Antwort Öcalans auf das
Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft
(...)
Im Schlussplädoyer der Republikanischen Oberstaatsanwalt-schaft wird
die Anklageschrift in verkürzter Form erneut dargelegt. Darin werden
zwar meine Aussagen zitiert, aber die gleiche Schlussfolgerung gezogen.
Die geht davon aus, dass die Wandlungen meiner Person und der Organisation
nicht überzeugend und ein Zeichen der Aussichtslosigkeit sind, weist
auf die Intensität und Anzahl der Aktionen und das Fortbestehen meiner
ideellen Verbindung zu der Organisation hin und fordert meine Verurteilung
nach § 125 des türkischen Strafgesetzbuches.
Es hätte unbedingt ausgewertet werden müssen, unter welchen
historischen und sozialen Bedingungen der von der PKK geführte Aufstand
entstanden ist, welcher auch von den höchsten Repräsentanten
des Staates als letzter "Kurden-Aufstand" bezeichnet wird. Die
Geschehnisse, die in der Dimension eines Krieges zum Verlust von Menschenleben,
zu Sachschäden, zu materiellen und immateriellen Verlusten führten
und vielseitige positive und negative Ergebnisse verursachten, auf einen
individuellen Terrorakt zu reduzieren, ist nicht nur unmöglich, sondern
führt auch zu falschen Schlussfolgerungen und sogar zur Vertiefung
der Ausweglosigkeit. Es wird zudem nicht ausreichend sein, diese Ereignisse
ausschließlich unter juristischen Gesichtspunkten, sogar nach Gesetzen
zu beurteilen. Und noch wichtiger: wenn wir die Ergebnisse dieses sozialen
Aufbruchs, der zu schweren gesellschaftlichen Umwandlungen geführt
hat, nicht in einer für die Zukunft nützlichen Weise, sondern
nach der aktuellen Stimmungslage handhaben, dann würde dies zu einer
noch größeren Ausweglosigkeit und noch größeren
Verlusten in der Zukunft führen.
Die Militärputsche vom 12. März 1971 und 12. September 1980
haben gezeigt, dass die Türkei der 70er Jahre ernste soziale Aufbrüche
erlebte, die die bestehende Rechtsordnung bedrängten. Das Recht hat
schweren Schaden davongetragen; die nach dem Militärputsch vom 27.
Mai [1960] eingeführte, minimale demokratische Rechte gewährende
Verfassung wurde geändert und von der Verfassung von 1982 abgelöst,
die durch anti-demokratische Elemente gekennzeichnet ist. Die Regierung,
die Opposition, linke und rechte Parteien von vor 1980 wurden für
illegal erklärt und vor Gericht gestellt.
Auch die PKK ist als eine illegale Bewegung dieser Periode entstanden
und hat sich schwerpunktmäßig auf die gesellschaftliche Realität
der Kurden gestützt und zu einer Bewegung der Forschung und der Propaganda
und bis hin zu einer Bewegung der Aktion entwickelt. Man muss sich vor
Augen führen, dass ihre Entstehung nicht legal, aber legitim war.
Gegen das Unterdrückungssystem, das insbesondere durch die Verfassung
von 1982 bis zu einem "Sprachverbot" ausgeweitet wurde, war
der Aufstand zwar nicht im Rahmen der Gesetze entstanden, aber legitim
bedingt. Es ist wohlbekannt, dass in der kurdischen Gesellschaft eine
historische Angst vorhanden war, diese unterentwickelt blieb und sich
schämte, ihre eigene Identität auszusprechen. Es soll niemanden
wundern, dass bei dem anarchistischen Charakter und unter den degenerierten
legalen Bedingungen dieser Periode ein solcher Aufstand entstanden ist.
Die PKK hat versucht, [für diesen Aufstand] eine politische und strategische
Linie aufzuzeigen. Sie hat das in vielen Dokumenten zum Ausdruck gebracht.
In der Anklageschrift wurden diese genannt. Ich werde sie nicht wiederholen.
Als ihre Hauptslogans wurden "Unabhängigkeit und Freiheit"
festgelegt. Das sind die Slogans des Aufstandes. Dementsprechend wurde
im Programm und in den Aktionen gehandelt. Diese Tatsachen werden unsererseits
nicht bestritten. (...)
Die PKK als eine der Hauptverantwortlichen dieser Auseinandersetzung hat
die Diskussion über "die Kurdenfrage" auf die Tagesordnung
in Ankara gesetzt. Sie hat das von der "kurdischen Bewegung"
und von den Entwicklungen im Nord-Irak gelernt. Unter dem Einfluss dieser
beiden Faktoren wurde sie zunehmend selbst zu einem beeinflussenden Faktor.
Ihre Agitation und Aktion wurden von diesen beiden Faktoren stark geprägt.
