesentlichen auf persönlichen Beziehungen basierend, mit der Abspaltung der KUK (Nationale Befreier Kurdistans) 1977 relativ bedeutungslos wurde. Diese stand aufgrund ähnlicher regionaler Schwerpunkte in starker Konkurrenz mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). So gab es im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Kontrolle der Landarbeitergewerkschaft 1979 über 100 Tote auf beiden Seiten. Diese Organisationen, wie die weiteren aus diesem Spektrum, die sich teilweise formal zum Marxismus-Leninismus bekennen, bezeichnet Heinrich als "bürgerlich-nationalistisch". Meist traten sie, ebenso wie die aus der TIP hervorgegangenen Parteien und Organisationen, für eine Autonomie oder Föderation ein. Die meisten dieser Organisationen sind heute nicht mehr in Kurdistan aktiv, da sie nach dem Militärputsch von 1980 keine adäquate Praxis entwickelten, die "eine militärische Komponente" beinhalten müsse, und "in Europa dem Erosionsprozess, der für Exilorganisationen typisch ist" ausgesetzt wurden Aus der TIP ist als wesentlichste Organisation die "Sozialistische Partei Türkei-Kurdistans" (TKSP) hervorgegangen. Diese spaltete sich ebenfalls mehrmals. Die "Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der BRD" als Massenorganisation der TKSP ist nach Heinrich trotzdem noch heute - nach den entsprechenden Organisationen der PKK - die zweitgrößte "demokratische Massenorganisation" einer kurdischen Partei in Europa. Heinrich schätzt jedoch als Strömung von größerer Bedeutung die 1983 schließlich in der "Sozialistischen Bewegung Kurdistans" (TSK) mündende Fraktion der TKSP ein. Kritikpunkte an der TKSP waren ihr "kleinbürgerlicher" Charakter und das Fehlen eines eindeutigen Ziels der kurdischen Revolution. Sie versucht in Kurdistan wieder Fuß zu fassen und ist der Literatur nach als eine der wenigen überhaupt noch dort aktiv. Das Verhältnis der PKK zu all diesen Gruppierungen war immer sehr gespannt. Mit den Erfolgen, die jedoch der Kampf der PKK hatte, haben auch wieder Annäherungen stattgefunden. So arbeiten heute 12 kurdische Parteien und Organisationen in einem Dachverband zusammen. Das Exilparlament, in dem die meisten wichtigen Parteien vertreten sind, konnte auch nur unter der Voraussetzung entstehen, daß die Bereitschaft zur Zusammenarbeit gestiegen ist. Direkt als Gründung aus der türkischen Linken heraus ist die KKP (Kürdistan Komünist Partisi, Kurdische Kommunistische Partei) entstanden. Nachdem die TKEP eine autonome Kurdistan-Sektion gegründet hatte, entstand 1982 aus dieser die KKP. Sie tritt wie die meisten anderen ebenfalls für eine "nationaldemokratische Revolution" ein und will diese zum Sozialismus weiterführen. Ihre Hauptaufgabe sieht sie in der Bewußtsein schaffenden Arbeit im kurdischen Proletariat. Verankert ist sie vor allem in Diarbakir, Urfa, Batman und Van. In der Frage der Eigenstaatlichkeit, Fderation oder Autonomie legt sie sich nicht fest. Diese Frage soll einer demokratischen Entscheidung der KurdInnen selber überlassen bleiben. Ihren Ursprung in Dev-Genc hatte vor allem die Partiya Karkaren Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistans, PKK) die zur Zeit wichtigste und stärkste Organisation der kurdischen Nationalbewegung.
Die PKK entstand als Strömung im Umfeld der türkischen Gruppe Dev Genc. Aufgrund der Unterbewertung bzw. Leugnung der nationalen Rechte des kurdischen Volkes seitens der kemalistisch beeinflußten türkischen Linken sowie aufgrund der Feststellung, daß Kurdistan eine Kolonie ist, löste sich die Gruppe mehr und mehr von der türkischen Linken. Eine Revolution in der Türkei erfordere die Beseitigung des Chauvinismus - der in der Kolonie Kurdistan seine Wurzel hat. Aus alldem wurde dann geschlossen, daß eine unabhängige kurdische revolutionäre Partei nötig sei. Nach Kemal Pir, einem der türkischen Gründungsmitglieder der PKK, gab es diese schon seit 1972 im Ansatz als politisch-ideologische Strömung, deren Aktivitäten in "intensiven theoretischen Untersuchungen und Analysen und der Herausbildung ihrer revolutionären Linie" bestanden. Der Schritt von der politisch-ideologischen Gruppe zu einem nach außen auftretenden Organisationsansatz wurde 1974 vollzogen, als erste konkrete Aktivitäten stattfanden. Von 1973 bis 1978 trat diese Strömung/Bewegung als "Kürdistan Devrimcileri" (Kurdistan Revolutionäre) auf und weitete sich auf verschiedene Städte Kurdistans und der Türkei aus. In der Anfangsphase bestand diese Gruppe vor allem aus jungen Intellektuellen. Von großer Bedeutung schon in der Gründungsphase war die Rolle des späteren PKK-Generalsekretärs Abdullah Öcalan. Dieser, 1947 in Halfeti bei Urfa als Sohn einer verarmten Bauernfamilie geboren, war ebenso wie die meisten anderen Führungskader innerhalb der türkischen intellektuellen Linken um Dev-Genc aktiv. Öcalan war seit mindestens 1972 im "Ankara Devrimci Yüksek Ögrenim Dernegi" (ADYÖD, Revolutionärer Hochschulverein Ankara) aktiv. Als einziger der Kurdistan Devrimcileri war Öcalan im Vorstand von ADYÖD. ADYÖD stand "zumindest teilweise in der Tradition der Anfang des Jahrzehnts gegründeten und vom Linkskemalismus herkommenden guevaristischen Guerillaorganisation THKP-C (Volksbefreiungspartei der Türkei-Front)".
4.2. Von der Gründung der Partei bis zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes Der Gründung der PKK ging also eine Zeit als ideologische Gruppe und deren Ausweitung voraus. Auf ihrem Gründungskongreß am 26./27.November 1978 verabschiedeten die PKK eine grundlegende Schrift "Der Weg der Revolution Kurdistans" und ein Programm, das bis 1995 Gültigkeit hatte. Auf diese Schriften gehe ich im 5.Kapitel ein. Symbol der Partei war - ebenfalls bis 1990 - eine rote Fahne mit den kurdischen Farben und Hammer und Sichel. Die internationale Bedeutung der "Revolution Kurdistans" setzt die PKK sehr hoch an. Ein Sieg in Kurdistan, dem "schwächsten Kettenglied des Imperialismus" würde die "revolutionären Kämpfe der Völker des Mittleren Ostens" verstärken, und den Sieg über den Imperialismus in der Region einleiten. Von der Wirkung her vergleicht die PKK die Revolution Kurdistans mit der vietnamesischen Revolution. Als wesentlicher Unterschied zu den anderen kurdischen Parteien werden immer wieder die soziale Basis der Partei und die "damit verbundene politische Ausdrucksformen" gesehen. Im Gegensatz zu anderen, "vergleichbaren kleineren marxistisch-leninistisch orientierten Gruppen [gelang es der PKK] eine Mitgliederbasis auch unter Bauern, Arbeitern und den Tagelöhnern zu finden, was ihr in den folgenden Jahren Stabilität verlieh" und weshalb die PKK die einzige kurdische Organisation wurde, die ihr Programm mit Leben füllen konnte. "Die meisten ihrer Mitglieder und Sympatisanten waren sehr jung, von ungenügender Bildung und bescheidenem Hintergrund. Die PKK war zweifellos die proletarischste (ihren Verleumdern nach lumpenproletarisch) unter den kurdischen Organisationen." Aufgrund des sozialen Charakters der PKK sei die Programmatik nicht nur eine solche geblieben, sondern inclusive des bewaffneten Kampfes auch angegangen worden. Die PKK sieht den bewaffneten Kampf als eine Notwendigkeit an, die sich aus dem Nichtbestehen der Möglichkeit von legalen Aktivitäten herleitet. Hauptangriffsziel der PKK waren zu dieser Zeit die kurdischen Stammesführer und Großgrundbesitzer. Offensive bewaffnete Aktionen fanden zu dieser Zeit noch nicht statt. Die PKK organisierte Landbesetzungen, verteilte Kader im Land zur Propaganda und gebrauchte Waffen vor allem zur Selbstverteidigung. Mit zahlreichen anderen linken Organisationen kam es in dieser Zeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Dies wurde jedoch 1981 auf dem 1.Konferenz der PKK selbstkritisch eingestanden und versucht zu ändern. In der Selbstkritik dieses Kongresses heißt es, daß ihre Kämpfe "gegen die faschistischen Milizen, gegen die Polizei und gegen die verräterischen Agenten, die Großgrundbesitzer" richtig gewesen seien, sie im Kampf "gegen die Sozialchauvinisten und gegen die reformistischen kleinbürgerlichen Nationalisten" nicht in dem Maße mit Gewalt hätten agieren sollen. Die PKK habe es nicht geschafft, "die ideologische Härte und die politische Flexibilität in genügendem Maße zu vereinigen." Bis zum Militärputsch von 1980 entwickelte sich die PKK zu einer der stärksten kurdischen Parteien in der Türkei. Mit dem Militärputsch wurde die PKK besonders hart von der Repression getroffen. 60 Führungskader und Tausende von Anhängern kamen in die Gefängnisse. Die PKK entschied sich zu dieser Zeit für einen taktischen Rückzug und rief die Kader ins Ausland ab, um dort die bewaffnete Rückkehr ins Land vorzubereiten. Bereits 1979 ging Öcalan ins Ausland, um dort die Möglichkeiten hierfür zu schaffen. Während dieser Zeit konnten mit palästinensischer Unterstützung Ausbildungsmaßnahmen im Libanon begonnen werden. 