Anhang

Frieden und Demokratie sind möglich
Antwort Öcalans auf das Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft
Eröffnungsrede zum Gerichtsjahr 1999-2000
Dr. Sami Selcuk, Erster Vorsitzender des Kassationsgerichtshofes

Europarat und Todesstrafe
Internationale Reaktionen auf das Todesurteil
Chronologie

 


Frieden und Demokratie sind möglich

Die Dimension des Problems

Die Gesellschaft in der Türkei wird heute immer mehr durch Arbeitslosigkeit, Hunger und Armut, eine 80%ige Inflation, eine schmutzige Politik und wirtschaftliche Probleme gekennzeichnet und erdrückt und tagtäglich immer weiter von der demokratischen Weltöffentlichkeit entfernt. Der Krieg hat alle finanziellen Möglichkeiten des Landes ausgeschöpft und wie ein Mühlstein zermahlen. Aber die Ursache des Krieges ist nicht, wie behauptet wird, der "Separatismus" und der "Terror", sondern genau umgekehrt die auf Leugnung, Negation und Diskriminierung basierende und jahrzehntelang nicht gelöste Kurdenfrage.
Diejenigen, die im Namen der "Einheit und Unteilbarkeit der Türkei" handeln und der Forderung des kurdischen Volkes nach Gleichberechtigung mit Panzern und Kanonen antworten, dienen "bewusst" oder "unbewusst" nicht der Türkei und den Interessen des türkischen Volkes. Die Interessen des türkischen Volkes und Staates liegen in der Anerkennung der Rechte des kurdischen Volkes, der Heilung der seit Jahrhunderten blutenden Wunde und der Beendigung der Diskriminierung. (...)
Heutzutage stellt die Kurdenfrage, die auf keine Weise einer Lösung nähergebracht werden konnte, das grundlegende Problem der Türkei dar. Ob in der Türkei die Demokratie mit all ihren Institutionen Fuß fassen kann, die Menschenrechte in ihrer vollen Bedeutung verwirklicht werden können, die wirtschaftliche Krise überwunden werden und das Land auf den Weg der Entwicklung und des Fortschritts gelangen kann, hängt von der demokratischen und gerechten Lösung der Kurdenfrage ab. Solange die Kurdenfrage nicht gelöst wird, kann in der Türkei weder von einer wirklichen Demokratie, von Veränderung und Umgestaltung, noch von Menschenrechten die Rede sein.
Die letzten Jahre haben auch gezeigt, dass Staatsstreiche, Ereignisse wie Susurluk, Gladio oder die Konterguerilla, die Inflation, soziale Konflikte, Hunger und Armut, Konflikte mit den Nachbarstaaten und Menschenrechtsverletzungen ihre Hauptursache im weitesten Sinne in der nicht gelösten Kurdenfrage haben.
Wenn in einem Teil des Landes der Krieg fortgeführt wird, dort ein anderes Verwaltungs- und Rechtssystem angewandt wird und manche Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt werden, dann kann nicht in dem anderen Teil eine demokratische Türkei geschaffen werden. Der Schlüssel zu einer zivilisierten und demokratischen Gesellschaft liegt in der gerechten und demokratischen Lösung der Kurdenfrage. (...)
Die vergangenen 75 Jahre haben auch gezeigt, dass man bei der Kurdenfrage, welche bisher keiner dauerhaften und beständigen Lösung zugeführt wurde, zwar teilweise relativ "erfolgreich" sein kann, sich aber kurze Zeit später mit einer noch weiter entwickelten Reaktion und Kampf konfrontiert sieht. Aus diesen Gründen ist es auch unmöglich, die Kurdenfrage mit militärischen Mitteln zu "lösen". Die Lösung des Problems wird letztlich, wie im Baskenland, in Palästina, in Südafrika und bei ähnlichen Problemen nur auf dem politischen Weg zu finden sein.

Was für ein Frieden ?

In unserer heutigen Welt werden Konflikte und Kriege beendet und gelöst, ohne dass eine der Parteien völlig beseitigt wird, kapitulieren muss oder grundlegende gesellschaftliche Veränderungen stattfinden müssen. Letztendlich muss im weitesten Sinne jeder Konflikt und Krieg mit einem Frieden und einem Kompromiss beendet werden.
Nach so vielen Erfahrungen muss man erkennen, dass ein mit Gewalt diktierter "Frieden", bei dem eine der Parteien unterdrückt wird, keine Lösung sein kann. Es muss ein beständiger und gerechter Frieden angestrebt werden, aus dem beide Konfliktparteien am Ende als Gewinner hervorgehen. Denn in Situationen, in denen es Gewinner und Verlierer, Sieger und Besiegte gibt, ist ein neuer Konflikt nicht weit. Und aus diesem Grunde muss der Frieden ein Akt der gesellschaftlichen Aussöhnung sein, an dem breite Teile der Bevölkerung beteiligt sein müssen.
Öcalan und die kurdische Seite, einschließlich der PKK, haben zu einer friedlichen Lösung innerhalb der Türkei "Ja" gesagt und damit die vom Staat verlangten Vorbedingungen erfüllt. Sie haben "Ja" gesagt zu einer Einheit auf der Basis von Freiwilligkeit und Gleichheit unserer Völker und ihren Willen dazu erklärt. Dies kann als Grundlage für einen Neuanfang genommen werden, und auf dieser Basis kann eine gemeinsame Zukunft aufgebaut werden.