Sie hat es versucht und geschafft, disziplinierter und kontinuierlicher
zu arbeiten. Es führt zu überzogenen und falschen Schlussfolgerungen,
wenn behauptet wird, dass die PKK alles selbst verursacht hat und die
alleinige Verantwortung trägt. In der Tat, insbesondere bei den Aktionen
kam es zu willkürlichen Handlungen, wie dies an vielen Orten der
Welt geschah, die außer Kontrolle gerieten und sich gegen sich selbst
richteten. Dies befreit zwar nicht von der Verantwortung, aber hilft,
die Wahrheit zu sehen. Das Programm und die Slogans fordern einen separaten
Staat und verpflichten hierzu, jedoch die Realität des Lebens legt
uns vor, was noch gültiger und realistischer als das Programm und
die Slogans ist. Das wird uns überall in der Welt und mit vielen
Beispielen in der Geschichte vor Augen geführt. Wenn wir eine Bewegung
nur mit ihren Slogans und ihrem Programm in einer Zeitspanne beurteilen,
kommen wir zu mangelhaften und falschen Ergebnissen. (...)
Die
Wandlung der PKK ist kein Zeichen der Ausweglosigkeit, sondern eine Notwendigkeit
(...)
Wenn wir von der Wandlung der PKK sprechen, dann berufen wir uns objektiv
vor allem auf die Entwicklungen im Lande und in der Welt. Die Entstehungsjahre
der PKK sind die Jahre, in denen streng ideologische Lager in Folge des
kalten Krieges vorherrschten und der Status quo durch die Verleugnung
und Handlungsunfähigkeit über die kurdische Realität gekennzeichnet
war. Außerdem sind diese Entstehungsjahre von einer Jugend, in der
eine anarchistische Haltung dominierend war und die eine Demokratisierung
nicht kannte, und einem Prozess, in dem die Jugend in rechte und linke
Lager gespalten war, geprägt. Sowohl in dem Programm als auch in
den Aktivitäten sind die tiefgreifenden Einflüsse dieser dogmatischen,
ideologischen Herangehensweise und des radikalen Jugendwiderstandes vorhanden.
In den Strukturen der Parteien und Organisationen in der Türkei kam
es entsprechend der weltweiten Entwicklung in den 90er Jahren unvermeidlich
zu Veränderungen, die noch andauern. Auch innerhalb der PKK wäre
es aufgrund der schweren Kampfbedingungen, unter denen sie sich befand,
zu solchen Entwicklungen gekommen. Dass ich in diesen Jahren von dem Programm
der PKK und ihren alten Propagandaslogans Abschied nahm und nach neuen
Wegen suchte, zeigt nicht die Ausweglosigkeit, sondern die Notwendigkeit.
Zu kritisieren ist, dass dies zu spät vollzogen und nicht klar formuliert
wurde und sich auf dem Kongreß und im Programm der PKK nicht ausreichend
niedergeschlagen hat. Die Notwendigkeit der Wandlung ist unumstritten.
Deshalb ist das Programm überholt. Es hat sich also gezeigt, dass
die programmatische Formulierung wie ein eigener Staat oder ähnliches
nicht realistisch und notwendig erscheint. Das ist damit gemeint, wenn
die Rede davon ist, dass diese Jahre nicht genutzt wurden und es zu Wiederholungen
der vorherigen Ansätze kam. Um das zu überwinden, habe ich,
wie es in mehreren Dokumenten zu finden ist, gesagt, dass sowohl die Unabhängigkeit
als auch die Freiheit sinnvollerweise in der Einheit der Türkei als
der fortschrittlichste und praktischste Weg zu verwirklichen sind. Das
ist keine enge taktische Haltung. Es handelt sich hier um eine Einsicht,
die sich durch die wichtigen Lehren aus dem Leben und den Erfahrungen
gebildet hat. Auch wenn die Staatsbildung angestrebt wird, dann ist dies
auch innerhalb der demokratischen Struktur der Republik der Türkei
am sinnvollsten realisierbar. Das ist die Schlussfolgerung, die in meinen
Reden vor meiner Festnahme dokumentiert ist.
(...) Es ist richtig, dass eine auf den engstirnigen Separatismus basierende
Politik und Machtstellung eine große Ausweglosigkeit darstellt.
Aber genauso ist es eine große historische Entwicklung, innerhalb
der staatlichen Integrität und Struktur der Türkei durch eine
demokratische Beteiligung einen Platz einzunehmen und eine Macht zu sein.
Es ist unumstritten, dass sich diese Entwicklung trotz vieler Hindernisse
schrittweise durchsetzt. Was ich mit meinen Thesen über eine demokratische
Lösung zum Ausdruck bringen will, auch wenn diese zu spät eingesehen
und nicht ausreichend formuliert worden sind, ist, diese historische Entwicklung
vorauszusehen und der Wille, sich an dieser Entwicklung zu beteiligen.
Es ist weder eine gegenwärtige taktische Haltung noch eine grundsatzlose
Wandlung. (...)