1982 kämpften Einheiten der PKK auf palästinensischer Seite gegen den Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon, wobei mehrere Kader fielen. Dieses Engagement auf Seiten der Palästinenser schaffte die Voraussetzungen zur Übernahme des "Camps Helve" 1986 im Libanon, die heutige Mahsum-Korkmaz-Akademie. Vom 20.-25.08.1982 fand der 2.Parteikongreß der PKK statt. Die beiden wichtigsten Punkte dieses Kongresses waren: - die selbstkritische Bestandsaufnahme der vergangenen Jahre. Diese Selbstkritik "öffnete den Weg für die Zusammenarbeit mit sieben anderen linken Organisationen in der FKBDC (Einheitsfront des antifaschistischen Widerstandes, A.F.)". Diese scheiterte jedoch bald, vor allem aufgrund dessen, daß es den meisten Organisationen, außer der PKK, nicht gelang in der Türkei und Kurdistan erneut Fuß zu fassen. - Der Beschluß zur Rückkehr nach Kurdistan um dort die Vorbereitungen für den bewaffneten Kampf zu treffen. Die Revolution Kurdistans wurde in 3 Phasen eingeteilt: Die erste Phase soll von bewaffneter Propaganda und Angriffen gegen Kollaborateure bestimmt sein. Ziel ist der Aufbau einer bewaffneten Bewegung. Diese Phase soll bis 1995 abgeschlossen sein. In der zweiten Phase, des "strategischen Gleichgewichts", von 1995-2000 soll eine militärische Stärke erreicht werden, die es möglich macht, befreite Gebiete zu schaffen. Danach, ab dem Jahr 2000 soll der Kampf in einer breiten Offensive und einem Volksaufstand in ganz Nordkurdistan münden. Stein sieht die PKK schon 1994 in der zweiten Phase. In der Darstellung der PKK fand dieser Übergang schon 1993 statt. Nach diesem Kongreß schickte die PKK ihre Kader wieder zurück nach Kurdistan, um die Vorbereitungen für den Beginn des bewaffneten Kampfes zu treffen. Für die PKK war nun "die Phase vom Sommer 1982 bis Frühjahr 1983 die Phase des Eruierens und der Rückkehr ihrer Kader in ihr Land. Die eigentliche Phase der bewaffneten Propaganda begann erst im Frühjahr 1983." Unter bewaffneter Propaganda ist die "politische Organisierungsarbeit durch bewaffnete Einheiten zu verstehen". Zu diesem Zeitpunkt hatte die PKK nur 300 Kader, vor allem Intellektuelle, Bauern und Studenten. Bis zum Winter 1984 konnte sie sich auf 500 in Camps und im Land Aktive ausweiten. Am 22.Juli 1984 wurde bei einem Treffen in Südkurdistan der Beschluß zur Offensive gefaßt. 4.3. Die Offensive des 15.August und die weitere Entwicklung Am 15.August 1984 besetzten Einheiten der PKK zwei Kleinstädte in Nordkurdistan, Semdinli und Eruh, für einen Tag und gaben die Gründung der Befreiungseinheiten Kurdistans (HRK, Hezen Rizgariya Kurdistan) bekannt. Diese Aktion gilt als der Beginn des bewaffneten Kampfes. In dem Flugblatt der HRK vom 15.August heißt es: "Die HRK verfolgt das Ziel, den Kampf unseres Volkes um nationale Unabhängigkeit, eine demokratische Gesellschaft, Freiheit und Einheit unter Führung der PKK gegen den Imperialismus, den türkischen Kolonialfaschismus und ihre einheimischen Lakaien bewaffnet zu führen. (...) Die kolonialfaschistischen Ungeheuer, die Blutsauger, die politischen und militärischen Herrscher und die Feinde des Volkes werden die Angriffsziele der Aktionen der HRK sein. (...) Wenn die Bildung einer Plattform des praktischen revolutionären Kampfes in Kurdistan und der Türkei gegen den faschistischen Terror und die Beteiligung der Massen an diesem Kampf eine hohe Stufe erreicht, werden die eigentlichen Ziele erreicht werden." Der Offensive des 15.August wird im allgemeinen eine hohe Bedeutung beigemessen. So vergleicht Ismail Besikci die Bedeutung des 15.August mit dem "ersten Schuß" bei Franz Fanon. Nach Sedar Celik hat "der 15.August in allen Schichten und Klassen so tiefgreifende Veränderungen in ihrem Denken, Handeln und Beziehungen hervorgebracht, wie sie bei anderen Völkern vielleicht in 50 Jahren einmal erreicht worden sind." Aus den Reihen der türkischen Linken wurde die Offensive des 15.August lediglich von Dev-Sol positiv bewertet. Am 21.März 1985 wird die ERNK (Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) als politische Frontorganisation gegründet. Die ERNK setzt sich für eine Allianz zwischen "allen revolutionären und demokratischen Kräften der Türkei, die das Selbstbestimmungsrecht der kurdischen Nation anerkennen und die die Niederschlagung der militärisch faschistischen Diktatur und die Herrschaft des Imperialismus und der Monopole in der Türkei bezwecken" ein. Vom 25-30.Oktober 1986 fand der 3.Kongreß, wahrscheinlich im Bekaa-Tal im Libanon, statt. "Er war ein Wendepunkt im Kampf der PKK." Auf diesem Kongreß wurden selbstkritisch Mängel in der politischen Arbeit angemerkt und mehrere wichtige Entschlüsse gefaßt: die Intensivierung der politischen Arbeit in den Städten bei gleichzeitiger Ausweitung der militärischen Operationen in städtischen Gebieten, die Intensivierung der Beziehungen zu anderen politischen Kräften national wie international, die Bildung von Frauen-, Jugend-, Arbeiter- und Intellektuellenverbänden unter dem Dach der ERNK und der Übergang von der Phase der bewaffneten Propaganda zu der des Guerillakrieges. Letzteres ging einher mit dem Beschluß, die HRK in die ARGK (Artesa Rizgariya Gele Kurdistan, Volksbefreiungsarmee Kurdistans) umzuwandeln, was die Vergrößerung der Guerillaeinheiten und die Bildung eines militärischen Rates beinhaltete. Als die wichtigsten Schritte des 3.Kongresses der PKK sieht Celik die "Stärkung ihrer inneren Struktur und Einführung eines offiziellen Funktionsmechanismus." Seit dieser Zeit verstärkte die PKK ihre Aktivität auf internationaler Ebene (Öffentlichkeitsarbeit und Diplomatie) und konnte stellenweise ihre Isolation durchbrechen. So hatte die PKK zwar in ihrer Geschichte einige Krisen und Rückschläge (Militärputsch, innere Krisen) zu verzeichnen, sie konnte aber als eine der wenigen linken Parteien schnell wieder in Kurdistan Fuß fassen. In den 12 Jahren ihrer Existenz bis 1990 entwickelte sie sich zu der bestimmenden Partei in Nordkurdistan und im kurdischen Exil und schaffte die Voraussetzungen für die nun folgenden Volksaufstände. 4.4. Serhildan - Die "kurdische Intifada" Einen qualitativen Sprung machte der kurdische Befreiungskampf 1989/90. Ende 1989 kam es erstmals seit den 70er Jahren - zunächst in einzelnen Dörfern und Städten - wieder zu offenen Massenaktionen der kurdischen Bevölkerung. Sofort verstärkte sich die Repression, deren einschüchternde Wirkung jedoch weitgehend ausblieb. Im Frühjahr 1990 breiteten sich die Demonstrationen auf weite Teile Nordkurdistans, insbesondere in der Region Botan, aus. Bei einer Trauerdemonstration für einen gefallenen Guerillakämpfer der ARGK in Nusaybin am 14.März 1990, an der Tausende teilnahmen, griff der türkische Staat brutal an. Mehrere Menschen wurden erschossen, über hundert verletzt. Als Reaktion auf dieses Massaker kam es während des zu dieser Zeit noch verbotenen Newroz-Festes "allerorten" (S.152) zu Kundgebungen, Demonstrationen und Aufständen. Diese Aufstände werden im allgemeinen als "Serhildan" oder auch als "kurdische Intifada" bezeichnet. Die Aufstände drückten eine veränderte Situation aus: Nationales Bewußtsein hatte sich inzwischen massenhaft in Kurdistan verbreitet. Dies mußten selbst Teile des türkischen Staates anerkennen. So erklärte ein Abgeordneter der "ebenso sozialdemokratischen wie türkisch-chauvinistischen" SHP: "80% der Bevölkerung ist für einen unabhängigen Staat Kurdistan (...) Kaum jemand denkt an Einheit. Die Bevölkerung unterstützt die PKK." Von Seiten der ERNK wurden die Aufstände als Erfolg der Arbeit in den Städten und als Wende in dem kurdischen Befreiungskampf gewertet. "Der Volksaufstand von Nusaybin ist eine Wende, denn der nationale Befreiungskampf in Kurdistan wird nicht mehr nur in den Bergen, sondern mit den Bewohnern in den Städten geführt." Auf der Basis dieses Aufschwungs der kurdischen Nationalbewegung entwickelten sich verschiedene kurdische Institutionen - legale Parteien: Die HEP (Partei der Arbeit des Volkes) wurde 1991 von vorwiegend kurdischen Abgeordneten der SHP gegründet. Nach dem Verbot der HEP im Juli 1993 gründete sich die DEP (Demokratiepartei), die im März 1994 ebenfalls verboten wurde. Von dieser sitzen immer noch so prominente Abgeordnete wie Leyla Zana im Gefängnis. Danach wurde die HADEP (Demokratiepartei des Volkes) gegründet, die heute noch legal ist. - Medien: Seit 1994 ist ein kurdischer Fersehsender, MED-TV, über Satellit weltweit zu empfangen. An prokurdischen Zeitungen wurde inzwischen einiges gegründet und wieder verboten. Heuten dürfte die Tageszeitungen "Özgür Polititka", die nur in Europa erscheint und nach dem Verbot der "Demokrasi" die "Ülkede Gündem" in der Türkei die bekantesten sein.
