Anhang

Frieden und Demokratie sind möglich
Antwort Öcalans auf das Schlussplädoyer der Staatsanwaltschaft
Eröffnungsrede zum Gerichtsjahr 1999-2000
Dr. Sami Selcuk, Erster Vorsitzender des Kassationsgerichtshofes

Europarat und Todesstrafe
Internationale Reaktionen auf das Todesurteil
Chronologie

 


Internationale Reaktionen auf das Todesurteil

UN: Öcalan-Prozess hat internationale Standards verletzt

Nach Ansicht der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, hat der Prozess gegen Öcalan internationale Standards verletzt. Robinson forderte die türkischen Behörden in Genf auf, Öcalans Recht auf Berufung zu respektieren. Weiterhin zeigte sie sich besorgt, "dass bestimmte Aspekte des Verfahrens gegen Öcalan von internationalen Standards über das Recht auf einen fairen Prozess vor einem unabhängigen und unvoreingenommenen Gericht abwichen". Öcalan sei nach seiner Festnahme entgegen den Bestimmungen auch des türkischen Rechts zehn Tage in Isolationshaft festgehalten worden. Sein Kontakt mit Anwälten sei begrenzt gewesen, und die Anwälte seien bedroht und schikaniert worden, hieß es in der Stellungnahme Robinsons. Die Hochkommissarin stellte auch die Unabhängigkeit der Richter in Frage. (dpa, 29.6.99)
Europarat gegen Hinrichtung Öcalans
Der Europarat hat nach dem Todesurteil die türkische Regierung aufgefordert, von einer Hinrichtung abzusehen. "In der Türkei wurden in den letzten 15 Jahren keine Todesurteile mehr vollstreckt. Wir hoffen, dass das türkische Parlament diese Leistung beibehält", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung des Ministerkomitees der 41 Europaratsländer, des Generalsekretärs Daniel Tarschys und des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung, Lord Russell-Johnston.
Der Europarat forderte die Regierung in Ankara gleichzeitig auf, alle demokratischen Forderungen der Staatenorganisation zu erfüllen, zu denen die Abschaffung der Todesstrafe gehört.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte könnte im Fall einer drohenden Hinrichtung Öcalans mit einem Dringlichkeitsverfahren eine aufschiebende Wirkung des Urteils erzielen. Die Anwälte des PKK-Vorsitzenden könnten sich dazu in erster Linie auf Artikel sechs der Menschenrechtskonvention über ein faires Gerichtsverfahren berufen, sagte ein Sprecher des Gerichtshofes. Darin heißt es, dass jeder Bürger das Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht hat, und über ausreichend Zeit verfügen muss, um seine Verteidigung vorzubereiten.
Der Leiter der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Wolfgang Behrendt hat ebenfalls die Türkei vor einer Vollstreckung des Todesurteils gegen Abdullah Öcalan gewarnt. "Das würde bedeuten, dass wir die Suspendierung der Mitgliedschaft der Türkei im Europarat vornehmen müssten" sagte Behrendt. In einem solchen Falle sei auch ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union völlig ausgeschlossen.
Würde die Türkei dagegen das Todesurteil nicht vollstrecken und "sich um eine Lösung des Kurdenproblems bemühen, dann wäre dies das richtige Signal auch für eine Mitgliedschaft in der EU" betonte Behrendt. In einem solchen Falle solle der Europarat ein Gespräch zwischen Vertretern der türkischen Regierung und der Kurden initiieren, um das Problem zu lösen.
Er warf den europäischen Staaten und ihren Institutionen zugleich Versäumnisse bei der Lösung des Kurdenproblems vor. Ab und zu sei in den vergangenen Jahren ein Auge zugedrückt worden, da wirtschaftliche und militärstrategische Interessen in den Beziehungen zum Nato-Partner Türkei im Vordergrund gestanden hätten, insbesondere für die USA. "Die amerikanische Seite hat schon starken Einfluss genommen", räumte er ein. (dpa und adn, 29.6.99)

Appell aus Brüssel

Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben an die Türkei appelliert, das Todesurteil gegen Öcalan auszusetzen. Parlamentspräsident Gil-Robles forderte den Präsidenten des türkischen Parlaments, Akbulut, auf, sich einer Bestätigung des Urteils zu verweigern. Das Europäische Parlament sei stets gegen die Todesstrafe eingetreten, und das Recht auf Leben gelte auch für Kurdenführer Öcalan. Die Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, die britische Abgeordnete Green, warnte vor schwerwiegenden politischen Auswirkungen auf das Verhältnis zur EU. Eine Vollstreckung des Todesurteils verstoße gegen die Verpflichtungen aus der türkischen Mitgliedschaft im Europarat und die auch von der Türkei unterzeichnete Europäische Menschenrechtskonvention. Der für die EU-Außenbeziehungen verantwortliche Kommissar van den Broek bekräftigte, dass die EU die Todesstrafe grundsätzlich ablehne. Die Gemeinschaft setze fest darauf, dass die Türkei diese Haltung im weiteren Verfahren berücksichtigen werde. (AFP, 29.6.99; FAZ, 30.6.99)