Es
ist eine Tatsache, dass ich einen inneren Krieg in Bezug auf das Organisations-
und Aktionsverständnis der PKK durchgemacht habe
Es ist
möglich und richtig, dass die PKK unter meiner Verantwortung vom
Zeitraum und von der Intensität her den wichtigsten und den größten
"Kurden-Aufstand" geführt hat und dieser viele schmerzhafte
und rücksichtslose Seiten hatte. Aber wenn von der inneren Struktur,
von der Verantwortung und den Zuständigkeiten der Organisation und
der Mitglieder die Rede ist, dann stellt sich die Realität anders
dar. (...)
Es ist auch ein großer Irrtum zu glauben, dass sich die Form der
Konfliktaustragung insbesondere auf höchster Führungsebene so
gestalten ließ, wie ich es haben wollte. Eine eher richtige soziologische
Bewertung ist es zu sagen, dass sich die über die Jahrhunderte hinausgezogenen
Überbleibsel der Zerstrittenheit und der Widersprüche von Stammes-
und Familienstrukturen und religiöser Unterentwicklung der tiefgreifenden
feudalen Struktur der kurdischen gesellschaftlichen Realität nun
in der PKK wiedergefunden und ausgedrückt haben. Jeder, der sich
daran beteiligte, handelte nach dem Motto "Ich bin das Gesetz"
und missachtete nicht nur die Grundsätze der offiziellen Verordnungen
der PKK, sondern verstieß auch gegen die traditionellen (feudalen)
Regeln. Besonders 1987 richteten sich Aktionen unter dem Vorwand der Bekämpfung
der Dorfschützer gegen Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, die
mit den Auseinandersetzungen nichts zu tun hatten. Genau an diesem Punkt
haben einige [Funktionäre] teilweise die ideologischen und politischen
Ansätze der PKK über Bord geworfen und versucht, unter dem Motto
"die Intellektuellen haben verloren", "die Bauern sind
an der Macht" das Wesen der Partei aufzulösen und ihr eine interne
Auseinandersetzung aufgezwungen, um durch die Möglichkeiten, die
sie erhalten haben, die tatsächliche Macht der Partei und das Volk
unter ihren persönlichen Einfluss zu bringen. (...) Übrigens
geschah so etwas auch [während des Befreiungskampfes] in vielen anderen
unterentwickelten Gesellschaften wie z. B. in Afrika und in jeder Volksgemeinschaft
in der Vergangenheit. Die diesbezüglichen internen Auseinandersetzungen
der kurdischen Gruppen im Nord-Irak sind allgemein bekannt. Die Osmanische
Dynastie hat sogar "den Brudermord" um die Macht in einem Erlass
manifestiert. In der Zeit der nationalen Befreiung hatte der Leibwächter
von Mustafa Kemal Atatürk, Topal Osman willkürlich Abgeordnete
im Parlament umgebracht, Menschen lebend begraben und konnte erst auf
den persönlichen Befehl von Atatürk hin ermordet und das Land
somit von ihm befreit werden. (...) Diese Beispiele habe ich deshalb aufgeführt,
um klarzumachen, dass solche Grausamkeiten bei Aufständen und in
Guerilla-Kriegen weit verbreitet sind. (...)
Zwei
historische Resultate in der Beziehung der Türkei zu den Kurden
Die Hauptursache
dafür, dass die Türkei seit der Gründung der Republik innenpolitisch
nicht den Weg zur Demokratisierung gefunden hat, (...) liegt darin, dass
sie in der Kurdenfrage nicht die erforderliche wissenschaftliche und demokratische
Haltung einnahm. Kennzeichnend für ihren Weg und ihre Haltung bis
in die Gegenwart ist, dass bei den Aufständen und deren Zerschlagung
keine Schlussfolgerungen gezogen wurden und die Wunde offen gelassen wurde.
Weder bei der Analyse noch bei der Behandlung wurden wissenschaftliche
Maßstäbe gesetzt. Stattdessen wurde eine Politik betrieben,
die durch gegenseitige Ängste gekennzeichnet war und unter den jeweiligen
wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten bestimmt wurde. Das hat
das Problem noch weiter verschärft. Manchmal glaubte man, das Problem
mit strafrechtlichen Maßnahmen lösen zu können. Zu einigen
Zeiten wurde die Situation dadurch unter Kontrolle gehalten, dass den
Funktionsträgern von feudalen Stammes- oder religiösen Institutionen
Privilegien gewährt wurden. Ebenso wurde geglaubt, dass lediglich
durch die wirtschaftliche oder bildungspolitische Entwicklung das Problem
gelöst wird. Da diese Haltung sich mehr auf die leugnerische Grundlage
[Leugnung der kurdischen Identität] stützte, konnte auch die
kleinste Gegenhaltung und Entwicklung in dieser Frage sich davon befreien,
radikal zu sein.