Das Problem ist keine Frage des "Terrors"

Obwohl es in unserer heutigen Welt viele Bewegungen gibt, die Terror anwenden und ihn anderen Methoden vorziehen und ohne Ausnahme alle nationalen und gesellschaftlichen Befreiungsbewegungen des Terrorismus beschuldigt werden, gibt es keine allgemeine, auf internationaler Ebene akzeptierte Charakterisierung und Definition der Begriffe "Terror", "Terrorist" und "Terrorismus". Die Art, diese zu charakterisieren und zu definieren, ist sehr relativ. Wer für den einen ein Terrorist ist, ist für den anderen keiner. Dies unterscheidet sich je nach Sichtweise, Parteinahme und Situation.
Zum Beispiel ist die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), obwohl sie von Zeit zu Zeit auch Terrorakte verübt hat, keine Terrororganisation. Bis gestern war die PLO für den israelischen Staat terroristisch. Dagegen wurde sie vom arabischen Volk und von der demokratischen Welt-öffentlichkeit als eine nationale Befreiungsbewegung angesehen. Der Afrikanische Nationalkongress (ANC) war für de Klerk und das Apartheidregime terroristisch. Jedoch nicht für das südafrikanische Volk und die demokratische Weltöffentlichkeit, für diese war es eine gegen Apartheid kämpfende Bewegung für Freiheit und Gleichberechtigung. Obwohl die gegen die russische Vorherrschaft einen Befreiungskampf führenden Tschetschenen von Russland weiterhin als Terroristen bezeichnet werden, bewertet die Weltöffentlichkeit, einschließlich der Türkei, dies nicht so.
Aus der Sicht des türkischen Staates müssten eigentlich die PLO, der ANC und die im Kosovo und Tschetschenien Kämpfenden als Terroristen gelten. Wenn die Türkei in ihnen keine Terroristen sieht, dann kann sie auch die Kurden nicht des Terrorismus beschuldigen. (...)
Die Kurdenfrage ist das Problem eines Volkes, das im Mittleren Osten, nach den Arabern und Türken, die drittgrößte Nation bildet und nach Frieden, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit dürstet. Der Ursprung dieses Problems liegt in der Politik der nationalen Unterdrückung, der Vernichtung, des Massakers und der Assimilation. Wenn eine Nation, wenn ein Mensch noch nicht einmal das Recht hat, sich zu äußern, wenn manche Forderungen nach nationalen Rechten als Grund für die Abschaffung des Rechts auf Leben dienen, wenn seine Sprache, seine Kultur und seine Geschichte verboten sind, wenn einer noch nicht einmal das Recht hat, in seiner Sprache ein Lied zu hören, dann ist dieses Problem kein Terrorproblem, sondern eine Frage der freien Meinungsäußerung einer Nation, eine des Friedens, der Freiheit und der Gleichheit.
Die Kurden möchten nur das haben, was die Verantwortlichen im Staat für die auf Zypern lebenden 100.000 Türken fordern und als ihnen zustehende Rechte ansehen. Das bedeutet, dass mit der am weitesten gehenden Forderung ein föderativer Staat mit zwei Republiken und zwei Gesellschaften gefordert wird, die darin gleiche Rechte haben. Diejenigen, die dies als das Recht für 100.000 Türken ansehen und dafür sogar einen "unabhängigen" Staat ausrufen, können das nicht für Millionen Kurden als zuviel erachten. Die Kurden möchten sich eben mit dieser Minderheit von 100.000 gleich wähnen und unter den gleichen Bedingungen leben. Diejenigen, die sogar die Rechte, die die in Deutschland lebenden 1,5 Millionen türkischen Auswanderer haben, als zu viel erachten, haben kein Recht, von Brüderlichkeit und Gleichheit zu reden.
So wie die Palästinenser- und die Südafrikafrage nicht auf ein Terrorproblem reduziert werden konnte und nicht mit polizeilichen Maßnahmen gelöst wurde, so kann auch die Kurdenfrage nicht auf ein Terrorproblem reduziert werden und mit militärischen und polizeilichen Vorkehrungen, mit Ketten und Fesseln, mit Massakern und Zerstörungen "gelöst" werden.

Darf mit "Terroristen" nicht gesprochen werden?

