Presseerklärung
St. Pauli-Hafenstrasse:
Kretschmer? Nein, danke.
Mit unserer Besetzung 1981 platzten wir in eine schon seit Ende der 60er Jahre geplante und in der Umsetzung befindliche Umstrukturierung der Hansestadt.
St. Pauli wurde damals der Innenstadt-Erweiterung zugeschlagen. Die Hafenrandstraße wurde gebaut und schneidet seitdem den Stadtteil vom Wasser ab. Eine lärmende Autobahn, die bei Bedarf für kommerzielle Großveranstaltungen gesperrt wird. Momentan wird der Hafenrand bis Altona repräsentativ aufgemotzt. Büros und Lofts für Start-Ups. Leben und Arbeiten mit Elbblick. Das wollen natürlich viele und können sich nur wenige leisten.
Derart elitäre Stadtverplanung war uns schon immer ein Greuel und ist es noch. Es war ein harter Kampf, sozialen Wohnungsbau in St. Pauli-Süd am Elbrand zu erhalten bzw. weiter auszubauen. Und es ist immer noch ein hartes Ringen um kleinste Konzessionen. Das wird am Park Fiction Projekt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft deutlich.
Damals haben wir den Wunsch von einem anderen Leben in dieser Stadt formuliert und uns damit hier behauptet. Heute sind wir in St.- Pauli-Süd etabliert. Viele Beziehungen sind in gemeinsamen Kämpfen und Initiativen gewachsen. Der Kampf um den Erhalt des Hafenkrankenhauses, Initiativen der Strassensozialarbeit, das Millerntorfestival, der Alltag waren Orte, an denen sie entstanden sind. Früher tituliert als der größte Schandfleck der Stadt, sanieren wir seit 1999 unsere Häuser, bestaunt und belächelt. Die renitenten Kinder von einst sind jetzt so beschäftigt, daß der Senat wieder eine Provokation wagen kann. Eine etwas andere Baustelle ist dieser Ort jedoch nach wie vor.
Wieder einmal haben die Behörden kommunales Eigentum ohne angemessene öffentliche Erörterung an einen privaten Investor veräußert. Für die Kasematten gab es durchaus andere Nutzungskonzepte, die im Quartier Unterstützung gefunden hätten. Im Hamburger Bewußtsein ist St. Pauli nach wie vor der Arsch der Stadt. Gut genug, Milliarden an Dom, Puffs, Bars, Spielhallen, Theatern und allem was dranhängt zu verdienen sowie sich dort zu vergnügen. Jedoch zu schade, um die Kohle zu investieren, die hier gebraucht wird für eine andere Entwicklung.
Statt dessen hat die Stadt mit ihrer Media-Night in nunmehr Klaus-Martin Kretschmers Kasematten den Belagerungszustand wieder eingeführt.
BewohnerInnen der St. Pauli-Hafenstraße 126 wurden von einem massiven Polizeiaufgebot daran gehindert, ihr Haus zu betreten oder zu verlassen. Selbst der Aufenthalt auf den Stufen vor der Haustür wurde untersagt. Zur Begründung wurde das SOG angeführt - "Gefahr im Verzug". Im Verlauf des Abends kam es zu einem Prügeleinsatz, bei dem zwei unserer Mitbewohner in Gewahrsam genommen wurden, die sich auf unserem Grundstück befanden.
Die Härte dieses Abends hat demonstriert, wie die Stadt ihre wirtschaftlichen- und Imageinteressen hier schützen will.
Der neue Besitzer hatte sich ebenfalls als Axt im Walde vorgestellt. Unter Polizeischutz wurden eine Reihe Bäume gefällt und Gebüsch beseitigt.
Eine Massnahme, die der Davidswache ganz gelegen kam. So gibt es weniger Verstecke für die Betroffenen der alltäglichen rassistischen Polizeipraxis. Auf der Balduintreppe und um die Häuser werden Menschen anderer Hautfarbe oder Nationalität systematisch verfolgt, kontrolliert, festgenommen oder des Platzes verwiesen. Das betrifft sowohl Bewohner aus den Häusern und dem Quartier als auch Gäste. Anlaß ist der Generalverdacht, mit Rauschmitteln seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder auf Grund beschränkter Aufenthaltserlaubnis gegen das Ausländerrecht zu verstossen.
Wir wissen, dass nach wie vor ein Haufen Bezirksfürsten und SenatorInnen der Ansicht sind, sie definieren mit einigen Investoren, ExpertInnen und PolitikerInnen das Wohl der Stadt.
Da sagen wir laut NEIN.
Wenn es eine Lehre aus unserem Kampf gibt, dann diese: Es ist anders möglich, als ihr denkt.
In unseren Augen sind Herrn Kretschmer und seine Kompagnons Schnacker. Sie haben bemerkenswert schnell vorgeführt, dass Ihnen Fingerspitzengefühl, Einsicht, Kompetenz und Interesse für Stadtteilverträglichkeit fehlt.
Klaus-Martin Kretschmer ist nicht der geeignete Mann für die Kasematten — weder als Nutzer noch Eigentümer.
Wir fordern:
Der Verkauf der Kasematten an Kretschmer ist rückgängig zu machen.
Öffentliche Diskussion um eine stadtteilgerechte Nutzung.
Keine öffentlichen Grünflächen in private Nutzung - weder hier noch anderswo.
Die öffentlichen Grünflächen vor unseren Häusern sind Teil der Park Fiction.
Park Fiction subito!
Hände weg von der Roten Flora!
Platzverweis für die Davidswache!
Legalize it!
Abschaffung der Landkreisbeschränkungen (Residenzpflicht) für Asylsuchende!
19.06.2001, St. Pauli-Hafenstrasse