4.5. Der Niedergang der Sowjetunion und der 2.Golfkrieg 1990/1991 kam es zu zwei wesentlichen Entwicklungen, die die Situation des kurdischen Befreiungskampfes maßgeblich beeinflussen. Der Zerfall des sozialistischen Staatensystems veränderte das internationale Kräfteverhältnis zum Nachteil der Befreiungsbewegungen in der sog. dritten Welt. Mußten vorher die imperialistischen Mächte, allen voran die USA, Rücksicht auf die Sowjetunion nehmen, fiel dieses Hemmnis nun weg. Der Spielraum für Befreiungsbewegungen engte sich stark ein, wodurch sie häufig gezwungen waren, große Zugeständnisse in Verhandlungen zu machen und sich einige der Sozialdemokratie annäherten. Desweiteren erscheint mit dem Niedergang des Realsozialismus der Kapitalismus als alternativlos und die Perspektive auf einen grundsätzlichen Wandel der Systeme ist für viele in weite Ferne gerückt. Die Wirkung des Niedergangs des Realsozialismus war scheinbar auf die PKK geringer, als auf Bewegungen in manch anderen Ländern. Dies hängt sicherlich damit zusammen, daß die PKK den Kampf vollständig aus eigener Kraft entwickeln mußte, nie Unterstützung der sozialistischen Länder bekam und daß die PKK eine Sozialismuskonzeption entwarf, die sich in vielen Punkten von der der sozialistischen Staaten unterschied. Dazu siehe jedoch den nächsten Abschnitt (insbesondere 5.2.) Der Golfkrieg 1990/1991 endete mit einer Verstärkung des imperialistischen Einflusses in der Region und bezüglich Kurdistan, nach massiven Angriffen des Iraks auf die kurdischen Siedlungsgebiete im Nordirak, mit der Etablierung einer "autonomen" Region im Nordirak. Dieses Gebilde, das die Erdölregionen Kurdistans, Mossul und Kerkuk, nicht umfaßt, ist vollkommen abhängig von den USA und auch der Türkei. So sieht die PKK in der Autonomieregelung in Südkurdistan keine Lösung. und gründete 1992 die PAK (Partiya Azadya Kurdistan, Freiheitspartei Kurdistans) als Ableger in Südkurdistan. Das Verhältnis zu den großen südkurdischen Parteien PUK und KDP ist gespannt. Die Spannungen stiegen soweit, daß es im Oktober 1992 zu einem koordinierten Angriff der türkischen Armee, der PUK und der KDP auf die PKK kam. Diese erlitt zwar relativ hohe Verluste (200), und mußte ihre grenznahen Lager räumen, konnte sich aber im Irak halten und die Stützpunkte später wieder aufbauen. Später gab es immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen der PKK vor allem mit der KDP und regelmäßig Invasionen der türkischen Armee in Südkurdistan (zuletzt im März 1997). Die anhaltenden Auseinadersetzungen zwischen den größten Parteien in Südkurdistan PUK und KDP und die Zusammenarbeit dieser Kräfte mit dem Irak, den USA oder der Türkei schwächten den Einfluß dieser beiden tradtionellen Parteien. Trotz der wiederholten Angriffe konnte die PKK nach verbreiteter Einschätzung die Autonomie in Südkurdistan nutzen, dort ihren Einfluß verbreitern und als Basis für ihren Kampf in Nordkurdistan ausbauen. 4.6. Kräftegleichgewicht und Diplomatie seit 1992 Wie bereits ausgeführt gewann der Befreiungskampf unter Führung der PKK Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre eine immer breitere Basis. In diese Zeit fallen auch die ersten Äußerungen des Generalsekretärs Abdullah Öcalans, daß auch eine politische Föderation vorstellbar wäre, wie im Interview mit dem Magazin Stern 1989. Seit den 90er Jahren versucht die PKK verstärkt in diplomatischen Offensiven ihre Anerkennung und politische Verhandlungen zu erreichen. Im März 1991 unterbreitet die PKK auf einer Presekonferenz in Brüssel die Bedingungen für einen Waffenstillstand: "Die Bedingungen für einen Waffenstillstand sind: 1. Die Anerkennung der Existenz des kurdischen Volkes, damit zusammenhängend die Aufhebung der Verbote der Sprache u.ä.; 2. Herstellung der Meinungs- und Organisationsfreiheit; 3. Freilassung aller Gefangenen; 4. Einstellung des Spezialkrieges, Aufhebung der Ausnahmezustandsgesetze, Abschaffung der Spezialteams, Dorfschützer u.ä. Organe; 5. Wir erklären, daß wir bei Verwirklichung der oben genannten Bedingungen zur Durchführung eines Refendums bereit sind." Diese Bedingungen, die auf die Herstellung von grundlegenden demokratischen Freiheiten zielen, änderten sich bei den einseitigen Waffenstillständen nur geringfügig. Im März 1993 verkündete die PKK einen einseitigen Waffenstillstand. Bei der hierzu gegebenen Pressekonferenz war auch J.Talabani (PUK) anwesend, was Ausdruck der verstärkten Versuche um Zusammenarbeit innerhalb der kurdischen Kräfte ist. Die Angriffe des türkischen Staates auf Bevölkerung und Guerilla gingen während dieser Zeit unvermindert weiter, so daß die PKK den Waffenstillstand nach 83 Tagen beendete. Im Februar 1995 unterzeichnete die PKK die Genfer Konvention, am 12. April 1995 wurde nach Wahlen im März in einigen kurdischen Exilländern und Armenien das kurdische Exilparlament gegründet. Die Rolle, die dieses jedoch im politisch-diplomatischen Dialog spielen kann ist aufgrund der hauptsächlichen Herkunft aus Nordkurdistan und der Uneinigkeit über die Frage der Autonomie oder Unabhängigkeit eingeschränkt. Am 15. Dezember 1995 wurde ein weiterer einseitiger Waffenstillstand verkündet, der nach Offensiven der türkischen Armee wieder gekündigt wurde. In den letzten Jahren versucht die PKK verstärkt direkt mit Regierungsbeauftragten in Europa, besonders der BRD in Kontakt zu treten. So fanden Trefen mit Beauftragten der deutschen Geheimdienste statt, bei denen es u.a um Verhandlungen über die Repression der deutschen Regierung gegen die in Deutschland lebende kurdische Bevölkerung und die Reaktionen dieser in Form von Anschlägen u.ä. ging. Auf der anderen Seite stehen immer wieder starke Drohungen der PKK gegen die türkische Regierung und deren Hauptpartner BRD, die bis hin zu Selbstmordanschlägen reichen. Die diplomatischen Offensiven werden vollkommen unterschiedlich bewertet. Die einen sehen sie als Ausdruck der Schwäche und Verbürgerlichung der PKK, die anderen als Ausdruck der Stärke. Heinrich stellt 3 Faktoren fest, die Hintergründe des einseitigen Waffenstillstandes von 1993 seien: "1. der Tatsache, daß es der PKK gelungen ist, sich im türkischen Teil Kurdistans mit weitem Abstand vor allen übrigen Kräften als die authentische nationale Befreiungsbewegung durchzusetzen, (...). Das ermöglicht es der PKK überhaupt erst, solche Schritte zu tun und dabei eine ernsthafte Reaktion der Gegenseite zu erwarten. 