Frieden und Demokratie sind
möglich
Die
Dimension des Problems
Die Gesellschaft
in der Türkei wird heute immer mehr durch Arbeitslosigkeit, Hunger
und Armut, eine 80%ige Inflation, eine schmutzige Politik und wirtschaftliche
Probleme gekennzeichnet und erdrückt und tagtäglich immer weiter
von der demokratischen Weltöffentlichkeit entfernt. Der Krieg hat
alle finanziellen Möglichkeiten des Landes ausgeschöpft und
wie ein Mühlstein zermahlen. Aber die Ursache des Krieges ist nicht,
wie behauptet wird, der "Separatismus" und der "Terror",
sondern genau umgekehrt die auf Leugnung, Negation und Diskriminierung
basierende und jahrzehntelang nicht gelöste Kurdenfrage.
Diejenigen, die im Namen der "Einheit und Unteilbarkeit der Türkei"
handeln und der Forderung des kurdischen Volkes nach Gleichberechtigung
mit Panzern und Kanonen antworten, dienen "bewusst" oder "unbewusst"
nicht der Türkei und den Interessen des türkischen Volkes. Die
Interessen des türkischen Volkes und Staates liegen in der Anerkennung
der Rechte des kurdischen Volkes, der Heilung der seit Jahrhunderten blutenden
Wunde und der Beendigung der Diskriminierung. (...)
Heutzutage stellt die Kurdenfrage, die auf keine Weise einer Lösung
nähergebracht werden konnte, das grundlegende Problem der Türkei
dar. Ob in der Türkei die Demokratie mit all ihren Institutionen
Fuß fassen kann, die Menschenrechte in ihrer vollen Bedeutung verwirklicht
werden können, die wirtschaftliche Krise überwunden werden und
das Land auf den Weg der Entwicklung und des Fortschritts gelangen kann,
hängt von der demokratischen und gerechten Lösung der Kurdenfrage
ab. Solange die Kurdenfrage nicht gelöst wird, kann in der Türkei
weder von einer wirklichen Demokratie, von Veränderung und Umgestaltung,
noch von Menschenrechten die Rede sein.
Die letzten Jahre haben auch gezeigt, dass Staatsstreiche, Ereignisse
wie Susurluk, Gladio oder die Konterguerilla, die Inflation, soziale Konflikte,
Hunger und Armut, Konflikte mit den Nachbarstaaten und Menschenrechtsverletzungen
ihre Hauptursache im weitesten Sinne in der nicht gelösten Kurdenfrage
haben.
Wenn in einem Teil des Landes der Krieg fortgeführt wird, dort ein
anderes Verwaltungs- und Rechtssystem angewandt wird und manche Vorschriften
der Europäischen Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt
werden, dann kann nicht in dem anderen Teil eine demokratische Türkei
geschaffen werden. Der Schlüssel zu einer zivilisierten und demokratischen
Gesellschaft liegt in der gerechten und demokratischen Lösung der
Kurdenfrage. (...)
Die vergangenen 75 Jahre haben auch gezeigt, dass man bei der Kurdenfrage,
welche bisher keiner dauerhaften und beständigen Lösung zugeführt
wurde, zwar teilweise relativ "erfolgreich" sein kann, sich
aber kurze Zeit später mit einer noch weiter entwickelten Reaktion
und Kampf konfrontiert sieht. Aus diesen Gründen ist es auch unmöglich,
die Kurdenfrage mit militärischen Mitteln zu "lösen".
Die Lösung des Problems wird letztlich, wie im Baskenland, in Palästina,
in Südafrika und bei ähnlichen Problemen nur auf dem politischen
Weg zu finden sein.
Was
für ein Frieden ?
In unserer
heutigen Welt werden Konflikte und Kriege beendet und gelöst, ohne
dass eine der Parteien völlig beseitigt wird, kapitulieren muss oder
grundlegende gesellschaftliche Veränderungen stattfinden müssen.
Letztendlich muss im weitesten Sinne jeder Konflikt und Krieg mit einem
Frieden und einem Kompromiss beendet werden.
Nach so vielen Erfahrungen muss man erkennen, dass ein mit Gewalt diktierter
"Frieden", bei dem eine der Parteien unterdrückt wird,
keine Lösung sein kann. Es muss ein beständiger und gerechter
Frieden angestrebt werden, aus dem beide Konfliktparteien am Ende als
Gewinner hervorgehen. Denn in Situationen, in denen es Gewinner und Verlierer,
Sieger und Besiegte gibt, ist ein neuer Konflikt nicht weit. Und aus diesem
Grunde muss der Frieden ein Akt der gesellschaftlichen Aussöhnung
sein, an dem breite Teile der Bevölkerung beteiligt sein müssen.
Öcalan und die kurdische Seite, einschließlich der PKK, haben
zu einer friedlichen Lösung innerhalb der Türkei "Ja"
gesagt und damit die vom Staat verlangten Vorbedingungen erfüllt.
Sie haben "Ja" gesagt zu einer Einheit auf der Basis von Freiwilligkeit
und Gleichheit unserer Völker und ihren Willen dazu erklärt.