Wenn alle heute über den Radikalismus der Methoden der PKK reden,
übersehen sie jedoch dabei die historische Grundlage und die politische
Herrschaftsform, auf die sich dieser [Radikalismus] stützt. Die Art
der Unterdrückung, die bis zu einem Sprachverbot ausgedehnt wurde,
führt zu der Entwicklung, dass jeder Vorstoß dagegen, entsprechend
der Unterdrückung, gewaltig ist. Es muss eingesehen werden, dass
eine einseitige und von ihren historischen Ursachen losgelöste Betrachtung
die Probleme enorm verschärft und damit erfolglos bleibt. Alle spüren
inzwischen am eigenen Leib, dass die Türkei vor dem Jahr 2000 wegen
dieser Frage in eine ausweglose Situation geraten ist. Während manche,
die an dem Krieg direkt beteiligt sind, große Verluste und großes
Leid tragen, schafft sich eine kleine Gruppe als Kriegsgewinnler ein Vermögen
an, was inzwischen zu ihrer wesentlichen politischen und persönlichen
Lebensform geworden ist. Anscheinend ist in der Gesellschaft eine Art
Arbeitsteilung entstanden. Dabei hat es eine entscheidende Rolle gespielt,
dass eine Schattenwirtschaft von Kriegsgewinnlern entstand, es zu großen
sozialen Zusammenbrüchen und Divergenzen kam, die Politik ihre Funktionen
nicht mehr ausübte und sich selbst gefesselt hat. Es ist zur Gewohnheit
geworden, als ob die Türkei dazu verurteilt wäre. (...)
Der Prozess von Imrali erlebt selbst die gegenwärtige Ausweglosigkeit
der Türkei und geht in diesem Sinne auf eine solche historische,
gesellschaftliche und politische Realität zurück. Wird der Prozess
im Einklang mit der bisherigen Haltung hinsichtlich der Vergangenheitsbewältigung
das Problem weiter verschärfen? Oder wird er zumindest durch die
Vorgehensweise einen auf die Zukunft gerichteten Ausweg einschlagen oder
Zeichen in dieser Richtung setzen? Das sind die Hauptfragen, nach deren
Anworten gesucht werden muss. Es hängt von der Antwort auf die Fragen
ab, ob der Prozess im klassischen Sinne stattfindet. Von jetzt an, so
glaube ich, werden Diskussionen über diese beiden Fragen und ihre
Antworten sowohl in der Gesellschaft als auch auf der Ebene des Staates,
sowohl im Inland als auch im Ausland geführt werden und Früchte
tragen. (...)
Es gibt keine größere Fehleinschätzung als die, wonach
man die Realität der PKK ausschließlich unter engen strafrechtlichen
Gesichtspunkten beurteilen könnte. In diesem Prozess möchte
ich diese Gefahr ausschließen. Es ist wahr, dass die PKK die Geschichte
der Türkei im letzten Vierteljahrhundert wesentlich beeinflusst hat.
Noch richtiger ist es, dass sie diesen Einfluss von der Intensität
her auch weiterhin ausüben wird. Wenn wir das falsch einschätzen,
dann wird die Türkei als Verlierer ins 21. Jahrhundert eingehen.
Im Falle einer richtigen Beurteilung wird sie nicht nur das schwerste
Schlüsselproblem loswerden, sondern es bedeutet für sie die
Chance, im nächsten Jahrhundert eine Vormachtstellung in der Region
zu erlangen. In diesem Sinne steht die Türkei vor einer Wende, vor
einem Scheideweg. Noch wichtiger und notwendig scheint es, dass wir uns
keine Fehler und Irrtümer leisten können und zu einer richtigen
Lösung gezwungen sind. Die Realität nicht einzusehen und sich
ihr nicht anzunähern, ist eigentlich die echte Unehrlichkeit und
auch noch der echte Verrat. (...)
Das
Beharren auf Konflikt und Ausweglosigkeit bedeutet auch den Verlust des
nächsten Jahrhunderts
Aus dem
Prozess von Imrali ist folgende Schlussfolgerung zu ziehen: wenn die Kurdenfrage
im herkömmlichen Sinne und von demokratischen und kulturellen Aspekten
losgelöst betrachtet wird, bedeutet das eine Verschärfung des
(...) Konfliktes und eine Ausweglosigkeit. Ich halte es nicht für
meine Person, sondern für die Zukunft des Landes für sehr gefährlich,
dass während des Prozesses eine die Emotionen ausnutzende Haltung
eingenommen wird. Man muss, unabhängig vom Schutz meiner physischen
Existenz, die mit großen Gefahren verbundenen Entwicklungen voraussehen.