In anderen Ländern haben sich diejenigen, die gesagt hatten, dass man mit "Terroristen" nicht sprechen dürfe, nachdem sie gemerkt haben, dass man mit Unterdrückung und Krieg nicht zu einem Ende kam, mit den von ihnen vorher als "Terroristen" bezeichneten Arafat und Mandela an einen Tisch gesetzt und doch mit ihnen gesprochen. Um das Problem zu lösen, sind sie mit ihren "Erzfeinden" in einen Dialog eingetreten. Denn sie haben begriffen, dass der Frieden nur mit den Konflikt- und Kriegsparteien zu erreichen ist.
Um den Weg für den Frieden in der Türkei und in Kurdistan zu bereiten, ist es am Anfang ja noch nicht einmal notwendig, sich mit jemandem zu treffen oder mit irgendeinem "Terroristen" vor die Öffentlichkeit zu treten. Zunächst würde es reichen, wenn man auf den Weg zum Frieden seinen guten Willen dazu erklärt und das Feuer einstellt, damit kein Blut mehr fließt.
Als erstes sollte das Feuer eingestellt, sollten die Operationen und die Treibjagd beendet werden. Nach diesen Schritten sollte der Staat, wenn er nicht bereit ist, sich mit illegalen Parteien und Organisationen zu treffen, damit beginnen, mit einer Delegation Gespräche zu führen, die z.B. aus Mitgliedern von für ihre Nähe zu den Kurden bekannten legalen Parteien, Menschenrechtsvereinen, aus Intellektuellen und Friedensaktivisten zusammengesetzt sein könnte, und könnte so diesen Prozess unter Kontrolle halten. Die übrigen Schritte könnten Stück für Stück diesen Prozess begleiten.
Es ist indes notwendig, dass nach einer Vorbereitungsphase ausnahmslos alle Konfliktparteien, einschließlich der PKK, zusammenkommen und in einen Dialog treten. Die Sicherung und die Zukunft des Friedens wird nur hierüber führen können.

Erforderlich ist eine sich an der Wirklichkeit im Lande orientierende Umwandlung

Seit 75 Jahren wird ein schwerfälliger, nicht produktiver, die Initiative erdrückender, schwer zu kontrollierender, zentralistischer und den Realitäten der Türkei nicht gemäßer unitaristischer Staatsaufbau praktiziert. Es ist kein Separatismus, wenn man dessen Veränderung fordert, wenn man verlangt, dass die Türkei ihren politischen und verwaltungsmäßigen Aufbau ihrer multikulturellen und multiethnischen Wirklichkeit anpasst und einen Aufbau verlangt, der basisnah, produktiv und leichter zu kontrollieren ist.
Wenn ein föderativer Aufbau und ein System der Bundesländer bei multiethnischen Staaten wirklich eine Spaltung zur Folge hätte, dann müssten Belgien, Spanien oder die Schweiz sich spalten und zerteilen. Aber in diesen Ländern hat sich ganz im Gegenteil nicht eine Spaltung, sondern eine auf der Gleichberechtigung der Völker beruhende Einheit und Brüderlichkeit verstärkt und verdichtet.
Obwohl noch sehr jung und neu, bietet Südafrika das schönste und letzte Beispiel für die Überwindung der durch Diskriminierung verursachten Probleme eines multiethnischen, multikulturellen und vielfarbigen Staates. Mit Nelson Mandela, dem Symbol für Freiheit und Widerstand, wurde damit begonnen, die durch Rassismus und Diskriminierung verursachten Wunden zu heilen, und die sich im Neutralen treffenden Schwarzen und Weißen sind eifrig bemüht, eine neue Regenbogen-Nation zu errichten. In Südafrika stellen die aus den Nationalhymnen und Nationalflaggen der weißen Minderheit und der schwarzen Mehrheit zusammengestellte neue Nationalhymne und -flagge den unparteiischen Nenner für einen gemeinsamen Wiederaufbau dar. Mit einem föderativen System aus 9 Bundesländern wurde in Südafrika damit begonnen, 11 Sprachen als offizielle Sprachen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu benutzen. Dies alles ist zwar gegen den