Dies kann als Grundlage für einen Neuanfang genommen werden, und
auf dieser Basis kann eine gemeinsame Zukunft aufgebaut werden.
Das Problem ist
keine Frage des "Terrors"
Obwohl es in unserer
heutigen Welt viele Bewegungen gibt, die Terror anwenden und ihn anderen
Methoden vorziehen und ohne Ausnahme alle nationalen und gesellschaftlichen
Befreiungsbewegungen des Terrorismus beschuldigt werden, gibt es keine
allgemeine, auf internationaler Ebene akzeptierte Charakterisierung und
Definition der Begriffe "Terror", "Terrorist" und
"Terrorismus". Die Art, diese zu charakterisieren und zu definieren,
ist sehr relativ. Wer für den einen ein Terrorist ist, ist für
den anderen keiner. Dies unterscheidet sich je nach Sichtweise, Parteinahme
und Situation.
Zum Beispiel ist die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO),
obwohl sie von Zeit zu Zeit auch Terrorakte verübt hat, keine Terrororganisation.
Bis gestern war die PLO für den israelischen Staat terroristisch.
Dagegen wurde sie vom arabischen Volk und von der demokratischen Welt-öffentlichkeit
als eine nationale Befreiungsbewegung angesehen. Der Afrikanische Nationalkongress
(ANC) war für de Klerk und das Apartheidregime terroristisch. Jedoch
nicht für das südafrikanische Volk und die demokratische Weltöffentlichkeit,
für diese war es eine gegen Apartheid kämpfende Bewegung für
Freiheit und Gleichberechtigung. Obwohl die gegen die russische Vorherrschaft
einen Befreiungskampf führenden Tschetschenen von Russland weiterhin
als Terroristen bezeichnet werden, bewertet die Weltöffentlichkeit,
einschließlich der Türkei, dies nicht so.
Aus der Sicht des türkischen Staates müssten eigentlich die
PLO, der ANC und die im Kosovo und Tschetschenien Kämpfenden als
Terroristen gelten. Wenn die Türkei in ihnen keine Terroristen sieht,
dann kann sie auch die Kurden nicht des Terrorismus beschuldigen. (...)
Die Kurdenfrage ist das Problem eines Volkes, das im Mittleren Osten,
nach den Arabern und Türken, die drittgrößte Nation bildet
und nach Frieden, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit dürstet.
Der Ursprung dieses Problems liegt in der Politik der nationalen Unterdrückung,
der Vernichtung, des Massakers und der Assimilation. Wenn eine Nation,
wenn ein Mensch noch nicht einmal das Recht hat, sich zu äußern,
wenn manche Forderungen nach nationalen Rechten als Grund für die
Abschaffung des Rechts auf Leben dienen, wenn seine Sprache, seine Kultur
und seine Geschichte verboten sind, wenn einer noch nicht einmal das Recht
hat, in seiner Sprache ein Lied zu hören, dann ist dieses Problem
kein Terrorproblem, sondern eine Frage der freien Meinungsäußerung
einer Nation, eine des Friedens, der Freiheit und der Gleichheit.
Die Kurden möchten nur das haben, was die Verantwortlichen im Staat
für die auf Zypern lebenden 100.000 Türken fordern und als ihnen
zustehende Rechte ansehen. Das bedeutet, dass mit der am weitesten gehenden
Forderung ein föderativer Staat mit zwei Republiken und zwei Gesellschaften
gefordert wird, die darin gleiche Rechte haben. Diejenigen, die dies als
das Recht für 100.000 Türken ansehen und dafür sogar einen
"unabhängigen" Staat ausrufen, können das nicht für
Millionen Kurden als zuviel erachten. Die Kurden möchten sich eben
mit dieser Minderheit von 100.000 gleich wähnen und unter den gleichen
Bedingungen leben. Diejenigen, die sogar die Rechte, die die in Deutschland
lebenden 1,5 Millionen türkischen Auswanderer haben, als zu viel
erachten, haben kein Recht, von Brüderlichkeit und Gleichheit zu
reden.
So wie die Palästinenser- und die Südafrikafrage nicht auf ein
Terrorproblem reduziert werden konnte und nicht mit polizeilichen Maßnahmen
gelöst wurde, so kann auch die Kurdenfrage nicht auf ein Terrorproblem
reduziert werden und mit militärischen und polizeilichen Vorkehrungen,
mit Ketten und Fesseln, mit Massakern und Zerstörungen "gelöst"
werden.
Darf mit "Terroristen"
nicht gesprochen werden?
In anderen Ländern
haben sich diejenigen, die gesagt hatten, dass man mit "Terroristen"
nicht sprechen dürfe, nachdem sie gemerkt haben, dass man mit Unterdrückung
und Krieg nicht zu einem Ende kam, mit den von ihnen vorher als "Terroristen"
bezeichneten Arafat und Mandela an einen Tisch gesetzt und doch mit ihnen
gesprochen. Um das Problem zu lösen, sind sie mit ihren "Erzfeinden"
in einen Dialog eingetreten. Denn sie haben begriffen, dass der Frieden
nur mit den Konflikt- und Kriegsparteien zu erreichen ist.