2. der Tatsache, daß die internationalen und regionalen Verschiebungen des Kräfteverhältnisses eine einfache Fortsetzung der bisherigen, im wesentlichen militärischen Strategie der PKK zunehmend erschweren und 3. die Tatsache, daß sich der PKK ihrem Klassencharakter entsprechend keine alternative Strategie anbietet." Celik betont, daß der Waffenstillstand nicht aus einer Situation der Schwäche, sondern der der Stärke ausgerufen wurde und führt dazu die militärische Bilanz der Monate nach dem Waffenstillstand an, die für die PKK sehr positiv ausfiel. Was festzustellen ist, ist daß es der PKK mit den einseitigen Waffenstillständen gelang, zu verdeutlichen, daß der türkische Staat demokratische Verhältnisse verweigert und diejenige Kraft in dem Krieg ist, die zu Verhandlungen nicht bereit ist. Dies führte u.a. bei den Grünen zu den Waffenstillstand unterstützenden Erklärungen, zu Äußerungen des Europaparlaments und letztendlich einem Erfolg in der internationalen diplomatischen Arbeit. Die PKK versucht über politische diplomatische Initiativen die Haltung einiger Länder gegenüber der Türkei und der Befreiungsbewegung zu verändern, um so die Türkei zu isolieren. Die Taktik gegenüber diesen Staaten, die auch teilweise Zugeständnisse beinhaltet (Deutschland) wird von einigen, die sich seit längerer Zeit mit Kurdistan befassen als eine Annäherung an die imperialistischen Mächte betrachtet, die mit Taktik nicht viel zu tun haben könne, sondern Ausdruck der Verbürgerlichung der PKK sei. Dabei wird meist die gestiegene Verantwortung der PKK gegenüber der Bevölkerung und die Notwendigkeit von Diplomatie und taktischen Zugeständnissen zur Erreichung eines Ziels nicht beachtet. Ob die Taktik der PKK dabei die richtige und erfolgversprechende ist, steht auf einem anderen Blatt. Die Kritik an der Taktik ist aber nie mit einem realistischen Vorschlag für ein anderes Vorgehen verbunden. Vom 8. bis zum 27. Januar 1995 hielt die PKK ihren 5.Kongreß, unter der Losung "Bildung der Volksmacht", ab. Neben der Verabschiedung des neuen Parteiprogramms, das das alte von 1978 ersetzte, wurde auf dem 20tägigen Kongreß die Praxis der letzten 4 Jahre ausgewertet und u.a. ein Beschluß über die internationalen Aufgaben gefaßt, in dem die Orientierung auf eine neue sozialistische Internationale festgelegt wird: "In unserer jetzigen Situation stellt sich das Problem in den Vordergrund, für die Menschlichkeit eine zentrale Organisation zu bilden, durch die die Zersplitterung der Arbeiter bzw. Unterdrückten durch die Ausbeuter sowie Unterdrücker verhindert werden kann. Für die Gründung und das Funktionieren einer neuen Internationale müssen neben der Feststellung der im allgemeinen zu lösenden fundamentalen Probleme auch die kontinentalen, regionalen und sogar länderspezifischen Voraussetzungen berücksichtigt werden, die aus den geschichtlich gesellschaftlichen Eigenarten entstanden sind. (...) Hierzu beschließt unser 5.Kongreß: (...) 2. Die Schritte zur Gründung einer revolutionären sozialistischen Internationale zu vollziehen und deren Führung zu übernehmen." Zu der Konkretisierung zur Gründung einer neuen Internationale war nichts an Literatur zu finden. Heute arbeitet die PKK mit verschiedenen anderen Befreiungsbewegungen auf der Welt zusammen, u.a. mit der EZLN (Mexiko) und den Tamil Tigers. Mit der türkischen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front, ehemals dev-sol) unterzeichnete die PKK Dezember 1996 ein gemeinsames Protokoll zur Zusammenarbeit auf allen Ebenen und zur Bildung einer gemeinsamen Front: "Unser Aufruf geht an alle Volkskräfte; Diejenigen, die Unabhängigkeit und Demokratie fordern, Freiheit und Gerechtigkeit fordern (...) müssen ihren Kräfte vereinigen und, gegen das Ausbeutungs- und Unterdrückungsregime kämpfen. (...) Unsere auf die Gründung und Verbreiterung der gemeinsamen Front unserer Völker zielende Allianz verpflichtet sich gegenseitig, in allen legalen Institutionen, wie Gewerkschaften, Berufskammern, verschiedene Vereine, in denen unsere Parteien organisiert sind, in allen demokratischen Feldern unter den Arbeitern, Beamten, in den Dörfern, in der Presse- und Kulturfront, in der studentischen Jugend, in den Kerkern, an den Arbeits- und Wohnorten, im Ausland, für die gemeinsamen Interessen unserer Völker und unserer Revolution, gegen den gemeinsamen Feind den gemeinsamen Kampf und die gemeinsame Organisierung zu erweitern, in den Städten und auf dem Land gemeinsame Aktionen aller Art zu organisieren, gegenseitige Hilfe und Solidarität zu entwickeln. (...)Die revolutionäre Front unseres Völker wird so entstehen. (...) Dies sehen wir die Phase, um alle Kräfte zu vereinigen und auf der Grundlage dieser Einheit die revolutionäre Front zu bilden." Es wird auch verstärkt versucht die Entwicklung der demokratischen und revolutionären Kräfte in der Türkei zu unterstützen. So wurde auf dem 5.Kongreß beschlossen die Arbeit der DHP (Revolutionäre Volkspartei) stärker zu entwickeln und sämtliche türkischen demokratischen und revolutionären Kräfte weiterhin nach Kräften unterstützt werden. Innerhalb der kurdischen Organisation orientiert die PKK in den letzten 4 Jahren verstärkt auf eine Zusammenarbeit. So wurde 1993 ein Bündnis der PKK mit 10 weiteren kurdischen Organisationen bekanntgegeben. Inzwischen konnte nach übereinstimmenden Informationen aus der Literatur die PKK eine militärische Stärke in Kurdistan erreichen, daß momentan weder die türkische Armee noch die PKK gewinnen kann. In dieser Phase will die PKK in den Gebieten, in denen ein Kräftegleichgewicht herrscht, mit dem Aufbau von Institutionen eines neuen Staates beginnen. Diese "Organe der Volksmacht" sollen in den als halbfertige und befreite Regionen bezeichneten Gebieten aufgebaut werden. Diese Dorfversammlungen sollen ein über diesen stehendes Nationalparlament bestimmen. Das Grundprinzip dieser Organe soll die "Wahl von einzelnen Personen, die von Menschen gewählt und wieder absetztbar sind" sein. Ebenso sollen dort Krankenhäuser, gemeinsame Landbewirtschaftung und eine Kriegsökonomie aufgebaut werden.