Es handelt sich keinesfalls um eine Drohgebärde. Jedoch sind mögliche
Entwicklungen, die für jeden mit einer politisch und strategisch
denkenden Sichtweise vorauszusehen sind, zu nennen. Um diese aufzulisten:
1. Der bewaffnete und militärische Konflikt wird immer mehr institutionalisiert
und fortgesetzt. Die PKK wird diese Angelegenheit jahrelang weiterführen
können, weil sie neben den geographisch günstigen Gegebenheiten
im Inland und in allen wichtigen Ländern der Welt und an beiden Seiten
der Grenzen ihre Stellungen hat, über Erfahrungen verfügt, ihren
logistischen Bedarf decken kann, leicht Waffen beschaffen kann, über
finanzielle Mittel verfügt, Mitglieder anwerben und zusätzliche
Reserven bilden kann. Ein Krieg kleinen oder mittleren Grades kann leicht
fortgeführt werden. Auch das Militär kann aufgrund seiner Erfahrungen
und der überlegenen technischen Ausstattung den Krieg länger
aushalten und fortsetzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese militärische
Tendenz durchsetzt, ist in der Tat sehr groß. Der Krieg könnte
sich über die vergangenen 15 Jahre hinaus auf das kommende Jahrhundert
ausdehnen. Natürlich besteht die Gefahr, dass dieser Konflikt noch
größere Ausmaße annimmt. Denn die Region ist instabil
und für jegliche Allianzen geeignet. (...)
Ein weiterer Grund, dass der militärische Konflikt weiter ausgedehnt
wird, ist die Wahrscheinlichkeit der Einigung der kurdischen Bevölkerung
im Iran, Irak, Syrien, im Kaukasus und überall in der Welt. Diese
Einheit ist zum großen Teil um die PKK herum verwirklicht worden.
Dieser Aspekt ist neu und dessen Beurteilung ist von besonderer Bedeutung.
Von der Fläche und der Bevölkerung her sind genügend logistische,
personelle, finanzielle und diplomatische Kapazitäten vorhanden,
und diese werden erweitert. (...)
2. (...) Die Vertiefung des Krieges und der Ausweglosigkeit wird die Türkei
vielleicht zur einzigen Zielscheibe machen. Die Gefahr wird noch größer,
wenn die derzeit herrschende Stimmung nicht nachlässt und in Feindseligkeiten
ausartet und die religiösen, innerreligiösen, schweren wirtschaftlichen
und sozialen Gegensätze hinzukommen. Die Bevölkerung der Region
[die Kurden] ist, wie wir in der Geschichte und bei der PKK gesehen haben,
jederzeit für einen Aufstand prädestiniert, wenn die Probleme
ungelöst bleiben. (...) Eine durch Misstrauen, Angst, Hass und eine
schwere wirtschaftlich-soziale Krise gekennzeichnete Tragödie ist
nicht auszuschließen. Es liegt auf der Hand, dass ein Ausweg aus
diesem Zustand noch schwieriger wird, wenn man (...) die Überwindung
der Jahrhunderte lang abgebrochenen Kontakte für möglich hält.
Wenn das Problem weiter verschärft wird, werden die Staaten, die
Probleme mit der Türkei haben, allen voran die Nachbarstaaten, sowohl
die eigenen Kurden als auch die zu ihnen Geflüchteten gegen die Türkei
ausspielen, für deren Politisierung sorgen und für ihre Zwecke
benutzen. (...)
3. Die Verschärfung des Konfliktes und der Ausweglosigkeit wird der
Wirtschaft schweren Schaden zufügen. Die zur Zeit andauernde Wirtschaftskrise
hängt eng mit diesem Problem zusammen. Nicht nur die Militärausgaben,
sondern auch die Hindernisse in Bezug auf die Mobilisierung des reichen
wirtschaftlichen Potentials der Region [Kurdistan], die lahmgelegten wirtschaftlichen
Vorhaben, die hohe Arbeitslosigkeit und die Kriegswirtschaft wirken sich
auf die Volkswirtschaft der Türkei zerstörend aus und verschärfen
zunehmend die Krise. Die Volkswirtschaft der Türkei, welche in der
Region und im Nahen Osten eine Vorreiterrolle spielen könnte, ist
zu einem ausgeplünderten Markt geworden. Es ist offensichtlich, dass
die Fortsetzung des Konfliktes und der Ausweglosigkeit diesen Zusand noch
weiter verschlechtern und in eine Sackgasse führen wird. (...)
4. (...) Die Fortsetzung und Vertiefung der Konfliktsituation wird die
sozio-kulturellen Probleme zum Wegbereiter vieler unangenehmer Entwicklungen
machen und die Bevölkerung zum gefährlichsten Potential werden
lassen.
5. Die Fortsetzung des Konfliktes und der Ausweglosigkeit wird wie in
der Vergangenheit insbesondere ein Hindernis für die Demokratisierung
in der Türkei bedeuten. Die in der Staatsstruktur erwünschten
demokratischen Maßnahmen werden nicht durchgeführt werden können.
Folglich wird es zu einer Verdrossenheit und Bedeutungslosigkeit der Politik
führen. Egal, unter welchem Namen Politik, Politiker und politische
Parteien auftreten, werden sie das gleiche Schicksal von Gescheiterten
teilen. Schließlich betreffen die gleichen Grundbedingungen und
die Ausweglosigkeit alle gleichermaßen und machen erfolglos. (...)