Um den Weg für den Frieden in der Türkei und in Kurdistan zu
bereiten, ist es am Anfang ja noch nicht einmal notwendig, sich mit jemandem
zu treffen oder mit irgendeinem "Terroristen" vor die Öffentlichkeit
zu treten. Zunächst würde es reichen, wenn man auf den Weg zum
Frieden seinen guten Willen dazu erklärt und das Feuer einstellt,
damit kein Blut mehr fließt.
Als erstes sollte das Feuer eingestellt, sollten die Operationen und die
Treibjagd beendet werden. Nach diesen Schritten sollte der Staat, wenn
er nicht bereit ist, sich mit illegalen Parteien und Organisationen zu
treffen, damit beginnen, mit einer Delegation Gespräche zu führen,
die z.B. aus Mitgliedern von für ihre Nähe zu den Kurden bekannten
legalen Parteien, Menschenrechtsvereinen, aus Intellektuellen und Friedensaktivisten
zusammengesetzt sein könnte, und könnte so diesen Prozess unter
Kontrolle halten. Die übrigen Schritte könnten Stück für
Stück diesen Prozess begleiten.
Es ist indes notwendig, dass nach einer Vorbereitungsphase ausnahmslos
alle Konfliktparteien, einschließlich der PKK, zusammenkommen und
in einen Dialog treten. Die Sicherung und die Zukunft des Friedens wird
nur hierüber führen können.
Erforderlich ist
eine sich an der Wirklichkeit im Lande orientierende Umwandlung
Seit 75 Jahren wird
ein schwerfälliger, nicht produktiver, die Initiative erdrückender,
schwer zu kontrollierender, zentralistischer und den Realitäten der
Türkei nicht gemäßer unitaristischer Staatsaufbau praktiziert.
Es ist kein Separatismus, wenn man dessen Veränderung fordert, wenn
man verlangt, dass die Türkei ihren politischen und verwaltungsmäßigen
Aufbau ihrer multikulturellen und multiethnischen Wirklichkeit anpasst
und einen Aufbau verlangt, der basisnah, produktiv und leichter zu kontrollieren
ist.
Wenn ein föderativer Aufbau und ein System der Bundesländer
bei multiethnischen Staaten wirklich eine Spaltung zur Folge hätte,
dann müssten Belgien, Spanien oder die Schweiz sich spalten und zerteilen.
Aber in diesen Ländern hat sich ganz im Gegenteil nicht eine Spaltung,
sondern eine auf der Gleichberechtigung der Völker beruhende Einheit
und Brüderlichkeit verstärkt und verdichtet.
Obwohl noch sehr jung und neu, bietet Südafrika das schönste
und letzte Beispiel für die Überwindung der durch Diskriminierung
verursachten Probleme eines multiethnischen, multikulturellen und vielfarbigen
Staates. Mit Nelson Mandela, dem Symbol für Freiheit und Widerstand,
wurde damit begonnen, die durch Rassismus und Diskriminierung verursachten
Wunden zu heilen, und die sich im Neutralen treffenden Schwarzen und Weißen
sind eifrig bemüht, eine neue Regenbogen-Nation zu errichten. In
Südafrika stellen die aus den Nationalhymnen und Nationalflaggen
der weißen Minderheit und der schwarzen Mehrheit zusammengestellte
neue Nationalhymne und -flagge den unparteiischen Nenner für einen
gemeinsamen Wiederaufbau dar. Mit einem föderativen System aus 9
Bundesländern wurde in Südafrika damit begonnen, 11 Sprachen
als offizielle Sprachen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu benutzen.
Dies alles ist zwar gegen den ursprünglichen Willen des die Mehrheit
bildenden ANC (Afrikanischer Nationalkongress), aber dennoch mit seiner
Zustimmung geschehen. Mandela hat durch seine Weitsicht erkannt, dass
ein Südafrika ohne seine Erzfeinde Buthelezi und de Klerk nach Innen
nicht friedvoll sein würde, so dass er auf nationaler Basis eine
geschichtliche Versöhnung durchführte und an der Schwelle zum
21. Jahrhundert einem neuen Politikverständnis seinen Stempel aufdrückte.
Das Alte und das Neue, Weiß und Schwarz, Minderheit und Mehrheit
trafen sich in der Mitte und sind durch Geben und Nehmen zu einem Kompromiss
gelangt und haben so neue und gemeinsame Werte geschaffen.
Das noch vor nicht langer Zeit sich untereinander streitende und als einzelne
Nationalstaaten organisierte Europa vereinigt sich im Rahmen der Europäischen
Union und schafft so ein großes gemeinsames europäisches Haus.
Zu betonen ist, dass ein föderativer Aufbau nicht nur in multiethnischen
Ländern auf der Tagesordnung steht, sondern gleichzeitig auch in
Staaten mit nur einer einzigen Nationalität praktiziert wird. Die
Bundesrepublik Deutschland und Österreich sind die besten Beispiele
hierfür.
Nehmen wir an, die Türkei wendet sich einem föderativen Aufbau
zu oder organisiert sich in Form von Bundesländern neu. Dies wird
nicht die Teilung oder Spaltung der Türkei bedeuten, sondern daraus
wird ein Volk hervorgehen, das sich vor Ort selbst verwaltet, sich äußert,
am gesellschaftlichem Leben aktiver teilnimmt, und in diesem neuen Aufbau
noch mehr für die Einheit eintreten wird.