5. Die Ideologie der PKK 5.1. Das Verhältnis von nationaler und sozialer Befreiung Die PKK definiert die Revolution Kurdistans als eine "national-demokratische Revolution". Sie leitet diesen Charakter aus dem Kolonialstatus Kurdistans ab. Nach der Programmatik der PKK muß aufgrund der Verflechtung der nationalen Unterdrückung mit der Klassenunterdrückung "sowohl die Revolution, als auch den Kampf gegen die nationale- und Klassenunterdrückung als ganzes betrachtet" werden. Dazu heißt es im Manifest von 1978: "Die Revolution Kurdistans ist die Revolution eines Landes, in dem die nationale Unterdrückung überhaupt nicht abgeschafft, im Gegenteil, sich ständig verstärkt und aufgrund dieser Unterdrückung die Dunkelheit des Mittelalters sich in einer starken Form bemerkbar macht. (...) Die nationale Unterdrückung, die sich heute in Form eines in der Geschichte ständig entwickelnden und verstärkten kapitalistischen, türkischen Kolonialismus konkretisiert, verursacht, daß sich die erste Phase der Revolution Kurdistans aus nationaler Sicht entwickeln wird. Bevor die Frage der nationalen Unterdrückung gelöst ist, kann kein Problem des Landes gelöst werden. Der Hauptkonflikt des Landes ist von nationaler Qualität und die Lösung aller anderen Konflikte hängt von der Lösung diesen Hauptkonfliktes ab. Angefangen bei der Nichtentwicklung der Produktivkräfte des Landes, der nationalen Geschichte, der Sprache und Kultur, bis hin zur Dominanz der Dunkelheit des Mittelalters, ist dieser Konflikt für alles verantwortlich." Die PKK sieht den nationalen Kampf nicht als etwas beliebig in den Vordergrund gestelltes, sondern als notwendige Kampfetappe, da sich "ein Proletariat, in dessen Land ein nationales Befreiungs- bzw. Heimatproblem existiert, (...) ohne dies zu lösen nicht in den Kontext der Weltrevolution stellen" kann. So wird betont, daß "in einem Land wie Kurdistan, das geteilt und unter massiver Unterdrückung leidet, die Methode der nationalen Befreiung unter einer proletarischen Führung nicht eine der Lösungen, sondern die einzige Lösung darstellt." Alle, die die nationale Frage nicht als Hauptkonflikt sehen, würden dem Kolonialismus und der Reaktion dienen. Dies war verbunden mit der Ablehnung aller Lösungen außer der Eingestaatlichkeit. In dem neueren Programm ist diese prinzipielle Ablehnung aller anderen Lösungen außer der Eigenstaatlichkeit nicht mehr zu finden. Die nationale Seite der Revolution richtet sich gegen "die Herrschaft des Kolonialismus auf politischem, ökonomischen und kulturellem Gebiet", die demokratische Revolution ziele hingegen auf die Beseitigung der aus dem Mittelalter übriggebliebenen Widersprüche, "wie die feudale Ausbeutung durch Kompradoren, der Tribalismus, die Konfessionstümelei und die sklavenartige Abhängigkeit der Frauen." So werden als Angriffsziele die Feudal-Kompradoren, weitere koloniale Stützpfeiler, die türkischen Institutionen selber und die Herrschaft des Imperialismus genannt. Tragende Kraft dieser Revolution soll ein Bündnis der Arbeiter und Bauern sein. "Die Formierung der feudal-kompradoren Schicht während der Entwicklungsphase des türkischen Kolonialismus in eine Agentenstruktur, die Unmöglichkeit der Entwicklung des nationalen Kapitalismus und die darausfolgende Nichtentstehung einer national-bürgerlichen Klasse und die materielle Abhängigkeit der städtischen Kleinbourgeoisie vom türkischen Kolonialismus und von der feudal-kompradoren Schicht läßt die Arbeiter-Bauern-Allianz als Hauptkraft übrig. Die Arbeiter-Bauern-Allianz stellt für die Revolution Kurdistans eine grundlegende Bedeutung dar und ist für den Erfolg der national-demokratischen Revolution eine unverzichtbare Voraussetzung." Die Analyse der nationalen bzw. kolonialen Frage als dem momentan im Vordergrund stehenden Widerspruch ist durchaus nachvollziehbar, ebenso das Zusammenfallen von nationaler Befreiung und Klassenkampf. Nun stellt sich die Frage, ob dabei andere innergesellschaftliche Widersprüche zu wenig Beachtung finden. Zu dem Verhältnis der Frauenbefreiung und dem Unabhängigkeitskampf in Theorie und Praxis der PKK siehe Kapitel 5.4. Klassenwiderspruch und nationale Frage In vielen Ländern, vor allem der sog. Dritten Welt ist die nationale Frage noch nicht gelöst. Die Grenzen sind von den ehemaligen Kolonialmächten gezogen worden. Während in den Industrieländern die Nationbildung bis Anfang des Jahrhunderts abgeschlossen wurde, schuf sich der Imperialismus in den sog. Dritte Welt-Ländern eine - häufig feudale - Kompradorenklasse. "Ohne ausländische Unterstützung wären diese (inländischen kolonialen) Oberschichten sehr schnell dem Untergang geweiht - sie sind also gezwungen, zur Erhaltung ihrer Privilegien zu Kopradorenschichten zu werden. Diese Doppelherrschaft bedingt den Doppelcharakter der Kolonialrevolution: Um nationale Revolution sein zu können, muß sie zugleich soziale Revolution sein und umgekehrt. (...) Ihre wirkliche Befreiung (der ´Dritten Welt´, A.F.) kann nur durch einen Kampf erfolgen, der zugleich antifeudalistisch, antiimperialistisch und antikapitalistisch ist." Nun zeigt die Erfahrung, daß antikoloniale Befreiungskämpfe häufig mit der Herausbildung einer neuen Bourgeoisie und deren Erhebung zu einer Kompradorenklasse in formaler Eigenständigkeit endeten und die Unterdrückung und Ausbeutung unter anderen Bedingungen weitergeführt wurde. Inwieweit spielt dieser - nach der nationalen, antifeudalen Befreiung - hervortretende Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat eine Rolle in den Kampforientierungen der PKK und wie gedenkt sie die neuerliche Abhängigkeit unter neokolonialen Verhältnissen zu vermeiden? Die PKK ist sich durchaus bewußt, daß sich die an den nationalen Befreiungskampf herausbildende kleine und mittlere Bourgeoisie daran beteiligt, um in Konkurrenz zur türkischen Bourgeoisie den kurdischen Markt für sich zu gewinnen. Sie versucht gegen die kapitalistisch-nationalistischen Ansätze ideologisch zu arbeiten und ein Bewußtsein zu schaffen, daß von einem starken Selbstvertrauen ausgehend, sich den Sozialismus als Ziel nimmt. Die sozialistische Revolution und die nationale Befreiung seien untrennbar miteinander verbunden. Der Sozialismus könne nur über die nationale Befreiung und die nationale Befreiung nur über den Sozialismus erreicht werden. Nach dieser will sie ohne Unterbrechung an den Aufbau des Sozialismus gehen um durch diesen "zu unserem Endziel, der klassenlosen Gesellschaft zu gelangen". Dabei sollen private Initiativen auf ökonomischem Gebiet durchaus erlaubt sein und unterstützt werden, dies jedoch auch nur unter zentraler Planung und bei Dominanz des Staatsektors. So könne eine nationale Bourgeoisie in dem Rahmen gehalten werden, wo sie den Aufbau des Sozialismus nicht infragestellen kann. Im allgemeinen geht die PKK keineswegs davon aus, daß durch die nationale Befreiung alle Probleme gelöst seien: " Das heißt nicht, daß es keinen Klassenkampf gibt; der wird weitergehen. (...) Mit der Gründung des Staates haben wir ja noch nicht alle Probleme gelöst. Der Klassenkampf wird auf der ideologischen Ebene fortgeführt werden. Kleinbürgerlichen, feudalen und bourgeoisen Parteien wird so die Basis genommen, auch auf ökonomischer Ebene, stufenweise je nach Größe der ausgehenden Gefahr." Zu der zweiten Frage siehe Kapitel 5.5. (Konzepte für die Nachkriegsphase) 5.2. Stellung der PKK zum Realsozialismus Die PKK sieht sich selber als eine die Lehre von Marx, Engels und Lenin weiterentwickelnde sozialistische Partei, in der Tradition der Kämpfe der Ausgebeuteten und Unterdrückten an und erhebt den Anspruch, das Werk der Oktoberrevolution weiterzuführen. So ist zu fragen, welche Fehler und welche Gründe für den Zerfall des Realsozialismus gesehen werden und welche Bedeutung dem beigemessen werden bzw. aus welchen Fehlern zu lernen sei. Aufgrund der relativen