Institutionen und Personen, die sich in beschränktem Umfang entwickeln,
werden im Zusammenhang mit dem Krieg blockiert. Als Folge dieser Entwicklungen
ist auch die Justiz vor große Probleme gestellt. Die Notwendigkeit
einer Verfassung und der Gesetze, welche sich auf demokratische und auf
Menschenrechte stützen, wird von Tag zu Tag größer.
6. (...) Wenn dieses Problem nicht auf einer demokratischen Basis gelöst
wird, kommt es nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zu großen
negativen Folgen. Das hindert das Land daran, in dieser Richtung einen
Sprung zu machen. (...)
Diese Hauptpunkte legen offen dar, warum wir diesen Zustand des Konfliktes
und der Ausweglosigkeit nicht weiterführen können. Das führt
uns nämlich in einen Sumpf, aus dem man nicht mehr herauskommt, sondern
in dem man bei jeder Bewegung weiter versinkt. Das entspricht dem Wesen
der Ausweglosigkeit. In einer solchen Situation hat es keine Bedeutung,
ob man siegt oder verliert. In diesem Sinne ist es wichtig, die legitimen
Forderungen des Aufstandes zu berücksichtigen und zusehends die mit
Gefahren verbundenen Seiten zu unterbinden. Die wiederholt vorgebrachten
gegenseitigen, falschen und übertriebenen Beschuldigungen und Vorurteile
dürfen keineswegs mehr fortgesetzt werden. Denn daraus kann man nichts
gewinnen. Durch die Feststellung, dass die realistischen demokratischen
und kulturellen Forderungen des Aufstandes für das gesamte Land gültig
sind, können sie leicht erfüllt werden. In dieser Hinsicht ist
es ein Problem, dessen praktische Lösung am leichtesten ist. Es ist
nicht ein Palästina, Kosovo oder Irland. (...)
Eine
demokratische Lösung der Probleme ist ein Gewinn für die Zukunft
der Türkei
Die Tatsache,
dass gegen mich ein GerichtsProzess auf Imrali geführt wird, wird
auch als die Geschichte eines tragischen historischen Ereignisses bewertet
werden, in welchem eine nicht-demokratisierte Gesellschaft und Staatsstruktur
und ein sehr schmerzhafter Aufstand einen Abgrund darstellen. Es ist ein
krasses Beispiel dafür, wohin die ständig unterdrückten
Probleme führen können. Da die streng ausgelegten Strafparagraphen
(...) davon entfernt sind, eine Lösung herbeizuführen, scheint
eine demokratische Verfassungsordnung um so dringender zu sein. Dass der
Prozess mich von Anfang an zur politischen Verteidigung gezwungen hat,
ergibt sich aus dieser Notwendigkeit. In meiner ersten Verteidigungsrede
wurde im Grunde genommen die Unverzichtbarkeit einer demokratischen Verfassungslösung
hervorgehoben. Darüber hinaus wurde dargelegt und klargemacht, dass
mit militärischen Mitteln ein Problem, das historische, kulturelle,
politische, soziale und wirtschaftliche Komponenten beinhaltet - und die
daraus resultierenden schmerzhaften Aufstände - nicht beendet werden
kann. In unserem Zeitalter ist dies so gut wie unmöglich. Es gibt
keine andere Lösung außer einer demokratischen. (...)
1. Die Vertiefung der Ausweglosigkeit bei diesem Problem bringt die militärischen
und bewaffneten Haltungen zu einem Punkt, an dem sie sinnlos und verlustbringend
sind. Kriege, Aufstände und Konflikte auf jeder Ebene resultieren
im Kern aus einem gesellschaftlichen Problem und versuchen, entsprechend
der Dimension des Konfliktes, den gordischen Knoten kurz- oder langfristig,
im engeren oder weiteren Sinne, schwach oder intensiv zu lösen. Wenn
die ethischen und politischen Erfordernisse nicht beachtet werden, kommt
es bei der Gewalt zu einer Degeneration und einem Zustand der Grausamkeit.
(...)
Eine militärische Lösung war aufgrund der Eigenschaft des Problems
nicht denkbar. Das ist inzwischen eingesehen worden. Dass ich aus diesem
Grunde den bewaffneten Konflikt beenden will, bedeutet nicht, dass ich
mich dadurch retten will. Es geht darum, sich aus dieser gefährlichen
und sinnlosen Situation so schnell wie möglich zu befreien. Es ist
zugleich das Ergebnis einer richtigen wissenschaftlichen Haltung im politischen
und militärischen Sinne zu dieser Frage. Es ist also Zeit für
den Verzicht auf eine bewaffnete Auseinandersetzung, wenn der Staat die
nötige Sensibilität zeigt, gekommen und sogar schon vorüber.
Die Grundlage für eine demokratische Lösung ist vorhanden. Und
sie erlebt eine unaufhaltsame Entwicklung. Eine gegenseitige Trotzhaltung
ist an dieser Stelle kontraproduktiv. Eine verantwortungsvolle Haltung
ist von großer Bedeutung. (...)