Eine Stadt wie Istanbul, deren Bevölkerungszahl weit über zehn
Millionen liegt, ist nicht mehr von Ankara aus zu regieren. So begannen
zum Beispiel diejenigen, die als Folge der Kommunalwahlergebnisse von
1994 die großen Provinzen verloren hatten (Ciller und die Staatsmacht),
darüber nachzudenken, wie man Istanbul und Ankara aus den Händen
der Refah befreien könnte und suchte für Istanbul einen neuen
Verwaltungsaufbau. Es gibt aber einen leichteren Weg. Es müsste ein
Vorschlag erneut zu Diskussion gestellt werden, den der damalige Ministerpräsident
Turgut Özal im Jahre 1987 auf die Tagesordnung gesetzt hatte, aber
wieder zurückziehen musste, und der einen föderalistischen Aufbau
mit vielen Bundesländern vorsah. Man sollte nicht eine Föderation
mit 2 Ländern, sondern einen Verwaltungsaufbau mit vielen Bundesländern
schaffen. Istanbul sollten die Istanbuler (Türken, Kurden und die
Menschen anderer Nationalitäten und Minderheiten) verwalten, den
Arabern im Süden sollte das Recht zuerkannt werden, sich frei ausdrücken
zu können, die Kurden sollten in ihren Siedlungsgebieten sich selbst
verwalten können und alle zusammen sollten gemeinsam als Eigentümer
des ganzen Gemeinwesens gelten und in Ankara zusammentreffen können.
Auch alle Umfragen der letzten Jahre zeigen, dass die Kurden dafür
sind, mit den Türken unter gleichen Bedingungen gemeinsam zusammenzuleben.
Die Haltung von neunzig Prozent des Volkes zeigt, dass der unitaristische
Staat ihnen nicht ausreicht, um sich auszudrücken. Und auch die Kurden
sind in einem neu umgestalteten demokratischen Land mit einem föderativen
Aufbau für eine freiwillige Einheit. Die Kurden sagen aber "Nein"
zu einer Einheit, die nicht freiwillig, sondern unter Zwang zustandegekommen
ist und lehnen sie ab.
Wenn die Türkei mit den Kurden Frieden schließen würde,
eine solche Neugestaltung beginnen würde und den Kurden das Recht
zuerkennen würde, sich frei zu äußern, dann würde
sie im Mittleren Osten zu einem Zentrum werden, das Aufmerksamkeit auf
sich ziehen würde und eine große Anziehungskraft besäße.
Man muss sich auf
einer gemeinsamen und neutralen Basis treffen
In multiethnischen
und multikulturellen Staaten, wie man am Beispiel von Südafrika gesehen
hat, sollte die Basis der Aussöhnung im Neutralen liegen. Den jetzigen
Status aufrechtzuerhalten, weil die Mehrheit dies "so will",
wird für die Lösung des Problems nicht nützlich sein, sondern
dieses nur vor sich hinschieben.
Es gibt auch umgekehrte Fälle. So ist der Name "Belgien"
weder ein Name nur für die Wallonen, noch der für die Flamen
oder die Deutschen. Da dies so ist, identifizieren sich alle Belgier mit
dem Namen "Belgien". Das gleiche gilt auch für die Schweiz
und Spanien, für Kanada und Australien. (...)
Die Angelegenheit
muss beim richtigen Namen genannt werden
Mit Bezeichnungen
für Himmelsrichtungen kann man nicht ein Gebiet beschreiben, wo ein
Volk sein Land und seine Heimat hat. Die Gegend, in der die Kurden leben,
als "Osten/Südosten" oder als "Ostanatolien/Südostanatolien"
zu bezeichnen, steht nicht im Einklang mit den historischen Wahrheiten.
"Anatoli" bedeutet auf griechisch Osten, hat aber im Türkischen
keine Bedeutung und endet bei Sivas, so dass der Osten davon schwer zu
erklären ist. Wenn man nun den Begriff "Türkei" betrachtet,
so sieht man, dass er insbesondere von Europäern manchmal für
das Osmanische Reich verwendet wurde und sogar die Osmanen diesen Begriff
nicht akzeptiert haben. Die Benutzung der Bezeichnung "Türkei"
hat mit den Jungtürken begonnen und umfasste später alle Gebiete,
die mit dem Vertrag von Lausanne gesichert werden konnten.
Wenn es uns passt, bezeichnen wir die von "den Brüdern unserer
Brüder" gegründeten Parteien als "Demokratische Partei
Kurdistans" oder "Patriotische Union Kurdistans", geben
diesen Parteien mitten in Ankara Vertretungen, empfangen ihre Führer
(Barzani und Talabani) mit Staatsehren und übermitteln auf diese
Weise gewissen Stellen eine Botschaft. Und, als wäre dies nicht genug,
fordern wir, so wie Ciller es im August 1996 gemacht hat, von Saddam Hussein
für die Kurden Autonomie.