Die Präsidentschaft der EU zum Urteil gegen Öcalan

"Die Präsidentschaft der Europäischen Union nimmt zur Kenntnis, dass das Staatssicherheitsgericht Ankara Abdullah Öcalan am 9. Juni 1999 zum Tode verurteilt hat. Die Präsidentschaft bekräftigt ihre bekannte Position, dass sie die Todesstrafe grundsätzlich und unabhängig von der Person des Angeklagten oder der Straftat, deren er überführt wurde, ablehnt.
Die Präsidentschaft verleiht ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Türkei der seit 15 Jahren stets geübten Praxis folgt und das Todesurteil gegen Abdullah Öcalan nicht vollstreckt. Im Lichte der erklärten Absicht der Türkei, Mitglied der Europäischen Union werden zu wollen, sollte beachtet werden, dass die Nichtanwendung der Todesstrafe zu den gemeinsamen Werten (...) der Europäischen Union gehört." (Pressereferat - Auswärtiges Amt, 29.6.99)
Bundesregierung: Todesurteil verbaut Türkei Weg in EU
Die Bundesregierung will alles ihr Mögliche tun, um die Vollstreckung eines möglichen Todesurteils gegen Öcalan zu verhindern. Sie werde den Fortgang des Prozesses und die Haftbedingungen Öcalans weiterhin mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. Bundesinnenminister Otto Schily warnte unterdessen in einem Gespräch mit der Berliner Morgenpost, ein Todesurteil gegen den Kurdenführer würde einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union erschweren. Die Regierung in Ankara solle die durch die aktuelle Lage gebotene historisch einmalige Chance nutzen, das Kurdenproblem in einer friedlichen Form zu lösen.
Weiterhin sagte Schily, dass "die Bundesregierung sich mit Kräften dafür engagiere, dass die Türkei eine europäische Perspektive hat. Diese Bemühungen würden erheblich beeinträchtigt, wenn sich die Türkei beim Thema Todesstrafe taub stellt. Das Interesse der Türkei sollte sein, die Tür zu Europa nicht zuzuschlagen". (AFP, 23.6.99)

USA: "Öcalan ist ein Terrorist"

Nach Darstellungen des Sprechers des Weißen Hauses, Joe Lockhart, sei Öcalan ein internationaler Terrorist, der zur Verantwortung gezogen werden sollte. Im Außenministerium bescheinigte Sprecher James Rubin der Türkei, der Prozess sei ordentlich verlaufen. Die Todesstrafe sei im übrigen eine innertürkische Angelegenheit.
Dennoch wird der Öcalan-Prozess in Washington gleichfalls als eine Gelegenheit für die türkische Regierung gesehen, den Dialog mit den Kurden zu suchen und die Menschenrechte für alle zu stärken. Für die USA sei Öcalan kein Freiheitskämpfer. An seiner Festnahme in Nairobi waren sie nicht unbeteiligt. Über vier Monate lang, so schilderten anonym bleibende Regierungsbeamte in der US-Presse, habe Washington die Spur Öcalans verfolgt, der am 9. Oktober 1998 unter türkischem und amerikanischem Druck seinen "sicheren Hafen" Syrien verlassen musste. (dpa, 30.6.99)
Britische Regierung: In lebenslange Haft umwandeln
Die britische Regierung hat die Türkei aufgefordert, das Todesurteil in lebenslange Haft umzuwandeln, sofern es auch nach einer Berufungsverhandlung bestehen bleibt.
"Die Haltung der Regierung zur Todesstrafe ist wohlbekannt. Wir und die EU werden weiterhin darauf dringen, dass alle Todesurteile einschließlich des jetzt verhängten in lebenslange Haft umgewandelt werden", sagte ein Sprecher von Premierminister Tony Blair. Zuvor allerdings müsse der Rechtsweg erschöpft sein. Die Regierung in London gehe davon aus, dass nach der Verhängung der Todesstrafe automatisch eine Berufungsverhandlung folge. Das Urteil sei "eine Angelegenheit der türkischen Behörden". (dpa, 29.6.99)

Frankreich: Öcalan-Prozess ist eine "Parodie"

Der Präsident des außenpolitischen Ausschusses der franzö-sischen Nationalversammlung, Jack Lang, hat den Prozess gegen Abdullah Öcalan als "Parodie" bezeichnet. Der Prozess habe bewiesen, dass die Türkei kein Rechtsstaat ist, sagte Lang. Das Todesurteil werde von den Kurden als "Beleidigung und Provo-kation" empfunden werden. Das Verfahren habe in keiner Weise ermöglicht, das "tragische Schicksal der kurdischen Bevölkerung in der Türkei zu erwähnen". Der ehemalige Kulturminister legte Ankara "eine große Geste zugunsten von Frieden und Aussöhnung" nahe. Nach seinen Vorstellungen könnte am 'runden Tisch' vereinbart werden, dass die Kurdengruppen auf Gewalt verzichten und die türkische Regierung sich im Gegenzug zu einem Autonomiestatut für die Kurden verpflichtet. (AFP, 29.6.99)

Schweiz bestellt türkischen Botschafter ein

Der Schweizer Außenminister Joseph Deiss hat nach dem Urteil gegen Öcalan den türkischen Botschafter Tümer ins Außenministerium einbestellt. Die Türkei sei als Mitglied des Europarates gehalten, die Hinrichtung nicht zu vollziehen, sagte Deiss. Die Schweiz erwarte den Verzicht auf die Urteilsvollstreckung. Die Regierung in Bern hat das Todesurteil gegen Öcalan mit "größter Besorgnis" zur Kenntnis genommen. Die Hinrichtung Öcalans würde in der Türkei und im übrigen Europa eine neue Steigerung der Gewalt auslösen und nicht zur friedlichen Lösung der Kurdenfrage beitragen, hieß es in einer Erklärung. (dpa, 29.6.99)