2. Wenn die PKK nicht mehr ein militärisches Problem darstellt, wird
der Weg für eine politische Lösung der Kurdenfrage geebnet,
wodurch sie [PKK] auch politisch kein Problem mehr darstellt. Dann wird
ein Prozess stattfinden, in dem die Integrität und Einheit des Staates
nicht gefährdet, sondern gestärkt wird. Je mehr das demokratische
Zusammenwachsen mit dem Staat voranschreitet, desto eher wird die Haltung
gegen den Staat aufgegeben. Je mehr die Erfordernisse des legalen Prozesses
erfüllt werden und die demokratische Herangehensweise beibehalten
wird, um so schneller verlieren die Zentren und Institutionen der PKK
im In- und Ausland ihren Sinn und werden keine Gefahr mehr darstellen.
(...) Ein lösungsorientierter und wissenschaftlicher Umgang mit der
politischen Existenz der PKK wird tatsächlich der wichtigste Gewinn
der jetzigen und künftigen Türkei sein. Genau so wie die Unterschätzung
der PKK zu großen Verlusten und Gefahren geführt hat, wird
die richtige Umgangsweise mit ihr zu großen Gewinnen und Stärken
führen. Die Gegenleistung ist dagegen kein großes Zugeständnis.
Durch einige gesetzlichen Regelungen sollen die demokratischen Wege für
ein Zusammenwachsen und eine Umwandlung geebnet werden. Nach all dem,
was passiert ist, sollte es verständlich und praktikabel sein, dass
der Staat diese politische Sensibilität zeigt. (...)
3. Es ist offensichtlich, dass die kurdischen Volksmassen, die sich in
einer Situation des Konfliktes und der Ausweglosigkeit dem Staat ziemlich
entfremdet haben, durch einen solchen Lösungsweg leichter gewonnen
werden. Die Kurden, die sich als ein Volk im Nahen Osten am meisten nach
einer Demokratie sehnen, werden die überreichte Hand der Türkei
für Frieden und Brüderlichkeit, die sowohl in der Geschichte
als auch in der Gegenwart auf dieses Volk angewiesen war bzw. ist, annehmen,
und dies wird zu einer großen Vereinigung und einem Zusammenwachsen
führen. Nicht nur für die Kurden in der Türkei, sondern
auch für alle Kurden im Nahen Osten und in der Welt gilt, dass demokratische
Errungenschaften am ehesten im Rahmen der Republik der Türkei zu
verwirklichen sind. (...) Eine solche Haltung muss gegenüber der
gesamten Bevölkerung der Türkei eingenommen werden. Allerdings
erfordern einige Besonderheiten der Bevölkerung in der Region [Kurdistan]
umfangreiche demokratische, kulturelle, wirtschaftliche und soziale Maßnahmen.
Das ist der wissenschaftliche Lösungsweg, um das Problem zu überwinden
und die Basis für einen Aufstand zu entziehen. (...)
4. (...) Durch die Reduzierung der militärischen Ausgaben bis hin
zur Nutzung der reichen wirtschaftlichen Ressourcen der Region und die
Lenkung der für den Krieg aufgewendeten Ressourcen auf das GAP-Projekt
wird es zu einer gewaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in der Region
kommen. Die Volkswirtschaft der Türkei im allgemeinen wird sich zusätzlich
zu den Möglichkeiten der Region neue Märkte im Nahen Osten erschließen.
Die volkswirtschaftliche Produktivität und Einheit wird genau so
viele Erfolge bescheren wie die politische Einigung. Man sieht, wie sehr
die wirtschaftliche Befreiung der Türkei und ihre Vormachtstellung
in der Region und ihre Erfolge von der Lösung dieses Problems abhängen.
5. Im Zusammenhang mit diesem Prozess wurde besser verstanden, dass die
praktischste Lösung der Kurdenfrage unter den politischen Bedingungen
der Türkei und in ihrem Verfassungsrecht in der Gewährung der
demokratischen und kulturellen Rechte liegt, dass diese Krise so überwunden
werden kann und mit Gewalt nichts mehr zu erreichen ist. (...)
Diese Art der Lösung der Frage wird nicht nur der Konfliktbewältigung
dienen, sondern auch die Gewalt als extrem und nutzlos erscheinen lassen.
Die erlebte Situation hat uns das in ausreichendem Maße gezeigt.
Dass sich die Bevölkerung der Region mit seiner demokratischen und
kulturellen Identität der nationalen Einheit anschließt, bedeutet
zugleich eine stärkere Demokratisierung der Republik. Die freiwillige
Verinnerlichung einer gemeinsamen Heimat und eines gemeinsamen Staates
ist die größte Macht. Die Ängste und Befürchtungen
der Vergangenheit werden so überwunden und das Vertrauen in die Zukunft
unerschütterlich sein.
6. Die demokratische Lösung des Problems, das seit der Gründung
der Republik zu einem Hindernis der Demokratisierung gemacht wurde und
sich weiter verschärfte, wird bei der Demokratisierung der politischen
Struktur der Türkei allgemein eine Schlüsselrolle spielen. (...)