Nun, wenn für "die Brüder unserer Brüder" in
ihrer Heimat Kurdistan eine Autonomie notwendig ist, ist denn dann die
Heimat der Kurden innerhalb der Grenzen der Türkei, wo unsere "richtigen
Brüder" wohnen, nicht Kurdistan, und haben sie kein Recht auf
Autonomie?
Albert Einstein sagte einmal: "Es ist leichter, ein Atom zu zertrümmern
als ein Vorurteil". Dies ist wohl die wichtigste Seite der Problematik.
Die große Schwierigkeit an der Sache ist, die in 75 Jahren in die
Gehirne eingeritzten Vorurteile und Tabus aus der Welt zu schaffen. Wenn
Kurdistan nicht als Kurdistan bezeichnet wird, werden die Vorurteile nicht
verschwinden und die Massen nicht im Geiste der Brüderlichkeit neu
erzogen und gewonnen werden können.
Zu bemerken ist noch, dass im Osmanischen Reich die kurdische Sprache
nicht verboten war. Die kurdischen Fürstentümer waren autonom,
und die kurdischen Siedlungsgebiete wurden als Kurdistan bezeichnet. Heutzutage
sagt sogar ein Saddam zu den kurdischen Siedlungsgebieten Kurdistan; ein
autonomes kurdisches Gebiet, ein Parlament und eine Regierung sind offiziell
noch vorhanden, obwohl Saddam sich aus diesen kurdischen Niederlassungsgebieten
zurückziehen musste. In der Verfassung des Irak steht, dass der Irak
aus Kurden und Arabern besteht und die beiden Völker gleichberechtigt
sind. Im Iran wird ein Gebiet, wenn es auch klein ist, als Kurdistan bezeichnet.
Und heutzutage gibt es in beiden Staaten Fernseh- und Radiosendungen in
kurdischer Sprache. Trotz aller Unterdrückung und Brutalität
wurden die Kurden weder im Irak noch im Iran, so wie in der Türkei,
als "nicht existent" betrachtet.
Auch Mustafa Kemal hat, vom Beginn des Befreiungskampfes an und auch noch
nach der Gründung der Türkischen Republik viel von Kurden, Kurdistan
und von der Brüderlichkeit der Kurden und Türken gesprochen.
Er hat für das von ihm gegründete und berufene Parlament Abgeordnete
für Kurdistan ernannt. Mit diesen Abgeordneten, die in ihrer nationalen
Tracht gekleidet waren, hat er viele Fotos gemacht, Erklärungen abgegeben
und versucht, Vertrauen zu wecken.
Der Frieden ist
möglich
Zunächst ist
es erforderlich, das Problem voll einzugestehen. Das bedeutet schon die
halbe Lösung des Problems. Die Therapie kann nur nach dieser Diagnose
beginnen. Danach kann man Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit
aufgreifen und zu einem vorurteilsfreien Diskussionsklima gelangen.
Yitzhak Rabin, der jahrelang mit einer Waffe in der Hand gegen die Palästinenser
kämpfte und gestern noch dem palästinensischen Volk, seinem
Kampf und seinen Organisationen den Stempel des Terrorismus aufgedrückt
hatte, hat am Ende, auch wenn es sehr spät war und er dies mit seinem
Leben bezahlen musste, das gemacht, was notwendig war: er hat Arafat seine
Hand gereicht und einen historischen Prozess eingeleitet.
Ein ähnlicher Prozess hat auch in Südafrika stattgefunden. Dort
gab es mehrere Jahrzehnte lang einen blutigen Konflikt, der Tausende von
Menschen das Leben kostete. Das Apartheidregime hat das ganze Südafrika
für die schwarze Bevölkerung in eine Folterkammer und in ein
Gefängnis verwandelt. Nur konnte es das Volk von Südafrika,
in dessen Herzen die Flamme der Freiheit und Gleichheit brannte, nicht
in die Knie zwingen. Am Ende haben Schwarze und Weiße einander ihre
Hände gereicht und eine neue Seite geöffnet. Verloren hat der
Rassismus, und gewonnen hat die Freundschaft und Brüderlichkeit.
In Spanien wurde die Existenz der Basken und der Katalanen bestritten.
Alle möglichen Formen von Gewalt und Unterdrückung wurden an
ihnen ausprobiert. Aber weder die Katalanen noch die Basken gingen in
die Knie. Nur die faschistische Herrschaft wurde in die Knie gezwungen.
Nach dem Tod von Franco hat das bis dahin gezügelte Volk, das nach
Frieden, Freiheit und Brüderlichkeit dürstete, sich die Hand
gegeben. Es hat die bestehende Diskriminierung aufgehoben und den Katalanen
und den Basken ihre Rechte zuerkannt. Das Volk, das bisher in einem vereinheitlichten
und monotonen Leben gefangen war, konnte von nun an die Freuden eines
multikulturellen und vielfarbigen Lebens auskosten. Aber weder hat sich
Spanien gespalten, noch haben die Basken die Trennung vorgezogen. Nur
eine Handvoll ETA-Anhänger hat sich dieser Regelung nicht anpassen
wollen, die aber wurden von der Gesellschaft abgewiesen und isoliert.