ursprünglichen Willen des die Mehrheit bildenden ANC (Afrikanischer Nationalkongress), aber dennoch mit seiner Zustimmung geschehen. Mandela hat durch seine Weitsicht erkannt, dass ein Südafrika ohne seine Erzfeinde Buthelezi und de Klerk nach Innen nicht friedvoll sein würde, so dass er auf nationaler Basis eine geschichtliche Versöhnung durchführte und an der Schwelle zum 21. Jahrhundert einem neuen Politikverständnis seinen Stempel aufdrückte. Das Alte und das Neue, Weiß und Schwarz, Minderheit und Mehrheit trafen sich in der Mitte und sind durch Geben und Nehmen zu einem Kompromiss gelangt und haben so neue und gemeinsame Werte geschaffen.
Das noch vor nicht langer Zeit sich untereinander streitende und als einzelne Nationalstaaten organisierte Europa vereinigt sich im Rahmen der Europäischen Union und schafft so ein großes gemeinsames europäisches Haus.
Zu betonen ist, dass ein föderativer Aufbau nicht nur in multiethnischen Ländern auf der Tagesordnung steht, sondern gleichzeitig auch in Staaten mit nur einer einzigen Nationalität praktiziert wird. Die Bundesrepublik Deutschland und Österreich sind die besten Beispiele hierfür.
Nehmen wir an, die Türkei wendet sich einem föderativen Aufbau zu oder organisiert sich in Form von Bundesländern neu. Dies wird nicht die Teilung oder Spaltung der Türkei bedeuten, sondern daraus wird ein Volk hervorgehen, das sich vor Ort selbst verwaltet, sich äußert, am gesellschaftlichem Leben aktiver teilnimmt, und in diesem neuen Aufbau noch mehr für die Einheit eintreten wird.
Eine Stadt wie Istanbul, deren Bevölkerungszahl weit über zehn Millionen liegt, ist nicht mehr von Ankara aus zu regieren. So begannen zum Beispiel diejenigen, die als Folge der Kommunalwahlergebnisse von 1994 die großen Provinzen verloren hatten (Ciller und die Staatsmacht), darüber nachzudenken, wie man Istanbul und Ankara aus den Händen der Refah befreien könnte und suchte für Istanbul einen neuen Verwaltungsaufbau. Es gibt aber einen leichteren Weg. Es müsste ein Vorschlag erneut zu Diskussion gestellt werden, den der damalige Ministerpräsident Turgut Özal im Jahre 1987 auf die Tagesordnung gesetzt hatte, aber wieder zurückziehen musste, und der einen föderalistischen Aufbau mit vielen Bundesländern vorsah. Man sollte nicht eine Föderation mit 2 Ländern, sondern einen Verwaltungsaufbau mit vielen Bundesländern schaffen. Istanbul sollten die Istanbuler (Türken, Kurden und die Menschen anderer Nationalitäten und Minderheiten) verwalten, den Arabern im Süden sollte das Recht zuerkannt werden, sich frei ausdrücken zu können, die Kurden sollten in ihren Siedlungsgebieten sich selbst verwalten können und alle zusammen sollten gemeinsam als Eigentümer des ganzen Gemeinwesens gelten und in Ankara zusammentreffen können.
Auch alle Umfragen der letzten Jahre zeigen, dass die Kurden dafür sind, mit den Türken unter gleichen Bedingungen gemeinsam zusammenzuleben. Die Haltung von neunzig Prozent des Volkes zeigt, dass der unitaristische Staat ihnen nicht ausreicht, um sich auszudrücken. Und auch die Kurden sind in einem neu umgestalteten demokratischen Land mit einem föderativen Aufbau für eine freiwillige Einheit. Die Kurden sagen aber "Nein" zu einer Einheit, die nicht freiwillig, sondern unter Zwang zustandegekommen ist und lehnen sie ab.
Wenn die Türkei mit den Kurden Frieden schließen würde, eine solche Neugestaltung beginnen würde und den Kurden das Recht zuerkennen würde, sich frei zu äußern, dann würde sie im Mittleren Osten zu einem Zentrum werden, das Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde und eine große Anziehungskraft besäße.