Unabhängigkeit vom Realsozialismus, die seine Ursachen u.a. in der Haltung der Sowjetunion (SU) zu Kurdistan hatte, konnte die PKK eine tiefere Kritik entwickeln als die meisten der an Moskau angebundenen Parteien. Nach Can Yüce war es sogar "lebenswichtig, den Realsozialismus kritisch zu betrachten." Die PKK wendete sich aber statt dessen nicht einem der anderen Länder wie China oder Albanien zu, sondern kritisierte diese Anbindung an eines der "Mekkas" prinzipiell, da dies die schöpferische Entwicklung in dem jeweiligen Land behindere. Die Kritik Die PKK bezeichnet den Realsozialismus "als die niedrigste und brutalste Stufe des Sozialismus", sieht sich aber trotzdem in dessen Tradition. "Der errichtete Sozialismus war nur eine Phase dieses Kampfes. Das gab es in allen Revolutionen.". Im Programm von 1995 ist die Kritik des Abweichens des Realsozialismus von der revolutionären Linie folgendermaßen zusammengefaßt: "- In ideologischer Hinsicht ein Abrutschen in den Dogmatismus, Vulgärmaterialismus und großrussischen Chauvinismus; - in politischer Hinsicht die Schaffung eines extremen Zentralismus, das Einfrieren des demokratischen Klassenkampfes und das Erheben der Staatsinteressen zum alleinigen Bestimmungsfaktor; - in sozialer Hinsicht die Einschränkung des freien und demokratischen Lebens der Gesellschaft und des Individuums; - in ökonomischer Hinsicht die Dominanz des Staatssektors und das Nichtüberwinden einer dem Ausland nacheifernden Konsumgesellschaft; - in militärischer Hinsicht schließlich die Erhebung der Armee und der Rüstung gegenüber allen anderen Bereichen." Zur Bürokratisierung führt Öcalan an, daß "die in der Sowjetunion vorherrschende Ebene der Verstaatlichung (im Sinne einer Bürokratisierung der Institutionen, d.Ü.)" ein Hindernis bedeutete. Natürlich sei Verstaatlichung notwendig, "aber die Übertreibung der Verstaatlichung und der Ausbau des Staates in dieser Form, würde sich mit dem Kern und dem Wesen des Sozialismus widersprechen. Es wird verständlich, daß die Errichtung eines sozialistischen Staates, sogar die Errichtung der proletarischen Diktatur, nicht die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft bedeutet. Schon gar nicht die Erschaffung des sozialistischen Menschen." Der Sozialismus muß die Verkleinerung des Staates zum Ziel haben. Dies geschah nicht, "es wurde ein Staat errichtet, in dem die Gesellschaft atemlos wurde." Hinzu komme die Wandlung der SU zu einer Form des "nationalen Sozialismus", womit gemeint ist, daß die Sowjetunion die revolutionären Ansätze außerhalb an ihr Land gebunden hat und eine schöpferische Entwicklung in diesen Ländern minimiert wurde. Desweiteren benennt die PKK weitere wesentliche Kritikpunkte an dem Realsozialismus: - die Lösungsunfähigkeit der Geschlechterfrage, so "kann man auch nicht behaupten, daß sich (...) der Sozialismus in ausreichender Weise mit den Problemen der Frauen auseinandergesetzt, oder daß der sowjetische Sozialismus diesbezüglich kleinbürgerliche Einstellungen überwunden hat." - die Vernachlässigung der Schaffung einer "sozialistischen Persönlichkeit", des "neuen Menschen", worin ein wesentlicher Grund für die anderen Fehler gesehen wird. Seit spätestens den 60er Jahren sei der Realsozialismus in eine Phase der völligen Stagnation eingetreten. "Im Inneren konnte es (das sowjetische System, A.F.) sich nicht erneuern oder Neues hervorbringen, im Ausland hingegen hat es alle revolutionären Bewegungen und Ansätze an sich gebunden und sich so in eine Ausweglosigkeit gebracht." Diese Stagnation habe zusammen mit der inneren und äußeren Reaktion zur Auflösung des Realsozialismus geführt. Trotz dieser Kritikpunkte sah die PKK die realsozialistischen Länder, deren Existenz günstige Bedingungen für die nationalen und sozialen Befreiungskämpfe schuf, als natürliche Bündnispartner an. Heute sieht die PKK zwar durchaus die verstärkten imperialistischen Aggressionen und die Gefahr, die von diesen für die Völker der Welt ausgeht. Über eine konkrete Einschätzung des international veränderten Kräfteverhältnisses war jedoch nichts in deutscher Sprache zu finden. Um so mehr betont sie, daß der Zerfall des Realsozialismus "zwar nicht der gewünschte Weg" war, "die Stagnation der Weltlage" aber eben dadurch überwunden worden sei, so daß sich nun "für die Entwicklung des Sozialismus und der Revolutionen neue Möglichkeiten" ergäben. Die PKK versteht den Sozialismus nicht nur als Gesellschaftssystem, sondern auch als Prozeß. Innerhalb dieses Verständnisses stehe die Schaffung eines "neuen Menschen", einer "sozialistischen Persönlichkeit" an erster Stelle. So liegt der Schwerpunkt der 3-monatigen Ausbildung auch nicht auf der militärischen (1 Monat), sondern der politischen (2 Monate) Ausbildung. Unter dem "neuen Menschen" wird eine "schöpferische, aktive, politisch bewußte Persönlichkeit", die gegen Ausbeutung kämpft und menschlich und kollektiv denkt und handelt, verstanden. Im Programm von 1995 wird die "sozialistische Persönlichkeit" folgendermaßen definiert: "Eine Persönlichkeit, die mit großer Voraussicht, großem Verständnis, mit großer Anstrengung und Entschlossenheit jede Schwierigkeit zu überwinden sucht, und Negatives zu Positivem verwandelt; eine Persönlichkeit, die unter allen Bedingungen mit ihrer starken Willenskraft Faszination ausübt, und die für den Entwicklungskampf der Menschheit, ohne persönliche Vorteile für sich zu wollen, sogar ihr Leben hingibt." Die Entwicklung des "neuen Menschen" dürfe nicht auf nach der Revolution verschoben werden, vielmehr wird die Entwicklung zur sozialistischen Persönlichkeit als notwendige Bedingung zur Erreichung des sozialistischen Ziels gesehen. In der Sowjetunion sei dies vernachlässigt worden und ein Grund des Niedergangs gewesen. Bei der feudalen Rückständigkeit der Menschen Kurdistans sei die Dekolonisation der Menschen noch notwendiger als in der SU. Dieser Kampf im Innern eines Menschen wird auch als Klassenkampf bzw. als Kampf zwischen den Anschauungen des "Spezialkrieges" und denen des Sozialismus verstanden: "Den Klassenkampf nur grob, nur im objektiv-physischen Umfeld der Klasse oder des Volkes zu führen, würde nicht ausreichen. Der Klassenkampf muß in seinem Gehirn - der Avantgarde und Organisation - geführt werden. Dies muß jenes Ausmaß erreichen, in dem der Klassenkampf in seinem Herzen, in den Lungen und in den kleinsten Kapillargefäßen geführt wird. Wenn im Klassenkampf der völlige Erfolg erzielt werden soll, so ist die in intensiver Form sich darstellende, Führung des Kampfes gegen den Bürokratismus und Konservatismus, in seinem Inneren - mit großer Anstrengung - zwingend notwendig." Diese Schaffung des "neuen Menschen" finde sich heute vor allem bei der Guerilla. Dort und in der Ausbildung würden kollektive Prinzipien durchgesetzt und Methoden wie Kritik und Selbstkritik institutionalisiert. Leukefeld schildert dies in ihrem Buch: "Mit gemischten Gefühlen mag man als Außenstehender die Formung der militanten Persönlichkeit sehen, die im Mittelpunkt der Ausbildung steht. Kritik und Selbstkritik sind wesentlicher Bestandteil und gehören sicherlich zu den schwersten Kapiteln. alle müssen lernen, vor dem versammelten Camp zu sprechen. Offen soll über alle Probleme diskutiert werden, ohne Scheu. Kungelei wird ebenso kritisiert, wie das Reden hinter vorgehaltener Hand. Jeder und jeder muß lernen, öffentlich die anderen zu kritisieren, egal ob es ein Kommandant, der Vorsitzende der Partei oder eine Genossin der gleichen Manga (die Grundeinheiten in der Ausbildung, A.F.) ist." Wichtig sei dabei, diese Veränderung der Persönlichkeiten nicht psychologisch, sondern jeweils vor dem Hintergrund der jeweiligen Klassenzugehörigkeit, bzw. herkunft zu führen. Wesentlicher Teil der Schaffung des "neuen Menschen", der Durchbrechung des kolonisierten Menschen ist die Geschlechterfrage.