Die Nobelpreise der letzten Jahre haben Leute erhalten, die einander vorher
als Terroristen, Diktatoren und Rassisten bezeichnet hatten: 1993 Nelson
Mandela und F.W. de Klerk, 1994 Yitzhak Rabin, Shimon Perez und Jassir
Arafat und 1996 mit Bischof Carlos Belo und Jose Ramos Horta zwei "Terroristen"
aus Osttimor. Frühere Preise gingen an den Dalai Lama von Tibet und
an Aung San Suu Kyi aus Burma. Es ist eine Ironie des Schicksals, wir
leben in einer Welt, in der "Terroristen" für nobelpreiswürdig
befunden werden.
Zweifellos können auch wir in unserem Land den Friedensprozess beginnen,
statt der Saat der Feindschaft die der Freundschaft säen und so eine
vielstimmige und -farbige demokratische Gesellschaft schaffen, die auf
der freiwilligen Einheit unserer Völker basiert. Wir können
diese neue, auf Freiwilligkeit beruhende Brücke zwischen dem türkischen
und dem kurdischen Volk erbauen, so die blutende Wunde heilen und der
Ungerechtigkeit von Jahrhunderten ein Ende setzen.
Diesen Prozess zu beginnen, die beeinträchtigten Beziehungen zu erneuern,
das erschütterte Vertrauen neu herzustellen und den zum Frieden führenden
Weg, auch wenn er voller Schwierigkeiten ist, einzuschlagen, ist nicht
unmöglich. Es reicht schon aus, seinen guten Willen zu bekunden,
den Wunsch nach Frieden offen auszusprechen und den Weg für die Lösung
des Problems einzuschlagen. Der Rest wird schon Schritt für Schritt
folgen.
Um auch in diesem Sinne den Weg für den Frieden freizumachen, sollte
man die vom PKK-Führer Öcalan gemachten Vorschläge für
einen Neuanfang ernst nehmen, die somit geschaffenen Chancen nicht verpassen
und diese Gelegenheit nicht zurückweisen.
Der folgende Maßnahmenkatalog soll verdeutlichen, welche einseitigen
und gegenseitigen Schritte unternommen werden können und aufzeigen,
wie "leicht" die Sache eigentlich ist.
Kurzfristige Maßnahmen
1. Für die politische
Lösung der Kurdenfrage muss eine positive Absichtserklärung
abgegeben werden.
2. Alle militärischen Operationen müssen eingestellt, weiteres
Blutvergießen muss verhindert werden. Auf den von der PKK ausgerufenen
einseitigen Waffenstillstand muss eine positive Antwort erfolgen. (Am
25. August wurde der bewaffnete Kampf seitens der PKK eingestellt und
mit dem Rückzug der Guerillaeinheiten begonnen.)
3. Die Operationen und Verhaftungen der Mitglieder von demokratischen
und oppositionellen Organisationen sowie von kurdischen Organisationen
müssen aufhören.
4. Die Zerstörung und Verwüstung von kurdischen Dörfern
und Siedlungsgebieten sowie die Vertreibung der Bewohner muss beendet
werden.
5. Machenschaften wie Folter, Verschwindenlassen während der Haft
und Ermordungen durch "unbekannte Täter" müssen unterbunden
werden.
6. Um die politische Atmosphäre zu entspannen, müssen alle Intellektuellen,
die gemäß Paragraph 8 des Anti-Terror-Gesetzes verhaftet wurden,
freigelassen werden.
7. Die inhaftierten Abgeordneten der DEP müssen aus der Haft entlassen
werden.
8. Der Ausnahmezustand und das Provinzgouverneur-System müssen aufgehoben
werden.
9. Das Dorfschützersystem muss aufgehoben und die Spezialeinheiten
müssen aufgelöst werden. (Während des Waffenstillstandsprozesses
sollten, um auf dem Weg des Friedens Provokationen zu verhindern und außerdem
die in diesen Organisationen bisher tätigen Zehntausende von Menschen
wieder für die Gesellschaft zu gewinnen, für diese Menschen
Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden. Denjenigen, die keine Arbeit
finden, sollte man ein Jahr lang ihr Gehalt weiter zahlen oder, wenn sie
selbständig tätig werden wollen, sollte man ihnen das Gehalt
für ein Jahr auf einmal zahlen.)
10. Die Waffen, die an die Dorfschützer und an die türkischen
Dorfbewohner in Erzincan, Sivas und im Gebiet am Schwarzen Meer verteilt
wurden, müssen eingesammelt und vernichtet werden.
11. Alle schweren Waffen in dem Gebiet müssen abgezogen werden.
12. Die für bestimmte Gebiete geltenden Lebensmittelembargos müssen
aufgehoben werden.
13. Den aus ihren Siedlungsgebieten Vertriebenen oder denjenigen, die
ihre Siedlungsgebiete verlassen mussten, muss humanitäre Hilfe geleistet
werden. In ihren jetzigen Gebieten müssen ihnen grundlegende Bedürfnisse
(wie Unterkunft, Ernährung, Gesundheit und Bildung) gewährt
werden.
14. Für eine friedliche und politische Lösung der Kurdenfrage
muss ein freies Klima für Diskussionen geschaffen werden, an denen
alle gesellschaftlichen Schichten teilnehmen können.