Man muss sich auf einer gemeinsamen und neutralen Basis treffen

In multiethnischen und multikulturellen Staaten, wie man am Beispiel von Südafrika gesehen hat, sollte die Basis der Aussöhnung im Neutralen liegen. Den jetzigen Status aufrechtzuerhalten, weil die Mehrheit dies "so will", wird für die Lösung des Problems nicht nützlich sein, sondern dieses nur vor sich hinschieben.
Es gibt auch umgekehrte Fälle. So ist der Name "Belgien" weder ein Name nur für die Wallonen, noch der für die Flamen oder die Deutschen. Da dies so ist, identifizieren sich alle Belgier mit dem Namen "Belgien". Das gleiche gilt auch für die Schweiz und Spanien, für Kanada und Australien. (...)

Die Angelegenheit muss beim richtigen Namen genannt werden

Mit Bezeichnungen für Himmelsrichtungen kann man nicht ein Gebiet beschreiben, wo ein Volk sein Land und seine Heimat hat. Die Gegend, in der die Kurden leben, als "Osten/Südosten" oder als "Ostanatolien/Südostanatolien" zu bezeichnen, steht nicht im Einklang mit den historischen Wahrheiten. "Anatoli" bedeutet auf griechisch Osten, hat aber im Türkischen keine Bedeutung und endet bei Sivas, so dass der Osten davon schwer zu erklären ist. Wenn man nun den Begriff "Türkei" betrachtet, so sieht man, dass er insbesondere von Europäern manchmal für das Osmanische Reich verwendet wurde und sogar die Osmanen diesen Begriff nicht akzeptiert haben. Die Benutzung der Bezeichnung "Türkei" hat mit den Jungtürken begonnen und umfasste später alle Gebiete, die mit dem Vertrag von Lausanne gesichert werden konnten.
Wenn es uns passt, bezeichnen wir die von "den Brüdern unserer Brüder" gegründeten Parteien als "Demokratische Partei Kurdistans" oder "Patriotische Union Kurdistans", geben diesen Parteien mitten in Ankara Vertretungen, empfangen ihre Führer (Barzani und Talabani) mit Staatsehren und übermitteln auf diese Weise gewissen Stellen eine Botschaft. Und, als wäre dies nicht genug, fordern wir, so wie Ciller es im August 1996 gemacht hat, von Saddam Hussein für die Kurden Autonomie.
Nun, wenn für "die Brüder unserer Brüder" in ihrer Heimat Kurdistan eine Autonomie notwendig ist, ist denn dann die Heimat der Kurden innerhalb der Grenzen der Türkei, wo unsere "richtigen Brüder" wohnen, nicht Kurdistan, und haben sie kein Recht auf Autonomie?
Albert Einstein sagte einmal: "Es ist leichter, ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil". Dies ist wohl die wichtigste Seite der Problematik. Die große Schwierigkeit an der Sache ist, die in 75 Jahren in die Gehirne eingeritzten Vorurteile und Tabus aus der Welt zu schaffen. Wenn Kurdistan nicht als Kurdistan bezeichnet wird, werden die Vorurteile nicht verschwinden und die Massen nicht im Geiste der Brüderlichkeit neu erzogen und gewonnen werden können.
Zu bemerken ist noch, dass im Osmanischen Reich die kurdische Sprache nicht verboten war. Die kurdischen Fürstentümer waren autonom, und die kurdischen Siedlungsgebiete wurden als Kurdistan bezeichnet. Heutzutage sagt sogar ein Saddam zu den kurdischen Siedlungsgebieten Kurdistan; ein autonomes kurdisches Gebiet, ein Parlament und eine Regierung sind offiziell noch vorhanden, obwohl Saddam sich aus diesen kurdischen Niederlassungsgebieten zurückziehen musste. In der Verfassung des Irak steht, dass der Irak aus Kurden und Arabern besteht und die beiden Völker gleichberechtigt sind. Im Iran wird ein Gebiet, wenn es auch klein ist, als Kurdistan bezeichnet. Und heutzutage gibt es in beiden Staaten Fernseh- und Radiosendungen in kurdischer Sprache. Trotz aller Unterdrückung und Brutalität wurden die Kurden weder im Irak noch im Iran, so wie in der Türkei, als "nicht existent" betrachtet.
Auch Mustafa Kemal hat, vom Beginn des Befreiungskampfes an und auch noch nach der Gründung der Türkischen Republik viel von Kurden, Kurdistan und von der Brüderlichkeit der Kurden und Türken gesprochen. Er hat für das von ihm gegründete und berufene Parlament Abgeordnete für Kurdistan ernannt. Mit diesen Abgeordneten, die in ihrer nationalen Tracht gekleidet waren, hat er viele Fotos gemacht, Erklärungen abgegeben und versucht, Vertrauen zu wecken.