5.4. Frauenbefreiung / Geschlechterfrage bei der PKK Der Frauenfrage wird in der PKK ein hoher Stellenwert beigemessen. Ohne die Befreiung der Frau könne es keinen Sozialismus geben. Die Frauenbefreiung wird als eine "Revolution in der Revolution" gesehen. Frauen seien in Kurdistan einer doppelten Unterdrückung ausgesetzt. Auf der einen Seite die koloniale Unterdrückung, auf der anderen die als Frauen. "Der Begriff der doppelten Unterdrückung meint in diesem Zusammenhang nichts anderes, als ihre doppelte Versklavung: Nämlich zum einen als Angehörige des kurdischen Volkes, (...), und zum anderen als Frau und Kurdin Opfer einer Tradition zu sein, die gekennzeichnet ist durch die Gewalt patriarchaler Herrschaftsstrukturen (...)" Frauen in der kurdischen Gesellschaft sind "vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, haben häufig keine Schule besucht, können die Sprache der Kolonialisten nicht, sind ans Haus gebunden." Sie werden vom politischen Leben ferngehalten und verinnerlichen selber ihre Rolle als Frau. "Die Mädchen finden es ganz normal. Der Wille in die Sklaverei zu gehen ist da. (...) Das Mädchen wird wie eine Ware gekauft und verkauft, wird gegen Geld gegeben und wie ein Eigentum angesehen." Eine große Rolle in der traditionellen kurdischen Gesellschaft spielt die Ehre. Die Ehre der Familie gilt als abhängig von der "sexuellen Reinheit" der Frau. Jungfräulichkeit vor und die Treueverpflichtung in der Ehe führen zu strikter Überwachung der Frau und schließen diese von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben aus. Der türkische Staat versucht dieses traditionelle Ehreverständnis zur Einschüchterung auszunutzen. So richten sich viele Repressalien besonders gegen Frauen. Über sexuelle Demütigungen wird versucht, die ganze Familie einzuschüchtern. Um aus den patriarchal geprägten Familienstrukturen auszubrechen und der Gewalt der türkischen Soldaten zu entgehen, kommen viele Frauen zur Guerilla. "Die Guerilla bietet die Möglichkeit, sich aus diesen sklavischen Lebensbedingungen zu befreien, die nur einen Lebensweg für Frauen vorsieht: Die lebenslange Dienerrolle." In einem Interview einer deutschen Delegation mit 10 Frauen im Ausbildungscamp der PKK gibt es zwei Anworten, die alle der befragten Frauen als Beweggrund für die Teilnahme am Kampf angeben. Der eine Grund ist die Frauenfrage, der andere die nationale Unterdrückung. Ansonsten kommen noch Beweggründe wie die Klassenfrage und die Befreiung des türkischen Volkes, die nur über die Befreiung Kurdistans gehe, hinzu. Innerhalb der PKK steht die Geschlechterfrage im Zentrum. "Das wichtigste Ziel unseres Kampfes ist die Befreiung der Frau" Auch im kapitalistischen System konnte die Unterdrückung der Frauen nicht beseitigt werden. Im Programm heißt es hierzu: "Die Unterwerfung der Frauen, die mit dem Übergang zur Klassengesellschaft begonnen hat, konnte auch im kapitalistischen System nicht überwunden werden, sie wurde nur mit verfeinerten Methoden fortgeführt und verlor nichts von ihrer zerstörerischen Eigenschaft. Das kapitalistisch-imperialistische System unterzieht in seinen Zentren die Frauen einer schweren Ausbeutung und macht sie zu Waren." In den abhängigen Ländern wird die Unterwerfung systematisch weitergeführt. Frauen werden heute einer zweifachen Unterdrückung und Ausbeutung unterzogen, und bedürfen am stärksten der Gleichheit und Freiheit. "Gleichzeitig nimmt der Befreiungskampf der Frauen aus ihrer Unterwerfung im Rahmen der Entwicklung der gesellschaftlichen Freiheit eine der grundlegendsten Rollen ein. Wenn die Unterdrückung und Ausbeutung der Frau aufgehoben und sie befreit ist, dann wird dies im wahren Sinn die Entwicklung von gesellschaftlicher Gleichheit und Freiheit sichern. (...) Deshalb wird auch die Frauenfrage eines jener Problemfelder sein, die den Sozialismus in seiner Reifeperiode am stärksten zu interessieren hat." Dies heißt aber nicht, daß die PKK davon ausgeht, daß mit der Revolution automatisch die Befreiung der Frau einhergeht. Um eine eigenständige Basis zu haben, wurden eigene Fraueninstitutionen gegründet. "Damit uns nicht dasselbe passiert, wie den Frauen, die in anderen Befreiungsbewegungen tätig waren, die nach Beendigung des Krieges wieder in ihre traditionelle Rolle zurückgedrängt wurden, wollen wir als Frauen des Freien Frauenverbandes Kurdistan eine zukunftsorientierte Organisierung schaffen. (...) Um diese Ziele verwirklichen zu können, muß ein intensiver Kampf mit viel Durchsetzungskraft geführt werden. Wir können nicht von der Vorstellung ausgehen, daß mit der gesellschaftlichen Befreiung automatisch auch die Frauenbefreiung käme." Die Beteiligung von Frauen am bewaffneten Kampf der PKK führte "zum Zusammenbruch der vorhandenen Wertvorstellung der Gesellschaft." Immer mehr Frauen schlossen sich dem bewaffneten Kampf an, um so aus den traditionellen Familienstrukturen zu fliehen und der Demütigung durch den türkischen Staat zu entgehen. Innerhalb der PKK führte die größere Beteiligung von Frauen zu Widersprüchen, die ihre Grundlage in der gesellschaftlichen Prägung von Männern und Frauen haben: - Männer, die eine selbständige Entwicklung von Frauen behindern, ihre Machtpositionen beibehalten wollen und z.B. Frauen als Kommandantinnen nicht akzeptieren - Frauen, die sich an Männer anhingen, sich von der Abhängigkeit nicht lösen konnten, kein Selbstvertrauen besaßen, Führungspositionen ablehnten und Frauen in solchen auch nicht akzeptierten. "Um diese seit Jahrhunderten verfestigten Rollen endgültig zu zerschlagen (...) war die Stärkung der Frauen eine Notwendigkeit. (...) Sie mußte auf sich selbst gestellt werden, damit sie an ihre Stärke glauben und Kraft und Willen entwickeln kann. (...) Eine eigenständige Frauenarmee stellt eine Stärke und Macht der Frauen dar. Sie sollen hier Selbstbewußtsein erlernen, um Verantwortung und Macht zu übernehmen." Die Gründung der Frauenarmee wurde im November 1993 beschlossen. Heute kämpfen ca. 5000 Frauen in der Frauenarmee und ca. 11.000 Frauen in gemischten Einheiten. Die Frauenarmee hat eine eigene Oberkommandatur und plant selbständig ihre Aktionen. Auf Beschluß des 1.nationalen Frauenkongresses im März 1995 soll eine eigenen Infrastruktur (Schulung, Gesundheitsversorgung, militärische Struktur u.a.) aufgebaut werden. Somit haben Frauen sich ihre eigenen Strukturen in Form der YAJK (Yekiya Azadiya Jinen Kurdistan, Freier Frauenverband Kurdistan) und der Frauenarmee geschaffen.
5.5. Konzepte für die Nachkriegsphase An ausgearbeiteten Konzepten für die Nachkriegsphase wurde bisher nicht viel von der PKK auf deutsch publiziert. Die geringe Ausarbeitung solcher Konzeptionen wird vor allem zwei Ursachen haben: Erstens bindet der Krieg fast alle Kräfte und zweitens verlaufen geschichtliche Prozesse nicht linear, ist eine neue Gesellschaft nicht am grünen Tisch zu entwerfen, sondern muß aus der Kräftesituation in einer historischen Situation bestimmt werden. Zunächst möchte ich hier die programmatischen Zielsetzungen schildern und dann noch auf die Vorstellungen bezüglich politischer Lösung, Unabhängigkeit, Föderation und Eigenstaatlichkeit eingehen. Zielvorstellung im Programm ist nach wie vor der Sozialismus um dadurch "zu unserem Endziel, der klassenlosen Gesellschaft zu gelangen". Folgende konkrete Aufgaben sieht die PKK für die Revolution Kurdistans: - auf ökonomischer Ebene: die Schaffung eines unabhängigen Finanz- und Kreditsystems, die Bodenreform, Vergesellschaftung aller Abbaustädten, Fabriken, landwirtschaftlicher und anderer Betriebe, die von den ehemaligen Kolonialisten betrieben werden, Beschlagnahmung des Besitzes der Kollaborateure, Ermunterung der Bauern zur Kollektivbildung und die Schaffung einer zentralen Wirtschaftsplanung. Das gesellschaftliche Eigentum muß aber eindeutig "vom Staatskapitalismus unterschieden und dieser bekämpft werden." Priorität soll die Entwicklung der Schwerindustrie haben. - auf demokratischer Ebene: Einführung des 8-Stunden-Tages, Organisationsfreiheit für die Werktätigen, Schaffung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, Einheit Kurdistans nur auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts der jeweiligen Teile, Alphabetisierung, Recht auf Bildung - auf militärischer Ebene der Ausbau der Volksbefreiungsarmee, mit der Zielvorstellung einer Milizorganisierung - auf internationaler Ebene: Gemäß den Prinzipien der proletarischen Internationalismus ist jede revolutionäre Bewegung für die Revolution in ihrem eigenen Land selbst verantwortlich. So ist die PKK gegen jegliche erzwungene Einheit, aber unter der Bedingung der Freiheit der einzelnen Völker sollen "die Beziehungen zu den Nachbarvölkern und vor allem zu der Bevölkerung der Türkei (...) im Rahmen des Ansatzes einer ´Föderation des mittleren Ostens´ entwickelt werden." Die Einheit mit den Fortschrittlichen Bewegungen weltweit soll gesucht werden. Seit 1992 tritt die PKK verstärkt mit der Forderung nach einer politischen Lösung auf und äußert, daß es auch andere Lösungen als die Lostrennung von der Türkei gebe. Was unter Frieden verstanden wird, schilderte die ERNK auf der Konferenz "Kurdistan im Frieden" im Juli 1996: "Es ist übertrieben, wenn man unsere Partei beharrlich als eine separatistische Organisation bewertet und daß sie - koste es was es wolle - einen separaten Staat zum Ziel habe. Daß, was wir in aller Offenheit und deutlich vorschlagen wollen, ist ein Staatsmodell, daß die grundlegenden kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rechte sicherstellt. Diese Rechte können sowohl unter dem Dach eines gemeinsamen Staates wahrgenommen werden, als auch unter dem Dach eines separaten Staates. (...) Frieden ist ein Begriff von einem sehr hohen Wert. Es ist ein Begriff, der von allen Klassen und Schichten nach ihrem eigenen Verständnis definiert und umgesetzt wird. Unser Verständnis von Frieden ist dem Begriff des Frieden derjenigen, die ausbeuten, grundlegend entgegengesetzt. (...) Für uns bedeutet Frieden, alle materiellen Verhältnisse, die zum Krieg führen, zu beseitigen und eine Situation zu schaffen, in der es keine Ausbeutung und Unterdrückung mehr gibt. Das heißt, die Ursachen des Krieges abzuschaffen."