15. Der TRT-GAP oder ein anderer neuer Fernsehkanal muss in kurdischer
Sprache senden. Dies gilt auch für Radiosendungen.
16. Die kurdische Presse darf nicht behindert werden.
17. Die Behinderungen des seit über 2.600 Jahren an jedem 21. März
des Jahres durch das kurdische Volk gefeierten traditionellen Newroz-Festes
müssen aufgehoben werden. Der 21. März sollte zum offiziellen
Feiertag erklärt werden.
18. Die in den letzten 75 Jahren zwangsweise umbenannten Gebiete und Orte
müssen wieder ihre kurdischen Originalnamen bekommen.
19. Die Hindernisse vor der kurdischen Namensgebung müssen beseitigt
werden. Jeder muss den Namen für sein Kind frei wählen dürfen.
20. Die Zulassung und Gründung von kurdischen Institutionen und Einrichtungen
muss gewährleistet und Hindernisse davor müssen beseitigt werden.
21. Menschen, die ausgebürgert wurden oder im Ausland leben müssen,
müssen die Möglichkeit bekommen, in die Türkei zurückzukehren
und politisch rehabilitiert werden können.
22. Es muss mit Schritten zur ökonomischen Entwicklung und Investitionen
für die kurdischen Siedlungsgebiete begonnen werden.
23. Es muss besonders darauf geachtet werden, dass für die Entwicklung
der kurdischen Siedlungsgebiete eine Infrastruktur aufgebaut wird und
dass mit internationalen Institutionen, Einrichtungen und ausländischen
Staaten gemeinsame Projekte entwickelt werden.
24. Die Schulden der Gemeinden in den Kriegsgebieten müssen gestrichen
werden. Ihnen müssen bevorzugt Mittel eines besonderen Fonds und
des Haushalts zugänglich gemacht werden.
25. Den kurdischen Bauern in der Landwirtschaft und der Viehzucht müssen
Hilfen zuteil werden und ihnen muss es wieder ermöglicht werden,
ihre Weiden aufzusuchen.
26. Der Grenzhandel darf nicht behindert werden, der gegenseitige Besuch
der Menschen in den Grenzregionen muss ermöglicht werden.
27. Die föderale Regierung in Irakisch-Kurdistan und das dortige
Parlament müssen offiziell anerkannt werden. Beschränkungen
und Hindernisse, die dieses Gebiet betreffen, sollten aufgehoben werden.
28. Die seit 1992 auf der Ebene der Außenministerien (wegen der
Kurden) durchgeführten Treffen zwischen der Türkei, Iran und
Syrien müssen beendet und die dazu einberufenen Delegationen aufgelöst
werden.
29. Mit Syrien und dem Irak müssen Gespräche wegen der Wasserfrage
aufgenommen werden.
30. Man darf sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Irakisch-Kurdistan
einmischen. Dort befindliche Armee-Einheiten müssen zurückgezogen,
die dort arbeitenden Einheiten des Nachrichtendienstes aufgelöst
werden. Hindernisse, die die ökonomischen Beziehungen betreffen,
müssen aufgehoben werden.
31. Internationalen Institutionen und Einrichtungen, die den Friedensprozess
begleiten, mögliche Beiträge und Unterstützungen leisten
können, sollte man offen gegenüberstehen; es sollte eine ständige
internationale Beobachterdelegation gegründet werden, die diesen
Prozess begleitet.
Mittelfristige
Maßnahmen
32. Alle rechtlichen
Hindernisse, die die Meinungs-, Presse- und Vereinigungsfreiheit betreffen,
müssen aufgehoben werden. Es muss eine volle Meinungs-, Presse-,
und Vereinigungsfreiheit gewährleistet werden.
33. Gemäß den Standards des Europarats muss die Todesstrafe
aus dem Strafrecht gestrichen werden.
34. Durch eine Generalamnestie müssen alle politischen Gefangenen
freigelassen werden.
35. Die Staatssicherheitsgerichte müssen aufgelöst werden.
36. Das Verbot von kurdischen Organisationen und Parteien muss aufgehoben
und deren freie Organisierung erlaubt werden.
37. Nach diesen Schritten muss von den kurdischen Organisationen als Ganzes
die Anwendung von Gewalt ausgeschlossen und negiert werden; sie müssen
nochmal erklären, dass sie die Kurdenfrage innerhalb der Türkei
lösen wollen.
38. Es müssen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass
die kurdische Sprache in der Bildung, in der Presse und in allen Bereichen
des Lebens Anwendung finden kann.
39. Es muss eine neue und demokratische Verfassung geschaffen werden,
die den multiethnischen und multikulturellen Aufbau der Türkei berücksichtigt,
bezüglich der Existenz und der Rechte der Kurden verfassungsmäßigen
Schutz gewährt und die beide Völker als gleichberechtigt betrachtet.
In ihr müssen auch die Rechte von ethnischen und religiösen
Minderheiten aufgenommen werden.
40. Die zerstörten Siedlungsgebiete müssen wieder aufgebaut
werden, um die Rückkehr der Bevölkerung zu erleichtern. Um einen
Anreiz zu schaffen, muss Schadenersatz geleistet werden.