Der Frieden ist möglich

Zunächst ist es erforderlich, das Problem voll einzugestehen. Das bedeutet schon die halbe Lösung des Problems. Die Therapie kann nur nach dieser Diagnose beginnen. Danach kann man Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit aufgreifen und zu einem vorurteilsfreien Diskussionsklima gelangen.
Yitzhak Rabin, der jahrelang mit einer Waffe in der Hand gegen die Palästinenser kämpfte und gestern noch dem palästinensischen Volk, seinem Kampf und seinen Organisationen den Stempel des Terrorismus aufgedrückt hatte, hat am Ende, auch wenn es sehr spät war und er dies mit seinem Leben bezahlen musste, das gemacht, was notwendig war: er hat Arafat seine Hand gereicht und einen historischen Prozess eingeleitet.
Ein ähnlicher Prozess hat auch in Südafrika stattgefunden. Dort gab es mehrere Jahrzehnte lang einen blutigen Konflikt, der Tausende von Menschen das Leben kostete. Das Apartheidregime hat das ganze Südafrika für die schwarze Bevölkerung in eine Folterkammer und in ein Gefängnis verwandelt. Nur konnte es das Volk von Südafrika, in dessen Herzen die Flamme der Freiheit und Gleichheit brannte, nicht in die Knie zwingen. Am Ende haben Schwarze und Weiße einander ihre Hände gereicht und eine neue Seite geöffnet. Verloren hat der Rassismus, und gewonnen hat die Freundschaft und Brüderlichkeit.
In Spanien wurde die Existenz der Basken und der Katalanen bestritten. Alle möglichen Formen von Gewalt und Unterdrückung wurden an ihnen ausprobiert. Aber weder die Katalanen noch die Basken gingen in die Knie. Nur die faschistische Herrschaft wurde in die Knie gezwungen. Nach dem Tod von Franco hat das bis dahin gezügelte Volk, das nach Frieden, Freiheit und Brüderlichkeit dürstete, sich die Hand gegeben. Es hat die bestehende Diskriminierung aufgehoben und den Katalanen und den Basken ihre Rechte zuerkannt. Das Volk, das bisher in einem vereinheitlichten und monotonen Leben gefangen war, konnte von nun an die Freuden eines multikulturellen und vielfarbigen Lebens auskosten. Aber weder hat sich Spanien gespalten, noch haben die Basken die Trennung vorgezogen. Nur eine Handvoll ETA-Anhänger hat sich dieser Regelung nicht anpassen wollen, die aber wurden von der Gesellschaft abgewiesen und isoliert.
Die Nobelpreise der letzten Jahre haben Leute erhalten, die einander vorher als Terroristen, Diktatoren und Rassisten bezeichnet hatten: 1993 Nelson Mandela und F.W. de Klerk, 1994 Yitzhak Rabin, Shimon Perez und Jassir Arafat und 1996 mit Bischof Carlos Belo und Jose Ramos Horta zwei "Terroristen" aus Osttimor. Frühere Preise gingen an den Dalai Lama von Tibet und an Aung San Suu Kyi aus Burma. Es ist eine Ironie des Schicksals, wir leben in einer Welt, in der "Terroristen" für nobelpreiswürdig befunden werden.
Zweifellos können auch wir in unserem Land den Friedensprozess beginnen, statt der Saat der Feindschaft die der Freundschaft säen und so eine vielstimmige und -farbige demokratische Gesellschaft schaffen, die auf der freiwilligen Einheit unserer Völker basiert. Wir können diese neue, auf Freiwilligkeit beruhende Brücke zwischen dem türkischen und dem kurdischen Volk erbauen, so die blutende Wunde heilen und der Ungerechtigkeit von Jahrhunderten ein Ende setzen.
Diesen Prozess zu beginnen, die beeinträchtigten Beziehungen zu erneuern, das erschütterte Vertrauen neu herzustellen und den zum Frieden führenden Weg, auch wenn er voller Schwierigkeiten ist, einzuschlagen, ist nicht unmöglich. Es reicht schon aus, seinen guten Willen zu bekunden, den Wunsch nach Frieden offen auszusprechen und den Weg für die Lösung des Problems einzuschlagen. Der Rest wird schon Schritt für Schritt folgen.
Um auch in diesem Sinne den Weg für den Frieden freizumachen, sollte man die vom PKK-Führer Öcalan gemachten Vorschläge für einen Neuanfang ernst nehmen, die somit geschaffenen Chancen nicht verpassen und diese Gelegenheit nicht zurückweisen.
Der folgende Maßnahmenkatalog soll verdeutlichen, welche einseitigen und gegenseitigen Schritte unternommen werden können und aufzeigen, wie "leicht" die Sache eigentlich ist.