Durch diese Entwicklungen wird es auch möglich werden, ein demokratisches
Verfassungsrecht zu schaffen. Die Demokratisierung der Politik wird sich
sehr schnell in der Demokratisierung des Verfassungsrechtes widerspiegeln.
Die Einheit der Politik und des Rechtes wird der Garant für ein demokratisches
Regime sein.
Kurzum, eine demokratische Lösung des Problems ist der Schlüssel
für die Lösung aller inneren Probleme und damit die Grundlage
für den Erfolg der künftigen Türkei. Die Türkei, die
ihre inneren Probleme auf diese Weise löst, wird die Fähigkeit
erlangt haben, im Ausland einen Sprung nach vorn zu machen.
7. Der demokratische Lösungsweg in Bezug auf den Konflikt und die
Ausweglosigkeit im Inland wird seine Auswirkungen insbesondere auf die
Öffnung nach außen zeigen. Jeder außenpolitische Schritt
der Republik der Türkei, die ihre schweren wirtschaftlichen und politischen
Probleme gelöst hat und eine starke wirtschaftliche und demokratische
Struktur aufweist, wird unvermeidlich Erfolge mit sich bringen. Vor allem
wird die Mitgliedschaft in der EU kein Problem mehr sein und wird sogar
verwirklicht werden. (...)
Schlussfolgerung:
der Prozessverlauf von Imrali kann ein historischer Beginn werden
Der Prozessverlauf
auf Imrali kann, wie in Grundzügen dargelegt, in Bezug auf den Beginn
einer neuen Phase als eine historische Chance bewertet werden. Jede Gesellschaftsordnung
in der Geschichte ging aus einem wichtigen Konflikt hervor. Ich bin davon
überzeugt, dass das Ergebnis dieses Konfliktes und Aufstandes die
demokratische Gesellschaftsordnung der Zukunft sein wird. Es ist unausweichlich,
dass das Beharren auf Konflikt und Ausweglosigkeit die negativen geschichtlichen
Entwicklungen vertiefen wird, und dass eine positive und auf eine Lösung
hin orientierte Haltung die Auseinandersetzung beenden und zu einer Situation
des dauerhaften Friedens und der Brüderlichkeit führen wird.
Aus diesem Grund hat es eine große Bedeutung, dass wir unser Leid
und unsere Verluste nicht zu einem Mittel der Rache, sondern zum Anlass
für eine Lösung und einen Frieden nehmen, und dass wir überlegt
und logisch handeln und somit unsere Verluste und Gewinne richtig bewerten.
Wenn wichtige gesellschaftliche Probleme nicht gelöst werden, dann
führen diese stets zu Leid und Verlusten. Wenn wir uns die Ereignisse
in der Geschichte und in der Gegenwart vor Augen führen, werden wir
viele schwerwiegende Beispiele sehen.
Es ist notwendig und möglich, diesem unter der Führung der PKK
geführten letzten Aufstand, diesem Konflikt, im Lichte der richtigen
Bewertung und der daraus zu ziehenden Lehren von den Aufständen,
die aus einem langem historischen Prozess resultieren und wichtige gesellschaftliche
Ursachen haben, ein tatsächliches "Ende" zu bereiten. (...)
Was ich ab jetzt in meinem Leben machen kann, ist, mit dem starken und
treuen Volk zusammen einen neuen Prozess des Friedens und der Brüderlichkeit
zu schaffen. Es ist von historischer Bedeutung, unser entschlossenes Versprechen
für eine demokratische Republik in diesem Sinne zu bewerten. Ich
werde zweifelsohne die Erfordernisse hierfür erfüllen, soweit
ich die Gelegenheit dazu finde. Die Glaubwürdigkeit meiner Worte
wird sich nur dadurch zeigen, dass dies in der Praxis bewiesen wird. (...)
Der einseitige Waffenstillstand vom 1. September 1998 hat die Zusammenstöße
nicht nur auf 50%, sondern viel mehr gesenkt, weshalb wir im Prozessverlauf
von Imrali ausdrücklich darauf eingingen. Zu dieser Entwicklung kam
es nicht von selbst oder aufgrund der Schwäche. Dies konnte nur durch
eine verantwortungsbewusste Haltung unsererseits und die Erfordernisse
des Beginns eines neuen Prozesses (...) verwirklicht werden. (...)
Auch wenn ich nach Paragraph 125 des Strafgesetzbuches verurteilt werde,
betone ich meine Überzeugung, dass ich in ethischer und politischer
Hinsicht von der Geschichte freigesprochen werde. Ich begrüße
und halte es für eine ehrenhafte und tugendhafte Aufgabe, mich für
einen stolzen und gerechten Frieden in den Dienst der Demokratischen Republik
zu stellen."
* Am 23.
Juni 1999 antwortete Abdullah Öcalan mit einer Zusam-menfassung seiner
Verteidigungsschrift auf das Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft.
Wegen der historischen Bedeutung dieser Rede sind hier Auszüge daraus
dokumentiert.
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