41. Allen Opfern des Krieges und des Konflikts muss ein Schadenersatz
gezahlt werden, damit die erlittenen Schmerzen und Verluste wenigstens
in finanzieller Hinsicht ausgeglichen werden können.
42. Die wegen des Konflikts und des Kriegssituation in den letzten Jahren
in dieses Gebiet zusätzlich verlagerten Armee-Einheiten müssen
abgezogen werden.
43. Die Guerillaeinheiten müssen aufgelöst, ihre Waffen vernichtet
werden. Es sind Vorkehrungen zu treffen, damit die Guerillaeinheiten wieder
in die Gesellschaft integriert werden können. Damit sie sich wieder
in das zivile Leben einfügen können, ihrem Leben wieder eine
Ordnung geben können, sollte ihnen eine einmalige materielle Hilfe
zuteil werden.
44. Türkische und kurdische Jugendliche, die wegen dem Krieg den
Kriegsdienst verweigert haben und so in die Illegalität abgetaucht
sind, sind vom Kriegsdienst zu befreien und dürfen keiner strafrechtlichen
Verfolgung ausgesetzt werden.
45. Die Grenzgebiete müssen von den Minen geräumt werden und
die dadurch gewonnenen Felder an bedürftige Bauern verteilt werden.
46. Der Nationale Sicherheitsrat muss aufgelöst werden. Das Parlament,
die politischen Parteien und im allgemeinen die ganze Gesellschaft müssen
vom Schatten und von der Vormundschaft der Generäle befreit werden.
Langfristige Maßnahmen
47. Der der türkischen
Wirklichkeit widersprechende heutige träge unitaristische Staatsaufbau
muss aufgegeben werden. Man muss übergehen zu einer der multiethnischen
und multikulturellen Struktur der Türkei gemäßen neue
Umgestaltung, mit föderalistischem Aufbau und Bundesstaatlichkeit.
48. Nach diesen Umgestaltungen müssen Föderations- und Länderwahlen
stattfinden, an denen auch kurdische Parteien teilnehmen sollen.
49. In den Beziehungen mit den Nachbarstaaten muss es zu einer Entspannung
kommen; es müssen freundschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen
geschaffen werden. Mit Irak und Syrien muss die Wasserfrage gelöst
werden.
50. Zu der Regierung in Irakisch-Kurdistan müssen besondere Beziehungen
entwickelt und dabei die sozialen und ökonomischen Beziehungen intensiviert
werden.
Mit dem Ende des Krieges wird sich die Türkei aufrichten, ihren kurdischen
"Klotz" am Bein verlieren und somit nicht mehr auf internationalen
Tagungen unter negativem Vorzeichen auf der Tagesordnung stehen. Der Weg
zur Europäischen Union wird für sie offen sein. In allen Bereichen
wird sie sich weiterentwickeln und so die nötigen Veränderungen
und Transformationen verwirklichen. Die vorhandenen Quellen werden dann
für die Entwicklung des Landes genutzt werden. Man wird in einer
kurzen Zeit einen beispielhaften und zivilisierten demokratischen Staat
des Mittleren Ostens und Vorderasiens geschaffen haben.
Der erste Teil des Pakets der Vorkehrungen und Maßnahmen beinhaltet
die zu ergreifenden Schritte, die eine Stimmung wie die im Jahre 1993
schaffen, die die Atmosphäre lockern und gegenseitige vertrauensbildende
Beziehungen schaffen sollen. Dieser Teil enthält keine grundlegenden
Umgestaltungen. Nach der politischen Bereitschaftserklärung für
den Frieden und der Einstellung der Kampfhandlungen werden sich aufgrund
des veränderten politischen Klimas sogar die Staatssicherheitsgerichte
einer anderen Praxis zuwenden und die Spannung wird von alleine nachlassen.
Mit den gesetzlichen Regelungen im zweiten Teil wird die Türkei sich
von ihrer Schande befreien; eine Meinung zu haben und sich zu organisieren
werden keine Straftat mehr bilden. Eine farbenfrohe politische Landschaft
wird entstehen, in der auch kurdische Organisationen ihren Platz haben.
Die Wunden des Krieges werden geheilt werden, gegenseitiges Vertrauen
wird sich entwickeln, und es werden Pflastersteine auf dem Weg in eine
gemeinsame und freie Zukunft verlegt werden.
Mit den Maßnahmen im dritten Teil wird schließlich die Zeit
der Konflikte vorbei sein, und ein auf dem freien Willen unserer Völker
basierender demokratischer Aufbau wird verwirklicht werden. In einem Aufbau,
der dem multiethnischen und multikulturellen Mosaik der Türkei entspricht,
werden Türken und Kurden Hand in Hand ihr Schicksal so miteinander
verbinden, dass es kein Zurück mehr geben wird.
* Dieser Artikel von Mehmet Sahin wurde an den Tagen vom 1.-3. August
1999 in der Tageszeitung Özgür Politika veröffentlicht.
Er wurde von Fuat Akpinar übersetzt und von Ralf Kaufeldt bearbeitet.
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