Kurzfristige Maßnahmen

1. Für die politische Lösung der Kurdenfrage muss eine positive Absichtserklärung abgegeben werden.
2. Alle militärischen Operationen müssen eingestellt, weiteres Blutvergießen muss verhindert werden. Auf den von der PKK ausgerufenen einseitigen Waffenstillstand muss eine positive Antwort erfolgen. (Am 25. August wurde der bewaffnete Kampf seitens der PKK eingestellt und mit dem Rückzug der Guerillaeinheiten begonnen.)
3. Die Operationen und Verhaftungen der Mitglieder von demokratischen und oppositionellen Organisationen sowie von kurdischen Organisationen müssen aufhören.
4. Die Zerstörung und Verwüstung von kurdischen Dörfern und Siedlungsgebieten sowie die Vertreibung der Bewohner muss beendet werden.
5. Machenschaften wie Folter, Verschwindenlassen während der Haft und Ermordungen durch "unbekannte Täter" müssen unterbunden werden.
6. Um die politische Atmosphäre zu entspannen, müssen alle Intellektuellen, die gemäß Paragraph 8 des Anti-Terror-Gesetzes verhaftet wurden, freigelassen werden.
7. Die inhaftierten Abgeordneten der DEP müssen aus der Haft entlassen werden.
8. Der Ausnahmezustand und das Provinzgouverneur-System müssen aufgehoben werden.
9. Das Dorfschützersystem muss aufgehoben und die Spezialeinheiten müssen aufgelöst werden. (Während des Waffenstillstandsprozesses sollten, um auf dem Weg des Friedens Provokationen zu verhindern und außerdem die in diesen Organisationen bisher tätigen Zehntausende von Menschen wieder für die Gesellschaft zu gewinnen, für diese Menschen Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden. Denjenigen, die keine Arbeit finden, sollte man ein Jahr lang ihr Gehalt weiter zahlen oder, wenn sie selbständig tätig werden wollen, sollte man ihnen das Gehalt für ein Jahr auf einmal zahlen.)
10. Die Waffen, die an die Dorfschützer und an die türkischen Dorfbewohner in Erzincan, Sivas und im Gebiet am Schwarzen Meer verteilt wurden, müssen eingesammelt und vernichtet werden.
11. Alle schweren Waffen in dem Gebiet müssen abgezogen werden.
12. Die für bestimmte Gebiete geltenden Lebensmittelembargos müssen aufgehoben werden.
13. Den aus ihren Siedlungsgebieten Vertriebenen oder denjenigen, die ihre Siedlungsgebiete verlassen mussten, muss humanitäre Hilfe geleistet werden. In ihren jetzigen Gebieten müssen ihnen grundlegende Bedürfnisse (wie Unterkunft, Ernährung, Gesundheit und Bildung) gewährt werden.
14. Für eine friedliche und politische Lösung der Kurdenfrage muss ein freies Klima für Diskussionen geschaffen werden, an denen alle gesellschaftlichen Schichten teilnehmen können.
15. Der TRT-GAP oder ein anderer neuer Fernsehkanal muss in kurdischer Sprache senden. Dies gilt auch für Radiosendungen.
16. Die kurdische Presse darf nicht behindert werden.
17. Die Behinderungen des seit über 2.600 Jahren an jedem 21. März des Jahres durch das kurdische Volk gefeierten traditionellen Newroz-Festes müssen aufgehoben werden. Der 21. März sollte zum offiziellen Feiertag erklärt werden.
18. Die in den letzten 75 Jahren zwangsweise umbenannten Gebiete und Orte müssen wieder ihre kurdischen Originalnamen bekommen.
19. Die Hindernisse vor der kurdischen Namensgebung müssen beseitigt werden. Jeder muss den Namen für sein Kind frei wählen dürfen.
20. Die Zulassung und Gründung von kurdischen Institutionen und Einrichtungen muss gewährleistet und Hindernisse davor müssen beseitigt werden.
21. Menschen, die ausgebürgert wurden oder im Ausland leben müssen, müssen die Möglichkeit bekommen, in die Türkei zurückzukehren und politisch rehabilitiert werden können.
22. Es muss mit Schritten zur ökonomischen Entwicklung und Investitionen für die kurdischen Siedlungsgebiete begonnen werden.
23. Es muss besonders darauf geachtet werden, dass für die Entwicklung der kurdischen Siedlungsgebiete eine Infrastruktur aufgebaut wird und dass mit internationalen Institutionen, Einrichtungen und ausländischen Staaten gemeinsame Projekte entwickelt werden.
24. Die Schulden der Gemeinden in den Kriegsgebieten müssen gestrichen werden. Ihnen müssen bevorzugt Mittel eines besonderen Fonds und des Haushalts zugänglich gemacht werden.
25. Den kurdischen Bauern in der Landwirtschaft und der Viehzucht müssen Hilfen zuteil werden und ihnen muss es wieder ermöglicht werden, ihre Weiden aufzusuchen.
26. Der Grenzhandel darf nicht behindert werden, der gegenseitige Besuch der Menschen in den Grenzregionen muss ermöglicht werden.
27. Die föderale Regierung in Irakisch-Kurdistan und das dortige Parlament müssen offiziell anerkannt werden. Beschränkungen und Hindernisse, die dieses Gebiet betreffen, sollten aufgehoben werden.
28. Die seit 1992 auf der Ebene der Außenministerien (wegen der Kurden) durchgeführten Treffen zwischen der Türkei, Iran und Syrien müssen beendet und die dazu einberufenen Delegationen aufgelöst werden.
29. Mit Syrien und dem Irak müssen Gespräche wegen der Wasserfrage aufgenommen werden.
30. Man darf sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Irakisch-Kurdistan einmischen. Dort befindliche Armee-Einheiten müssen zurückgezogen, die dort arbeitenden Einheiten des Nachrichtendienstes aufgelöst werden. Hindernisse, die die ökonomischen Beziehungen betreffen, müssen aufgehoben werden.
31. Internationalen Institutionen und Einrichtungen, die den Friedensprozess begleiten, mögliche Beiträge und Unterstützungen leisten können, sollte man offen gegenüberstehen; es sollte eine ständige internationale Beobachterdelegation gegründet werden, die diesen Prozess begleitet.