In den 19 Jahren ihrer Existenz ist die PKK zu der stärksten kurdischen Partei in Kurdistan und im Exil geworden. Im Prozeß ihres Wirkens hat sie einige Positionen, die zu Beginn rein theoretische Feststellungen waren, der Realität angepaßt. So zum Beispiel in der Frage Eigenstaatlichkeit oder Föderation. In einem der strategisch wichtigsten Gebiete des Nahen und Mittleren Ostens stellt die PKK das dortige Herrschaftsgefüge und dessen Grenzen, wie sie vor 70 Jahren gezogen worden sind, infrage. Sie tritt nach wie vor für den Sozialismus ein, begründet dies aus den Umständen in Kurdistan selber und versucht den Sozialismus weiterzuentwickeln. Aber wie er bei den heutigen internationalen Kräfteverhältnissen durchsetzbar sein soll - erst recht in einem Gebiet, wo so intensive Interessen des Westens existieren - dazu wird nicht viel gesagt. Dabei sah auch die PKK die Existenz der realsozialistischen Staaten als eine Bedingung für eine Öffnung des Weges zum Sozialismus in Kurdistan. Was wird das Ergebnis des Kampfes sein, wenn nicht der sozialistische Weg eingeschlagen wird? Klare Äußerungen waren hierzu nicht zu finden. Die PKK orientiert aber verstärkt auf eine Zusammenarbeit mit linken türkischen Kräften. Dies vielleicht auch aus dem Wissen, daß ohne weitere revolutionäre Veränderungen in der Region, vor allem in der Türkei, ein Sozialismus in Kurdistan nicht durchsetzbar sein wird. Unabhängig von dem konkreten zukünftigen Ergebnis ihres Kampfes ist der PKK an historischem Verdienst vor allem dreierlei zuzuschreiben: Die PKK hat - es geschafft, die kurdische Frage auf nationaler und internationaler Ebene zum Thema ersten Ranges zu machen. Das Selbstbestimmungsrecht ist in Kurdistan so nahe wie noch nie zuvor in der Geschichte. - im kurdische Volk ein Bewußtsein geschaffen Unterdrückung nicht einfach hinzunehmen, sondern selbstbewußt für die eigenen Rechte einzutreten. Der PKK gelang es, die durch die herrschende Politik immer wieder zersplitterten Kräfte zusammenzuführen und den KurdInnen Hoffnung auf ein anderes Leben zu vermitteln. - die Idee des Sozialismus in Kurdistan wieder lebendig werden lassen. In einer Zeit in der der Sozialismus seine schwerste Niederlage in der Geschichte erleiden mußte, erhielt er in Kurdistan immensen Auftrieb. Gleichzeitig stellen sich an einige der Charakterzüge der PKK kritische Fragen: - Während einerseits die Rhetorik in Programm und dem Anhang der PKK sehr offensiv formuliert ist, ist die Taktik der PKK auf diplomatischer Ebene häufig schwer in Einklang damit zu bringen. Eine Erklärung könnte sein, daß bei der sich immer weiter steigernden Repression des türkischen Staates mit dieser Rhetorik versucht wird, die Massenbasis zu erhalten, während gleichzeitig die Gefahr gesehen wird, daß durch diese Repression das kurdische Volk kriegsmüde wird und die Unterstützung des Befreiungskampfes zurückgeht. - Was soll das für eine neue Internationale sein? Mit wem, mit welchen Kriterien, mit welchen Zielen soll sie gebildet werden? Was ist mit dem Führungsanspruch gemeint? Wie werden die Erfahrungen der KOMINTERN ausgewertet? Dies alles bleibt in dem Beschluß des 5.Kongresses offen. - Ein Punkt der in der Arbeit keinen Platz mehr finden konnte, der aber Teil einer weiterführenden Auseinandersetzung sein sollte, ist die Rolle des Generalsekretärs Abdullah Öcalan innerhalb der Partei. Öcalan, von vielen "Apo" (Onkel) genannt, hat innerhalb der Partei weitgehende Befugnisse, wird in großen Teilen des kurdischen Volkes hochverehrt und stellt eine die verschiedenen Teile der KurdInnen einigende Institution dar. Diese Rolle beinhaltet mehrere Gefahren: Eine Weiterentwicklung der PKK kann gehemmt werden, wenn dieser Öcalans Wort entgegensteht, eine Demokratisierung nach dem Krieg könnte sich erschweren und was geschieht wenn Öcalan als einigende Kraft nicht mehr zur Verfügung steht?
ARGK: Volksbefreiungsarmee Kurdistan (Artesa Rizgariya Gelê Kurdistan), gegründet 1986 AYÖD: Revolutionärer Hochschulverein Ankara (Ankara Devrimci Yüksek Ögrnim Dernegi) DDKO: Revolutionäre Kulturvereinigungen des Ostens DEP: Demokratiepartei, gegründet:1993, verboten: März 1994 DHP: Revolutionäre Volkspartei, PKK-nahe türkische Organisation Dev-Genc: Föderation der Revolutionären Jugend der Türkei Dev-Sol: Revolutionäre Linke, aus Dev-Yol hervorgegangen, in Deutschland seit 1982 verboten Dev-Yol: Revolutionärer Weg, heute in die ÖDP aufgegangen DHKP-C: Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front, gegründet 1994 als eine Abspaltung von Dev-Sol ERNK: Nationale Befreiungsfront Kurdistans (Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan), gegründet 1985 FKBDC: Vereinigte Widerstandsfront gegen den Faschismus, gegründet 1982 HADEP: Demokratiepartei des Volkes, gegründet 1994 HEP: Partei der Arbeit des Volkes, gegründet: 1991; verboten: 14.7.1993 HRK: Befreiungseinheiten Kurdistans (Hêzên Rizgariya Kurdistan), exixistent von 1984-1985. Ging in ARGK auf. KDP: Demokratische Partei Kurdistans, Vors.: M.Barsani KDP-T: Ableger der KDP in Türkisch-Kurdistan KKP: Kurdische Kommunistische Partei (Kürdistan Komünist Partisi), gegründet 1982 KOMKAR: Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der BRD, Massenorganisation der TKSP KUK: Nationale Befreier Kurdistans, Abspaltung von der KDP-T 1977 ÖDP: Partei für Freiheit und Solidarität, Sammelorganisation aller möglichen Kräfte links der Sozialdemokratie, gegründet 1995 PAK: Freiheitspartei Kurdistans (Partiya Azadya Kurdistan), Gründung PKK-naher Südkurden PKK: Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan), gegründet 1978, in Deutschland seit 1993 verboten PUK: Patriotische Union Kurdistans, Vors.: J.Talabani SHP: Sozialdemokratische Volkspartei THKO: Volksbefreiungsarmee der Türkei (Türkiye Halk Kurtulus Ordusu) THKP-C: Volksbefreiungspartei der Türkei - Front (Türkiye Halk Kurtulus Partisi - Cephe), Guerillaorganisation Anfang der 70er Jahre TIP: Türkische Arbeiterpartei, gegründet 1961 TKEP: Türkische Kommunistische Partei der Arbeit (Türkiye Komünist Emek Partisi), gegründet 1980 TKP: Türkische Kommunistische Partei TKP-ML: Türkisch Kommunistische Partei - Marxisten Leninisten TKSP: Sozialistische Partei Türkei-Kurdistans TSK: Sozialistische Bewegung Kurdistans, Abspaltung von der TKSP YAJK: Freier Frauenverband Kurdistans, gegründet 1994 YJWK: Patriotische Frauenunion Kurdistans, in Deutschland seit 1993 verboten YXK: Verband der StudentInnen aus Kurdistan
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