Mittelfristige Maßnahmen

32. Alle rechtlichen Hindernisse, die die Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit betreffen, müssen aufgehoben werden. Es muss eine volle Meinungs-, Presse-, und Vereinigungsfreiheit gewährleistet werden.
33. Gemäß den Standards des Europarats muss die Todesstrafe aus dem Strafrecht gestrichen werden.
34. Durch eine Generalamnestie müssen alle politischen Gefangenen freigelassen werden.
35. Die Staatssicherheitsgerichte müssen aufgelöst werden.
36. Das Verbot von kurdischen Organisationen und Parteien muss aufgehoben und deren freie Organisierung erlaubt werden.
37. Nach diesen Schritten muss von den kurdischen Organisationen als Ganzes die Anwendung von Gewalt ausgeschlossen und negiert werden; sie müssen nochmal erklären, dass sie die Kurdenfrage innerhalb der Türkei lösen wollen.
38. Es müssen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die kurdische Sprache in der Bildung, in der Presse und in allen Bereichen des Lebens Anwendung finden kann.
39. Es muss eine neue und demokratische Verfassung geschaffen werden, die den multiethnischen und multikulturellen Aufbau der Türkei berücksichtigt, bezüglich der Existenz und der Rechte der Kurden verfassungsmäßigen Schutz gewährt und die beide Völker als gleichberechtigt betrachtet. In ihr müssen auch die Rechte von ethnischen und religiösen Minderheiten aufgenommen werden.
40. Die zerstörten Siedlungsgebiete müssen wieder aufgebaut werden, um die Rückkehr der Bevölkerung zu erleichtern. Um einen Anreiz zu schaffen, muss Schadenersatz geleistet werden.
41. Allen Opfern des Krieges und des Konflikts muss ein Schadenersatz gezahlt werden, damit die erlittenen Schmerzen und Verluste wenigstens in finanzieller Hinsicht ausgeglichen werden können.
42. Die wegen des Konflikts und des Kriegssituation in den letzten Jahren in dieses Gebiet zusätzlich verlagerten Armee-Einheiten müssen abgezogen werden.
43. Die Guerillaeinheiten müssen aufgelöst, ihre Waffen vernichtet werden. Es sind Vorkehrungen zu treffen, damit die Guerillaeinheiten wieder in die Gesellschaft integriert werden können. Damit sie sich wieder in das zivile Leben einfügen können, ihrem Leben wieder eine Ordnung geben können, sollte ihnen eine einmalige materielle Hilfe zuteil werden.
44. Türkische und kurdische Jugendliche, die wegen dem Krieg den Kriegsdienst verweigert haben und so in die Illegalität abgetaucht sind, sind vom Kriegsdienst zu befreien und dürfen keiner strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt werden.
45. Die Grenzgebiete müssen von den Minen geräumt werden und die dadurch gewonnenen Felder an bedürftige Bauern verteilt werden.
46. Der Nationale Sicherheitsrat muss aufgelöst werden. Das Parlament, die politischen Parteien und im allgemeinen die ganze Gesellschaft müssen vom Schatten und von der Vormundschaft der Generäle befreit werden.

Langfristige Maßnahmen

47. Der der türkischen Wirklichkeit widersprechende heutige träge unitaristische Staatsaufbau muss aufgegeben werden. Man muss übergehen zu einer der multiethnischen und multikulturellen Struktur der Türkei gemäßen neue Umgestaltung, mit föderalistischem Aufbau und Bundesstaatlichkeit.
48. Nach diesen Umgestaltungen müssen Föderations- und Länderwahlen stattfinden, an denen auch kurdische Parteien teilnehmen sollen.
49. In den Beziehungen mit den Nachbarstaaten muss es zu einer Entspannung kommen; es müssen freundschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen geschaffen werden. Mit Irak und Syrien muss die Wasserfrage gelöst werden.
50. Zu der Regierung in Irakisch-Kurdistan müssen besondere Beziehungen entwickelt und dabei die sozialen und ökonomischen Beziehungen intensiviert werden.
Mit dem Ende des Krieges wird sich die Türkei aufrichten, ihren kurdischen "Klotz" am Bein verlieren und somit nicht mehr auf internationalen Tagungen unter negativem Vorzeichen auf der Tagesordnung stehen. Der Weg zur Europäischen Union wird für sie offen sein. In allen Bereichen wird sie sich weiterentwickeln und so die nötigen Veränderungen und Transformationen verwirklichen. Die vorhandenen Quellen werden dann für die Entwicklung des Landes genutzt werden. Man wird in einer kurzen Zeit einen beispielhaften und zivilisierten demokratischen Staat des Mittleren Ostens und Vorderasiens geschaffen haben.
Der erste Teil des Pakets der Vorkehrungen und Maßnahmen beinhaltet die zu ergreifenden Schritte, die eine Stimmung wie die im Jahre 1993 schaffen, die die Atmosphäre lockern und gegenseitige vertrauensbildende Beziehungen schaffen sollen. Dieser Teil enthält keine grundlegenden Umgestaltungen. Nach der politischen Bereitschaftserklärung für den Frieden und der Einstellung der Kampfhandlungen werden sich aufgrund des veränderten politischen Klimas sogar die Staatssicherheitsgerichte einer anderen Praxis zuwenden und die Spannung wird von alleine nachlassen.
Mit den gesetzlichen Regelungen im zweiten Teil wird die Türkei sich von ihrer Schande befreien; eine Meinung zu haben und sich zu organisieren werden keine Straftat mehr bilden. Eine farbenfrohe politische Landschaft wird entstehen, in der auch kurdische Organisationen ihren Platz haben. Die Wunden des Krieges werden geheilt werden, gegenseitiges Vertrauen wird sich entwickeln, und es werden Pflastersteine auf dem Weg in eine gemeinsame und freie Zukunft verlegt werden.
Mit den Maßnahmen im dritten Teil wird schließlich die Zeit der Konflikte vorbei sein, und ein auf dem freien Willen unserer Völker basierender demokratischer Aufbau wird verwirklicht werden. In einem Aufbau, der dem multiethnischen und multikulturellen Mosaik der Türkei entspricht, werden Türken und Kurden Hand in Hand ihr Schicksal so miteinander verbinden, dass es kein Zurück mehr geben wird.
* Dieser Artikel von Mehmet Sahin wurde an den Tagen vom 1.-3. August 1999 in der Tageszeitung Özgür Politika veröffentlicht. Er wurde von Fuat Akpinar übersetzt und von Ralf Kaufeldt bearbeitet.